Er selber sagt es: „Ich bin ein Verlierer“, in einem Gespräch mit Bernhard Flieher am 4. Dez. in den Salzburger Nachrichten:
4. Dezember 2008 | 16:39 | | BERNHARD FLIEHER
Reinhold Messner. Seine Philosophie über den „Verzichtsalpinismus“ sei nicht durchgesickert, beklagt der Extrembergsteiger im SN-Interview.
Der Körper mag’s nicht mehr so extrem. Also suchte sich der 64-jährige Südtiroler Abenteurer Reinhold Messer ein neues Betätigungsfeld. Neben einem Museumsprojekt in Südtirol plant er derzeit die Verfilmung jener Expedition zum Nanga Parbat, bei der 1970 sein Bruder Günther ums Leben gekommen ist. Diese Expedition legte die Basis für eine Karriere als bergsteigender Medienheld.
In Salzburg, wo Reinhold Messner in den vergangenen Tagen Gast beim Filmfestival „Abenteuer Film, Abenteuer Berg“ war, sprach er mit den SN über schlechte Ideen in Bergfilm-Drehbüchern, die Unausweichlichkeit mancher Entscheidung und sein Taschentuch.
SN: Sie sagen, bei einem Bergfilm muss der Berg der Hauptdarsteller sein. Wieso?
Messner: Es geht da oft um Notlagen, um extreme Erfahrungen, um Punkte, an denen du nicht mehr auskommst. Da diktiert der Berg alle Regeln. Du wirst in Entscheidungen gezwungen. Da rennst du auch in eine Lawine, wenn du meinst, das könnte helfen. Aber du setzt dich da nicht hin und stirbst einfach. Die Unmöglichkeit dieser Macht zu entkommen – das muss man im Kino spüren.
SN: Was ist bei einem Bergfilm wichtiger? Die Liebesgeschichte oder die Tragödie?
Messner: Der Bergfilm hat nichts anders zu tun, als eine Geschichte zu erzählen. Die kann fiktiv sein oder sich an Tatsachen anlehnen. Ich behaupte, das Leben schreibt die besseren Geschichten als Menschen sich welche ausdenken können. Der aktuelle Film „Nordwand“ etwa ist hervorragend gedreht. Und dann kommt das Ende. Da bricht der Film und die Geschichte wird kaputt, weil sei nicht mehr wahr ist.
SN: Sie meinen die Stelle, an der eine Frauenfigur, die es in der Realität nicht gab, in die Eigerwand einsteigt.
Messner: Genau. Die Figur ist erfunden. Das ist mir aber egal. Diese Rolle ist wichtig, um den Film in überzeugend in die Zeit zu stellen. 1936. Nazi-Zeit. Dafür ist die Figur – und ein paar andere auch – ideal.
Aber wenn die dann, als die Tragödie dem Ende zugeht, mit normalen Schuhen und mit ihrem Schal um den Hals in die Wand steigt, dann ist alles nur mehr ein Schmäh. Das zerstört den Film, der von den Bildern her ja fantastische ist, vielleicht das Beste seit den 30er Jahren.
SN: Bergfilme waren immer wieder Propagandamittel. Zunächst bei den Nazis, nach dem Zweiten Weltkrieg in Form von Heimatfilmen auch für den Tourismus. Welche Rolle hat dieser ins Bergsteigen getragene, national politische Aspekt bei Ihnen gespielt?
Messner: Natürlich hätte man mich gern vereinnahmt. Und viel Kritik, die ich bekam, wurzelt darin, dass ich so vehement dagegen aufgetreten bin.
Die Everest-Besteigung 1978 wollte man in Südtirol gerne als heimatlichen Erfolg verbuchen, Ich stellte mich dagegen, sagte öffentlich, ich habe das für mich getan und nicht für ein Land oder eine Heimat. Ich bin mir meine eigene Heimat. Und dann zog ich mein Taschentuch raus und sagt: „Und mein Taschentuch ist meine Fahne.“ Niemand geht für ein Land auf einen Berg. Mich ekelt bei dem Gedanken.
SN: Warum tut man es sonst?
Messner: Es gibt so viele Motivationen, wie es Bergsteiger gibt. Es gibt da auch keine besseren oder schlechteren Gründe. Bergsteigen moralisch zu überfrachten ist auch so ein ganz großer Scheiß, der aus der Nazi-Zeit kommt.
SN: Tatsache ist, dass man das, was Sie auf den Bergen probiert haben, eigentlich nicht verantworten kann.
Messner: Natürlich nicht. Extrembergsteigen heißt, dass man sich am Limit des Machbaren bewegt. Das tue ich, ich kann es aber nicht verteidigen. Dafür sind dabei zu viele Leute umgekommen. Es ist ein anarchisches Tun in einer archaischen Welt.
SN: Wenn man sich aber anschaut, wie die Leute heute auf den Mount Everest getrieben werden, wie sie Schlange stehen müssen an manchen Stellen, hat man das Gefühl, diese Welt wird zum Rummelplatz.
Messner: Nun, nach Eroberungsalpinismus, Schwierigkeitsalpinismus und Verzichtsalpinismus ist nun halt der Pistenalpinimus dran.
SN: Haben Sie und ihre Popularität das nicht mit ausgelöst?
Messner: Nein. Ich habe Verzichtsalpinismus ausgeübt, folgte einer Philosophie die sagt: Das Ganze ist ja nicht nützlich.
Und wenn es schon nicht nützlich ist, dann ist es doch der ganze Materialaufwand riesiger Expedition ein Irrsinn. Das wollte ich bis zur letzten Konsequenz durchhalten. Jetzt haben wir eben den Pistenalpinismus. Ich will gar nicht sagen, ob das gut oder schlecht ist. Es ist so. Ich bin ein Verlierer mit meiner Philosophie. Die ist nicht durchgesickert.
SN: Aber die Leute orientieren sich trotzdem an Ihnen. Wer solche Abenteuer besteht, dem will man nacheifern, der ist – von herunten betrachtet – ein Held.
Messner: Heldentum wird auf dem Berg völlig falsch verstanden. Der beste Bergsteiger ist der, der die verrücktesten Sachen macht und dabei umkommt. Es geht um Selbsterfahrung.
Wenn es keine Gefahren mehr gibt, ist es kein Berg mehr, sondern eine Attrappe. Und alles muss in Exposition stattfinden, sonst spüre ich ja nicht, dass ich eine Verantwortung habe. Wenn ich mit dem Handy den Hubschrauber rufen kann, passiert in mir gar nichts.
SN: Wann passiert denn was?
Messner: Je größer die Exposition ist, desto vorsichtiger geht man vor und desto mehr erfährt man über sich. Wir Menschen sind ja Mängelwesen. Für überhängende Wände und Temperaturen von Minus 40 Grad sind wir nicht gemacht. Der Eisbär aber kann da tadellos überleben.
SN: Sie werden im kommenden Jahr 65 Jahre alt und sagen, die großen körperlichen Abenteuer gehen sich nicht mehr aus. Jetzt bereiten Sie die Verfilmung jener Expedition vor, bei der Ihr Bruder Günther ums Leben gekommen ist. Ist der Film denn nun ein Ersatz für nicht mehr mögliche Abenteuer?
Messner: Im Moment bin ich in diesem Genre nur ein Lernender.
SN: Aber das wird einem wie Ihnen doch nicht genügen.
Messner: Ich habe den Ehrgeiz, dass es ein hervorragender Film wird. Darum bin ich auch bis zum Ende dabei als Ideengeber und Beobachter. Ich will, dass da keine Fehler passieren. Wenn mich beim Eigerfilm „Nordwand“, jemand gefragt hätte, hätte ich in einer Stunde alle Fehler raus getan.
© SN/SW
Reinhold Messner. Seine Philosophie über den „Verzichtsalpinismus“ sei nicht durchgesickert, beklagt der Extrembergsteiger im SN-Interview.
Der Körper mag’s nicht mehr so extrem. Also suchte sich der 64-jährige Südtiroler Abenteurer Reinhold Messer ein neues Betätigungsfeld. Neben einem Museumsprojekt in Südtirol plant er derzeit die Verfilmung jener Expedition zum Nanga Parbat, bei der 1970 sein Bruder Günther ums Leben gekommen ist. Diese Expedition legte die Basis für eine Karriere als bergsteigender Medienheld.
In Salzburg, wo Reinhold Messner in den vergangenen Tagen Gast beim Filmfestival „Abenteuer Film, Abenteuer Berg“ war, sprach er mit den SN über schlechte Ideen in Bergfilm-Drehbüchern, die Unausweichlichkeit mancher Entscheidung und sein Taschentuch.
SN: Sie sagen, bei einem Bergfilm muss der Berg der Hauptdarsteller sein. Wieso?
Messner: Es geht da oft um Notlagen, um extreme Erfahrungen, um Punkte, an denen du nicht mehr auskommst. Da diktiert der Berg alle Regeln. Du wirst in Entscheidungen gezwungen. Da rennst du auch in eine Lawine, wenn du meinst, das könnte helfen. Aber du setzt dich da nicht hin und stirbst einfach. Die Unmöglichkeit dieser Macht zu entkommen – das muss man im Kino spüren.
SN: Was ist bei einem Bergfilm wichtiger? Die Liebesgeschichte oder die Tragödie?
Messner: Der Bergfilm hat nichts anders zu tun, als eine Geschichte zu erzählen. Die kann fiktiv sein oder sich an Tatsachen anlehnen. Ich behaupte, das Leben schreibt die besseren Geschichten als Menschen sich welche ausdenken können. Der aktuelle Film „Nordwand“ etwa ist hervorragend gedreht. Und dann kommt das Ende. Da bricht der Film und die Geschichte wird kaputt, weil sei nicht mehr wahr ist.
SN: Sie meinen die Stelle, an der eine Frauenfigur, die es in der Realität nicht gab, in die Eigerwand einsteigt.
Messner: Genau. Die Figur ist erfunden. Das ist mir aber egal. Diese Rolle ist wichtig, um den Film in überzeugend in die Zeit zu stellen. 1936. Nazi-Zeit. Dafür ist die Figur – und ein paar andere auch – ideal.
Aber wenn die dann, als die Tragödie dem Ende zugeht, mit normalen Schuhen und mit ihrem Schal um den Hals in die Wand steigt, dann ist alles nur mehr ein Schmäh. Das zerstört den Film, der von den Bildern her ja fantastische ist, vielleicht das Beste seit den 30er Jahren.
SN: Bergfilme waren immer wieder Propagandamittel. Zunächst bei den Nazis, nach dem Zweiten Weltkrieg in Form von Heimatfilmen auch für den Tourismus. Welche Rolle hat dieser ins Bergsteigen getragene, national politische Aspekt bei Ihnen gespielt?
Messner: Natürlich hätte man mich gern vereinnahmt. Und viel Kritik, die ich bekam, wurzelt darin, dass ich so vehement dagegen aufgetreten bin.
Die Everest-Besteigung 1978 wollte man in Südtirol gerne als heimatlichen Erfolg verbuchen, Ich stellte mich dagegen, sagte öffentlich, ich habe das für mich getan und nicht für ein Land oder eine Heimat. Ich bin mir meine eigene Heimat. Und dann zog ich mein Taschentuch raus und sagt: „Und mein Taschentuch ist meine Fahne.“ Niemand geht für ein Land auf einen Berg. Mich ekelt bei dem Gedanken.
SN: Warum tut man es sonst?
Messner: Es gibt so viele Motivationen, wie es Bergsteiger gibt. Es gibt da auch keine besseren oder schlechteren Gründe. Bergsteigen moralisch zu überfrachten ist auch so ein ganz großer Scheiß, der aus der Nazi-Zeit kommt.
SN: Tatsache ist, dass man das, was Sie auf den Bergen probiert haben, eigentlich nicht verantworten kann.
Messner: Natürlich nicht. Extrembergsteigen heißt, dass man sich am Limit des Machbaren bewegt. Das tue ich, ich kann es aber nicht verteidigen. Dafür sind dabei zu viele Leute umgekommen. Es ist ein anarchisches Tun in einer archaischen Welt.
SN: Wenn man sich aber anschaut, wie die Leute heute auf den Mount Everest getrieben werden, wie sie Schlange stehen müssen an manchen Stellen, hat man das Gefühl, diese Welt wird zum Rummelplatz.
Messner: Nun, nach Eroberungsalpinismus, Schwierigkeitsalpinismus und Verzichtsalpinismus ist nun halt der Pistenalpinimus dran.
SN: Haben Sie und ihre Popularität das nicht mit ausgelöst?
Messner: Nein. Ich habe Verzichtsalpinismus ausgeübt, folgte einer Philosophie die sagt: Das Ganze ist ja nicht nützlich.
Und wenn es schon nicht nützlich ist, dann ist es doch der ganze Materialaufwand riesiger Expedition ein Irrsinn. Das wollte ich bis zur letzten Konsequenz durchhalten. Jetzt haben wir eben den Pistenalpinismus. Ich will gar nicht sagen, ob das gut oder schlecht ist. Es ist so. Ich bin ein Verlierer mit meiner Philosophie. Die ist nicht durchgesickert.
SN: Aber die Leute orientieren sich trotzdem an Ihnen. Wer solche Abenteuer besteht, dem will man nacheifern, der ist – von herunten betrachtet – ein Held.
Messner: Heldentum wird auf dem Berg völlig falsch verstanden. Der beste Bergsteiger ist der, der die verrücktesten Sachen macht und dabei umkommt. Es geht um Selbsterfahrung.
Wenn es keine Gefahren mehr gibt, ist es kein Berg mehr, sondern eine Attrappe. Und alles muss in Exposition stattfinden, sonst spüre ich ja nicht, dass ich eine Verantwortung habe. Wenn ich mit dem Handy den Hubschrauber rufen kann, passiert in mir gar nichts.
SN: Wann passiert denn was?
Messner: Je größer die Exposition ist, desto vorsichtiger geht man vor und desto mehr erfährt man über sich. Wir Menschen sind ja Mängelwesen. Für überhängende Wände und Temperaturen von Minus 40 Grad sind wir nicht gemacht. Der Eisbär aber kann da tadellos überleben.
SN: Sie werden im kommenden Jahr 65 Jahre alt und sagen, die großen körperlichen Abenteuer gehen sich nicht mehr aus. Jetzt bereiten Sie die Verfilmung jener Expedition vor, bei der Ihr Bruder Günther ums Leben gekommen ist. Ist der Film denn nun ein Ersatz für nicht mehr mögliche Abenteuer?
Messner: Im Moment bin ich in diesem Genre nur ein Lernender.
SN: Aber das wird einem wie Ihnen doch nicht genügen.
Messner: Ich habe den Ehrgeiz, dass es ein hervorragender Film wird. Darum bin ich auch bis zum Ende dabei als Ideengeber und Beobachter. Ich will, dass da keine Fehler passieren. Wenn mich beim Eigerfilm „Nordwand“, jemand gefragt hätte, hätte ich in einer Stunde alle Fehler raus getan.
© SN/SW
Kommentar