Eigentlich hätte ich mich an diesem Wochenende in der Nordwand des Hochfeilers oder der Minnigeroderinne am Ortler befinden sollen. Doch Mittwochnachmittag wurden die Pläne kurz vor der Abfahrt durchkreuzt. Richards Urlaub für den Brückentag war nicht genehmigt worden und ein kurzfristiger Arbeitstermin machte alle Hoffnungen auf die ersehnte Schneestapferei zunichte. Das Selbstmitleid wehrte allerdings nur kurz. Wir nutzten den Feiertag und das Wochenende fürs Klettern im heimischen Elbsandsteingebirge und es war sogar noch ein wenig Zeit über, endlich den mehrfach versprochenen Bericht über unsere Tour auf die Weißkugel fertigzustellen. Also in diesem Sinne: Viel Spaß beim Betrachten von Text und Bild. Ich hoffe, dass die weiße Pracht keine Wehmut hervorruft
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Wir verlassen das kleine Wäldchen und blicken den großen, offenen Talkessel hinauf. Soeben hat sich die Sonne über die steil abfallenden Felswände zu unserer Rechten gekämpft. Nach und nach beginnt nun die gesamte weiße Winterlandschaft zu erstrahlen. Wir hätten es uns daheim vom Schreibtisch nicht schöner ausmalen können. Der Winter hat endlich mal wieder ganze Arbeit geleistet – überall Schnee in Hülle und Fülle. In ruhigem Tempo gleiten unsere Skier über die noch hart gefrorene Schneedecke gleichmäßig bergan. Wir folgen einer zarten Spur, welche anfangs noch breit vorauseilte, nun aber immer schwächer wird, bis sie sich bald ganz verliert. Als wir noch am Parkplatz gefrühstückt hatten, waren bereits zahlreiche andere Tourengeher am Glieshof im hintersten Matschertal gestartet. Nach und nach sind diese aber rechts oder links in die steilen Hänge abgebogen, sodass wir bald ganz allein unserem Ziel entgegen steigen. Wenig später rauschen nochmal drei Tourengeher während ihrer Abfahrt an uns vorbei – dann kehrt Ruhe ein. Den weiteren Weg werden wir bis zu unserer Rückkehr im Tal ganz für uns allein haben.
Die monotone Fortbewegung lässt mich immer wieder in Gedanken versinken. Leistung oder Erleben. Ich bekomme sie nicht aus dem Kopf, diese drei kleinen Wörter. Placebois"Thread" und die sich daraus entwickelnde Diskussion hat sich mir eingebrannt. Dabei sind es vor allem Manfreds (alias Tauernfuchs) Worte, die haften geblieben sind: „Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie hoch oder wie schwierig man steigt, aber darauf, was man an Erleben heim bringt. Eine kreative, selbstständige Tourenplanung ist aber ein wesentlicher Beitrag dazu.“
Indem ich darüber wiederholt nachdenke, bleibt mir in diesem Moment nichts als Zustimmung. Als mich Richard gefragt hatte, was ich mir für das Wochenende so vorgestellt habe, lautete meine Antwort: „Bei den Verhältnissen sollte es n 3500er schon sein.“ Ich wollte was Zählbares mitnehmen, einen großer Berg mit stattlichem Namen – am besten mit Begehung einer düsteren Nordwand. Wofür habe ich mich denn auch den ganzen Winter über fit gehalten? Alpin ging sich noch nicht viel aus. Mitte Januar waren wir in den Kitzbühler Alpen bei stürmischem Wind in 60-80cm Neuschnee versunken, dann gabs noch ein paar Mal Höhenmetersammeln beim Pistengehen – das waren die Highlights auf Skiern.
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Einem Vergleich mit den Vorjahren könnte 2018 bisher nicht standhalten. Da kam die Weißkugel – immerhin dritthöchster Berg Österreichs – gerade recht; ein Gipfel, mit dem wir ohnehin noch eine Rechnung offen hatten…(Beinah) Auf die Weißkugel (3739m) - 05./06.Dezember 2015
Während ich diese Gedankengänge rekapituliere, bleibt mir nur spöttisches Kopfschütteln übrig. Welch einfältige Überlegungen, getrieben vom Leistungsdenken. Und doch muss ich lächeln, denn just in diesem Moment könnte nichts nebensächlicher sein als der Anspruch des Leistens. Die intuitive Bewegung des Körpers, die frische Luft in den Lungen, der schwere Rucksack auf dem Rücken, die warme Frühlingssonne im Gesicht, die einmalige Landschaft ringsherum…es ist diese volle Wucht des Erlebens, die glücklich macht. Dass fernab irgendwo die Weißkugel auf uns wartet, erscheint da beinah nebensächlich.
Durch ein fernes Donnern werde ich aus den Gedanken gerissen. Vor uns an der Felswand rauscht durch eine steile Rinne eine kleine Lawine in die Tiefe. Es geht auf die Mittagszeit zu. Die Sonneneinstrahlung und Wärme machen sich nun immer mehr bemerkbar. Das ist erst der Anfang gewesen. Auf unserem Aufstiegsweg sind wir zwar vergleichsweise sicher, doch wird es dennoch Zeit, dass heutige Tagesziel zu erreichen. Mühsam steigen wir weiter über einen steilen, felsdurchsetzten Moränenrücken. Dann sind wir da.
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Auf einer kleinen Felsinsel (auf ca. 2800m), die aus dem Schnee heraussticht, lasse ich meinen Rucksack fallen. Im Nu ist das Zelt aufgebaut, die nassen Sachen trocknen in der Sonne und Richard beginnt, fleißig Schnee zu schmelzen. Bald strömt frischer Kaffeeduft aus der Thermoskanne. Dazu gibt’s Kekse und Wiener. Zufriedenheit macht sich breit.
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Hinter unserem Rücken schaut die eindrucksvolle Weißkugel heraus.
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Ja, ein kleineres Ziel hätte es sicher auch getan. Bei allem Ehrgeiz sind wir aber doch unserem Credo des aktiven Erlebens gefolgt. Natürlich kann man die Weißkugel vom Tal aus auch in einem Tag machen – wenngleich es dann ein besonders anstrengender wird. Uns gings bei der Planung aber nicht ums schnelle Abhaken der Tour, vielmehr wollten wir die wenige Zeit, die wir in den Alpen verbringen können, möglichst intensiv erleben. Dazu hätte man natürlich auch eine andere Route wählen können – mehr Komfort bieten die „Schöne-Aussicht-Hütte“ oder das „Hochjochhospiz“ als Unterkünfte allemal. Für uns war aber wieder der Reiz des Abenteuers größer. Eine warme Stube, ein pünktlich serviertes Abendessen und dazu ein großes Weißbier haben gewiss ihren Reiz, doch vor dem Zelt sitzend die frisch gekochten Nudeln zu schlürfen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages aufzusaugen, bevor wieder die eisige, abendliche Kälte unter die Jacke kriecht, das macht so eine Tour erst zum richtigen Erlebnis.
Und so sitzen wir den ganzen Nachmittag auf unserer kleinen Insel, denken an nichts als das Hier und Jetzt und lassen die Zeit an uns vorbeiziehen. Müßiggang von seiner schönsten Seite – Nichtstun als Erlebnis.
DSCF3597.JPG
Am nächsten Morgen um 4.40Uhr klicken die Bindungen und es geht raus in die Nacht. Nach einer kurzen Abfahrt im schwachen Stirnlampenlicht, die alle Müdigkeit im Nu vertreibt, stehen wir am Fuße des Matscherferners. Wir seilen uns an, auch wenn alle Spalten tief verschneit sind. Man weiß ja nie. Von nun an geht es bis zum Gipfel der Weißkugel immer bergauf. Schnell finden wir unseren Rhythmus und steigen gleichmäßig der Dämmerung entgegen. Sekunden und Minuten verstreichen, während sich die Ski über die hartgefrorene, knackende Schneedecke schieben. Das Zeitgefühl geht verloren.
In der Schwärze der Nacht leben die alten Gedanken wieder auf: Leistung oder Erleben. Was sich auf den ersten Blick nach einem Gegensatz anhört, muss sich nicht ausschließen. Ich habe viel trainiert die vergangenen Monate – manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Mal war mehr Überwindung nötig, mal weniger. Doch nun zahlt es sich aus. Alles geht so wunderbar leicht voran. Wir sind zügig unterwegs, doch der Puls bleibt niedrig und die Oberschenkel verrichten treu ihren Dienst – auch in der steiler werdenden Gletscherflanke kein Hauch von Erschöpfung. So bleibt genügend Energie, um die Schönheit der Szenerie in sich aufzusaugen.
Nach zwei Stunden erreichen wir das Hintereisjoch – weit und breit keine Menschenseele in Sicht.
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DSCF3603.JPG
Während wir auf Harscheisen umsteigen und uns mit heißem Tee etwas aufwärmen, geht am Horizont die Sonne auf. Das sind die Momente, wofür man in die Berge geht.
DSCF3606.jpg
DSCF3608.jpg
Wir sind liegen sehr gut in der Zeit, doch die Pause lassen wir kurz ausfallen. Der Wind hat hier oben arg zugenommen und lässt im Nu die kalten Finger taub werden. Der Hang ist eisig und pickelhart gefroren, jede Spitzkehre wird zum artistischen Balanceakt. Als sich die Flanke zurücklegt, wartet nur noch die letzte Hürde – der ein wenig ausgesetzte aber gut ausgetretene Gipfelgrat.
DSCF3610.jpg
DSCF3611.jpg
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Wir verlassen das kleine Wäldchen und blicken den großen, offenen Talkessel hinauf. Soeben hat sich die Sonne über die steil abfallenden Felswände zu unserer Rechten gekämpft. Nach und nach beginnt nun die gesamte weiße Winterlandschaft zu erstrahlen. Wir hätten es uns daheim vom Schreibtisch nicht schöner ausmalen können. Der Winter hat endlich mal wieder ganze Arbeit geleistet – überall Schnee in Hülle und Fülle. In ruhigem Tempo gleiten unsere Skier über die noch hart gefrorene Schneedecke gleichmäßig bergan. Wir folgen einer zarten Spur, welche anfangs noch breit vorauseilte, nun aber immer schwächer wird, bis sie sich bald ganz verliert. Als wir noch am Parkplatz gefrühstückt hatten, waren bereits zahlreiche andere Tourengeher am Glieshof im hintersten Matschertal gestartet. Nach und nach sind diese aber rechts oder links in die steilen Hänge abgebogen, sodass wir bald ganz allein unserem Ziel entgegen steigen. Wenig später rauschen nochmal drei Tourengeher während ihrer Abfahrt an uns vorbei – dann kehrt Ruhe ein. Den weiteren Weg werden wir bis zu unserer Rückkehr im Tal ganz für uns allein haben.
Die monotone Fortbewegung lässt mich immer wieder in Gedanken versinken. Leistung oder Erleben. Ich bekomme sie nicht aus dem Kopf, diese drei kleinen Wörter. Placebois"Thread" und die sich daraus entwickelnde Diskussion hat sich mir eingebrannt. Dabei sind es vor allem Manfreds (alias Tauernfuchs) Worte, die haften geblieben sind: „Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie hoch oder wie schwierig man steigt, aber darauf, was man an Erleben heim bringt. Eine kreative, selbstständige Tourenplanung ist aber ein wesentlicher Beitrag dazu.“
Indem ich darüber wiederholt nachdenke, bleibt mir in diesem Moment nichts als Zustimmung. Als mich Richard gefragt hatte, was ich mir für das Wochenende so vorgestellt habe, lautete meine Antwort: „Bei den Verhältnissen sollte es n 3500er schon sein.“ Ich wollte was Zählbares mitnehmen, einen großer Berg mit stattlichem Namen – am besten mit Begehung einer düsteren Nordwand. Wofür habe ich mich denn auch den ganzen Winter über fit gehalten? Alpin ging sich noch nicht viel aus. Mitte Januar waren wir in den Kitzbühler Alpen bei stürmischem Wind in 60-80cm Neuschnee versunken, dann gabs noch ein paar Mal Höhenmetersammeln beim Pistengehen – das waren die Highlights auf Skiern.
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Einem Vergleich mit den Vorjahren könnte 2018 bisher nicht standhalten. Da kam die Weißkugel – immerhin dritthöchster Berg Österreichs – gerade recht; ein Gipfel, mit dem wir ohnehin noch eine Rechnung offen hatten…(Beinah) Auf die Weißkugel (3739m) - 05./06.Dezember 2015
Während ich diese Gedankengänge rekapituliere, bleibt mir nur spöttisches Kopfschütteln übrig. Welch einfältige Überlegungen, getrieben vom Leistungsdenken. Und doch muss ich lächeln, denn just in diesem Moment könnte nichts nebensächlicher sein als der Anspruch des Leistens. Die intuitive Bewegung des Körpers, die frische Luft in den Lungen, der schwere Rucksack auf dem Rücken, die warme Frühlingssonne im Gesicht, die einmalige Landschaft ringsherum…es ist diese volle Wucht des Erlebens, die glücklich macht. Dass fernab irgendwo die Weißkugel auf uns wartet, erscheint da beinah nebensächlich.
Durch ein fernes Donnern werde ich aus den Gedanken gerissen. Vor uns an der Felswand rauscht durch eine steile Rinne eine kleine Lawine in die Tiefe. Es geht auf die Mittagszeit zu. Die Sonneneinstrahlung und Wärme machen sich nun immer mehr bemerkbar. Das ist erst der Anfang gewesen. Auf unserem Aufstiegsweg sind wir zwar vergleichsweise sicher, doch wird es dennoch Zeit, dass heutige Tagesziel zu erreichen. Mühsam steigen wir weiter über einen steilen, felsdurchsetzten Moränenrücken. Dann sind wir da.
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Auf einer kleinen Felsinsel (auf ca. 2800m), die aus dem Schnee heraussticht, lasse ich meinen Rucksack fallen. Im Nu ist das Zelt aufgebaut, die nassen Sachen trocknen in der Sonne und Richard beginnt, fleißig Schnee zu schmelzen. Bald strömt frischer Kaffeeduft aus der Thermoskanne. Dazu gibt’s Kekse und Wiener. Zufriedenheit macht sich breit.
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Hinter unserem Rücken schaut die eindrucksvolle Weißkugel heraus.
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Ja, ein kleineres Ziel hätte es sicher auch getan. Bei allem Ehrgeiz sind wir aber doch unserem Credo des aktiven Erlebens gefolgt. Natürlich kann man die Weißkugel vom Tal aus auch in einem Tag machen – wenngleich es dann ein besonders anstrengender wird. Uns gings bei der Planung aber nicht ums schnelle Abhaken der Tour, vielmehr wollten wir die wenige Zeit, die wir in den Alpen verbringen können, möglichst intensiv erleben. Dazu hätte man natürlich auch eine andere Route wählen können – mehr Komfort bieten die „Schöne-Aussicht-Hütte“ oder das „Hochjochhospiz“ als Unterkünfte allemal. Für uns war aber wieder der Reiz des Abenteuers größer. Eine warme Stube, ein pünktlich serviertes Abendessen und dazu ein großes Weißbier haben gewiss ihren Reiz, doch vor dem Zelt sitzend die frisch gekochten Nudeln zu schlürfen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages aufzusaugen, bevor wieder die eisige, abendliche Kälte unter die Jacke kriecht, das macht so eine Tour erst zum richtigen Erlebnis.
Und so sitzen wir den ganzen Nachmittag auf unserer kleinen Insel, denken an nichts als das Hier und Jetzt und lassen die Zeit an uns vorbeiziehen. Müßiggang von seiner schönsten Seite – Nichtstun als Erlebnis.
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Am nächsten Morgen um 4.40Uhr klicken die Bindungen und es geht raus in die Nacht. Nach einer kurzen Abfahrt im schwachen Stirnlampenlicht, die alle Müdigkeit im Nu vertreibt, stehen wir am Fuße des Matscherferners. Wir seilen uns an, auch wenn alle Spalten tief verschneit sind. Man weiß ja nie. Von nun an geht es bis zum Gipfel der Weißkugel immer bergauf. Schnell finden wir unseren Rhythmus und steigen gleichmäßig der Dämmerung entgegen. Sekunden und Minuten verstreichen, während sich die Ski über die hartgefrorene, knackende Schneedecke schieben. Das Zeitgefühl geht verloren.
In der Schwärze der Nacht leben die alten Gedanken wieder auf: Leistung oder Erleben. Was sich auf den ersten Blick nach einem Gegensatz anhört, muss sich nicht ausschließen. Ich habe viel trainiert die vergangenen Monate – manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Mal war mehr Überwindung nötig, mal weniger. Doch nun zahlt es sich aus. Alles geht so wunderbar leicht voran. Wir sind zügig unterwegs, doch der Puls bleibt niedrig und die Oberschenkel verrichten treu ihren Dienst – auch in der steiler werdenden Gletscherflanke kein Hauch von Erschöpfung. So bleibt genügend Energie, um die Schönheit der Szenerie in sich aufzusaugen.
Nach zwei Stunden erreichen wir das Hintereisjoch – weit und breit keine Menschenseele in Sicht.
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Während wir auf Harscheisen umsteigen und uns mit heißem Tee etwas aufwärmen, geht am Horizont die Sonne auf. Das sind die Momente, wofür man in die Berge geht.
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Wir sind liegen sehr gut in der Zeit, doch die Pause lassen wir kurz ausfallen. Der Wind hat hier oben arg zugenommen und lässt im Nu die kalten Finger taub werden. Der Hang ist eisig und pickelhart gefroren, jede Spitzkehre wird zum artistischen Balanceakt. Als sich die Flanke zurücklegt, wartet nur noch die letzte Hürde – der ein wenig ausgesetzte aber gut ausgetretene Gipfelgrat.
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