http://www.inst.at/berge/perspektiven/kronsteiner.htm
Otto Kronsteiner (Salzburg)
Internationale Gemeinsamkeiten bei der Benennung von Bergen
Kann man Namen übersetzen?
"Es gibt nur eine Sprache,
die Sprache der Menschen."
Texteil I:
In Deutschland sollte ein Saal internationaler Begegnungen mit Bildern gestaltet werden, die Typisches für die Länder darstellen à la Riesenrad, Freiheitsstatue, Eiffelturm, Petersdom. Die damit Beauftragte hat sich an die Botschaften gewendet mit der Bitte, Plakate zu schicken. Sie erhielt nicht nur von Österreich und der Schweiz, sondern auch von allen anderen Ländern, aus Norwegen, Spanien, Chile, Indien, China, Japan, Südafrika nur Berge. Ein Beweis für die kulturelle Identität der Völker mit Bergen?
Zwei europäische Gebirge haben in der Kulturgeschichte Weltbedeutung erlangt: die Alpen, deren Name den international gewordenen Wörtern Alpinistik, Alpinismus, alpin zugrunde liegt, und der Balkan als zwiespältige Kulturlandschaft, deren Bewohner balkanische Hinterwäldler (balkanci), gelegentlich auch tapfere Helden (balkandzija) sind. Beide Namen sind etymologisch nicht ganz klar, semantisch jedenfalls bedeuten sie einfach Berg, Gebirge.
Die vielen heutigen Alpen, von der Schwäbischen und Fränkischen Alb angefangen bis zu den französischen, italienischen, schweizerischen, bayerischen und österreichischen Alpen (alemannisch alb/alp, bairisch alben/alm, ursprünglich "der Berg", dann "die Weide auf dem Berg", ähnlich wie bulgarisch und slowenisch planina), gehen wahrscheinlich zurück auf die von der Po-Ebene aus sichtbaren montes albi/albini in der Bedeutung "die weißen Berge, die Schneeberge" - wie übrigens der Himalaja auch - , von denen die Alm-Bäche (ladinisch Albina), "die Weissenbäche, das Schneewasser," (slowenisch Bela, verdeutscht Vellach) herabfließen. Hunderte gibt es davon in den Alpen.
Im Türkischen war früher jeder heutige dag "Berg" ein balkan. Davon leitet sich dann die geografische und politische Bezeichnung der Balkan ab. Unser kartografisches Balkangebirge heißt heute allerdings auf bulgarisch Stara planina - "der alte Berg".
Jahrhunderte lang hat der Begriff "Berg" (slow. gora, lad. mont) in den jeweiligen Sprachen als Name für viele Berge ausgereicht. Seit dem Entstehen des Alpinismus im 19. Jahrhundert hat die Benennung quantitativ wesentlich zugenommen. Es waren Städter, die aus Sehnsucht nach der wilden Natur oder aus sportlichen Motiven im Gebirge auftauchten und allem aus ihrer urbanen Vorstellungswelt von Strassen, Gassen, Toren und Plätzen einen Namen gaben. Dabei entstanden auch neue für bereits bekannte oder noch unbenannte Berge: die Kaiser-Wilhelm-Spitze für den Kilimandscharo, der Pik Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion, oder der K1 und K2 im Himalaja. Diese Namen-Schicht dominiert heute die Alpin-Kartografie der Welt. Gute 90% der Bergnamen entstammen ihr. Sie leben in Tourismus-Plakaten, auf Karten und Wegweisern. Den Einheimischen sind sie meist fremd. Die Alpen, die Pyrenäen, der Apennin, die Karawanken, die Sudeten, die Anden sind nur kartografisch lebendig, auch wenn es für sie eindrucksvolle "gelehrte" Etymologien gibt.
Wenn wir die Benennungsweise bis zum Alpinismus international vergleichen, finden wir in allen Berglandschaften und Sprachen der Welt eine erstaunliche Ähnlichkeit, die die namenforschenden Etymologen oft nicht beachten. Wer das Verhältnis der Älpler zu ihrer Umwelt nicht kennt, wie manche "akademische" Verfasser von Namenbüchern, erklärt den Ort Eselstein als "Felsen, der nur von einem Esel bestiegen werden kann", - Peilstein als "Ort, wo das gejagte Wild steht und sich gegen die 'peilenden' Hunde zur Wehr setzt", statt richtig zu lad. pila, weil die so benannten Berge alle wie "Pfeiler" emporragen, - Polzberg als "Berg, dessen Gestalt mit einem Bolzen verglichen wird", - Dachsberg als "Berg, der nach dem gehäuften Vorkommen von Dachsen benannt ist". Das zeigt nur Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Benennungsmotive im alpinen Weltbild.
Einzelne aus der Landschaft herausragende Berge wie der Fudschijama in Japan, der Kilimandscharo in Afrika, der Olymp in Griechenland, der Vesuv in Neapel, oder der Ätna in Sizilien, heißen und bedeuten in der Sprache der Umgebung fast immer nur "der Berg". Die Sizilianer nennen ihren kartografischen Ätna nur il mont - "den Berg". Kartografische Namen tradieren meist die Bezeichnung älterer Sprachen für "Berg".
Wer im Gebirge wohnt, erlebt die Berge anders als die Bewohner der Ebene oder einer Flusslandschaft. Die Berge haben in seinem Weltbild eine ordnende Funktion, die in allen Sprachen ähnlich ist. Berge verhindern nicht den "Weitblick" der Flachländler, sie regen zu sprachlicher und weltanschaulicher Kreativität an.
Das Auffälligste ist das Raumgefühl: Ein Berg übernimmt die zentrale Funktion der Ordnung, nach ihm wird die Welt eingeteilt in: auf dem Berg, unter dem Berg, vor dem Berg, hinter dem Berg. In keinem Satz fehlt die Angabe der Richtung: der alpine Mensch "geht" nicht einfach, sondern er geht hinauf, hinunter, hinein, hinaus (im Dialekt auffe, abe, eine, ausse). Er fährt daher auch je nach "seinem archimedischen Punkt" in eine räumliche Geografie [ich verwende unser Weltbild aus den oberösterreichischen Voralpen]: nach Passau hinauf, nach Wien hinunter, nach Innsbruck hinein, nach Steyr hinaus; ebenso nach Deutschland hinaus und nach Italien hinunter. Wer von seinem Alpen-Dialekt zur Literatursprache wechselt, in unserem Fall zum Deutschen, vermisst in jedem Satz diese Richtungsangaben und fühlt sich frustriert, wenn er "nur" nach Berlin fährt, statt nach Berlin hinauf. Die Alpendialekte, ob Deutsch, Ladinisch oder Slowenisch, verhalten sich alle gleich. Und ebenso weit entfernte Sprachen in Afrika, im Kaukasus, im Himalaja, in China oder die Indianersprachen der Anden oder Rocky Mountains
Dieses vom Berg geprägte Raumgefühl wirkt sich auf die allgemeine Namengebung aus: auf Ortsnamen wie auf die von ihnen abgeleiteten Familiennamen. Wenn wir topografisch Aufm Berg, Unterm Berg, Hinterm Berg, Vorderm Berg, Innerm Berg, Ausserm Berg unterscheiden, ergibt das dann als Familien- oder Hofname den Auffenberger, den Unterberger, den Hinterberger, den Vorderberger, den Innerberger und den Ausserberger, - in den jeweils recht und schlecht verschriftsprachlichten Schreibungen. Das machen auch die Slowenen mit ihrem gora: das zu Gornik, Podgornik, Zagornik wird, und die Ladiner mit ihrem mont. Wer Namen verstehen will, muss diese elementare Sehweise nachempfinden. So wird sich ihm der Grossteil auch etymologisch "eindeutig" und "unkompliziert" erschließen. Die kunstvollen Laut-Etymologien mit Bedeutungs-Erfindungen à la "schiefe Ebene, Abendweide, Hirschkuhgebirge" helfen da wenig.
Je gebirgiger die Landschaft, desto mehr muss differenziert werden. Sofern es sich überhaupt lohnt, Berge zu benennen - viele sind ja namenlos und kein Mensch weiß oder interessiert sich dafür, wie sie heißen, obwohl alle auf der Karte einen Namen haben - , können folgende Motive in der "normalen", nicht kartografischen Benennungsweise eine Rolle spielen. Immer wieder erstaunt dabei, dass überall ganz ähnlich differenziert wird, dass also das sprachliche Weltbild im Hinblick auf Berge, international gesehen, identisch ist.
Die Form der Berge ist eine elementare Differenzierungsmöglichkeit. Man unterscheidet, ob ein Berg hoch (neutrales Grundwort Berg) oder vergleichsweise niedrig ist (Hügel), ob rundlich (Kogel/Kofel, Schober, Nock, Gupf/Gipfel, Bichl/Bühel, Mugel, Kulm), spitz (Spitze/Spitz, Eck, Horn, Zinne/Zinken), zackig (Schrofen) oder aufragend wie ein Turm oder ein Pfeiler (Turm, Turmkogel, Türmljoch, Turmstein, Peilstein, zu lad. pila "Pfeiler"). Vgl. auch slowenisch gora, gorica, holm, gric und ladinisch mont/munt/mut, muntatsch, munticula, colm/culm, piz, corn.
Die Bezeichnungen dafür kommen oft aus ehemals in der Umgebung gesprochener Sprachen - in den Alpen aus dem Ladinischen und Slowenischen -, oder aus den heutigen örtlichen Dialekten. Sie treten in vielen lautlichen Spielformen auf. Den meisten, vom Standard-Deutsch beeinflussten, sind sie nicht verständlich, da sie eben nur regional, also im Dialekt, verwendet werden, und ihre Bekanntheit nur der Kartografie verdanken.
Die Form der Berge gibt auch Anlass für viele Metafern, wie die Bezeichnungen Horn, Zinken, Schober, Nock, Zahn zeigen. Im Spanischen ist "die gezahnte Säge" sierra zum allgemeinen Wort für "Berg" geworden. Es gibt Vergleiche aus der Tierwelt wie Rosskopf, Ochsenkopf, Bocksruck/Posruck, Hundsrück, aus der Architektur Turm, Glockner, Dachstein oder sonstige wie Bischofsmütze. Auffällig ist, dass in der Oronymie aller Völker, bei Arabern, Türken, Chinesen, Japanern und Indianern, der (Hahnen-)Kamm (slow. Greben, Grebenik, Grebenec, franz. Crête, ital. Cresta, türk. Horoz ibigi) als Bergname vorkommt. Ebenso der Vergleich mit einer (Hals-)Kette oder einem Kranz, die uns umgeben, die Bergkette (Nordkette), der Bergkranz (span. Cordillera, serb. Gorski venac).
Wichtig ist die Lage und Funktion im Tagesablauf, der jeweilige Stand der Sonne, besonders zu Mittag, - ob eine Seite des Berges sonnseitig oder schattseitig liegt, Berge als Zeitangabe: Zehner-, Elfer-, Zwölferspitz, Zwölferkogel, Mittagskogel, slow. Poludnik, Zadnik, Juznik, bei den Romanen Col di mez, Cima dieci, Aiguille de Midi, Dents du Midi, Pic du Midi. Ob sie lange in der Früh im Nebel stecken (Nebelstein), oder bei Sonnenauf- oder untergang "rosarot" leuchten: Rötelstein, Rettelstein, Rettenzink, Rosenjoch, Rosenkogel, Rosenköpfl, Rosengarten, rom. Monte Rosa, Cima rossa, Aiguille rouge. Oder sie verweisen darauf, woher gewöhnlich das Gewitter kommt und wo der Donner grollt: Wetterstein, Donnerkogel (slow. Grmnik, im Ennstal der Grimming).
Man muss Berge auch überqueren können. Daher ist ihre Verkehrsfunktion als Pass oder Übergang in ein anderes Tal benennenswert: aufm Tauern, aufm Thurn, eine in den Alpen weit verbreitete Bezeichnung für Berg-Übergänge. Man hat dafür weit hergeholte Etymologien bemüht. Am einfachsten ist die Erklärung aus lad. il turn "der Dreh, der Wendepunkt, wo es wieder hinunter geht" (slow. Vrata), dt. Tor, Törl, Torstein. Metafern sind beliebt: Joven/Joch, von lad. jov, nach dem in der Mitte eingekerbten Jochbalken der Zugtiere - nach dem Bild der eingekerbten Gabel, (lad. furca, furcula) Furkel, Furka Pass, dt. Gaberl - oder nach dem Pferdesattel, eben der Sattel. Daneben gibt es noch Gscheid, Scheideck, wo ein Berg ein Tal vom anderen "scheidet" (slow. Predel, Predelica).
Am eindruckvollsten für alle, die "unten" leben, ist der Schnee auf den Bergen, der oft das ganze Jahr liegen bleibt, oder zumindest zuerst in höheren Regionen fällt, wenn es wieder Winter wird. Bei den Bergnamen der ganzen Welt spielt der weiße Schnee eine dominante Rolle, weniger seine vereiste Form als Gletscher (lad. glatsch "Eis"), regional Ferner, Kees. Schnee bestimmt das Aussehen. Wahrscheinlich leiten sich, wie schon gesagt, die Alpen und Alben als "die weißen Schneeberge" von lat. albus "weiß" und nicht von einem geheimnisvollen Urwort ab. Wer im Frühjahr oder Herbst von Venedig nordwärts schaut, weiß es. Ihnen entsprechen bei den Slowenen Bela gora, Belica, und die Snezniki, bei den Romanen die bekannten Montblanc, Monte bianco, Sierra nevada, in der Türkei Kar dag, Ak dag, in China Tien schan "die in den Himmel ragenden Schneeberge".
Im Gegensatz dazu heißen die früher im Jahr niedrigeren schneefreien Berge nach dem dunklen Baumbestand entweder Schwarzenberg, Schwarzkogel (vgl. ital. Montenegro, serb. Crnagora, türk. Karadag), oder nach den grünen Wiesen Grünberg, Grünalm (slow. Zelenik, ital. Monteverde).
Selbstverständlich ist der Mensch im Gebirge an der wirtschaftlichen Nutzbarkeit seiner Berge interessiert. Seit ältester Zeit lebt er von ihr. Das ferrum noricum, das norische Erz, war schon zur Römerzeit berühmt. Man baute es ab von den zahlreichen Erzbergen, Arzbergen, Erzgebirgen (slow. Rudnik, Zeleznik, in Frankreich Montferrant). Aber auch Gold, Silber und Edelsteine wurden gesucht: Goldberg, Silberstein, Silberberg, Granatspitz (slow. Zlatnik, Srebernik).
Auch die uralte Jagd hat ihre Spuren hinterlassen. Ein ganzer Zoo lässt sich aus Bergnamen zusammenstellen: Bärenkogel (slow. Medved, Medvednik, Medvednica, lad. Ursin, verdeutscht Irschenberg), Gaisberg, Gamsstein, Kitzstein (slow. Kozjak), Rehberg, Hirschberg, Hirschkogel (slow. Jelen, Jelenik), Saualm, Saukogel, Fuchskogel. Nicht zu vergessen natürlich auch die Haustiere, die im Sommer auf der Alm sind: Schafberg, Ochsenkogel, Kuhberg, Rosskar, Rossalm.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes am Berg, des Holzes als Bauholz oder Brennholz wirkt namengebend beim: Buchberg, Tannberg, Eichkogel, Feichteck, Zirmkogel, Lindkogel, Eschenkogel (slow. Dobnik, Javornik, Jesenik, Smrecnik, lad. Pineda/Pinede). Die Bäume können aber auch die Farbe eines Berges bestimmen, ob er sich mehr schwarz, rot, oder grün zeigt: Schwarzenberg, Rotbühel, Grünberg. Wenn nichts wächst, wird das auch vermerkt: Kahlenberg (slow. Golik, Golnik, Golec, Grintovec).
Die oberen Regionen hoher Berge waren vor dem Alpin-Tourismus wirtschaftlich wertlos. Sie waren Geheimnis umwoben, den Göttern vorbehalten. Man hat sich in diese Höhen nicht vorgewagt. Daher spielt sich dort Mythisches ab. Je nach dem Genus des Wortes für "Berg" (dt. und rom. Maskulinum der Berg, il monte, aber span. la sierra, slaw. Femininum gora) heißen sie Altvater, Altenberg, Montevecchio (das hat mit dem geologischen Alter nichts zu tun, sondern mit den Alten, den ehrwürdigen Greisen oder Verstorbenen) und Starica, Baba, Babia góra, Stara gora, Stara planina. Auf dem Berg, im Berg und seinen Höhlen wohnen böse, gute, jedenfalls unheimliche Gestalten: das Riesengebirge, der Hohe Altlas, die Sierra madre, der Hochschwab. Das Wort für "Hölle" kommt ja von Höhle (slow. Pekel, lad. Pecul) und kaum von einem germ. haljo. Der Berg ist verflucht (Maladeta, Roc d'Enfer, Totengebirge) oder Paradies (Gran Paradiso). Im Salzburger Untersberg soll sich Kaiser Barbarossa mit seinen Mannen aufhalten, in anderen treiben sich Venediger herum, um Gold zu suchen. Überall vermutet man Hexen und Gespenster. Zu jedem größeren Berg gibt es eine Geschichte, eine Sage: der Mönch und die Jungfrau zum Beispiel.
Otto Kronsteiner (Salzburg)
Internationale Gemeinsamkeiten bei der Benennung von Bergen
Kann man Namen übersetzen?
"Es gibt nur eine Sprache,
die Sprache der Menschen."
Texteil I:
In Deutschland sollte ein Saal internationaler Begegnungen mit Bildern gestaltet werden, die Typisches für die Länder darstellen à la Riesenrad, Freiheitsstatue, Eiffelturm, Petersdom. Die damit Beauftragte hat sich an die Botschaften gewendet mit der Bitte, Plakate zu schicken. Sie erhielt nicht nur von Österreich und der Schweiz, sondern auch von allen anderen Ländern, aus Norwegen, Spanien, Chile, Indien, China, Japan, Südafrika nur Berge. Ein Beweis für die kulturelle Identität der Völker mit Bergen?
Zwei europäische Gebirge haben in der Kulturgeschichte Weltbedeutung erlangt: die Alpen, deren Name den international gewordenen Wörtern Alpinistik, Alpinismus, alpin zugrunde liegt, und der Balkan als zwiespältige Kulturlandschaft, deren Bewohner balkanische Hinterwäldler (balkanci), gelegentlich auch tapfere Helden (balkandzija) sind. Beide Namen sind etymologisch nicht ganz klar, semantisch jedenfalls bedeuten sie einfach Berg, Gebirge.
Die vielen heutigen Alpen, von der Schwäbischen und Fränkischen Alb angefangen bis zu den französischen, italienischen, schweizerischen, bayerischen und österreichischen Alpen (alemannisch alb/alp, bairisch alben/alm, ursprünglich "der Berg", dann "die Weide auf dem Berg", ähnlich wie bulgarisch und slowenisch planina), gehen wahrscheinlich zurück auf die von der Po-Ebene aus sichtbaren montes albi/albini in der Bedeutung "die weißen Berge, die Schneeberge" - wie übrigens der Himalaja auch - , von denen die Alm-Bäche (ladinisch Albina), "die Weissenbäche, das Schneewasser," (slowenisch Bela, verdeutscht Vellach) herabfließen. Hunderte gibt es davon in den Alpen.
Im Türkischen war früher jeder heutige dag "Berg" ein balkan. Davon leitet sich dann die geografische und politische Bezeichnung der Balkan ab. Unser kartografisches Balkangebirge heißt heute allerdings auf bulgarisch Stara planina - "der alte Berg".
Jahrhunderte lang hat der Begriff "Berg" (slow. gora, lad. mont) in den jeweiligen Sprachen als Name für viele Berge ausgereicht. Seit dem Entstehen des Alpinismus im 19. Jahrhundert hat die Benennung quantitativ wesentlich zugenommen. Es waren Städter, die aus Sehnsucht nach der wilden Natur oder aus sportlichen Motiven im Gebirge auftauchten und allem aus ihrer urbanen Vorstellungswelt von Strassen, Gassen, Toren und Plätzen einen Namen gaben. Dabei entstanden auch neue für bereits bekannte oder noch unbenannte Berge: die Kaiser-Wilhelm-Spitze für den Kilimandscharo, der Pik Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion, oder der K1 und K2 im Himalaja. Diese Namen-Schicht dominiert heute die Alpin-Kartografie der Welt. Gute 90% der Bergnamen entstammen ihr. Sie leben in Tourismus-Plakaten, auf Karten und Wegweisern. Den Einheimischen sind sie meist fremd. Die Alpen, die Pyrenäen, der Apennin, die Karawanken, die Sudeten, die Anden sind nur kartografisch lebendig, auch wenn es für sie eindrucksvolle "gelehrte" Etymologien gibt.
Wenn wir die Benennungsweise bis zum Alpinismus international vergleichen, finden wir in allen Berglandschaften und Sprachen der Welt eine erstaunliche Ähnlichkeit, die die namenforschenden Etymologen oft nicht beachten. Wer das Verhältnis der Älpler zu ihrer Umwelt nicht kennt, wie manche "akademische" Verfasser von Namenbüchern, erklärt den Ort Eselstein als "Felsen, der nur von einem Esel bestiegen werden kann", - Peilstein als "Ort, wo das gejagte Wild steht und sich gegen die 'peilenden' Hunde zur Wehr setzt", statt richtig zu lad. pila, weil die so benannten Berge alle wie "Pfeiler" emporragen, - Polzberg als "Berg, dessen Gestalt mit einem Bolzen verglichen wird", - Dachsberg als "Berg, der nach dem gehäuften Vorkommen von Dachsen benannt ist". Das zeigt nur Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Benennungsmotive im alpinen Weltbild.
Einzelne aus der Landschaft herausragende Berge wie der Fudschijama in Japan, der Kilimandscharo in Afrika, der Olymp in Griechenland, der Vesuv in Neapel, oder der Ätna in Sizilien, heißen und bedeuten in der Sprache der Umgebung fast immer nur "der Berg". Die Sizilianer nennen ihren kartografischen Ätna nur il mont - "den Berg". Kartografische Namen tradieren meist die Bezeichnung älterer Sprachen für "Berg".
Wer im Gebirge wohnt, erlebt die Berge anders als die Bewohner der Ebene oder einer Flusslandschaft. Die Berge haben in seinem Weltbild eine ordnende Funktion, die in allen Sprachen ähnlich ist. Berge verhindern nicht den "Weitblick" der Flachländler, sie regen zu sprachlicher und weltanschaulicher Kreativität an.
Das Auffälligste ist das Raumgefühl: Ein Berg übernimmt die zentrale Funktion der Ordnung, nach ihm wird die Welt eingeteilt in: auf dem Berg, unter dem Berg, vor dem Berg, hinter dem Berg. In keinem Satz fehlt die Angabe der Richtung: der alpine Mensch "geht" nicht einfach, sondern er geht hinauf, hinunter, hinein, hinaus (im Dialekt auffe, abe, eine, ausse). Er fährt daher auch je nach "seinem archimedischen Punkt" in eine räumliche Geografie [ich verwende unser Weltbild aus den oberösterreichischen Voralpen]: nach Passau hinauf, nach Wien hinunter, nach Innsbruck hinein, nach Steyr hinaus; ebenso nach Deutschland hinaus und nach Italien hinunter. Wer von seinem Alpen-Dialekt zur Literatursprache wechselt, in unserem Fall zum Deutschen, vermisst in jedem Satz diese Richtungsangaben und fühlt sich frustriert, wenn er "nur" nach Berlin fährt, statt nach Berlin hinauf. Die Alpendialekte, ob Deutsch, Ladinisch oder Slowenisch, verhalten sich alle gleich. Und ebenso weit entfernte Sprachen in Afrika, im Kaukasus, im Himalaja, in China oder die Indianersprachen der Anden oder Rocky Mountains
Dieses vom Berg geprägte Raumgefühl wirkt sich auf die allgemeine Namengebung aus: auf Ortsnamen wie auf die von ihnen abgeleiteten Familiennamen. Wenn wir topografisch Aufm Berg, Unterm Berg, Hinterm Berg, Vorderm Berg, Innerm Berg, Ausserm Berg unterscheiden, ergibt das dann als Familien- oder Hofname den Auffenberger, den Unterberger, den Hinterberger, den Vorderberger, den Innerberger und den Ausserberger, - in den jeweils recht und schlecht verschriftsprachlichten Schreibungen. Das machen auch die Slowenen mit ihrem gora: das zu Gornik, Podgornik, Zagornik wird, und die Ladiner mit ihrem mont. Wer Namen verstehen will, muss diese elementare Sehweise nachempfinden. So wird sich ihm der Grossteil auch etymologisch "eindeutig" und "unkompliziert" erschließen. Die kunstvollen Laut-Etymologien mit Bedeutungs-Erfindungen à la "schiefe Ebene, Abendweide, Hirschkuhgebirge" helfen da wenig.
Je gebirgiger die Landschaft, desto mehr muss differenziert werden. Sofern es sich überhaupt lohnt, Berge zu benennen - viele sind ja namenlos und kein Mensch weiß oder interessiert sich dafür, wie sie heißen, obwohl alle auf der Karte einen Namen haben - , können folgende Motive in der "normalen", nicht kartografischen Benennungsweise eine Rolle spielen. Immer wieder erstaunt dabei, dass überall ganz ähnlich differenziert wird, dass also das sprachliche Weltbild im Hinblick auf Berge, international gesehen, identisch ist.
Die Form der Berge ist eine elementare Differenzierungsmöglichkeit. Man unterscheidet, ob ein Berg hoch (neutrales Grundwort Berg) oder vergleichsweise niedrig ist (Hügel), ob rundlich (Kogel/Kofel, Schober, Nock, Gupf/Gipfel, Bichl/Bühel, Mugel, Kulm), spitz (Spitze/Spitz, Eck, Horn, Zinne/Zinken), zackig (Schrofen) oder aufragend wie ein Turm oder ein Pfeiler (Turm, Turmkogel, Türmljoch, Turmstein, Peilstein, zu lad. pila "Pfeiler"). Vgl. auch slowenisch gora, gorica, holm, gric und ladinisch mont/munt/mut, muntatsch, munticula, colm/culm, piz, corn.
Die Bezeichnungen dafür kommen oft aus ehemals in der Umgebung gesprochener Sprachen - in den Alpen aus dem Ladinischen und Slowenischen -, oder aus den heutigen örtlichen Dialekten. Sie treten in vielen lautlichen Spielformen auf. Den meisten, vom Standard-Deutsch beeinflussten, sind sie nicht verständlich, da sie eben nur regional, also im Dialekt, verwendet werden, und ihre Bekanntheit nur der Kartografie verdanken.
Die Form der Berge gibt auch Anlass für viele Metafern, wie die Bezeichnungen Horn, Zinken, Schober, Nock, Zahn zeigen. Im Spanischen ist "die gezahnte Säge" sierra zum allgemeinen Wort für "Berg" geworden. Es gibt Vergleiche aus der Tierwelt wie Rosskopf, Ochsenkopf, Bocksruck/Posruck, Hundsrück, aus der Architektur Turm, Glockner, Dachstein oder sonstige wie Bischofsmütze. Auffällig ist, dass in der Oronymie aller Völker, bei Arabern, Türken, Chinesen, Japanern und Indianern, der (Hahnen-)Kamm (slow. Greben, Grebenik, Grebenec, franz. Crête, ital. Cresta, türk. Horoz ibigi) als Bergname vorkommt. Ebenso der Vergleich mit einer (Hals-)Kette oder einem Kranz, die uns umgeben, die Bergkette (Nordkette), der Bergkranz (span. Cordillera, serb. Gorski venac).
Wichtig ist die Lage und Funktion im Tagesablauf, der jeweilige Stand der Sonne, besonders zu Mittag, - ob eine Seite des Berges sonnseitig oder schattseitig liegt, Berge als Zeitangabe: Zehner-, Elfer-, Zwölferspitz, Zwölferkogel, Mittagskogel, slow. Poludnik, Zadnik, Juznik, bei den Romanen Col di mez, Cima dieci, Aiguille de Midi, Dents du Midi, Pic du Midi. Ob sie lange in der Früh im Nebel stecken (Nebelstein), oder bei Sonnenauf- oder untergang "rosarot" leuchten: Rötelstein, Rettelstein, Rettenzink, Rosenjoch, Rosenkogel, Rosenköpfl, Rosengarten, rom. Monte Rosa, Cima rossa, Aiguille rouge. Oder sie verweisen darauf, woher gewöhnlich das Gewitter kommt und wo der Donner grollt: Wetterstein, Donnerkogel (slow. Grmnik, im Ennstal der Grimming).
Man muss Berge auch überqueren können. Daher ist ihre Verkehrsfunktion als Pass oder Übergang in ein anderes Tal benennenswert: aufm Tauern, aufm Thurn, eine in den Alpen weit verbreitete Bezeichnung für Berg-Übergänge. Man hat dafür weit hergeholte Etymologien bemüht. Am einfachsten ist die Erklärung aus lad. il turn "der Dreh, der Wendepunkt, wo es wieder hinunter geht" (slow. Vrata), dt. Tor, Törl, Torstein. Metafern sind beliebt: Joven/Joch, von lad. jov, nach dem in der Mitte eingekerbten Jochbalken der Zugtiere - nach dem Bild der eingekerbten Gabel, (lad. furca, furcula) Furkel, Furka Pass, dt. Gaberl - oder nach dem Pferdesattel, eben der Sattel. Daneben gibt es noch Gscheid, Scheideck, wo ein Berg ein Tal vom anderen "scheidet" (slow. Predel, Predelica).
Am eindruckvollsten für alle, die "unten" leben, ist der Schnee auf den Bergen, der oft das ganze Jahr liegen bleibt, oder zumindest zuerst in höheren Regionen fällt, wenn es wieder Winter wird. Bei den Bergnamen der ganzen Welt spielt der weiße Schnee eine dominante Rolle, weniger seine vereiste Form als Gletscher (lad. glatsch "Eis"), regional Ferner, Kees. Schnee bestimmt das Aussehen. Wahrscheinlich leiten sich, wie schon gesagt, die Alpen und Alben als "die weißen Schneeberge" von lat. albus "weiß" und nicht von einem geheimnisvollen Urwort ab. Wer im Frühjahr oder Herbst von Venedig nordwärts schaut, weiß es. Ihnen entsprechen bei den Slowenen Bela gora, Belica, und die Snezniki, bei den Romanen die bekannten Montblanc, Monte bianco, Sierra nevada, in der Türkei Kar dag, Ak dag, in China Tien schan "die in den Himmel ragenden Schneeberge".
Im Gegensatz dazu heißen die früher im Jahr niedrigeren schneefreien Berge nach dem dunklen Baumbestand entweder Schwarzenberg, Schwarzkogel (vgl. ital. Montenegro, serb. Crnagora, türk. Karadag), oder nach den grünen Wiesen Grünberg, Grünalm (slow. Zelenik, ital. Monteverde).
Selbstverständlich ist der Mensch im Gebirge an der wirtschaftlichen Nutzbarkeit seiner Berge interessiert. Seit ältester Zeit lebt er von ihr. Das ferrum noricum, das norische Erz, war schon zur Römerzeit berühmt. Man baute es ab von den zahlreichen Erzbergen, Arzbergen, Erzgebirgen (slow. Rudnik, Zeleznik, in Frankreich Montferrant). Aber auch Gold, Silber und Edelsteine wurden gesucht: Goldberg, Silberstein, Silberberg, Granatspitz (slow. Zlatnik, Srebernik).
Auch die uralte Jagd hat ihre Spuren hinterlassen. Ein ganzer Zoo lässt sich aus Bergnamen zusammenstellen: Bärenkogel (slow. Medved, Medvednik, Medvednica, lad. Ursin, verdeutscht Irschenberg), Gaisberg, Gamsstein, Kitzstein (slow. Kozjak), Rehberg, Hirschberg, Hirschkogel (slow. Jelen, Jelenik), Saualm, Saukogel, Fuchskogel. Nicht zu vergessen natürlich auch die Haustiere, die im Sommer auf der Alm sind: Schafberg, Ochsenkogel, Kuhberg, Rosskar, Rossalm.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes am Berg, des Holzes als Bauholz oder Brennholz wirkt namengebend beim: Buchberg, Tannberg, Eichkogel, Feichteck, Zirmkogel, Lindkogel, Eschenkogel (slow. Dobnik, Javornik, Jesenik, Smrecnik, lad. Pineda/Pinede). Die Bäume können aber auch die Farbe eines Berges bestimmen, ob er sich mehr schwarz, rot, oder grün zeigt: Schwarzenberg, Rotbühel, Grünberg. Wenn nichts wächst, wird das auch vermerkt: Kahlenberg (slow. Golik, Golnik, Golec, Grintovec).
Die oberen Regionen hoher Berge waren vor dem Alpin-Tourismus wirtschaftlich wertlos. Sie waren Geheimnis umwoben, den Göttern vorbehalten. Man hat sich in diese Höhen nicht vorgewagt. Daher spielt sich dort Mythisches ab. Je nach dem Genus des Wortes für "Berg" (dt. und rom. Maskulinum der Berg, il monte, aber span. la sierra, slaw. Femininum gora) heißen sie Altvater, Altenberg, Montevecchio (das hat mit dem geologischen Alter nichts zu tun, sondern mit den Alten, den ehrwürdigen Greisen oder Verstorbenen) und Starica, Baba, Babia góra, Stara gora, Stara planina. Auf dem Berg, im Berg und seinen Höhlen wohnen böse, gute, jedenfalls unheimliche Gestalten: das Riesengebirge, der Hohe Altlas, die Sierra madre, der Hochschwab. Das Wort für "Hölle" kommt ja von Höhle (slow. Pekel, lad. Pecul) und kaum von einem germ. haljo. Der Berg ist verflucht (Maladeta, Roc d'Enfer, Totengebirge) oder Paradies (Gran Paradiso). Im Salzburger Untersberg soll sich Kaiser Barbarossa mit seinen Mannen aufhalten, in anderen treiben sich Venediger herum, um Gold zu suchen. Überall vermutet man Hexen und Gespenster. Zu jedem größeren Berg gibt es eine Geschichte, eine Sage: der Mönch und die Jungfrau zum Beispiel.
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