"Hochalpine Lagen, lange Zustiege, eingeschränkte Öffnungszeiten, Spar-Budgets des Staates und teils überzogene Naturschutz-Auflagen":
Alpine Vereine sehen sich bei der Erhaltung von Schutzhütten vor fast unlösbare Probleme gestellt.
"Öffentliche Hand übernimmt wenig Verantwortung"
Erst vor wenigen Wochen hat der Alpenverein die Rudolfshütte - sein international anerkanntes Ausbildungszentrum - aus Geldmangel an einen privaten Investor verkaufen müssen - für viele Insider ein vereinsgeschichtliches und vereinspolitisches Erdbeben.
Die "Zukunft der Schutzhütten" lautete nicht zuletzt auch deshalb das Thema einer Podiumsdiskussion am Montagabend beim Bergfilmfestival im Salzburger Filmkulturzentrum DAS KINO.
Allgemeiner Tenor: Das System der Berghütten und Wege sei unter anderem auch deshalb nicht mehr finanzierbar, weil die öffentliche Hand im Zuge neoliberaler Sparbudgets sich kaum noch für Infrastruktur der Bergregion verantwortlich fühle. Das gemeinnützige System nehme schweren Schaden und damit der heimische Tourismus.
Bürokratie: Auflagen durch "Eierköpfe"?
Allein für die Erhaltung der Substanz benötige man österreichweit 6,6 Millionen Euro pro Jahr, nannte Eckhart Ehm, Referent für Hütten und Wege des Österreichischen Alpenvereins (OeAV), konkrete Zahlen. Der Bund senke seine Zuwendungen seit Jahren. Von den Ländern gebe es kaum finanzielle Unterstützung.
Dazu komme eine Reihe von - sachlich teils fragwürdigen - Behörden- und Naturschutz-Auflagen, die den alpinen Vereinen viel Geld kosten, klagte Ehm. Diese seien oft von "alpintheoretischen Eierköpfen" auf Länder- Bundes- und EU-Ebene ausgedacht, kritisierte Edi Koblmüller, Bergführer und Chef der Linzer Alpinschule "Die Bergspechte". Umweltschutz-Auflagen seien wichtig, doch es gebe zahlreiche "überspitzte Forderungen".
Beispiele des Absurden: Nirosta und Blitzschlag
So sei es absurd, wenn die EU für hochgelegene Hütten Nirostastahl-Küchen vorschreibe, die den Blitzschlag gerade in die Küche ziehen.
Man müsse bei Auflagen für hochalpine Schutzhütten mit wenigen Gästen andere Maßstäbe anlegen als für Hütten, die eigentlich stark frequentierte Berghotels seien.
Koblmüller: "Wenn die Behörde schon die Art der Schneidbretter für die Jause vorschreibt, wo kommen wir da noch hin?"
"Rückgrat der Wirtschaft in Gefahr"
Es brauche neben Professionalisierung der Vereinsarbeit endlich auch eine Ausbildung von Hüttenwirten, so die Diskussionsrunde.
Als Grundproblem wurde auch genannt, dass es heute kaum noch Pioniergeist gebe - wie zur Gründerzeit vieler Hütten im 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhhunderts.
Tenor: Abspecken bei der Infrastruktur, weniger Quantität beim umbauten Raum, weniger Einzelzimmer, mehr Qualität und wieder mehr "Abenteuer" und charmante Einfachheit beim Wandern und Bergsteigen.
Hinterhölzl für viele DER Vorbild-Hüttenwirt
Ähnlich argumentierte der Hüttenwirt des in seinem Privatbesitz befindlichen Heinrich-Kiener-Hauses auf dem Hochgründeck bei Bischofshofen: Hermann Hinterhölzl. Es brauche beim Arbeitsrecht oder bei der Hygiene-Verordnung Differenzierungen zwischen Hütten und Fünf-Sterne-Hotels.
Hinterhölzl zeigte auch geänderte Ansprüche der Hüttenbesucher auf: Die Gäste erwarteten selbst in entlegenen Gebieten Duschen, Zweibettzimmer und mehrgängige Menüs. Er selbst führt seine Hütte als öko-sozialen Musterbetrieb, der schon internationale Preise eingeheimst hat.
Hinterhölzl teilt Hüttenwirtskollegen in drei Typologien ein: Aussteiger, die nichts mehr vom Tal wissen wollen und oben die heile Welt suchen, reine Geschäftemacher und solche, die sich ganzheitlich um Menschen, Umwelt und Haus kümmern wollen.
Längere Anstiege würden von vielen Gästen nicht mehr akzeptiert, ergänzte der Bergführer Edi Koblmüller aus bitterer Erfahrung. Es sei durchaus berechtigt, dass die Hüttenerhalter, die viel für den Tourismus in den Alpen leisten, Sorge hätten, dass das System nicht mehr finanzierbar sei:
"Der Tourismus verwendet die Infrastruktur, welche die alpinen Vereine quasi kostenlos zur Verfügung stellen, um den Slogan vom 'Wanderbaren Österreich' unter die Leute zu bringen", sagte Koblmüller.
Er bezifferte die Wertschöpfung aus dem Bergtourismus mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr in Österreich. Die alpinen Vereine sollten an einem Strang ziehen und der Politik und den Tourismus-Verantwortlichen klar machen, um welche Bedeutung für den Fremdenverkehr es bei den Schutzhütten und den Wegen gehe, forderte Koblmüller.
"90 Prozent wird im Gebirge erwirtschaftet"
Gudrun Mosler-Törnström, Vorsitzende der Salzburger Naturfreunde und Dritte Präsidentin des Salzburger Landtages (***), wies auf den Zwiespalt ihrer beiden Funktionen hin.
Dass Österreichs politische Landschaft sich so desinteressiert für die Probleme des Bergtourismus zeige, das erschüttere sie persönlich sehr, sagte Mosler-Törnström.
Sie setze sich seit Jahren massiv für alpine Themen ein und versuche andere Mandatare für Problematiken zu interessieren:
"Wenn Österreich nicht erkennt, dass es hier um eine Basis der nationalen Wertschöpfung geht, dann sieht es künftig schlecht aus. Wenn man das Land Salzburg nimmt, dann erwirtschaften die Bezirke im Gebirge 90 Prozent der Tourismus-Erträge. Gleichzeitig wird der ländliche Raum strukturell ausgehungert."
Mosler-Törnström fordert verbesserte Jugendarbeit und nannte als positives Beispiel das Happisch-Haus der Naturfreunde im Tennengebirge, wo es mittlerweile eine vorbildliche Hüttenbewirtschaft sowie viele Jugend- und Familienprogramme gebe - obwohl diese Hütte nur über sehr lange Fußmärsche erreichbar ist.
Verband Alpiner Vereine will Druck machen
Die alpinen Vereine in Österreich - die vielen Hütten des Deutschen Alpenvereins im Lande sind da nicht mitgezählt - hätten rund 500 Schutzhütten, deren Instandhaltung zwölf Millionen Euro pro Jahr koste. Dazu kämen rund 180 Hütten des deutschen Alpenvereins, lieferte Rudolf Kaupe, Geschäftsführer des Verbandes Alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ), weitere Zahlen.
Das österreichische Wegenetz habe eine Gesamtlänge von 50.000 Kilometern, die Instandhaltung koste 750.000 Euro pro Jahr. Ohne alpine Infrastruktur gebe es keinen Wander- und Berg-Tourismus, warnte auch Kaupe.
Kritik an undifferenzierten Gesetzen
Christian Schmuck, Hütten-Referent der Alpenvereinssektion Salzburg, verweis auf eine teils haarsträubende Gesetzes-Lage auf Landes- bzw. Bundesebene, die regionalen Fakten kaum Rechnung trage.
Er forderte die Parlamente (Landtage und Nationalrat) auf, differenzierte Umwelt-Kriterien für Hütten-Standorte gesetzlich festzulegen.
Im äußerst wasserdurchlässigen Kalkgebirge müssten andere Gesetze für die Abwasser-Entsorgung gelten als beispielsweise im kristallinen Urgestein der Hohen Tauern, wo die Umweltbelastungen längst nicht so gravierend seien - wegen der Undurchlässigkeit der Böden.
Claudia Lagler, APA; Gerald Lehner, salzburg.ORF.at (Diskussionsleiter)
Quelle: orf.at
Alpine Vereine sehen sich bei der Erhaltung von Schutzhütten vor fast unlösbare Probleme gestellt.
"Öffentliche Hand übernimmt wenig Verantwortung"
Erst vor wenigen Wochen hat der Alpenverein die Rudolfshütte - sein international anerkanntes Ausbildungszentrum - aus Geldmangel an einen privaten Investor verkaufen müssen - für viele Insider ein vereinsgeschichtliches und vereinspolitisches Erdbeben.
Die "Zukunft der Schutzhütten" lautete nicht zuletzt auch deshalb das Thema einer Podiumsdiskussion am Montagabend beim Bergfilmfestival im Salzburger Filmkulturzentrum DAS KINO.
Allgemeiner Tenor: Das System der Berghütten und Wege sei unter anderem auch deshalb nicht mehr finanzierbar, weil die öffentliche Hand im Zuge neoliberaler Sparbudgets sich kaum noch für Infrastruktur der Bergregion verantwortlich fühle. Das gemeinnützige System nehme schweren Schaden und damit der heimische Tourismus.
Bürokratie: Auflagen durch "Eierköpfe"?
Allein für die Erhaltung der Substanz benötige man österreichweit 6,6 Millionen Euro pro Jahr, nannte Eckhart Ehm, Referent für Hütten und Wege des Österreichischen Alpenvereins (OeAV), konkrete Zahlen. Der Bund senke seine Zuwendungen seit Jahren. Von den Ländern gebe es kaum finanzielle Unterstützung.
Dazu komme eine Reihe von - sachlich teils fragwürdigen - Behörden- und Naturschutz-Auflagen, die den alpinen Vereinen viel Geld kosten, klagte Ehm. Diese seien oft von "alpintheoretischen Eierköpfen" auf Länder- Bundes- und EU-Ebene ausgedacht, kritisierte Edi Koblmüller, Bergführer und Chef der Linzer Alpinschule "Die Bergspechte". Umweltschutz-Auflagen seien wichtig, doch es gebe zahlreiche "überspitzte Forderungen".
Beispiele des Absurden: Nirosta und Blitzschlag
So sei es absurd, wenn die EU für hochgelegene Hütten Nirostastahl-Küchen vorschreibe, die den Blitzschlag gerade in die Küche ziehen.
Man müsse bei Auflagen für hochalpine Schutzhütten mit wenigen Gästen andere Maßstäbe anlegen als für Hütten, die eigentlich stark frequentierte Berghotels seien.
Koblmüller: "Wenn die Behörde schon die Art der Schneidbretter für die Jause vorschreibt, wo kommen wir da noch hin?"
"Rückgrat der Wirtschaft in Gefahr"
Es brauche neben Professionalisierung der Vereinsarbeit endlich auch eine Ausbildung von Hüttenwirten, so die Diskussionsrunde.
Als Grundproblem wurde auch genannt, dass es heute kaum noch Pioniergeist gebe - wie zur Gründerzeit vieler Hütten im 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhhunderts.
Tenor: Abspecken bei der Infrastruktur, weniger Quantität beim umbauten Raum, weniger Einzelzimmer, mehr Qualität und wieder mehr "Abenteuer" und charmante Einfachheit beim Wandern und Bergsteigen.
Hinterhölzl für viele DER Vorbild-Hüttenwirt
Ähnlich argumentierte der Hüttenwirt des in seinem Privatbesitz befindlichen Heinrich-Kiener-Hauses auf dem Hochgründeck bei Bischofshofen: Hermann Hinterhölzl. Es brauche beim Arbeitsrecht oder bei der Hygiene-Verordnung Differenzierungen zwischen Hütten und Fünf-Sterne-Hotels.
Hinterhölzl zeigte auch geänderte Ansprüche der Hüttenbesucher auf: Die Gäste erwarteten selbst in entlegenen Gebieten Duschen, Zweibettzimmer und mehrgängige Menüs. Er selbst führt seine Hütte als öko-sozialen Musterbetrieb, der schon internationale Preise eingeheimst hat.
Hinterhölzl teilt Hüttenwirtskollegen in drei Typologien ein: Aussteiger, die nichts mehr vom Tal wissen wollen und oben die heile Welt suchen, reine Geschäftemacher und solche, die sich ganzheitlich um Menschen, Umwelt und Haus kümmern wollen.
Längere Anstiege würden von vielen Gästen nicht mehr akzeptiert, ergänzte der Bergführer Edi Koblmüller aus bitterer Erfahrung. Es sei durchaus berechtigt, dass die Hüttenerhalter, die viel für den Tourismus in den Alpen leisten, Sorge hätten, dass das System nicht mehr finanzierbar sei:
"Der Tourismus verwendet die Infrastruktur, welche die alpinen Vereine quasi kostenlos zur Verfügung stellen, um den Slogan vom 'Wanderbaren Österreich' unter die Leute zu bringen", sagte Koblmüller.
Er bezifferte die Wertschöpfung aus dem Bergtourismus mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr in Österreich. Die alpinen Vereine sollten an einem Strang ziehen und der Politik und den Tourismus-Verantwortlichen klar machen, um welche Bedeutung für den Fremdenverkehr es bei den Schutzhütten und den Wegen gehe, forderte Koblmüller.
"90 Prozent wird im Gebirge erwirtschaftet"
Gudrun Mosler-Törnström, Vorsitzende der Salzburger Naturfreunde und Dritte Präsidentin des Salzburger Landtages (***), wies auf den Zwiespalt ihrer beiden Funktionen hin.
Dass Österreichs politische Landschaft sich so desinteressiert für die Probleme des Bergtourismus zeige, das erschüttere sie persönlich sehr, sagte Mosler-Törnström.
Sie setze sich seit Jahren massiv für alpine Themen ein und versuche andere Mandatare für Problematiken zu interessieren:
"Wenn Österreich nicht erkennt, dass es hier um eine Basis der nationalen Wertschöpfung geht, dann sieht es künftig schlecht aus. Wenn man das Land Salzburg nimmt, dann erwirtschaften die Bezirke im Gebirge 90 Prozent der Tourismus-Erträge. Gleichzeitig wird der ländliche Raum strukturell ausgehungert."
Mosler-Törnström fordert verbesserte Jugendarbeit und nannte als positives Beispiel das Happisch-Haus der Naturfreunde im Tennengebirge, wo es mittlerweile eine vorbildliche Hüttenbewirtschaft sowie viele Jugend- und Familienprogramme gebe - obwohl diese Hütte nur über sehr lange Fußmärsche erreichbar ist.
Verband Alpiner Vereine will Druck machen
Die alpinen Vereine in Österreich - die vielen Hütten des Deutschen Alpenvereins im Lande sind da nicht mitgezählt - hätten rund 500 Schutzhütten, deren Instandhaltung zwölf Millionen Euro pro Jahr koste. Dazu kämen rund 180 Hütten des deutschen Alpenvereins, lieferte Rudolf Kaupe, Geschäftsführer des Verbandes Alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ), weitere Zahlen.
Das österreichische Wegenetz habe eine Gesamtlänge von 50.000 Kilometern, die Instandhaltung koste 750.000 Euro pro Jahr. Ohne alpine Infrastruktur gebe es keinen Wander- und Berg-Tourismus, warnte auch Kaupe.
Kritik an undifferenzierten Gesetzen
Christian Schmuck, Hütten-Referent der Alpenvereinssektion Salzburg, verweis auf eine teils haarsträubende Gesetzes-Lage auf Landes- bzw. Bundesebene, die regionalen Fakten kaum Rechnung trage.
Er forderte die Parlamente (Landtage und Nationalrat) auf, differenzierte Umwelt-Kriterien für Hütten-Standorte gesetzlich festzulegen.
Im äußerst wasserdurchlässigen Kalkgebirge müssten andere Gesetze für die Abwasser-Entsorgung gelten als beispielsweise im kristallinen Urgestein der Hohen Tauern, wo die Umweltbelastungen längst nicht so gravierend seien - wegen der Undurchlässigkeit der Böden.
Claudia Lagler, APA; Gerald Lehner, salzburg.ORF.at (Diskussionsleiter)
Quelle: orf.at
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