Grüß Euch!
Folgenden interssanten und auch amüsanten Artikel von Clemens Kratzer hab ich gerade im www gefunden! Welche Erfahrungen habt ihr denn in der Richtung schon gemacht, vor allem bei Hochtouren ist die Hygiene ja immer ein kleines "Problem"
Als der Saubär sauber wurde
Die große Zahl bergsteigender Menschen wird in zwei ethnische Gruppen gespalten: nicht in Mann und Frau oder Held und Genießer, sondern in Gewaschene und Naturbelassene. Eine ganz und gar unreine Polemik.
Der Schauplatz lag zweihundert Kilometer nördlich des Polarkreises. Eine Woche lang waren wir unterwegs gewesen, sieben Abenteurer und 45 Hunde. An jedem Abend die gleiche Prozedur: erst Holz hacken, dann Feuer machen, dann Eislöcher in den See graben, Wasser holen, Hunde bekochen, uns selbst bewirten und dann nochmal Wasser aufsetzen und - saunen. Die tägliche Sauna als schweißtreibender Duftzusatz zum täglichen Umgang mit kläffenden, kackenden, schwitzenden, blutenden, sabbernden Huskys. Und so mahnte mich der Freund dann auf dem Heimflug: "Du weißt schon, dass du immer noch kriminell hundelst."
Der Mensch und die Hygiene. An den Höfen der absolutistischen Herrscher, so sagt man, gab es fast alle Krankheiten der Haut, der unter der Mitte gelegenen Körpergegenden sowie der Innereien. Aber man sah nichts. Die unvermeidbaren Folgen fehlender Hygiene? Einfach überpudert. Vom bayerischen König Ludwig II. heißt es, er habe ein Gebiss gehabt, das einem Kelten-Friedhof ähnelte, und schon deshalb gibt es wenig Abbildungen von einem milde lächelnden "Kini". Pest, Cholera, Ruhr, sie rafften die ungewaschenen Menschen hinweg, mehr als die schlimmsten Kriege, ob arm oder reich, zu Tausenden. Die Welt wurde nach außen hin regiert von Kaisern und Königen, nach innen jedoch von Mikroben und Bakterien, Pilzkulturen und Karies.
Dann aber kamen erst der Schäfflertanz und dann Robert Koch. Nieder mit Pest und Cholera, die Menschheit ergab sich dem Waschzwang. Schöne neue Welt! Mit ihr kamen Zahnbürste und Deoroller, Waschmaschine und Whirlpool, Hakle-Feucht und Jodbad, Präservative und Penatencreme, Meister Proper und die Clementine von Ariel. Jäh wurden die natürlichen Massenvernichtungswaffen im Breitbandspektrum aus den Zentren der modernen Zivilisation beschossen. Mit wütendem Hunger warfen sich die vertriebenen Viren und Bakterien auf die immer ärmer werdenden Länder der Zweiten, Dritten oder Vierten Welt. In Kerneuropa aber hat die Hygiene über die Keimlinge gesiegt. In ganz Kerneuropa?
Taucher tauschen ihre Thermoanzüge nicht gern
Nein. Eine kleine Schar hartgesottener Menschen kämpft unbeirrt für die Erhaltung hygienefreier Orte. Das sind die Bergsteiger. "Wenn der Herrgott gewollt hätt, dass ich schwimm, hätt er einen Fisch aus mir gemacht", hat Eugen Roth gesagt. Der Herrgott hat auch keine Gämsen aus uns gemacht, darum ist Bergsteigen nicht zwingend in unserer DNA angelegt. Trotzdem tun wir es. Und weil wir dabei Kräfte und Luftreserven angreifen müssen, die wir außerhalb der Berge nicht brauchen, versuchen wir die Anzahl der Dinge, die wir auf die Berge schleppen, zu reduzieren. Und während die einen an begleitendem Lesestoff sparen, wenn sie in die Höhe gehen, reduzieren andere die Hygienebedarfsartikel auf das Allerallernötigste und auf noch weniger. Transpiri...
Dazu kommen die Unbilden der Natur. Höhenbergsteiger, die auf Achttausender steigen, wohin werden sie ihre Notdurft entrichten im brausenden Orkan? Ins Freie? Wo ein Pinkelstrahl in Zehntelsekunden zum Eis am Stiel gefriert? Oh nein, man macht es oft den Tauchern nach, und die, das weiß man, tauschen ihre Thermoanzüge nicht gern.
Über allem steht schließlich unsere Natur: die Bequemlichkeit. Außerhalb von Masochistenzirkeln ist es ein Unding, vor dem Aufstieg auf einen 4000er, zu nachtschlafender Zeit und bei tiefen Temperaturen, etwas anderes als den Handballen mit eiskaltem Wasser zu benetzen. Merke: 1. Wasser ist knapp! 2. Der Nächste will auch noch in den Eisschrank, äh, Waschraum! 3. Ich hab mich vorgestern gewaschen!
Solche Menschen also bestiegen, leicht müffelnd, aber zufrieden, seit Menschengedenken die Berge. Und vermehrten sich dennoch! Vielleicht, weil sie sich gegenseitig auch im dunkelsten Biwak schnell erschnüffelt hatten.
So hätte es bleiben können, bleiben sollen. Aber nein, kaum etabliert sich etwas auf dieser Erde, schon soll es verändert, modernisiert, man sagt: verbessert werden. Während sich die Bergsteiger mehr und mehr an Selbstkasteiung, Matratzenlager und zugige Notunterkünfte gewöhnt hatten, weil alle Lust vom Berg ausgeht, erwuchs für sie eine tödliche Gefahr. Am Anfang lachte man noch naiv, nahm nicht ernst, übersah arrogant.
Der mit dem Haarshampoo
Wer störte da unseren Duftkreis? Das waren diese Auch-Berggeher, die statt einer Portion frugalen Magenzements ein schmackhaftes Menü von den Hüttenküchen erwarteten. Die erst dann richtig wach wurden, wenn sich die echten Bergsteiger um 22 Uhr in die Hüttenruhe begaben. Neulinge, die sich höchst erstaunt zeigten, dass im Schlaflager der zähnefletschende Mund eines wildfremden Bergsteigers vier Zentimeter vom eigenen Ohr entfernt war. Und dessen Nasen- und Gaumengeräusche im Einklang mit einem allzu entspannten Darm wenig Erbauung für die Ohren lieferten. Um vier Uhr, wenn sich die echten Bergsteiger mit Stirnlampe und Mundgeruch zum Gipfelsturm rüsteten, drehten sich die anderen einfach um und freuten sich über Platz, Ruhe und Decken zum Weiterschlafen.
Auffallend war bei diesen Entgleisungen auch die verräterische Frage an den Hüttenwirt, wo denn die Duschen seien. So sorgte diese Saubande für ihren eigenen Gattungsnamen: Warmduscher! Mancher Hüttenwirt erzeugte mit einem Schatzkästlein von bis zu vierzig Warmduscher-Witzen (synonym zu verwenden für Norddeutsche, Frauen oder Homosexuelle) am Hüttenabend eine warme und launige Stimmung.
Bei der sich die Blicke gern in Richtung jener verdorbenen Hygiene-Pinkel richteten: Schaut, da hinten sitzen die mit dem Haarshampoo. Hahaha. Für strapaziertes Haar. Hahaha. Und ein Aftershave haben sie auch. Ihhhh! Irish Moos! Ahh, Ahhhhgrrr. Leihst du mir mal deine Puderdose, Schätzchen? ... Wir lagen am Boden.
Aber der Herrgott will es nicht, wenn man über seine Kreaturen Witze macht. Das kann er nicht ab. Er duldet keine Hatz auf Minderheiten und schon gar keinen Rassismus. Er lässt in Bayern und im Münsterland großherzig Protestanten zu und legt seine Hand sogar wohlwollend über eine rosa DAV-Sektion. Wer also die Warmduscher auf den Hütten belächelt oder bekriegt, so beschloss er in seiner Weisheit, dem soll das Lachen vergehen. Und so brach es fürchterlich über die Bergsteigerwelt herein: Die Zahl derer, die in Berghütten ihrer gewohnten Körperhygiene nachgehen wollen, wuchs und wächst, sie wurde gar zum Wirtschaftsfaktor. Denn sobald man auch nur einen Euro mit etwas verdienen kann, verkehren sich festgenagelte Weltanschauungen über Nacht auch schon mal ins krasse Gegenteil.
Schon freuen sich manche Wirte - ehem. strenggläubige Spartaner - über regeren Zulauf, weil in ihrer Hütte warmes Wasser aus der Deckendusche sprudelt. Manches junge Paar, das früher nach Mallorca ins Hotel gefahren wäre um zu flittern, zog nun in die Berge, gelockt von der Aussicht auf ein Zwei-Zimmer-Gemach mit Kellerdusche. Und verschwand duftend und verdächtig früh in den Federn.
Kletterer gelten nach den Surfern als die zweitschönste Männerspezies
So begann die Zeit der ideologischen Auseinandersetzungen: Wenn eine Berghütte keine servicereduzierte Schutzunterkunft mehr sein darf, sondern sich verdächtig dem Standard einer Bergpension annähert, kann man dann überhaupt noch von ordnungsgemäßem Alpinismus sprechen? Dessen Vordenker, seien wir ehrlich, waren menschlichen, allzumenschlichen Schwächen allerdings nicht abhold.
Sie waren eitel. Sie etablierten bestimmte Haar- und Barttrachten, das Mascherl, Krawatten und anderen äußerlichen Zierat auf den Bergen. Sie konnten es nicht haben, dass Frauen dorthin stiegen, wo sie waren. Dafür lieferten sie bücherweise Anbetungen der tiefen und ehrlichen Bergkameradschaft, die dann oft beim Anflug einer Konkurrenz in Sekundenschnelle dahin war. Aber alles in allem: Dies war die wahre Berghygiene! Damals. Ohne Duschen.
Und heute? Dass auch moderne Kletterer und ihre einfachen Schlafplätze unweit des Einstiegs nicht selten erst mit der Nase und dann mit den Augen wahrgenommen werden, ist eine Erfahrung, die man auch von den Surfern her kennt. Kletterer gelten übrigens nach den Surfern als die zweitschönste Männerspezies, aber bleiben wir sachlich: Wer fragt schon bei einer Rotpunktbegehung nach den Praktiken der menschlichen Notdurft? Aber genau das macht ja die wahre Wildheit der Natur aus - sie bleibt unberechenbar. Hinter jedem Felsen kann ein Mensch gewesen sein, und ein Faserpelz wird übrigens nicht besser, wenn man ihn wäscht.
Wagen wir eine Zukunftsprognose: Die Anzahl der Hütten, in denen der hygienische Standard verbessert wird, steigt weiterhin schnell an. Die Menge der Warmduscher wächst automatisch mit, und damit wird mancher Hüttenwirt eines Tages ein kleiner Hotelier. Und fährt bald Porsche.
Nein, das war jetzt unsachlich. Aber sehen wir es mal von einer anderen Seite: Weil auch mal ein paar Warmduscher auf dieses Matterhorn wollen, ganz hinauf, werden sie eines sehr frühen Morgens das gewohnte Ganzkörperprogramm ausfallen lassen und die Katzenwäsche akzeptieren. Ja, so wird es kommen: Aus Tausenden von Warmduschern werden Hunderte neuer Alpinisten entstehen; sie werden alsbald ihre Toleranz verlieren gegenüber denen, die wie sie selbst noch vor kurzer Zeit den Wirt nach der Dusche fragten. Man wird es sehen und riechen, Alpinism is back!
Murrend, aber duftend am Frühstückstisch
Sehen wir es positiv. Ein Teil der Hütten wird in Zukunft wohnlicher, gemütlicher werden. Wie die Mietskasernen der Nachkriegszeit, so wird man diese Hütten nachrüsten mit den Segnungen des modernen Sanitärfachhandels. Die einen werden mit Whirlpools und anderem Schnickschnack über die Bedürfnislage hinausschießen, aber andere werden an den Glaubenssätzen der Altvorderen festhalten. Die Traditionalisten - alle längst Besitzer von Laptops und Autos mit Navigationsgeräten - werden die Dusche schon deshalb benutzen, weil ihre Benützung im Preis mitenthalten ist.
Und sie werden murrend, aber duftend am Frühstückstisch das Rührei mit Speck hineinmümmeln und dabei an die glorreiche Zeit zurückdenken, als man drei Tage in den gleichen Klamotten stak und stank und sich dann frierend und mit Getreidematsch im Magen auf den Weg machte. Sie werden sich eine Träne ins Auge drücken und anderen von der schönsten Zeit des Bergsteigens erzählen, als man den Bergsteiger wie den Bergpuma früh witterte, ja damals, als Stinken noch Kultur war...
Als ich übrigens damals zum Flughafen Stockholm kam, hatte ich eine lange, heiße Dusche hinter mir. Der grauenhafte Geruch meiner bellenden Freunde und damit die Erinnerung an gelebte Abenteuer, Eiseinbrüche, Schlafsacknächte und Katzenwäschen (was Hunde lieben), an eine Zeit voller Erlebnisse - er war im Abfluss verschwunden wie das Blut in der Duschszene von Alfred Hitchcocks "Psycho". Da war ich nun. Vom kleinen Ausflug ins Abenteuer zurückgebeamt in die Welt der Nirosta-Armaturen. Ich habe mich angepasst an die Zeit, die mich umgibt. Und will es nicht werten.
Folgenden interssanten und auch amüsanten Artikel von Clemens Kratzer hab ich gerade im www gefunden! Welche Erfahrungen habt ihr denn in der Richtung schon gemacht, vor allem bei Hochtouren ist die Hygiene ja immer ein kleines "Problem"
Als der Saubär sauber wurde
Die große Zahl bergsteigender Menschen wird in zwei ethnische Gruppen gespalten: nicht in Mann und Frau oder Held und Genießer, sondern in Gewaschene und Naturbelassene. Eine ganz und gar unreine Polemik.
Der Schauplatz lag zweihundert Kilometer nördlich des Polarkreises. Eine Woche lang waren wir unterwegs gewesen, sieben Abenteurer und 45 Hunde. An jedem Abend die gleiche Prozedur: erst Holz hacken, dann Feuer machen, dann Eislöcher in den See graben, Wasser holen, Hunde bekochen, uns selbst bewirten und dann nochmal Wasser aufsetzen und - saunen. Die tägliche Sauna als schweißtreibender Duftzusatz zum täglichen Umgang mit kläffenden, kackenden, schwitzenden, blutenden, sabbernden Huskys. Und so mahnte mich der Freund dann auf dem Heimflug: "Du weißt schon, dass du immer noch kriminell hundelst."
Der Mensch und die Hygiene. An den Höfen der absolutistischen Herrscher, so sagt man, gab es fast alle Krankheiten der Haut, der unter der Mitte gelegenen Körpergegenden sowie der Innereien. Aber man sah nichts. Die unvermeidbaren Folgen fehlender Hygiene? Einfach überpudert. Vom bayerischen König Ludwig II. heißt es, er habe ein Gebiss gehabt, das einem Kelten-Friedhof ähnelte, und schon deshalb gibt es wenig Abbildungen von einem milde lächelnden "Kini". Pest, Cholera, Ruhr, sie rafften die ungewaschenen Menschen hinweg, mehr als die schlimmsten Kriege, ob arm oder reich, zu Tausenden. Die Welt wurde nach außen hin regiert von Kaisern und Königen, nach innen jedoch von Mikroben und Bakterien, Pilzkulturen und Karies.
Dann aber kamen erst der Schäfflertanz und dann Robert Koch. Nieder mit Pest und Cholera, die Menschheit ergab sich dem Waschzwang. Schöne neue Welt! Mit ihr kamen Zahnbürste und Deoroller, Waschmaschine und Whirlpool, Hakle-Feucht und Jodbad, Präservative und Penatencreme, Meister Proper und die Clementine von Ariel. Jäh wurden die natürlichen Massenvernichtungswaffen im Breitbandspektrum aus den Zentren der modernen Zivilisation beschossen. Mit wütendem Hunger warfen sich die vertriebenen Viren und Bakterien auf die immer ärmer werdenden Länder der Zweiten, Dritten oder Vierten Welt. In Kerneuropa aber hat die Hygiene über die Keimlinge gesiegt. In ganz Kerneuropa?
Taucher tauschen ihre Thermoanzüge nicht gern
Nein. Eine kleine Schar hartgesottener Menschen kämpft unbeirrt für die Erhaltung hygienefreier Orte. Das sind die Bergsteiger. "Wenn der Herrgott gewollt hätt, dass ich schwimm, hätt er einen Fisch aus mir gemacht", hat Eugen Roth gesagt. Der Herrgott hat auch keine Gämsen aus uns gemacht, darum ist Bergsteigen nicht zwingend in unserer DNA angelegt. Trotzdem tun wir es. Und weil wir dabei Kräfte und Luftreserven angreifen müssen, die wir außerhalb der Berge nicht brauchen, versuchen wir die Anzahl der Dinge, die wir auf die Berge schleppen, zu reduzieren. Und während die einen an begleitendem Lesestoff sparen, wenn sie in die Höhe gehen, reduzieren andere die Hygienebedarfsartikel auf das Allerallernötigste und auf noch weniger. Transpiri...
Dazu kommen die Unbilden der Natur. Höhenbergsteiger, die auf Achttausender steigen, wohin werden sie ihre Notdurft entrichten im brausenden Orkan? Ins Freie? Wo ein Pinkelstrahl in Zehntelsekunden zum Eis am Stiel gefriert? Oh nein, man macht es oft den Tauchern nach, und die, das weiß man, tauschen ihre Thermoanzüge nicht gern.
Über allem steht schließlich unsere Natur: die Bequemlichkeit. Außerhalb von Masochistenzirkeln ist es ein Unding, vor dem Aufstieg auf einen 4000er, zu nachtschlafender Zeit und bei tiefen Temperaturen, etwas anderes als den Handballen mit eiskaltem Wasser zu benetzen. Merke: 1. Wasser ist knapp! 2. Der Nächste will auch noch in den Eisschrank, äh, Waschraum! 3. Ich hab mich vorgestern gewaschen!
Solche Menschen also bestiegen, leicht müffelnd, aber zufrieden, seit Menschengedenken die Berge. Und vermehrten sich dennoch! Vielleicht, weil sie sich gegenseitig auch im dunkelsten Biwak schnell erschnüffelt hatten.
So hätte es bleiben können, bleiben sollen. Aber nein, kaum etabliert sich etwas auf dieser Erde, schon soll es verändert, modernisiert, man sagt: verbessert werden. Während sich die Bergsteiger mehr und mehr an Selbstkasteiung, Matratzenlager und zugige Notunterkünfte gewöhnt hatten, weil alle Lust vom Berg ausgeht, erwuchs für sie eine tödliche Gefahr. Am Anfang lachte man noch naiv, nahm nicht ernst, übersah arrogant.
Der mit dem Haarshampoo
Wer störte da unseren Duftkreis? Das waren diese Auch-Berggeher, die statt einer Portion frugalen Magenzements ein schmackhaftes Menü von den Hüttenküchen erwarteten. Die erst dann richtig wach wurden, wenn sich die echten Bergsteiger um 22 Uhr in die Hüttenruhe begaben. Neulinge, die sich höchst erstaunt zeigten, dass im Schlaflager der zähnefletschende Mund eines wildfremden Bergsteigers vier Zentimeter vom eigenen Ohr entfernt war. Und dessen Nasen- und Gaumengeräusche im Einklang mit einem allzu entspannten Darm wenig Erbauung für die Ohren lieferten. Um vier Uhr, wenn sich die echten Bergsteiger mit Stirnlampe und Mundgeruch zum Gipfelsturm rüsteten, drehten sich die anderen einfach um und freuten sich über Platz, Ruhe und Decken zum Weiterschlafen.
Auffallend war bei diesen Entgleisungen auch die verräterische Frage an den Hüttenwirt, wo denn die Duschen seien. So sorgte diese Saubande für ihren eigenen Gattungsnamen: Warmduscher! Mancher Hüttenwirt erzeugte mit einem Schatzkästlein von bis zu vierzig Warmduscher-Witzen (synonym zu verwenden für Norddeutsche, Frauen oder Homosexuelle) am Hüttenabend eine warme und launige Stimmung.
Bei der sich die Blicke gern in Richtung jener verdorbenen Hygiene-Pinkel richteten: Schaut, da hinten sitzen die mit dem Haarshampoo. Hahaha. Für strapaziertes Haar. Hahaha. Und ein Aftershave haben sie auch. Ihhhh! Irish Moos! Ahh, Ahhhhgrrr. Leihst du mir mal deine Puderdose, Schätzchen? ... Wir lagen am Boden.
Aber der Herrgott will es nicht, wenn man über seine Kreaturen Witze macht. Das kann er nicht ab. Er duldet keine Hatz auf Minderheiten und schon gar keinen Rassismus. Er lässt in Bayern und im Münsterland großherzig Protestanten zu und legt seine Hand sogar wohlwollend über eine rosa DAV-Sektion. Wer also die Warmduscher auf den Hütten belächelt oder bekriegt, so beschloss er in seiner Weisheit, dem soll das Lachen vergehen. Und so brach es fürchterlich über die Bergsteigerwelt herein: Die Zahl derer, die in Berghütten ihrer gewohnten Körperhygiene nachgehen wollen, wuchs und wächst, sie wurde gar zum Wirtschaftsfaktor. Denn sobald man auch nur einen Euro mit etwas verdienen kann, verkehren sich festgenagelte Weltanschauungen über Nacht auch schon mal ins krasse Gegenteil.
Schon freuen sich manche Wirte - ehem. strenggläubige Spartaner - über regeren Zulauf, weil in ihrer Hütte warmes Wasser aus der Deckendusche sprudelt. Manches junge Paar, das früher nach Mallorca ins Hotel gefahren wäre um zu flittern, zog nun in die Berge, gelockt von der Aussicht auf ein Zwei-Zimmer-Gemach mit Kellerdusche. Und verschwand duftend und verdächtig früh in den Federn.
Kletterer gelten nach den Surfern als die zweitschönste Männerspezies
So begann die Zeit der ideologischen Auseinandersetzungen: Wenn eine Berghütte keine servicereduzierte Schutzunterkunft mehr sein darf, sondern sich verdächtig dem Standard einer Bergpension annähert, kann man dann überhaupt noch von ordnungsgemäßem Alpinismus sprechen? Dessen Vordenker, seien wir ehrlich, waren menschlichen, allzumenschlichen Schwächen allerdings nicht abhold.
Sie waren eitel. Sie etablierten bestimmte Haar- und Barttrachten, das Mascherl, Krawatten und anderen äußerlichen Zierat auf den Bergen. Sie konnten es nicht haben, dass Frauen dorthin stiegen, wo sie waren. Dafür lieferten sie bücherweise Anbetungen der tiefen und ehrlichen Bergkameradschaft, die dann oft beim Anflug einer Konkurrenz in Sekundenschnelle dahin war. Aber alles in allem: Dies war die wahre Berghygiene! Damals. Ohne Duschen.
Und heute? Dass auch moderne Kletterer und ihre einfachen Schlafplätze unweit des Einstiegs nicht selten erst mit der Nase und dann mit den Augen wahrgenommen werden, ist eine Erfahrung, die man auch von den Surfern her kennt. Kletterer gelten übrigens nach den Surfern als die zweitschönste Männerspezies, aber bleiben wir sachlich: Wer fragt schon bei einer Rotpunktbegehung nach den Praktiken der menschlichen Notdurft? Aber genau das macht ja die wahre Wildheit der Natur aus - sie bleibt unberechenbar. Hinter jedem Felsen kann ein Mensch gewesen sein, und ein Faserpelz wird übrigens nicht besser, wenn man ihn wäscht.
Wagen wir eine Zukunftsprognose: Die Anzahl der Hütten, in denen der hygienische Standard verbessert wird, steigt weiterhin schnell an. Die Menge der Warmduscher wächst automatisch mit, und damit wird mancher Hüttenwirt eines Tages ein kleiner Hotelier. Und fährt bald Porsche.
Nein, das war jetzt unsachlich. Aber sehen wir es mal von einer anderen Seite: Weil auch mal ein paar Warmduscher auf dieses Matterhorn wollen, ganz hinauf, werden sie eines sehr frühen Morgens das gewohnte Ganzkörperprogramm ausfallen lassen und die Katzenwäsche akzeptieren. Ja, so wird es kommen: Aus Tausenden von Warmduschern werden Hunderte neuer Alpinisten entstehen; sie werden alsbald ihre Toleranz verlieren gegenüber denen, die wie sie selbst noch vor kurzer Zeit den Wirt nach der Dusche fragten. Man wird es sehen und riechen, Alpinism is back!
Murrend, aber duftend am Frühstückstisch
Sehen wir es positiv. Ein Teil der Hütten wird in Zukunft wohnlicher, gemütlicher werden. Wie die Mietskasernen der Nachkriegszeit, so wird man diese Hütten nachrüsten mit den Segnungen des modernen Sanitärfachhandels. Die einen werden mit Whirlpools und anderem Schnickschnack über die Bedürfnislage hinausschießen, aber andere werden an den Glaubenssätzen der Altvorderen festhalten. Die Traditionalisten - alle längst Besitzer von Laptops und Autos mit Navigationsgeräten - werden die Dusche schon deshalb benutzen, weil ihre Benützung im Preis mitenthalten ist.
Und sie werden murrend, aber duftend am Frühstückstisch das Rührei mit Speck hineinmümmeln und dabei an die glorreiche Zeit zurückdenken, als man drei Tage in den gleichen Klamotten stak und stank und sich dann frierend und mit Getreidematsch im Magen auf den Weg machte. Sie werden sich eine Träne ins Auge drücken und anderen von der schönsten Zeit des Bergsteigens erzählen, als man den Bergsteiger wie den Bergpuma früh witterte, ja damals, als Stinken noch Kultur war...
Als ich übrigens damals zum Flughafen Stockholm kam, hatte ich eine lange, heiße Dusche hinter mir. Der grauenhafte Geruch meiner bellenden Freunde und damit die Erinnerung an gelebte Abenteuer, Eiseinbrüche, Schlafsacknächte und Katzenwäschen (was Hunde lieben), an eine Zeit voller Erlebnisse - er war im Abfluss verschwunden wie das Blut in der Duschszene von Alfred Hitchcocks "Psycho". Da war ich nun. Vom kleinen Ausflug ins Abenteuer zurückgebeamt in die Welt der Nirosta-Armaturen. Ich habe mich angepasst an die Zeit, die mich umgibt. Und will es nicht werten.
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