Ganz Holland lachte: Der Journalist Thijs Zonneveld schlug in einer Kolumne scherzhaft vor, man solle doch einen 2000-Meter-Berg ins öde niederländische Plattland bauen, um Touristen und Sportler anzulocken. Plötzlich fragen sich manche: Ja, warum eigentlich nicht?
Hollands_künstlicher_Berg.jpg
Thijs Zonneveld wurde mit einer kleinen, launigen Kolumne, die schwer nach Sommerloch klang, über Nacht zum landesweit beachteten Autor. Darin forderte er nicht weniger als den Bau eines künstlichen Berges in den Niederlanden. 2000 Meter hoch.
"Een grap", ein Scherz, schrieb der Sportjournalist Tage später, sei das anfänglich gewesen, doch inzwischen nicht mehr. "Ich habe davon geträumt, einen Berg in Holland zu haben, seit ich 15 Jahre alt war", sagt er. "Ich habe Berge auf unsere Landkarte gemalt."
Niederländer, sagt Zonneveld, seien "besessen von Bergen. Wir verbringen alle unsere Urlaube dort. Wir fahren nach Deutschland, Frankreich, in die Schweiz". Und ins Sauerland, um Ski fahren zu lernen, manchmal nur für einen Tag. Was für ein Aufwand - liegt es da nicht auf der Hand, dass Niederländer auch für die Nutzung eines niederländischen Berges bezahlen würden?
"Anfangs habe ich das ja selbst nicht wirklich ernst genommen, so bis vor drei Wochen", sagt Zonneveld. Dann kam der 29. Juli.
"Berg!" lautete die Überschrift seiner kleinen Geschichte, in der er über die sportlichen und geografischen Handicaps der Niederländer Dampf abließ: Von der Natur benachteiligt hätten weder niederländische Radrennfahrer noch Alpinsportler je die Chance, Medaillen zu ernten. Und das nur, weil es in Holland keine Berge gibt: "Das Land ist flach", schrieb er. "Polder-Platt. Platt ist wirklich nützlich, um Rüben zu züchten, Kühe zu halten oder gerade Straßen zu bauen, aber sportlich ist es eine Katastrophe."
So wie Flevoland, die jüngste und platteste aller niederländischen Provinzen. Sie liegt, salopp gesagt, rechts vom Ijsselmeer, zu einem guten Teil unter Null-Niveau und entstand erst ab 1916. Mehr als 30 Jahre hatte der Ingenieur Cornelis Lely einen Plan erdacht, dem Meer nach holländischer Sitte Land abzutrotzen. Die Zuiderzee, eine mehr als 5000 Quadratkilometer große Meeresbucht, wollte er trockenlegen. Der größenwahnsinnige Plan gelang, Ijsselmeer und Flevoland entstanden, und die Niederlande wuchsen um 2412 Quadratkilometer Landmasse an.
Was, fragt nun Thijs Zonneveld, sei im Vergleich dazu schon der Plan, mitten ins allzu flache Flevoland einen 2000 Meter hohen Berg zu bauen? "Wir können so etwas, unser halbes Land haben wir selbstgemacht. Wir praktizieren solche Sachen nur schon lange Zeit nicht mehr." Der Niederländer, ein wahrer Terra-Former?
Ein Schalk? Ein Visionär? Vielleicht beides?
Zonneveld sagt, er glaube inzwischen aufrichtig daran, dass das alles wirklich machbar und auch geschäftlich interessant sei. Als Sportstätte für Skifahrer und Radrennfahrer, für Drachenflieger, Bergsteiger und Wanderer. Als Naherholungsgebiet und Aussichtspunkt "von Paris bis Kopenhagen" - kurzum: als höchste Profit versprechende Touristenattraktion. Und die Gegend, meint er, könne einen Berg gebrauchen. Sogar sehr.
Was die Sache für ihn vom Kindertraum und Scherz zum Projekt gemacht habe, sei das Feedback der Bürger gewesen, aber auch aus Sportverbänden und Firmen. Für die sei das kein Sommerloch-Spaß: "Wir sind gerade in einer Wirtschaftskrise, die haben anderes zu tun, als Scherze zu machen."
Virtuell gibt es "DeNederlandseBerg" längst: als Grafik, als spektakuläre Visualisierung in 3D bei Google Earth, sein Arbeitgeber hat eine Kampagne daraus gemacht, nächste Woche kommt die große Website zum Thema. Zonneveld ist schwer gefragt, redet "mit allen Radiostationen, Fernsehen, Zeitungen, auch ausländischen".
Ist dieser Berg nun die niederländische Version der bayerischen Kuh Yvonne, die Sommerloch-Füllung 2011? Weil ja sonst nichts los ist, abgesehen von Gaddafi, Syrien, der Euro-Krise und all dem anderen, unsommerlich ernsthaften Zeug?
Der Flachländer sehnt sich nach Huckeln
Bei "Knevel & Van den Brink", einer populären Talkshow bei Nederland 1, brachte Zonneveld sieben Leute dazu, trotz aller Zweifel neun Minuten lang zunehmend ernsthaft über das Thema zu diskutieren. Anmoderiert als "bizarre Idee" pries er die Vorteile der alpinen Attraktion. Für eine Milliarde Euro aufwärts ließe sich so etwas wuppen, glaubt er, und natürlich sei den "Kostenberg" zu stemmen keine Aufgabe für die öffentliche Hand, sondern für mutige Investoren.
Am Dienstag, verriet er SPIEGEL ONLINE, werde er sich mit Experten und interessierten Firmenvertretern treffen: zu einem Brainstorming über die Machbarkeit. "Sechs der zehn größten Ingenieurbüros werden dabei sein!", behauptet Zonneveld. Diese alpine Herausforderung sei zu schaffen. Und wenn man den Berg hohl baue.
Endlich Vollbeschäftigung!
Das würde Material sparen, und zwar eine ganze Menge. Massiv in Stahlbeton hochgezogen hätte das Trumm ein Gewicht von geschätzt 5,2 Billionen Kilogramm. In Stein errichtet wäre der Berg sogar noch schwerer - und teurer. Leichter heißt aber auch nicht billiger: So rechnete der Blogger Erik van der Zee schon vor, dass der Berg aus regulären Legosteinen erbaut schon wegen des Arbeitslohns unbezahlbar wäre. Bei einer Baugeschwindigkeit von einem Legostein pro Sekunde und Arbeiter verschlänge allein der Aufbau knapp 729 Milliarden Mannjahre. Anders gesagt: Man könnte damit die gesamte Weltbevölkerung für die nächsten 104 Jahre rund um die Uhr beschäftigen.
Dass die Sache mit dem Berg nicht ganz einfach wird, ist auch Zonneveld klar: "Wenn man so etwas baut, kann man das nur, wenn sich die gesamte niederländische Bauwirtschaft daran beteiligt." Ja, mindestens.
In Berlin, wo im Sommer 2009 ebenfalls einmal die Errichtung eines 1000-Meter-Bergs auf dem Tempelhof-Flughafengelände ventiliert wurde, wurde das Thema schnell als Gag abgehakt. In den Niederlanden aber weckt es echte Sehnsüchte. So gaga das alles klingt, denken offensichtlich intelligente Menschen ernsthaft darüber nach.
Die größten Probleme, glaubt Zonneveld, wären wohl noch nicht einmal Statik, bauliche Machbarkeit oder Geld, sondern die Menschen - wegen der nötigen Umsiedlungen. Klar, dass auch bisherige Attraktionen wie der Leuchtturmhügel Urk deutlich an Reiz verlieren würden.
Bisher thront der als höchste Erhebung der Provinz Flevoland über der trockengelegten Tiefebene, die einst Meeresgrund war - und erreicht stolze acht Meter Höhe. Wenn die Sache mit dem niederländischen Berg nur Blödsinn sein sollte, wäre es auf jeden Fall höherer.
Quelle: Spiegel.de
Hollands_künstlicher_Berg.jpg
Thijs Zonneveld wurde mit einer kleinen, launigen Kolumne, die schwer nach Sommerloch klang, über Nacht zum landesweit beachteten Autor. Darin forderte er nicht weniger als den Bau eines künstlichen Berges in den Niederlanden. 2000 Meter hoch.
"Een grap", ein Scherz, schrieb der Sportjournalist Tage später, sei das anfänglich gewesen, doch inzwischen nicht mehr. "Ich habe davon geträumt, einen Berg in Holland zu haben, seit ich 15 Jahre alt war", sagt er. "Ich habe Berge auf unsere Landkarte gemalt."
Niederländer, sagt Zonneveld, seien "besessen von Bergen. Wir verbringen alle unsere Urlaube dort. Wir fahren nach Deutschland, Frankreich, in die Schweiz". Und ins Sauerland, um Ski fahren zu lernen, manchmal nur für einen Tag. Was für ein Aufwand - liegt es da nicht auf der Hand, dass Niederländer auch für die Nutzung eines niederländischen Berges bezahlen würden?
"Anfangs habe ich das ja selbst nicht wirklich ernst genommen, so bis vor drei Wochen", sagt Zonneveld. Dann kam der 29. Juli.
"Berg!" lautete die Überschrift seiner kleinen Geschichte, in der er über die sportlichen und geografischen Handicaps der Niederländer Dampf abließ: Von der Natur benachteiligt hätten weder niederländische Radrennfahrer noch Alpinsportler je die Chance, Medaillen zu ernten. Und das nur, weil es in Holland keine Berge gibt: "Das Land ist flach", schrieb er. "Polder-Platt. Platt ist wirklich nützlich, um Rüben zu züchten, Kühe zu halten oder gerade Straßen zu bauen, aber sportlich ist es eine Katastrophe."
So wie Flevoland, die jüngste und platteste aller niederländischen Provinzen. Sie liegt, salopp gesagt, rechts vom Ijsselmeer, zu einem guten Teil unter Null-Niveau und entstand erst ab 1916. Mehr als 30 Jahre hatte der Ingenieur Cornelis Lely einen Plan erdacht, dem Meer nach holländischer Sitte Land abzutrotzen. Die Zuiderzee, eine mehr als 5000 Quadratkilometer große Meeresbucht, wollte er trockenlegen. Der größenwahnsinnige Plan gelang, Ijsselmeer und Flevoland entstanden, und die Niederlande wuchsen um 2412 Quadratkilometer Landmasse an.
Was, fragt nun Thijs Zonneveld, sei im Vergleich dazu schon der Plan, mitten ins allzu flache Flevoland einen 2000 Meter hohen Berg zu bauen? "Wir können so etwas, unser halbes Land haben wir selbstgemacht. Wir praktizieren solche Sachen nur schon lange Zeit nicht mehr." Der Niederländer, ein wahrer Terra-Former?
Ein Schalk? Ein Visionär? Vielleicht beides?
Zonneveld sagt, er glaube inzwischen aufrichtig daran, dass das alles wirklich machbar und auch geschäftlich interessant sei. Als Sportstätte für Skifahrer und Radrennfahrer, für Drachenflieger, Bergsteiger und Wanderer. Als Naherholungsgebiet und Aussichtspunkt "von Paris bis Kopenhagen" - kurzum: als höchste Profit versprechende Touristenattraktion. Und die Gegend, meint er, könne einen Berg gebrauchen. Sogar sehr.
Was die Sache für ihn vom Kindertraum und Scherz zum Projekt gemacht habe, sei das Feedback der Bürger gewesen, aber auch aus Sportverbänden und Firmen. Für die sei das kein Sommerloch-Spaß: "Wir sind gerade in einer Wirtschaftskrise, die haben anderes zu tun, als Scherze zu machen."
Virtuell gibt es "DeNederlandseBerg" längst: als Grafik, als spektakuläre Visualisierung in 3D bei Google Earth, sein Arbeitgeber hat eine Kampagne daraus gemacht, nächste Woche kommt die große Website zum Thema. Zonneveld ist schwer gefragt, redet "mit allen Radiostationen, Fernsehen, Zeitungen, auch ausländischen".
Ist dieser Berg nun die niederländische Version der bayerischen Kuh Yvonne, die Sommerloch-Füllung 2011? Weil ja sonst nichts los ist, abgesehen von Gaddafi, Syrien, der Euro-Krise und all dem anderen, unsommerlich ernsthaften Zeug?
Der Flachländer sehnt sich nach Huckeln
Bei "Knevel & Van den Brink", einer populären Talkshow bei Nederland 1, brachte Zonneveld sieben Leute dazu, trotz aller Zweifel neun Minuten lang zunehmend ernsthaft über das Thema zu diskutieren. Anmoderiert als "bizarre Idee" pries er die Vorteile der alpinen Attraktion. Für eine Milliarde Euro aufwärts ließe sich so etwas wuppen, glaubt er, und natürlich sei den "Kostenberg" zu stemmen keine Aufgabe für die öffentliche Hand, sondern für mutige Investoren.
Am Dienstag, verriet er SPIEGEL ONLINE, werde er sich mit Experten und interessierten Firmenvertretern treffen: zu einem Brainstorming über die Machbarkeit. "Sechs der zehn größten Ingenieurbüros werden dabei sein!", behauptet Zonneveld. Diese alpine Herausforderung sei zu schaffen. Und wenn man den Berg hohl baue.
Endlich Vollbeschäftigung!
Das würde Material sparen, und zwar eine ganze Menge. Massiv in Stahlbeton hochgezogen hätte das Trumm ein Gewicht von geschätzt 5,2 Billionen Kilogramm. In Stein errichtet wäre der Berg sogar noch schwerer - und teurer. Leichter heißt aber auch nicht billiger: So rechnete der Blogger Erik van der Zee schon vor, dass der Berg aus regulären Legosteinen erbaut schon wegen des Arbeitslohns unbezahlbar wäre. Bei einer Baugeschwindigkeit von einem Legostein pro Sekunde und Arbeiter verschlänge allein der Aufbau knapp 729 Milliarden Mannjahre. Anders gesagt: Man könnte damit die gesamte Weltbevölkerung für die nächsten 104 Jahre rund um die Uhr beschäftigen.
Dass die Sache mit dem Berg nicht ganz einfach wird, ist auch Zonneveld klar: "Wenn man so etwas baut, kann man das nur, wenn sich die gesamte niederländische Bauwirtschaft daran beteiligt." Ja, mindestens.
In Berlin, wo im Sommer 2009 ebenfalls einmal die Errichtung eines 1000-Meter-Bergs auf dem Tempelhof-Flughafengelände ventiliert wurde, wurde das Thema schnell als Gag abgehakt. In den Niederlanden aber weckt es echte Sehnsüchte. So gaga das alles klingt, denken offensichtlich intelligente Menschen ernsthaft darüber nach.
Die größten Probleme, glaubt Zonneveld, wären wohl noch nicht einmal Statik, bauliche Machbarkeit oder Geld, sondern die Menschen - wegen der nötigen Umsiedlungen. Klar, dass auch bisherige Attraktionen wie der Leuchtturmhügel Urk deutlich an Reiz verlieren würden.
Bisher thront der als höchste Erhebung der Provinz Flevoland über der trockengelegten Tiefebene, die einst Meeresgrund war - und erreicht stolze acht Meter Höhe. Wenn die Sache mit dem niederländischen Berg nur Blödsinn sein sollte, wäre es auf jeden Fall höherer.
Quelle: Spiegel.de
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