Meine Eltern gingen schon in frühen Jahren mit mir in die Berge. Erinnern kann ich mich an Wanderungen im Bayerwald, im Steinernen Meer, im Allgäu, Breitach- und Starzlachklamm, auf den Grünten und in der Jachenau. Später folgten ein paar Touren mit meinem Vater zu zweit, nach Garmisch über den schmalen, teils ausgesetzten Stangensteig ins Höllental und über die viel interessantere Höllentalklamm (als die Partnachklamm) zurück, ins Tannheimer Tal, damals noch zu Schillingpreisen, für umgerechnet 20 DM pro Nacht. Auf die Landsberger Hütte. Ich ignorierte geflissentlich auch die Höhenangst meines Vaters, der mich an einem wechselhaften Tag erst durchs Namlostal chauffierte, dann ins Tal Richtung Hahntennjoch und noch vor Bschlabs wegen mehrerer Baustellen umdrehte und dann im nächsten Tal Richtung Gramais umdrehen musste, weil es rechts zu steil hinabging. Wir einigten uns dann aufs relativ ebene Hornbachtal, wo man bei gutem Wetter den Hochvogel gesehen hätte, den es in ein paar Jahrzehnten wohl komplett zerbröseln wird. 1999 war ich mit meinen Eltern in Südtirol. Hier machten wir die Marlinger Waalwanderung bei Meran und hinauf zur Schönen Aussicht mit weniger schöner Aussicht:
Oben saßen wir im Nebel, am Rückweg gingen wir nicht am markierten Weg, sondern mussten zwei Mal einen rauschenden Gebirgsbach auf wackligen Steinen mit wackligen Knien überqueren.
2001 besuchten wir das Zillertal, mit leichten Wanderungen zur Plauener Hütte.
Zur Olperer Hütte und Friesenberghaus
Damals hab ich zum Hohen Riffler gesehen und mir gedacht, dass das doch machbar sei, aber seitdem kam ich dort nicht mehr hin.
In meiner Innsbrucker Studienzeit bin ich mangels Partner relativ wenig gewandert. Ich war ja weiterhin eher ängstlich-vorsichtig und der Karwendelschotter ist bis heute nicht mein Lieblingsgelände geworden. Zu unsicher fühle ich mich, wenn der Boden unter mir nachgibt, insbesondere auf Querungen. Mir hat es auch an der richtigen Ausrüstung, Essen/Trinken, Orientierung, etc. gefehlt, und nicht zuletzt die Abenteuerlust. Als ich heuer Ende September den Eselsweg im Spessart beschritt, war ich das erste Mal alleine in meinem Heimatwald unterwegs, besiegte damit ein Kindheitstrauma, als ich bei einer Gruppenwanderung den Kontakt zu meinen Eltern und die Orientierung verlor. Seitdem hatte ich Angst alleine im Wald. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich in Innsbruck durchwegs auf markierten Wegen aufhielt und die Nähe anderer Wanderer suchte. Heute hat es sich ins Gegenteil verkehrt. Ich meide markierte Wege und Menschenansammlungen. Das war ein hartes Stück Schweinehund überwinden, Routine bekommen und neben der alltäglichen Großstadthektik die Stille und Natur schätzen lernen.
Dennoch hatte ich auch während meiner Innsbrucker Zeit bergwanderische Erfolge, war mehrfach auf dem Patscherkofel bei Föhnorkan, damals schon beliebt bei den Meteorologiestudenten. Unvergessen auch 2009 mit "Nordkette" der Sonnenuntergang auf dem Hafelekar, mit Wanderung zur Seegrube im Dunkeln.
Mein höchster Berg ist nach wie vor der Habicht (3277m), bezwungen am 24. September 2009:
Im darauffolgenden Jahr gings dann nach Wien.
Und dazu möchte ich auch noch etwas sagen. Wien ist innerösterreichisch - beschönigt gesagt - nicht sonderlich beliebt. Und wer mit Nähe zu hohen Bergen aufgewachsen ist, schaut eher geringschätzig auf die Berglandschaft bei Wien. Ja, es gibt höhere Berge, aber ich hab in all den Jahren nie dieses Streben nach immer höheren Zielen gehabt. Ich hab mich nie beklagt, dass die Gutensteiner Alpen bei 1399 m das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Wenn man viel alleine geht, ist so eine Voralpenlandschaft ideal. Es gibt wenige Steige, die wirklich ausgesetzt oder gefährlich sind, es gibt wenige Berge mit Lawinengefahr im Winter. Ich kann das ganze Jahr über wandern, schlechte Winter öffnen erst die vielen unmarkiert zu erreichenden Gipfel im Wienerwald oder in den Gutensteiner Alpen. Ich war auch rund acht Mal am Hundsheimer Berg, mit 480m ein alpiner Witz, aber trotzdem reizvoll. Für mich zählte auch immer mehr als nur das Wandern, zunehmend die Viecher, zuletzt auch die botanische Vielfalt, aber generell seit Wien auch die kulturell-architektonische Geschichte, über die ich beim Berichte schreiben stundenlang recherchieren kann, auch schon Gemeinden dazu angeschrieben habe, wie z.b. zur Gravur am Kaltenberg bei Prein an der Rax. Ich hab lange Überschreitungen gemacht, habe auch lange Anreisen nicht gescheut, z.B. Zwillingskogel im Almtal mit 3 Std. Anreise oder 2 Std. 20 nach Mixnitz zum Röthelstein mit Steinböcken Auge in Auge. Als Öffi-Fahrer wird man bescheiden, genügsam, genießt es, nach der Wanderung die Füße hochlegen zu können. Besonders oft bin ich von Payerbach kommend nach Puchberg gewandert. Ebenso oft ging sich der Zug um 5 Minuten nicht aus. Aber das Zahnradbahnstüberl war immer eine nette Einkehr zum Abschluss.
Was mir etwas abging, waren die Klettersteige. Da war mehr geplant. Aber wegen der langen Unsicherheit im Job fehlte auch die Selbstsicherheit im ausgesetzten Gelände. Psychisch untrennbar verknüpft. Jetzt liegt das Klettersteigset seit über 3 Jahren unbenutzt im Kasten. Dafür hab ich eine Zeit lang gebouldert und möchte das auch nicht ganz aufgeben als Ganzkörpertraining. Dehn- und Streckübungen, die Spaß machen und Kraft bringen.
Zurück zu Wien. Wien ist nicht fad. Statt einem hohen Berg nehm ich halt vier oder sechs kleine Hügel. Da kommt man auch auf sein Trainingspensum, und wenn es vier Mal der Nasenweg an einem Tag ist. Und ausnahmslos hat sich bis jetzt jeder fade Waldweg als abwechslungsreich herausgestellt. Unerwartete Aus- und Tiefblicke. Kulturelle Höhenpunkte, die nicht in Karten eingezeichnet sind. Lichtstimmungen, Wolkenstimmungen, Tierbegegnungen, seltene Pflanzen. Und sei es dass man auf nicht eingezeichneten Steigen ein Bankerl mit einer Schnapsflasche in der Schublade findet
Wenn ich jetzt aus Wien weggehe, dann denke ich mir nicht "endlich richtige Berge", sondern "endlich eine neue Region zum erkunden". In alpineren Regionen ist die Planung noch wichtiger. Rutschiges Gelände wird gefährlicher, die Lawinengefahr ist viel eher ein Thema, Altschneereste und Schneefelder bei Querungen können eine Tour vorzeitig beenden oder zum Umweg werden lassen. Dinge, mit denen ich mich künftig häufiger auseinandersetzen muss und früher keine Gedanken darüber verschwenden musste. Im Osten ist zudem das Wetter besser, Kaltfronten kommen verzögert oder gar nicht. Es ist nicht alles schlecht, nur weil die Berge so flach sind. Das hat also durchaus auch Vorteile.
Auf der anderen Seite kann ich mit der Routine der letzten 6 Jahre jetzt ein viel größeres Gebiet erkunden als vorher. Ich kann anhand der Karten viel besser einschätzen, wie ein Gelände ausschaut und weiß anhand meiner akribischen Dokumentierung meiner Wanderungen, welche Streckenleistung und Höhenmeter ich mir zutrauen kann. Das gibt viel Sicherheit beim alleine unterwegs sein. Nicht zuletzt möchte ich meine Weggefährten hier hervorheben, von denen ich viel gelernt habe, und deren ebenso umfangreiche Tourenberichte ich zur Inspiration genommen habe.
Sollte ich wieder nach Wien zurückkehren, wäre das für mich nicht tragisch. Wenn mir nichts einfällt, kombiniere ich auch bekannte Gipfel. Das Wetter ist immer anders. Nicht zuletzt habe ich über das Wetter unendlich viel gelernt und beruflich profitiert. Das bleibt, egal wie ambitioniert eine Wanderung war.
Das Zitat zu Beginn meiner Diplomarbeit lautete schon 2010:
"Egal wie hoch man steigt. Oben wird man immer weiter sehen." (Reinhard Karl)
Auch dieses (ebenfalls von ihm) trifft es gut:
So ging mein Wandel vom Spätaufsteher zum Frühaufsteher, vom - aus gesellschaftlichen Konventionen ausbrechend - Stadtmensch zum Naturmensch. Warum sollte ich schöne Tage in der Stadt verbringen, wenn ich genauso gut wandern gehen konnte? Ich brauchte die Ruhe zum Atmen, aber auch das Auspowern, das stundenlange Marschieren ohne große Pausen, bis auf meine Liebe, zu fotografieren, zu dokumentieren und später zuhause - als zweite Entspannung sozusagen - die Bilder zu sortieren, auszusuchen, herzurichten, zu recherchieren und zu schreiben. Viel Arbeit, die sich gelohnt hat. Ich erinnere mich an die Wege, habe ein fotografisches Gedächtnis, und kann aus einem Schatz von Tourenideen schöpfen.
Es hat sich also auf unendlich vielen Ebenen gelohnt, auch wenn ich "nur" in Wien gelebt habe. Ich bereue nichts.
Gruß,Felix
Oben saßen wir im Nebel, am Rückweg gingen wir nicht am markierten Weg, sondern mussten zwei Mal einen rauschenden Gebirgsbach auf wackligen Steinen mit wackligen Knien überqueren.
2001 besuchten wir das Zillertal, mit leichten Wanderungen zur Plauener Hütte.
Zur Olperer Hütte und Friesenberghaus
Damals hab ich zum Hohen Riffler gesehen und mir gedacht, dass das doch machbar sei, aber seitdem kam ich dort nicht mehr hin.
In meiner Innsbrucker Studienzeit bin ich mangels Partner relativ wenig gewandert. Ich war ja weiterhin eher ängstlich-vorsichtig und der Karwendelschotter ist bis heute nicht mein Lieblingsgelände geworden. Zu unsicher fühle ich mich, wenn der Boden unter mir nachgibt, insbesondere auf Querungen. Mir hat es auch an der richtigen Ausrüstung, Essen/Trinken, Orientierung, etc. gefehlt, und nicht zuletzt die Abenteuerlust. Als ich heuer Ende September den Eselsweg im Spessart beschritt, war ich das erste Mal alleine in meinem Heimatwald unterwegs, besiegte damit ein Kindheitstrauma, als ich bei einer Gruppenwanderung den Kontakt zu meinen Eltern und die Orientierung verlor. Seitdem hatte ich Angst alleine im Wald. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich in Innsbruck durchwegs auf markierten Wegen aufhielt und die Nähe anderer Wanderer suchte. Heute hat es sich ins Gegenteil verkehrt. Ich meide markierte Wege und Menschenansammlungen. Das war ein hartes Stück Schweinehund überwinden, Routine bekommen und neben der alltäglichen Großstadthektik die Stille und Natur schätzen lernen.
Dennoch hatte ich auch während meiner Innsbrucker Zeit bergwanderische Erfolge, war mehrfach auf dem Patscherkofel bei Föhnorkan, damals schon beliebt bei den Meteorologiestudenten. Unvergessen auch 2009 mit "Nordkette" der Sonnenuntergang auf dem Hafelekar, mit Wanderung zur Seegrube im Dunkeln.
Mein höchster Berg ist nach wie vor der Habicht (3277m), bezwungen am 24. September 2009:
Im darauffolgenden Jahr gings dann nach Wien.
Und dazu möchte ich auch noch etwas sagen. Wien ist innerösterreichisch - beschönigt gesagt - nicht sonderlich beliebt. Und wer mit Nähe zu hohen Bergen aufgewachsen ist, schaut eher geringschätzig auf die Berglandschaft bei Wien. Ja, es gibt höhere Berge, aber ich hab in all den Jahren nie dieses Streben nach immer höheren Zielen gehabt. Ich hab mich nie beklagt, dass die Gutensteiner Alpen bei 1399 m das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Wenn man viel alleine geht, ist so eine Voralpenlandschaft ideal. Es gibt wenige Steige, die wirklich ausgesetzt oder gefährlich sind, es gibt wenige Berge mit Lawinengefahr im Winter. Ich kann das ganze Jahr über wandern, schlechte Winter öffnen erst die vielen unmarkiert zu erreichenden Gipfel im Wienerwald oder in den Gutensteiner Alpen. Ich war auch rund acht Mal am Hundsheimer Berg, mit 480m ein alpiner Witz, aber trotzdem reizvoll. Für mich zählte auch immer mehr als nur das Wandern, zunehmend die Viecher, zuletzt auch die botanische Vielfalt, aber generell seit Wien auch die kulturell-architektonische Geschichte, über die ich beim Berichte schreiben stundenlang recherchieren kann, auch schon Gemeinden dazu angeschrieben habe, wie z.b. zur Gravur am Kaltenberg bei Prein an der Rax. Ich hab lange Überschreitungen gemacht, habe auch lange Anreisen nicht gescheut, z.B. Zwillingskogel im Almtal mit 3 Std. Anreise oder 2 Std. 20 nach Mixnitz zum Röthelstein mit Steinböcken Auge in Auge. Als Öffi-Fahrer wird man bescheiden, genügsam, genießt es, nach der Wanderung die Füße hochlegen zu können. Besonders oft bin ich von Payerbach kommend nach Puchberg gewandert. Ebenso oft ging sich der Zug um 5 Minuten nicht aus. Aber das Zahnradbahnstüberl war immer eine nette Einkehr zum Abschluss.
Was mir etwas abging, waren die Klettersteige. Da war mehr geplant. Aber wegen der langen Unsicherheit im Job fehlte auch die Selbstsicherheit im ausgesetzten Gelände. Psychisch untrennbar verknüpft. Jetzt liegt das Klettersteigset seit über 3 Jahren unbenutzt im Kasten. Dafür hab ich eine Zeit lang gebouldert und möchte das auch nicht ganz aufgeben als Ganzkörpertraining. Dehn- und Streckübungen, die Spaß machen und Kraft bringen.
Zurück zu Wien. Wien ist nicht fad. Statt einem hohen Berg nehm ich halt vier oder sechs kleine Hügel. Da kommt man auch auf sein Trainingspensum, und wenn es vier Mal der Nasenweg an einem Tag ist. Und ausnahmslos hat sich bis jetzt jeder fade Waldweg als abwechslungsreich herausgestellt. Unerwartete Aus- und Tiefblicke. Kulturelle Höhenpunkte, die nicht in Karten eingezeichnet sind. Lichtstimmungen, Wolkenstimmungen, Tierbegegnungen, seltene Pflanzen. Und sei es dass man auf nicht eingezeichneten Steigen ein Bankerl mit einer Schnapsflasche in der Schublade findet
Wenn ich jetzt aus Wien weggehe, dann denke ich mir nicht "endlich richtige Berge", sondern "endlich eine neue Region zum erkunden". In alpineren Regionen ist die Planung noch wichtiger. Rutschiges Gelände wird gefährlicher, die Lawinengefahr ist viel eher ein Thema, Altschneereste und Schneefelder bei Querungen können eine Tour vorzeitig beenden oder zum Umweg werden lassen. Dinge, mit denen ich mich künftig häufiger auseinandersetzen muss und früher keine Gedanken darüber verschwenden musste. Im Osten ist zudem das Wetter besser, Kaltfronten kommen verzögert oder gar nicht. Es ist nicht alles schlecht, nur weil die Berge so flach sind. Das hat also durchaus auch Vorteile.
Auf der anderen Seite kann ich mit der Routine der letzten 6 Jahre jetzt ein viel größeres Gebiet erkunden als vorher. Ich kann anhand der Karten viel besser einschätzen, wie ein Gelände ausschaut und weiß anhand meiner akribischen Dokumentierung meiner Wanderungen, welche Streckenleistung und Höhenmeter ich mir zutrauen kann. Das gibt viel Sicherheit beim alleine unterwegs sein. Nicht zuletzt möchte ich meine Weggefährten hier hervorheben, von denen ich viel gelernt habe, und deren ebenso umfangreiche Tourenberichte ich zur Inspiration genommen habe.
Sollte ich wieder nach Wien zurückkehren, wäre das für mich nicht tragisch. Wenn mir nichts einfällt, kombiniere ich auch bekannte Gipfel. Das Wetter ist immer anders. Nicht zuletzt habe ich über das Wetter unendlich viel gelernt und beruflich profitiert. Das bleibt, egal wie ambitioniert eine Wanderung war.
Das Zitat zu Beginn meiner Diplomarbeit lautete schon 2010:
"Egal wie hoch man steigt. Oben wird man immer weiter sehen." (Reinhard Karl)
Auch dieses (ebenfalls von ihm) trifft es gut:
Bergsteigen war mein Leben. Der Berg war für mich der Beweis, dass ich die düsteren Niederungen verlassen konnte. Nach jedem Oben wurde ich ein anderer unten.
Es hat sich also auf unendlich vielen Ebenen gelohnt, auch wenn ich "nur" in Wien gelebt habe. Ich bereue nichts.
Gruß,Felix
Kommentar