Riesiger Felssturz beim Wiesbachhorn
Quelle: salzburg.orf.at
Im Gebiet des Großen Wiesbachhorns bei Fusch (Pinzgau) hat es einen riesigen Felssturz gegeben. Mehr als 150.000 Tonnen brachen in mehr als 3.000 Meter Seehöhe ab und verwüsteten ein meistens menschenleeres Gletscherkar.
Ursache sei der durch den Klimawandel auftauende Permafrostboden, sagte der Salzburger Landesgeologe Gerald Valentin. Dieser jüngste Felssturz hat etwa das achtfache Gewicht des Eifelturms und ähnelt physikalisch dem in der Schweiz vor zwei Monaten. Dort wurden acht Menschen verschüttet und getötet.
Das Fuscher Trümmerfeld ist deutlich kleiner, aber noch immer riesig. Es liegt weit oben im hochalpinen Ödland ohne Besiedelung und ohne regulär begangene Wege, und es gibt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Opfer. Die Massen stürzten auf einen der noch immer dicken Gletscher im Umfeld des Großen Wiesbachhorns (Sandbodenkees).
Erste Stufe in fast freiem Fall
Die Felsen setzten sich in der Nacht auf den 20. Oktober schlagartig in Bewegung – auf mehr als 3.000 Meter Seehöhe und in der ersten Stufe über 250 Höhenmeter bis auf den Gletscher hinunter. Hier stürzten die Trümmer in fast freiem Fall ab. Die Energie reichte, um in der Folge auf dem zuerst leicht und dann steiler abfallenden Gletscher zwei weitere Kilometer in Richtung Ferleiten bzw. Käfertal (Fuscher Tal) zurückzulegen.
Diese Naturgewalten wurden erst vor wenigen Tagen bekannt. Nur im Frühling sind in dem technisch eher schwierigen Gelände einige wenige Skitourengeher unterwegs. Zuletzt gab es im März 2015 im Nahbereich einen größeren Bergrettungseinsatz für zwei Skibergsteiger, die aus einer Gletscherspalte geborgen wurden. Das Große Wiesbachhorn steht in der nördlichen Großglockner-Gruppe und ist der höchste Berg Salzburgs, dessen Massiv und alle Nebengipfel ganz auf dem Territorium des Bundeslandes stehen.
„Stabilität des Hochgebirges geringer“
Geologe Valentin sagte, durch den Klimawandel dringe verstärkt Schmelzwasser in die seit Jahrtausenden ganzjährig gefrorenen Permafrostböden ein. Dadurch tauen manche Stellen vorübergehend auf. Die immer feuchteren Massen gefrieren im Winterfrost wieder. Zusätzliche Anteile von Eis dehnen sich aus und wirken kurz-, mittel- und langfristig wie Keile im Boden: „Der Permafrost ist der Klebstoff für den ohnehin labilen Untergrund. Wenn sich hier etwas ändert, dann geht es zur Sache. Es sind natürliche und normale Prozesse, die aber in den letzten Jahren zunehmen. Der Klimawandel verringert die Stabilität des Hochgebirges.“
Riesenmuren durch rasche Eisschmelze möglich
Es gebe für die Menschen äußerst gefährliche Szenarien, wenn mehrere hunderttausend oder Millionen Tonnen Berg in Bewegung geraten, so der Experte, der seit Jahrzehnten auch als Alpinist, Kletterer, Berg- und Skiführer unterwegs ist: „Wenn noch größere Massen auf einen Gletscher treffen, kann durch die enorme Sturz- und Reibungsenergie das Eis zum Teil schmelzen. Dadurch entstünde eine Gleitmasse, die als Riesenmure aus Stein und Eis bis ganz ins Tal gelangen und möglicherweise Almen oder Siedlungsgebiete verwüsten könnte – wie vor einigen Wochen geschehen in der Schweiz in Graubünden.“
Genaue Lage auf dem Massiv
Die aktuelle Abbruchstelle befindet in etwa 1,9 Kilometer Luftlinie nordöstlich des 3.564 Meter hohen Hauptgipfels beim benachbarten Kleinen Wiesbachhorn (3.283 Meter) auf dem nach Osten gerichteten Verbindungsgrat zum Sandbodenkopf (2.922 Meter). Meterhoch verschüttet wurde die ganze Gletscheroberfläche auf der nördlichen Seite des riesigen Hochkars. Felsbrocken und Geröll fuhren dann seitlich noch bis über den Gletscherbruch des Sandbodenkees hinaus ins Tal.
Valentin sah sich vor wenigen Tagen mit einem polizeilichen Hubschrauberteam der Flugeinsatzstelle Salzburg des Innenministeriums die Lage an. Der Wissenschaftler sagte, Felsstürze dieser Größe seien bisher alle zehn bis 15 Jahre vorgekommen: „Es ist ein großes Ereignis, das wir nur selten in Salzburg beobachten konnten. Es könnte nun öfter der Fall sein.“
Frischer Schnee bedeckt nun das Trümmerfeld
Mittlerweile hat es die Fels- und Schuttmassen wieder frisch eingeschneit, sodass das Ausmaß derzeit nicht mehr so gut zu sehen ist wie auf den Flugbildern vom Wochenende. Der kommende Winter dürfte bald eine meterdicke Schicht über das Szenario legen, ehe es im Frühsommer 2018 wieder zum Vorschein kommt.
Neues Forschungsprojekt für Vorhersagen
Das Land Salzburg hat im Rahmen der internationalen Kooperationen in der ARGE Alp ein Forschungsprojekt zu Muren, Fels- und Bergstürzen gestartet. Dafür wurden Randklüfte eines großen und labilen Gletschers in den Hohen Tauern mit hochsensiblen Sensoren ausgestattet - beim Ödenwinkelkees im Stubachtal bei Uttendorf (Pinzgau). Die genaue Beobachtung der Messdaten (Monitoring) läuft nun über längere Zeiträume.
Das System erfasst Veränderungen in den Felsformationen während des Gletscherrückgangs. Dabei sollen jene Mechanismen klarer werden, die letztlich zu Fels- oder Bergstürzen führen können: „Die Erkenntnisse sollen helfen, die komplexen Bewegungsmuster im Permafrost besser zu verstehen. Wir wollen auch neue Methoden zur Früherkennung entwickeln. Das ist eines der Hauptziele, um Menschen, Tiere und Infrastruktur im landwirtschaftlich und touristisch genutzten Bergland besser zu schützen“, so Valentin.
Gerald Lehner, salzburg.ORF.at
Quelle: salzburg.orf.at
Im Gebiet des Großen Wiesbachhorns bei Fusch (Pinzgau) hat es einen riesigen Felssturz gegeben. Mehr als 150.000 Tonnen brachen in mehr als 3.000 Meter Seehöhe ab und verwüsteten ein meistens menschenleeres Gletscherkar.
Ursache sei der durch den Klimawandel auftauende Permafrostboden, sagte der Salzburger Landesgeologe Gerald Valentin. Dieser jüngste Felssturz hat etwa das achtfache Gewicht des Eifelturms und ähnelt physikalisch dem in der Schweiz vor zwei Monaten. Dort wurden acht Menschen verschüttet und getötet.
Das Fuscher Trümmerfeld ist deutlich kleiner, aber noch immer riesig. Es liegt weit oben im hochalpinen Ödland ohne Besiedelung und ohne regulär begangene Wege, und es gibt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Opfer. Die Massen stürzten auf einen der noch immer dicken Gletscher im Umfeld des Großen Wiesbachhorns (Sandbodenkees).
Erste Stufe in fast freiem Fall
Die Felsen setzten sich in der Nacht auf den 20. Oktober schlagartig in Bewegung – auf mehr als 3.000 Meter Seehöhe und in der ersten Stufe über 250 Höhenmeter bis auf den Gletscher hinunter. Hier stürzten die Trümmer in fast freiem Fall ab. Die Energie reichte, um in der Folge auf dem zuerst leicht und dann steiler abfallenden Gletscher zwei weitere Kilometer in Richtung Ferleiten bzw. Käfertal (Fuscher Tal) zurückzulegen.
Diese Naturgewalten wurden erst vor wenigen Tagen bekannt. Nur im Frühling sind in dem technisch eher schwierigen Gelände einige wenige Skitourengeher unterwegs. Zuletzt gab es im März 2015 im Nahbereich einen größeren Bergrettungseinsatz für zwei Skibergsteiger, die aus einer Gletscherspalte geborgen wurden. Das Große Wiesbachhorn steht in der nördlichen Großglockner-Gruppe und ist der höchste Berg Salzburgs, dessen Massiv und alle Nebengipfel ganz auf dem Territorium des Bundeslandes stehen.
„Stabilität des Hochgebirges geringer“
Geologe Valentin sagte, durch den Klimawandel dringe verstärkt Schmelzwasser in die seit Jahrtausenden ganzjährig gefrorenen Permafrostböden ein. Dadurch tauen manche Stellen vorübergehend auf. Die immer feuchteren Massen gefrieren im Winterfrost wieder. Zusätzliche Anteile von Eis dehnen sich aus und wirken kurz-, mittel- und langfristig wie Keile im Boden: „Der Permafrost ist der Klebstoff für den ohnehin labilen Untergrund. Wenn sich hier etwas ändert, dann geht es zur Sache. Es sind natürliche und normale Prozesse, die aber in den letzten Jahren zunehmen. Der Klimawandel verringert die Stabilität des Hochgebirges.“
Riesenmuren durch rasche Eisschmelze möglich
Es gebe für die Menschen äußerst gefährliche Szenarien, wenn mehrere hunderttausend oder Millionen Tonnen Berg in Bewegung geraten, so der Experte, der seit Jahrzehnten auch als Alpinist, Kletterer, Berg- und Skiführer unterwegs ist: „Wenn noch größere Massen auf einen Gletscher treffen, kann durch die enorme Sturz- und Reibungsenergie das Eis zum Teil schmelzen. Dadurch entstünde eine Gleitmasse, die als Riesenmure aus Stein und Eis bis ganz ins Tal gelangen und möglicherweise Almen oder Siedlungsgebiete verwüsten könnte – wie vor einigen Wochen geschehen in der Schweiz in Graubünden.“
Genaue Lage auf dem Massiv
Die aktuelle Abbruchstelle befindet in etwa 1,9 Kilometer Luftlinie nordöstlich des 3.564 Meter hohen Hauptgipfels beim benachbarten Kleinen Wiesbachhorn (3.283 Meter) auf dem nach Osten gerichteten Verbindungsgrat zum Sandbodenkopf (2.922 Meter). Meterhoch verschüttet wurde die ganze Gletscheroberfläche auf der nördlichen Seite des riesigen Hochkars. Felsbrocken und Geröll fuhren dann seitlich noch bis über den Gletscherbruch des Sandbodenkees hinaus ins Tal.
Valentin sah sich vor wenigen Tagen mit einem polizeilichen Hubschrauberteam der Flugeinsatzstelle Salzburg des Innenministeriums die Lage an. Der Wissenschaftler sagte, Felsstürze dieser Größe seien bisher alle zehn bis 15 Jahre vorgekommen: „Es ist ein großes Ereignis, das wir nur selten in Salzburg beobachten konnten. Es könnte nun öfter der Fall sein.“
Frischer Schnee bedeckt nun das Trümmerfeld
Mittlerweile hat es die Fels- und Schuttmassen wieder frisch eingeschneit, sodass das Ausmaß derzeit nicht mehr so gut zu sehen ist wie auf den Flugbildern vom Wochenende. Der kommende Winter dürfte bald eine meterdicke Schicht über das Szenario legen, ehe es im Frühsommer 2018 wieder zum Vorschein kommt.
Neues Forschungsprojekt für Vorhersagen
Das Land Salzburg hat im Rahmen der internationalen Kooperationen in der ARGE Alp ein Forschungsprojekt zu Muren, Fels- und Bergstürzen gestartet. Dafür wurden Randklüfte eines großen und labilen Gletschers in den Hohen Tauern mit hochsensiblen Sensoren ausgestattet - beim Ödenwinkelkees im Stubachtal bei Uttendorf (Pinzgau). Die genaue Beobachtung der Messdaten (Monitoring) läuft nun über längere Zeiträume.
Das System erfasst Veränderungen in den Felsformationen während des Gletscherrückgangs. Dabei sollen jene Mechanismen klarer werden, die letztlich zu Fels- oder Bergstürzen führen können: „Die Erkenntnisse sollen helfen, die komplexen Bewegungsmuster im Permafrost besser zu verstehen. Wir wollen auch neue Methoden zur Früherkennung entwickeln. Das ist eines der Hauptziele, um Menschen, Tiere und Infrastruktur im landwirtschaftlich und touristisch genutzten Bergland besser zu schützen“, so Valentin.
Gerald Lehner, salzburg.ORF.at
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