140 Meter, 6. Schwierigkeitsgrad, großteils im oberen 5. Grad (auf der klassischen Line 4+ obl., sonst 6 obl.)
Liebe FreundInnen des Weningerturms und der alten vergessenen Klettertouren!
Die Schillerkante am Weningerturm wurde 1967 von E. Löffler, J. Altenburger und dem Großmeister der damaligen Kletterszene, Karl Kosa erstbegangen.
Weningerturm Südwand.JPG
Der Weningerturm, an der linken Begrenzung verläuft die obere Hälfte der Schillerkante
Für mich rückt diese Tour in den Fokus, als ich bei der Sanierung des Herbertsteiges immer an riesengroßen, roten Buchstaben am Wandfuß vorbeimarschierte, die zwar nicht mehr lesbar, aber dennoch unzweifelhaft auf die Schillerkante hinweisen.
In der Literatur finden sich Beschreibungen die mit „kaum mehr begangen“ beginnen, sich über „teilweise brüchig“ weiterhanteln und schlussendlich bei „wenig lohnend“ ihr Finale finden. Eine Tour mit solchen Attributen und noch dazu aus meinem Geburtsjahrgang – das muss doch was für mich sein (zumal ich in einer Tourenbeschreibung einmal „die Meisterklasse der angewandten Erd- und Steinbewegung“ genannt wurde ).
Natürlich schiele ich schon während unserer Besuche beim Herbert regelmäßig Richtung Schillerkante, mein Hauptproblem ist vorerst, dass sich die Routenbeschreibungen in der Literatur nicht wirklich mit dem vorgefundenen Gelände decken – das sind eher freie Interpretationen der tatsächlichen Route.
Und was ich noch in Erfahrung bringen kann:
1. Es wird immer wieder einmal zwischen „unterer“ und „oberer“ Schillerkante unterschieden, als ob es kein Dazwischen gäbe (soviel sei vorweggenommen: das originale Dazwischen war auch nicht sehr einladend, es sei denn, man liebt erdige Steilrinnen im 2. Grad.).
2. Die Tour ist in der Literatur als 5+ Route beschrieben. Wer die harten Bewertungen und die teils sehr weiten Hakenabstände von Karl Kosa kennt, weiß jetzt schon, dass da Überraschungen auf mich warten werden. Eine Erzählung im Vorfeld hat durchaus vom Strickleiter-Einsatz an schweren Stellen gesprochen, was auch die seltsam anmutende Platzierung mancher Schlaghaken erklären würde.
Fassen wir mal die bisherigen Fakten kurz zusammen:
Eine klassische Tour, streng bewertet, mit eher unattraktivem Mittelteil, die noch dazu eine Seillänge unter dem Gipfel des Weningerturms endet und dann den Weningersteig weiter verfolgt.
Ich kontaktiere Karl Kosa und vereinbare mit ihm die Rahmenbedingungen der Sanierung bzw. einer eventuellen Erweiterung:
Überall dort, wo alte Schlaghaken stecken, ersetze ich diesen durch einen BH.
Überall dort, wo es ausreichend kräftige Bäume gibt, lege ich eine fixe Baumschlinge.
Überall dort, wo man leicht und sicher ein Klemmgerät unterbringen kann, verzichte ich auf BH.
Und überall dort, wo gar nichts an Sicherungen vorhanden ist, wo es aber gefährlich werden kann, setze ich einen zusätzlichen BH.
Das Schöne an Kanten- bzw. Grattouren ist, dass sich weniger Gras und Erde im Fels festsetzen können als in Wänden, d.h. die große Grabungsarbeit ist diesmal nicht ganz so groß ausgefallen. Klar gab es genug lose Blöcke, aber die Felssubstanz an der Schillerkante ist grundsätzlich sehr gut bis exzellent.
Ich seile mich also für eine erste Erkundung einmal vom letzten Stand des Weningersteiges in die Schillerkante ab und staune nicht schlecht, als ich jede Menge Schlaghaken in geringen Abständen finde. Nichtsahnend markiere ich diese Haken einmal, damit ich später beim Einbohren die Route gut finden kann.
Dann rächen sich aber mein mangelhaftes Literaturstudium bzw. die nicht ganz zutreffenden Beschreibungen:
Ich bohre entlang der markierten Hakenreihe gleich ein paar solide BH ein und wundere mich ein bisschen, dass das als 5+ durchgehen soll. Weiters wundere ich mich drüber, dass viele dieser Haken nur ein paar Zentimeter im Fels stecken und oftmals nach unten verbogen sind – da werden doch nicht meine Vorgänger die Route „hinaufgestürzt“ sein? Erst als die ominöse Hakenreihe vorerst im Nichts endet bzw. im Nichts beginnt und der Fels darunter in wilden, gelbbrüchigen und weitausladenden Überhängen abbricht, beschleicht mich eine leise Vorahnung,. dass ich hier falsch sein könnte. Da hänge ich also mitten in einer senkrechten Wand mit fast 70 Meter Luft unter dem Hintern, über mir sinnlos eingebohrte Haken und unter mir das gelbe Nichts... Dass ich da irgendwie trotzdem runter komme (obwohl mir beim Abseilen durch die gelben Überhänge ganze Teile davon um die Ohren fliegen) verbuche ich als lebenslanges Lernen...
Schillerkante alter Haken.JPG
Mittlerweile glaube ich zu wissen, dass ich da in einer alten, nie publizierten Technotour gelandet bin...
...obwohl beim näheren Hinschauen kann ich mitten im gelben Nichts eine graue Felslinie erkennen...
...die könnte doch ganz guten Fels haben...
...gelber Fels muss am Weningerturm nicht zwangsläufig brüchig bedeuten....
...das wäre doch was zum Einrichten, wenn ich mit der Schillerkante fertig bin...
...eingebohrt wären ja auch schon ein paar Meter...
...und vielleicht geht das auch in freier Kletterei...
egal, wenden wir uns wieder unserem aktuellen Thema zu:
Diesmal habe ich erstaunlicherweise keine 14 Tage in die Einrichtung der Tour verwenden müssen, nach „nur“ fünf Arbeitstagen war aus der alten Schillerkante eine „Neue Schillerkante“ geworden, mit einer Verlängerung nach unten um rund 10 Meter, zwei neuen Seillängen (2. und 3. – jetzt ganz ohne erdige Bruchrinnen im 2. Grad) im Mittelteil, einer gut abgesicherten 4. SL in der originalen Linie und einer Verlängerung nach oben um gute 15 Meter bevor die „Neue Schillerkante“ dann endgültig wieder in den Weningersteig übergeht. Die Tour ist damit viel homogener geworden, die Schwierigkeit habe ich leicht nach oben korrigiert.
Schauen wir uns die „Neue Schillerkante“ einmal gemeinsam an:
Schillerkante_Linie.JPG
Die erste Seillänge startet bei der eingangs erwähnten großen roten Aufschrift am Wandfuß (mittlerweile durch ein Einstiegschildchen ergänzt und somit lesbar).
Einstiegstafel Neue Schillerkante.JPG
Die original Linie ist entweder von links kommend über ein schrofiges Band zum alten Einstiegshaken gequert oder hat sich der steilen und kurzen Verschneidung bedient, über die jetzt die Tour „Heimaterde“ führt. Wenn man den (geputzten) Einstiegsblock direkt über die Standhaken klettert und nicht das arme kleine Bäumchen als Griff benutzt, dann ist das eine ziemlich knackiger Beginn mit 5+/6-.
1. SL Neue Schillerkante neuer Einstieg 5+.JPG
image_570981.jpg
Das darauffolgende, wasserzerfressene und wunderschön raue Wandl (2 BH) bietet sehr schöne Wandkletterei mit ein bisschen Spreizen (5). Dann kurz durchs Gemüse an den Fuß eines ausgesprochen tollen Plattenpfeilers mit sehr kompaktem Henkelfels, hier gerade hinauf.
1. SL Neue Schillerkante toller Plattenpfeiler.JPG
1. SL Neue Schillerkante kurz vor dem Stand.JPG
Nach dem ersten Baum mit Schlinge um die Kante nach rechts queren und gerade weiter. Standplatz in einer Nische mit einem Klebehaken (die Klebehaken stammen von einem früheren, aber nie vollendeten Sanierungsprojekt) und einem BH. Dort ist auch noch ein sehr massiver Ringhaken mit reichlich Patina zu bewundern.
Die zweite Seillänge ist neu angelegt: Vom Stand auf einen Block nach links weg und direkt hinter der Kante in einem steilen Riss gerade hinauf (4+, 4BH). Der Fels dort ist extrem rau (fast schon schmerzhaft) und hat zahlreiche senkrechte dünne Felsschuppen, die aber bombenfest sind – das, was nicht fest war, liegt jetzt unten... Am Ende der Seillänge an zwei großen Föhren vorbei, hier empfiehlt sich wegen der besseren Seilführung auch eine Schlinge im Geäst. Standplatz nach einer kurzen waagrechten Gratschulter am 2. Standplatz des Herbertsteiges.
2. SL Neue Schillerkante knapp an der Kante.JPG
2. SL knapp an der Kante
2. SL Neue Schillerkante über dem 1. Stand.JPG
2. SL man klettert hinter der Kante und nicht durch diesen wilden Bruch nach oben
Die dritte Seillänge verfolgt ebenfalls eine neue Linie und bedient sich der dritten Seillänge des Herbertsteiges (2 Baumschlingen, 1 BH, 20 Meter und 4-). Klettert man die dritte Seillänge im klassischen Herbertsteig, dann können 2. und 3. SL auch zusammengelegt werden (35-40 Meter).
Es besteht aber auch die Möglichkeit, als dritte Seillänge in den „Wilden Herbert“ zu wechseln, dann erreichen die Schwierigkeiten den 6. Grad und von einer Zusammenlegung der beiden Seillängen wird dringend abgeraten.
3. SL Neue Schillerkante (Leihgabe Herbertsteig).JPG
3. SL Leihgabe vom klassischen Herbertsteig 4-, links davon die 3. SL vom Wilden Herbert 6
Mit der Verlegung der 3. SL in den Wilden Herbert kommt man dann gut aufgewärmt für die 4. Seillänge zum Stand. Dort beginnen gleich die kurzen, aber fordernden Schwierigkeiten mit dem Einstieg in eine gelbes, überhängendes, kleingriffiges und abdrängendes Wandl. Es geht dabei zwar nur um 2-3 Züge, bis die großen Henkel oben erreicht sind, aber hier bewegen wir uns auf jeden Fall im 6. Grad. Jedenfalls ist das eine der Stellen mit einem Schlaghaken in einer für die Sicherung unbrauchbarer Position, aber mit Trittleiter gut vorstellbar. Nach dem gelben Wandl (das erstaunlich festen Fels bietet) über ein breites Band weiter nach links bis zu einer abdrängenden Kante. Dort stecken knapp hintereinander 2 neue BH, damit man die extrem ausgesetzte Querung um die Kante auch gut gesichert klettern kann (5+). Auf keinen Fall den alten Klebehaken einhängen, der ist zu tief und garantiert dann maximale Seilreibung (habe ich leider ausprobiert)! Links der Kante noch ein paar Meter nach oben auf die nächste waagrechte Gratschulter, dort Stand an zwei BH. Ungefähr 6-7 Meter weiter am Fuß des nächsten Aufschwungs steckt auch ein Klebehaken mit Ring (Standplatz des Weningersteiges), der kann optional auch benutzt werden.
4. SL Neue Schillerkante gelbes Wandl.JPG
4. SL nach der "Schlüsselstelle" - gelb, steil und abdrängend, aber erstaunlich fester Fels
Hier wäre die Schillerkante eigentlich zu Ende gewesen, wenn nicht rechts vom Weningersteig noch gute 15 Meter traumhaft wasserzerfressene und extrem raue Kanten- und Wandkletterei zu finden gewesen wäre – die musste ich einfach in die Route einbauen. Daher noch nicht auf den (ebenfalls sehr schönen) Weningersteig nach links wechseln, sondern entlang der 4 neuen BH in luftiger und eleganter Kletterei nach oben (6-). Nach dem 4. BH dann doch schräg links nach oben in den Weningersteig einbiegen und diesen (2BH) bis zum Gipfel des Wenigerturms verfolgen.
5. SL Neue Schillerkante tolle Kante.JPG
5. SL Erweiterung der Schillerkante nach oben
5. SL Neue Schillerkante Fortsetzung Weningersteig.JPG
Jetzt ist es endgültig Zeit, in den Weningersteig zu wechseln...
Vom Gipfel gibt es eine Abseilpiste (für 50 Meter Doppelseil), mit der man mit 2x Abseilen bequem runter kommt. Den Abseilstand in der Piste habe ich letztens von 2 BH auf einen Baum mit Seil und Rapidglied verlegt, da damit der weitere Seilabwurf leichter und besser funktioniert als vom alten Abseilstand.
Die Tour ist (wie alle meine Routen) an den Ständen mit 2 Bohrhaken ausgestattet, die Zwischen-BH sind ausreichend bzw. gibt es gute Baumschlingen und ein paar gute Normalhaken. Klemmgeräte können eingesetzt werden (z.B. in der 3. SL klassischer Herbertsteig ein 0,5er CAM), man kommt aber auch gut ohne durch. An den neuralgischen Stellen gibt es kleine blaue Dreiecke als Markierung (auch wenn ich deshalb schon des „Pistenalpinismus“ geziehen wurde...).
Schillerkante Topo.JPG
Hier das erste Topo vor der Konsolidierung der Bewertungen....
Wenn ich jetzt richtig zähle, dann kommt man aktuell am Weningerturm auf 27-28 tolle Seillängen im Schwierigkeitsgrad von 3 bis 7- und einer eingerichteten Abseilpiste, damit man sich den etwas mühsamen Holzknechtsteig spart – das sollte doch für einen erfüllten Klettertag reichen.
Und wem das noch zu wenig ist: Ich habe noch ein paar sehr schöne Linien in bestem Fels dort entdeckt...
Danke an Karl Kosa und Gefährten für die Erschließung dieser tollen Tour und seine Kooperationsbereitschaft, mich diese sanieren zu lassen.
Danke an Daniel für die Hilfe beim Putzen,
Danke an Dieter, der mich bei meiner „Erstbegehung“ vorbildlich gesichert hat und
Danke an Gerhard, der mit mir gleich die Zweitbegehung einen Tag später gemacht hat und mir bzgl. Bewertung wichtigen Input gegeben hat.
Viel Spaß mit der „Neuen Schillerkante“!
LG
Andi
PS. Eigentlich wollte ich den Bericht nicht so lang schreiben, aber dann ist es wieder mit mir durchgegangen...
Liebe FreundInnen des Weningerturms und der alten vergessenen Klettertouren!
Die Schillerkante am Weningerturm wurde 1967 von E. Löffler, J. Altenburger und dem Großmeister der damaligen Kletterszene, Karl Kosa erstbegangen.
Weningerturm Südwand.JPG
Der Weningerturm, an der linken Begrenzung verläuft die obere Hälfte der Schillerkante
Für mich rückt diese Tour in den Fokus, als ich bei der Sanierung des Herbertsteiges immer an riesengroßen, roten Buchstaben am Wandfuß vorbeimarschierte, die zwar nicht mehr lesbar, aber dennoch unzweifelhaft auf die Schillerkante hinweisen.
In der Literatur finden sich Beschreibungen die mit „kaum mehr begangen“ beginnen, sich über „teilweise brüchig“ weiterhanteln und schlussendlich bei „wenig lohnend“ ihr Finale finden. Eine Tour mit solchen Attributen und noch dazu aus meinem Geburtsjahrgang – das muss doch was für mich sein (zumal ich in einer Tourenbeschreibung einmal „die Meisterklasse der angewandten Erd- und Steinbewegung“ genannt wurde ).
Natürlich schiele ich schon während unserer Besuche beim Herbert regelmäßig Richtung Schillerkante, mein Hauptproblem ist vorerst, dass sich die Routenbeschreibungen in der Literatur nicht wirklich mit dem vorgefundenen Gelände decken – das sind eher freie Interpretationen der tatsächlichen Route.
Und was ich noch in Erfahrung bringen kann:
1. Es wird immer wieder einmal zwischen „unterer“ und „oberer“ Schillerkante unterschieden, als ob es kein Dazwischen gäbe (soviel sei vorweggenommen: das originale Dazwischen war auch nicht sehr einladend, es sei denn, man liebt erdige Steilrinnen im 2. Grad.).
2. Die Tour ist in der Literatur als 5+ Route beschrieben. Wer die harten Bewertungen und die teils sehr weiten Hakenabstände von Karl Kosa kennt, weiß jetzt schon, dass da Überraschungen auf mich warten werden. Eine Erzählung im Vorfeld hat durchaus vom Strickleiter-Einsatz an schweren Stellen gesprochen, was auch die seltsam anmutende Platzierung mancher Schlaghaken erklären würde.
Fassen wir mal die bisherigen Fakten kurz zusammen:
Eine klassische Tour, streng bewertet, mit eher unattraktivem Mittelteil, die noch dazu eine Seillänge unter dem Gipfel des Weningerturms endet und dann den Weningersteig weiter verfolgt.
Ich kontaktiere Karl Kosa und vereinbare mit ihm die Rahmenbedingungen der Sanierung bzw. einer eventuellen Erweiterung:
Überall dort, wo alte Schlaghaken stecken, ersetze ich diesen durch einen BH.
Überall dort, wo es ausreichend kräftige Bäume gibt, lege ich eine fixe Baumschlinge.
Überall dort, wo man leicht und sicher ein Klemmgerät unterbringen kann, verzichte ich auf BH.
Und überall dort, wo gar nichts an Sicherungen vorhanden ist, wo es aber gefährlich werden kann, setze ich einen zusätzlichen BH.
Das Schöne an Kanten- bzw. Grattouren ist, dass sich weniger Gras und Erde im Fels festsetzen können als in Wänden, d.h. die große Grabungsarbeit ist diesmal nicht ganz so groß ausgefallen. Klar gab es genug lose Blöcke, aber die Felssubstanz an der Schillerkante ist grundsätzlich sehr gut bis exzellent.
Ich seile mich also für eine erste Erkundung einmal vom letzten Stand des Weningersteiges in die Schillerkante ab und staune nicht schlecht, als ich jede Menge Schlaghaken in geringen Abständen finde. Nichtsahnend markiere ich diese Haken einmal, damit ich später beim Einbohren die Route gut finden kann.
Dann rächen sich aber mein mangelhaftes Literaturstudium bzw. die nicht ganz zutreffenden Beschreibungen:
Ich bohre entlang der markierten Hakenreihe gleich ein paar solide BH ein und wundere mich ein bisschen, dass das als 5+ durchgehen soll. Weiters wundere ich mich drüber, dass viele dieser Haken nur ein paar Zentimeter im Fels stecken und oftmals nach unten verbogen sind – da werden doch nicht meine Vorgänger die Route „hinaufgestürzt“ sein? Erst als die ominöse Hakenreihe vorerst im Nichts endet bzw. im Nichts beginnt und der Fels darunter in wilden, gelbbrüchigen und weitausladenden Überhängen abbricht, beschleicht mich eine leise Vorahnung,. dass ich hier falsch sein könnte. Da hänge ich also mitten in einer senkrechten Wand mit fast 70 Meter Luft unter dem Hintern, über mir sinnlos eingebohrte Haken und unter mir das gelbe Nichts... Dass ich da irgendwie trotzdem runter komme (obwohl mir beim Abseilen durch die gelben Überhänge ganze Teile davon um die Ohren fliegen) verbuche ich als lebenslanges Lernen...
Schillerkante alter Haken.JPG
Mittlerweile glaube ich zu wissen, dass ich da in einer alten, nie publizierten Technotour gelandet bin...
...obwohl beim näheren Hinschauen kann ich mitten im gelben Nichts eine graue Felslinie erkennen...
...die könnte doch ganz guten Fels haben...
...gelber Fels muss am Weningerturm nicht zwangsläufig brüchig bedeuten....
...das wäre doch was zum Einrichten, wenn ich mit der Schillerkante fertig bin...
...eingebohrt wären ja auch schon ein paar Meter...
...und vielleicht geht das auch in freier Kletterei...
egal, wenden wir uns wieder unserem aktuellen Thema zu:
Diesmal habe ich erstaunlicherweise keine 14 Tage in die Einrichtung der Tour verwenden müssen, nach „nur“ fünf Arbeitstagen war aus der alten Schillerkante eine „Neue Schillerkante“ geworden, mit einer Verlängerung nach unten um rund 10 Meter, zwei neuen Seillängen (2. und 3. – jetzt ganz ohne erdige Bruchrinnen im 2. Grad) im Mittelteil, einer gut abgesicherten 4. SL in der originalen Linie und einer Verlängerung nach oben um gute 15 Meter bevor die „Neue Schillerkante“ dann endgültig wieder in den Weningersteig übergeht. Die Tour ist damit viel homogener geworden, die Schwierigkeit habe ich leicht nach oben korrigiert.
Schauen wir uns die „Neue Schillerkante“ einmal gemeinsam an:
Schillerkante_Linie.JPG
Die erste Seillänge startet bei der eingangs erwähnten großen roten Aufschrift am Wandfuß (mittlerweile durch ein Einstiegschildchen ergänzt und somit lesbar).
Einstiegstafel Neue Schillerkante.JPG
Die original Linie ist entweder von links kommend über ein schrofiges Band zum alten Einstiegshaken gequert oder hat sich der steilen und kurzen Verschneidung bedient, über die jetzt die Tour „Heimaterde“ führt. Wenn man den (geputzten) Einstiegsblock direkt über die Standhaken klettert und nicht das arme kleine Bäumchen als Griff benutzt, dann ist das eine ziemlich knackiger Beginn mit 5+/6-.
1. SL Neue Schillerkante neuer Einstieg 5+.JPG
image_570981.jpg
Das darauffolgende, wasserzerfressene und wunderschön raue Wandl (2 BH) bietet sehr schöne Wandkletterei mit ein bisschen Spreizen (5). Dann kurz durchs Gemüse an den Fuß eines ausgesprochen tollen Plattenpfeilers mit sehr kompaktem Henkelfels, hier gerade hinauf.
1. SL Neue Schillerkante toller Plattenpfeiler.JPG
1. SL Neue Schillerkante kurz vor dem Stand.JPG
Nach dem ersten Baum mit Schlinge um die Kante nach rechts queren und gerade weiter. Standplatz in einer Nische mit einem Klebehaken (die Klebehaken stammen von einem früheren, aber nie vollendeten Sanierungsprojekt) und einem BH. Dort ist auch noch ein sehr massiver Ringhaken mit reichlich Patina zu bewundern.
Die zweite Seillänge ist neu angelegt: Vom Stand auf einen Block nach links weg und direkt hinter der Kante in einem steilen Riss gerade hinauf (4+, 4BH). Der Fels dort ist extrem rau (fast schon schmerzhaft) und hat zahlreiche senkrechte dünne Felsschuppen, die aber bombenfest sind – das, was nicht fest war, liegt jetzt unten... Am Ende der Seillänge an zwei großen Föhren vorbei, hier empfiehlt sich wegen der besseren Seilführung auch eine Schlinge im Geäst. Standplatz nach einer kurzen waagrechten Gratschulter am 2. Standplatz des Herbertsteiges.
2. SL Neue Schillerkante knapp an der Kante.JPG
2. SL knapp an der Kante
2. SL Neue Schillerkante über dem 1. Stand.JPG
2. SL man klettert hinter der Kante und nicht durch diesen wilden Bruch nach oben
Die dritte Seillänge verfolgt ebenfalls eine neue Linie und bedient sich der dritten Seillänge des Herbertsteiges (2 Baumschlingen, 1 BH, 20 Meter und 4-). Klettert man die dritte Seillänge im klassischen Herbertsteig, dann können 2. und 3. SL auch zusammengelegt werden (35-40 Meter).
Es besteht aber auch die Möglichkeit, als dritte Seillänge in den „Wilden Herbert“ zu wechseln, dann erreichen die Schwierigkeiten den 6. Grad und von einer Zusammenlegung der beiden Seillängen wird dringend abgeraten.
3. SL Neue Schillerkante (Leihgabe Herbertsteig).JPG
3. SL Leihgabe vom klassischen Herbertsteig 4-, links davon die 3. SL vom Wilden Herbert 6
Mit der Verlegung der 3. SL in den Wilden Herbert kommt man dann gut aufgewärmt für die 4. Seillänge zum Stand. Dort beginnen gleich die kurzen, aber fordernden Schwierigkeiten mit dem Einstieg in eine gelbes, überhängendes, kleingriffiges und abdrängendes Wandl. Es geht dabei zwar nur um 2-3 Züge, bis die großen Henkel oben erreicht sind, aber hier bewegen wir uns auf jeden Fall im 6. Grad. Jedenfalls ist das eine der Stellen mit einem Schlaghaken in einer für die Sicherung unbrauchbarer Position, aber mit Trittleiter gut vorstellbar. Nach dem gelben Wandl (das erstaunlich festen Fels bietet) über ein breites Band weiter nach links bis zu einer abdrängenden Kante. Dort stecken knapp hintereinander 2 neue BH, damit man die extrem ausgesetzte Querung um die Kante auch gut gesichert klettern kann (5+). Auf keinen Fall den alten Klebehaken einhängen, der ist zu tief und garantiert dann maximale Seilreibung (habe ich leider ausprobiert)! Links der Kante noch ein paar Meter nach oben auf die nächste waagrechte Gratschulter, dort Stand an zwei BH. Ungefähr 6-7 Meter weiter am Fuß des nächsten Aufschwungs steckt auch ein Klebehaken mit Ring (Standplatz des Weningersteiges), der kann optional auch benutzt werden.
4. SL Neue Schillerkante gelbes Wandl.JPG
4. SL nach der "Schlüsselstelle" - gelb, steil und abdrängend, aber erstaunlich fester Fels
Hier wäre die Schillerkante eigentlich zu Ende gewesen, wenn nicht rechts vom Weningersteig noch gute 15 Meter traumhaft wasserzerfressene und extrem raue Kanten- und Wandkletterei zu finden gewesen wäre – die musste ich einfach in die Route einbauen. Daher noch nicht auf den (ebenfalls sehr schönen) Weningersteig nach links wechseln, sondern entlang der 4 neuen BH in luftiger und eleganter Kletterei nach oben (6-). Nach dem 4. BH dann doch schräg links nach oben in den Weningersteig einbiegen und diesen (2BH) bis zum Gipfel des Wenigerturms verfolgen.
5. SL Neue Schillerkante tolle Kante.JPG
5. SL Erweiterung der Schillerkante nach oben
5. SL Neue Schillerkante Fortsetzung Weningersteig.JPG
Jetzt ist es endgültig Zeit, in den Weningersteig zu wechseln...
Vom Gipfel gibt es eine Abseilpiste (für 50 Meter Doppelseil), mit der man mit 2x Abseilen bequem runter kommt. Den Abseilstand in der Piste habe ich letztens von 2 BH auf einen Baum mit Seil und Rapidglied verlegt, da damit der weitere Seilabwurf leichter und besser funktioniert als vom alten Abseilstand.
Die Tour ist (wie alle meine Routen) an den Ständen mit 2 Bohrhaken ausgestattet, die Zwischen-BH sind ausreichend bzw. gibt es gute Baumschlingen und ein paar gute Normalhaken. Klemmgeräte können eingesetzt werden (z.B. in der 3. SL klassischer Herbertsteig ein 0,5er CAM), man kommt aber auch gut ohne durch. An den neuralgischen Stellen gibt es kleine blaue Dreiecke als Markierung (auch wenn ich deshalb schon des „Pistenalpinismus“ geziehen wurde...).
Schillerkante Topo.JPG
Hier das erste Topo vor der Konsolidierung der Bewertungen....
Wenn ich jetzt richtig zähle, dann kommt man aktuell am Weningerturm auf 27-28 tolle Seillängen im Schwierigkeitsgrad von 3 bis 7- und einer eingerichteten Abseilpiste, damit man sich den etwas mühsamen Holzknechtsteig spart – das sollte doch für einen erfüllten Klettertag reichen.
Und wem das noch zu wenig ist: Ich habe noch ein paar sehr schöne Linien in bestem Fels dort entdeckt...
Danke an Karl Kosa und Gefährten für die Erschließung dieser tollen Tour und seine Kooperationsbereitschaft, mich diese sanieren zu lassen.
Danke an Daniel für die Hilfe beim Putzen,
Danke an Dieter, der mich bei meiner „Erstbegehung“ vorbildlich gesichert hat und
Danke an Gerhard, der mit mir gleich die Zweitbegehung einen Tag später gemacht hat und mir bzgl. Bewertung wichtigen Input gegeben hat.
Viel Spaß mit der „Neuen Schillerkante“!
LG
Andi
PS. Eigentlich wollte ich den Bericht nicht so lang schreiben, aber dann ist es wieder mit mir durchgegangen...
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