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Interessante Entscheidung des OGH: Der Lenker eines Pistenfahrzeugs fuhr korrekt. Nach einer Kollision erhält ein Skifahrer dennoch Schadenersatz: Das Gerät hätte erst nach Betriebsschluss fahren dürfen:
Wien. Die Skisaison kommt einer Hochsaison für Unfallchirurgen gleich. Und immer wieder sind auch Zusammenstöße zwischen Skifahrern und Pistenfahrzeugen zu beklagen. Diesbezüglich fällte der Oberste Gerichtshof (OGH) aber jüngst eine interessante Entscheidung. Aus ihr geht hervor, dass der Pistenbetreiber selbst dann haftet, wenn dem Lenker des Pistenfahrzeugs kein Fahrfehler vorgeworfen werden kann. Denn das Gerät dürfe nicht eingesetzt werden, wenn es auch erst nach Ende des Skibetriebs hätte fahren können, meint der OGH.
Um 14.50 Uhr, rund eine Stunde vor Betriebsschluss, war das Unglück im Skigebiet Ischgl geschehen. Es war Mitte April, viele Leute waren auf der Piste nicht unterwegs. Das Unfallopfer, ein guter Skifahrer, war relativ zügig Richtung Tal unterwegs. Am Pistenrand fuhr das mehr als neun Tonnen schwere Pistenfahrzeug bergaufwärts. Der Fahrer hat den Auftrag erhalten, Torstangen und Tische abzuholen, die nach einem Skirennen im Zielbereich stehen geblieben sind. Diese sollten zu einem andere Hang transportiert werden. Der Fahrer verhielt sich korrekt, die Rundumleuchte und ein Signalton machten auf ihn aufmerksam. Als er den Skifahrer erblickte, reagierte der Lenker sofort. Doch bevor sein Fahrzeug zum Stillstand kam, passierte die Kollision. Der Skifahrer war bei einer Kuppe von der Piste abgehoben und prallte nach 14 Metern in der Luft mit den Skiern voran gegen den Frontschild des Fahrzeuges. Er erlitt schwere Verletzungen mit Dauerfolgen und klagte den Pistenbetreiber. Denn zu zwei Drittel sei an dem Unfall der Lenker schuld gewesen, meinte der verletzte Skifahrer. Stimmt nicht, erklärte das Landesgericht Innsbruck. Den Lenker der Pistenraupe treffe kein Verschulden. Somit müsse der Pistenbetreiber, der grundsätzlich für seine Arbeitnehmer haftet, kein Schmerzengeld zahlen.
Auch das Oberlandesgericht Innsbruck kam zum Schluss, dass weder dem Fahrer des Pistenfahrzeugs noch dem Pistenbetreiber ein Vorwurf zu machen sei. Und doch sprach es dem Skifahrer Schadenersatz zu. Das Gericht berief sich dabei auf das EKHG (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz). Dieses sieht eine verschuldensunabhängige Haftung für Kraftfahrzeuge vor. Und dieses Gesetz sei analog anzuwenden, wenn ein Pistenfahrzeug während der Liftbetriebszeiten fahre, meinte das Gericht. Da aber auch das Opfer seinen Teil zum Unfall beigetragen habe, müsse der Pistenbetreiber nur für ein Drittel der Schäden aufkommen.
Pistengerät ist immer „Gefahrenquelle“
Es folgte der OGH als dritte Instanz – und die dritte unterschiedliche Rechtsmeinung. Denn die Frage, ob das EKHG für Pistenfahrzeuge gelte, spiele hier gar keine Rolle, meinten die Höchstrichter. Es gehe nämlich gar nicht um eine verschuldensunabhängige Haftung. Vielmehr müsse man dem Pistenbetreiber sehr wohl einen Vorwurf machen und ihn daher im Zuge der gewöhnlichen Verschuldenshaftung in die Pflicht nehmen. Ein Pistengerät, das bergwärts fahre, sei nämlich immer eine besondere Gefahrenquelle für Skifahrer. Daher dürfe dieses während der Betriebszeiten nur dann fahren, wenn dies auch wirklich notwendig sei. Es obliege dabei dem Pistenbetreiber zu beweisen, dass der Einsatz nötig war.
In diesem Fall gab der Pistenchef dem Lenker des Fahrzeuges die Anweisung, Torstangen und Tische von einem zum anderen Hang zu transportieren. Es sei also nicht um das Beseitigen, sondern um das bloße Verlagern einer Gefahrenquelle gegangen, meinten die Richter. Und es sei auch nicht ersichtlich, warum der Verbleib der Bänke an der ursprünglichen Stelle eine größere Gefahrenquelle für Skifahrer gewesen sein soll als der Einsatz der Pistenraupe. Es habe somit keine Gründe gegeben, um die Pistenraupe eine Stunde vor Betriebsschluss loszuschicken.
Im Ergebnis bestätigte der OGH damit (2Ob30/10s) doch wieder das Urteil des Oberlandesgerichts: Der Skifahrer bekommt ein Drittel seines Schadens ersetzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2011)
LG
der 31.12.
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Interessante Entscheidung des OGH: Der Lenker eines Pistenfahrzeugs fuhr korrekt. Nach einer Kollision erhält ein Skifahrer dennoch Schadenersatz: Das Gerät hätte erst nach Betriebsschluss fahren dürfen:
Wien. Die Skisaison kommt einer Hochsaison für Unfallchirurgen gleich. Und immer wieder sind auch Zusammenstöße zwischen Skifahrern und Pistenfahrzeugen zu beklagen. Diesbezüglich fällte der Oberste Gerichtshof (OGH) aber jüngst eine interessante Entscheidung. Aus ihr geht hervor, dass der Pistenbetreiber selbst dann haftet, wenn dem Lenker des Pistenfahrzeugs kein Fahrfehler vorgeworfen werden kann. Denn das Gerät dürfe nicht eingesetzt werden, wenn es auch erst nach Ende des Skibetriebs hätte fahren können, meint der OGH.
Um 14.50 Uhr, rund eine Stunde vor Betriebsschluss, war das Unglück im Skigebiet Ischgl geschehen. Es war Mitte April, viele Leute waren auf der Piste nicht unterwegs. Das Unfallopfer, ein guter Skifahrer, war relativ zügig Richtung Tal unterwegs. Am Pistenrand fuhr das mehr als neun Tonnen schwere Pistenfahrzeug bergaufwärts. Der Fahrer hat den Auftrag erhalten, Torstangen und Tische abzuholen, die nach einem Skirennen im Zielbereich stehen geblieben sind. Diese sollten zu einem andere Hang transportiert werden. Der Fahrer verhielt sich korrekt, die Rundumleuchte und ein Signalton machten auf ihn aufmerksam. Als er den Skifahrer erblickte, reagierte der Lenker sofort. Doch bevor sein Fahrzeug zum Stillstand kam, passierte die Kollision. Der Skifahrer war bei einer Kuppe von der Piste abgehoben und prallte nach 14 Metern in der Luft mit den Skiern voran gegen den Frontschild des Fahrzeuges. Er erlitt schwere Verletzungen mit Dauerfolgen und klagte den Pistenbetreiber. Denn zu zwei Drittel sei an dem Unfall der Lenker schuld gewesen, meinte der verletzte Skifahrer. Stimmt nicht, erklärte das Landesgericht Innsbruck. Den Lenker der Pistenraupe treffe kein Verschulden. Somit müsse der Pistenbetreiber, der grundsätzlich für seine Arbeitnehmer haftet, kein Schmerzengeld zahlen.
Auch das Oberlandesgericht Innsbruck kam zum Schluss, dass weder dem Fahrer des Pistenfahrzeugs noch dem Pistenbetreiber ein Vorwurf zu machen sei. Und doch sprach es dem Skifahrer Schadenersatz zu. Das Gericht berief sich dabei auf das EKHG (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz). Dieses sieht eine verschuldensunabhängige Haftung für Kraftfahrzeuge vor. Und dieses Gesetz sei analog anzuwenden, wenn ein Pistenfahrzeug während der Liftbetriebszeiten fahre, meinte das Gericht. Da aber auch das Opfer seinen Teil zum Unfall beigetragen habe, müsse der Pistenbetreiber nur für ein Drittel der Schäden aufkommen.
Pistengerät ist immer „Gefahrenquelle“
Es folgte der OGH als dritte Instanz – und die dritte unterschiedliche Rechtsmeinung. Denn die Frage, ob das EKHG für Pistenfahrzeuge gelte, spiele hier gar keine Rolle, meinten die Höchstrichter. Es gehe nämlich gar nicht um eine verschuldensunabhängige Haftung. Vielmehr müsse man dem Pistenbetreiber sehr wohl einen Vorwurf machen und ihn daher im Zuge der gewöhnlichen Verschuldenshaftung in die Pflicht nehmen. Ein Pistengerät, das bergwärts fahre, sei nämlich immer eine besondere Gefahrenquelle für Skifahrer. Daher dürfe dieses während der Betriebszeiten nur dann fahren, wenn dies auch wirklich notwendig sei. Es obliege dabei dem Pistenbetreiber zu beweisen, dass der Einsatz nötig war.
In diesem Fall gab der Pistenchef dem Lenker des Fahrzeuges die Anweisung, Torstangen und Tische von einem zum anderen Hang zu transportieren. Es sei also nicht um das Beseitigen, sondern um das bloße Verlagern einer Gefahrenquelle gegangen, meinten die Richter. Und es sei auch nicht ersichtlich, warum der Verbleib der Bänke an der ursprünglichen Stelle eine größere Gefahrenquelle für Skifahrer gewesen sein soll als der Einsatz der Pistenraupe. Es habe somit keine Gründe gegeben, um die Pistenraupe eine Stunde vor Betriebsschluss loszuschicken.
Im Ergebnis bestätigte der OGH damit (2Ob30/10s) doch wieder das Urteil des Oberlandesgerichts: Der Skifahrer bekommt ein Drittel seines Schadens ersetzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2011)
LG
der 31.12.
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