http://www.spiegel.de/reise/aktuell/...795720,00.html
Er balanciert auf dem Hochseil über gähnende Abgründe, erklettert Felswände mit einem Fallschirmrucksack als einziger Sicherung: Der US-Extremsportler Dean Potter wagt lebensgefährliche Stunts, die noch kein Mensch vor ihm gemeistert hat. Jetzt plant er sein bislang riskantestes Projekt.
Der Mann im roten T-Shirt klammert sich in den überhängenden grauen Fels. Seine kräftigen Hände sind weiß von Magnesiapulver und Klebeband, das die Finger stützen soll, die Zehenspitzen finden nur minimalen Halt. Ganz weit unten, Hunderte Meter tiefer, sind legosteingroß Häuser an einer Straße auszumachen. Weich wirken die tiefgrünen Baumkronen im Vergleich zum schroffen Fels.
Ohne Seil, Karabiner oder Klettergurt ist Dean Potter unterwegs, keine Sicherung verhindert einen Absturz. Er geht leicht in die Hocke, spannt die Armmuskeln an, will mit der Linken über den Vorsprung greifen. Doch die Finger gleiten ab, er kriegt keinen Halt, bei diesem Griff hat er seine Kräfte überschätzt. Ein gutturaler Schrei ist zu hören, die Hand gleitet ab, der Mann stürzt. Weit streckt er Arme und Beine von sich und rast parallel zur Felswand in die Tiefe. Eine Videokamera hat die Szene aufgezeichnet.
Der US-Amerikaner Dean Potter ist der Einzige, der die Disziplin Free Base betreibt, eine Mischung aus zwei der tödlichsten Spielarten des Alpinsports: Basejumping und Free-Solo-Klettern. Ohne Seilsicherung wagt er sich an schwierigste Routen am überhängenden Fels, in seinem Rucksack hat er einen Fallschirm. Der soll ihn vor dem Tod bewahren, wenn der Berg ihn abwirft.
"Ich bin ein Rabe"
Ein dumpfer Knall, dann ein erneuter gurgelnder Schrei: Mit einem heftigen Ruck hat sich der Fallschirm in Potters schwarzem Rucksack geöffnet. Er taumelt kurz in den Trageseilen, dann gleitet er sanft ins Tal, über Straßen und Felder, zurück in die Zivilisation mit ihren Regeln und Einschränkungen.
Das Video dieses Stunts zeigt der 39-Jährige bei einem Diavortrag auf dem Extrembergsteiger-Treffen "International Mountain Summit" in Brixen. Leicht zusammengekrümmt steht er hinter dem Rednerpult, ein 1,95-Meter-Hüne mit Dreitagebart, Holzfällerhemd und wuscheligen schwarzen Haaren. Er moderiert Videos an, die Disziplinen des Grenzgangs zeigen, in denen er zur absoluten Weltspitze gehört: Hochseilkunststücke über gähnenden Abgründen, Speed-Klettertouren und Flüge mit dem Wingsuit. "Wenn ich fliege, beobachte ich oft den Schatten am Boden, das sieht aus wie ein schwarzer Rabe. In diesen Momenten bin ich ein Rabe", sagt er.
Er berichtet nicht nur von sich selbst, sondern auch ausführlich von Freunden und Lehrmeistern aus seiner Wahlheimat, dem Yosemite-Tal in Kalifornien. Viele von ihnen kam beim Russischen Roulette am Berg ums Leben, einige zählten zu den bekanntesten Kletterern der Yosemite-Szene:
Dan Osman, der sich an elastischen Kletterseilen von der Wand stürzte. Wie Bungee-Springen, nur um ein Vielfaches gefährlicher. Beim Versuch, einen neuen Höhenrekord aufzustellen, riss im November 1998 das Seil.
Frank Gambalie, der im Juni 1999 nach einem illegalen Basejump im Yosemite-Tal von Rangern verfolgt wurde, in einen Fluss sprang und in den Stromschnellen ertrank.
Jose Pereyra, der im Januar 2003 beim Klettern im mexikanischen Monterrey den Halt verlor, weil sich in einer Gerölllawine eine Seilsicherung löste.
Um Pereyras Tod zu illustrieren, zeigt die Großleinwand neben Potter nun die Zeichentrick-Animation eines Mannes, der durch die Luft gewirbelt wird und dann auf den Boden prallt. Um den Kopf bildet sich eine Blutlache. Ein paar Zuschauer stöhnen auf: In solchen Momenten ist dies kein Wohlfühlvortrag, in dem es um die Romantik von Abenteuer und Herausforderung geht, sondern ein brutaler Frontbericht über das Spiel mit dem Tod.
Fallschirmpanne in der Höhle
Einmal überlebte Potter selbst nur durch pures Glück. Ebenfalls in Mexiko, bei einem Basejump in der berühmten "Schwalbenhöhle" im Bundesstaat San Luis Potosí. 333 Meter geht es dort von dem himmelwärts offenen Eingangsloch nach unten, wo die Höhle breiter wird. "Mein Fallschirm war im Regen teilweise nass geworden", berichtet er, "deshalb öffnete er sich nicht richtig." Unkontrolliert stürzte er in die Tiefe, konnte knapp einer Kollision mit der Wand ausweichen.
Für den Aufstieg hatte Potter zuvor ein orangefarbenes, zehn Millimeter dickes Seil aufgehängt, darin verfing sich der Fallschirm. Irgendwie bekam er das Seil zu fassen, klammerte sich mit aller Kraft fest. Die Handinnenflächen rissen durch die Reibung bis auf den Muskel auf, die Schmerzen müssen unerträglich gewesen sein. Doch er ließ nicht los, konnte irgendwie abbremsen, deshalb kann er heute vor dem Publikum in der vollbesetzten Halle davon erzählen.
Was ist das für ein Mensch, der jedes Jahr Dutzende Male sein Leben aufs Spiel setzt? Der in einem Steckbrief eines Sponsors unter der Rubrik "größte Leistung" schreibt: "Ich bin bisher nicht gestorben"? Dieser Mensch, von dem man hofft, dass er nie Management-Seminare halten wird wie andere Alpinisten, weil sich seine Message auf die vier Worte "No risk, no fun" verkürzen ließe?
"Wenn du weißt, dass du tot bist, wenn du einen Fehler machst, führt das zu einer intensiveren Wahrnehmung. Man gibt sich so viel Mühe wie nie zuvor im Leben", erklärt Potter. "Viele Details der Umgebung haben eine größere Bedeutung: das Aussehen des Himmels, fallender Luftdruck, der einen Sturm ankündigt, die Geräusche im Fels. Um zu überleben, muss ich all das besser verstehen, dadurch bin ich in solchen Situationen der Natur so nah wie sonst nie."
Draufgänger und Poet
Wer den Menschen Dean Potter kennenlernen will, muss mit ihm in die Natur gehen. Auf einer Wanderung zur Aschila-Alm über dem Valsertal in Südtirol haben ein paar Gäste des Festivals Gelegenheit dazu. Potter und sein langjähriger Kletter- und Basejump-Kollege Ivo Ninov sind die Einzigen, die in Jeans und Turnschuhen unterwegs sind.
So ein gemächlicher Bergspaziergang sei sicher langweilig für ihn, sagt ein Wanderer. "Das ist ein Missverständnis", Potters braune Augen blinzeln in die Vormittagssonne, um die Mundwinkel bilden sich Lachfalten. "Die Leute bekommen nur zehn Prozent von dem mit, was ich mache." Jeden Morgen nach dem Aufstehen gehe er von seiner Wohnung im Yosemite-Park aus erst mal für eine Stunde mit Whisper spazieren, seinem Australian Cattle Dog. "Das ist dann so ähnlich wie hier", er deutet auf die schneebedeckten Bergkuppen der Alpen, "ich liebe einfach die Natur".
Wie zum Beweis springt er kurz darauf ausgelassen durch schienbeinhohen Schnee, bewirft seine vorherigen Gesprächspartner mit Schneebällen. Und ist zwei Minuten später wieder der zurückhaltende Typ, der mit sanfter Stimme davon erzählt, dass er seit einiger Zeit Gedichte und Kurzgeschichten schreibt und an einem Kinderbuch arbeitet. Im Gespräch wirkt dieser Meister der Selbstinszenierung am Berg, der bei seinen Stunts fast immer eine Videokamera dabei hat, beinahe schüchtern.
Superfokussiert, superkonzentriert
Schon als Kind kritzelte er am liebsten Bilder von Vögeln und Flugzeugen auf Zeichenblocks. "Eine meiner frühesten Erinnerungen ist ein Traum, in dem ich versuche zu fliegen", erzählt er. Den gleichen Traum habe er bis heute manchmal, er rast darin durch die Luft, kurz vor dem Aufprall wacht er auf.
Potters Vater war Berufssoldat, die Mutter Yoga-Lehrerin. "Von ihm habe ich das Superfokussierte, die Disziplin, von ihr habe ich meine eher mystische Seite", erzählt er. Sehr oft setzt er das Wort "super" vor Adjektive.
Superkonzentriert sei er in den Momenten, in denen ein kleiner Fehler den sicheren Tod bedeutet: "Dann habe ich plötzlich Kräfte, die ich nicht vermutet hätte, die Sinne arbeiten viel intensiver, man wird eins mit der Natur, plötzlich ist da eine große Ruhe." Bevor er auf ein Hochseil über einem Hunderte Meter tiefen Abgrund steigt, konzentriert er sich nur auf seine Atmung. "Das ist wie Meditation", sagt er.
Als er im Free-Base-Stil eine höchst anspruchsvolle Passage der Eiger-Nordwand hochkraxelte, verblüffte er die Fachwelt. Am vergangenen Donnerstag gelang ihm dort mit mehr als drei Minuten der bislang längste Basejump überhaupt. Jetzt plant er zwei weitere Stunts, die noch niemandem vor ihm gelungen sind: einen Basejump mit Hund und eine Landung mit dem Wingsuit ohne Fallschirm.
Er ist davon überzeugt, dass bei geeigneten Windverhältnissen eine Landung auf einem zugeschneiten Berghang möglich ist. "Wie ein Flugzeug auf der Landebahn, nur mit meinem Körper." Mit ein paar Freunden zusammen entwickelt er jetzt einen gepanzerten Wingsuit, der vorne Schlittenkufen für die Landung hat.
Ein Rabe braucht keinen Fallschirm.
Anmerkung beim Freischalten:
Auf Seite 2 des oben angegebenen links findet sich noch ein Interview mit Dean Potter.
Lg, Wolfgang A.
Er balanciert auf dem Hochseil über gähnende Abgründe, erklettert Felswände mit einem Fallschirmrucksack als einziger Sicherung: Der US-Extremsportler Dean Potter wagt lebensgefährliche Stunts, die noch kein Mensch vor ihm gemeistert hat. Jetzt plant er sein bislang riskantestes Projekt.
Der Mann im roten T-Shirt klammert sich in den überhängenden grauen Fels. Seine kräftigen Hände sind weiß von Magnesiapulver und Klebeband, das die Finger stützen soll, die Zehenspitzen finden nur minimalen Halt. Ganz weit unten, Hunderte Meter tiefer, sind legosteingroß Häuser an einer Straße auszumachen. Weich wirken die tiefgrünen Baumkronen im Vergleich zum schroffen Fels.
Ohne Seil, Karabiner oder Klettergurt ist Dean Potter unterwegs, keine Sicherung verhindert einen Absturz. Er geht leicht in die Hocke, spannt die Armmuskeln an, will mit der Linken über den Vorsprung greifen. Doch die Finger gleiten ab, er kriegt keinen Halt, bei diesem Griff hat er seine Kräfte überschätzt. Ein gutturaler Schrei ist zu hören, die Hand gleitet ab, der Mann stürzt. Weit streckt er Arme und Beine von sich und rast parallel zur Felswand in die Tiefe. Eine Videokamera hat die Szene aufgezeichnet.
Der US-Amerikaner Dean Potter ist der Einzige, der die Disziplin Free Base betreibt, eine Mischung aus zwei der tödlichsten Spielarten des Alpinsports: Basejumping und Free-Solo-Klettern. Ohne Seilsicherung wagt er sich an schwierigste Routen am überhängenden Fels, in seinem Rucksack hat er einen Fallschirm. Der soll ihn vor dem Tod bewahren, wenn der Berg ihn abwirft.
"Ich bin ein Rabe"
Ein dumpfer Knall, dann ein erneuter gurgelnder Schrei: Mit einem heftigen Ruck hat sich der Fallschirm in Potters schwarzem Rucksack geöffnet. Er taumelt kurz in den Trageseilen, dann gleitet er sanft ins Tal, über Straßen und Felder, zurück in die Zivilisation mit ihren Regeln und Einschränkungen.
Das Video dieses Stunts zeigt der 39-Jährige bei einem Diavortrag auf dem Extrembergsteiger-Treffen "International Mountain Summit" in Brixen. Leicht zusammengekrümmt steht er hinter dem Rednerpult, ein 1,95-Meter-Hüne mit Dreitagebart, Holzfällerhemd und wuscheligen schwarzen Haaren. Er moderiert Videos an, die Disziplinen des Grenzgangs zeigen, in denen er zur absoluten Weltspitze gehört: Hochseilkunststücke über gähnenden Abgründen, Speed-Klettertouren und Flüge mit dem Wingsuit. "Wenn ich fliege, beobachte ich oft den Schatten am Boden, das sieht aus wie ein schwarzer Rabe. In diesen Momenten bin ich ein Rabe", sagt er.
Er berichtet nicht nur von sich selbst, sondern auch ausführlich von Freunden und Lehrmeistern aus seiner Wahlheimat, dem Yosemite-Tal in Kalifornien. Viele von ihnen kam beim Russischen Roulette am Berg ums Leben, einige zählten zu den bekanntesten Kletterern der Yosemite-Szene:
Dan Osman, der sich an elastischen Kletterseilen von der Wand stürzte. Wie Bungee-Springen, nur um ein Vielfaches gefährlicher. Beim Versuch, einen neuen Höhenrekord aufzustellen, riss im November 1998 das Seil.
Frank Gambalie, der im Juni 1999 nach einem illegalen Basejump im Yosemite-Tal von Rangern verfolgt wurde, in einen Fluss sprang und in den Stromschnellen ertrank.
Jose Pereyra, der im Januar 2003 beim Klettern im mexikanischen Monterrey den Halt verlor, weil sich in einer Gerölllawine eine Seilsicherung löste.
Um Pereyras Tod zu illustrieren, zeigt die Großleinwand neben Potter nun die Zeichentrick-Animation eines Mannes, der durch die Luft gewirbelt wird und dann auf den Boden prallt. Um den Kopf bildet sich eine Blutlache. Ein paar Zuschauer stöhnen auf: In solchen Momenten ist dies kein Wohlfühlvortrag, in dem es um die Romantik von Abenteuer und Herausforderung geht, sondern ein brutaler Frontbericht über das Spiel mit dem Tod.
Fallschirmpanne in der Höhle
Einmal überlebte Potter selbst nur durch pures Glück. Ebenfalls in Mexiko, bei einem Basejump in der berühmten "Schwalbenhöhle" im Bundesstaat San Luis Potosí. 333 Meter geht es dort von dem himmelwärts offenen Eingangsloch nach unten, wo die Höhle breiter wird. "Mein Fallschirm war im Regen teilweise nass geworden", berichtet er, "deshalb öffnete er sich nicht richtig." Unkontrolliert stürzte er in die Tiefe, konnte knapp einer Kollision mit der Wand ausweichen.
Für den Aufstieg hatte Potter zuvor ein orangefarbenes, zehn Millimeter dickes Seil aufgehängt, darin verfing sich der Fallschirm. Irgendwie bekam er das Seil zu fassen, klammerte sich mit aller Kraft fest. Die Handinnenflächen rissen durch die Reibung bis auf den Muskel auf, die Schmerzen müssen unerträglich gewesen sein. Doch er ließ nicht los, konnte irgendwie abbremsen, deshalb kann er heute vor dem Publikum in der vollbesetzten Halle davon erzählen.
Was ist das für ein Mensch, der jedes Jahr Dutzende Male sein Leben aufs Spiel setzt? Der in einem Steckbrief eines Sponsors unter der Rubrik "größte Leistung" schreibt: "Ich bin bisher nicht gestorben"? Dieser Mensch, von dem man hofft, dass er nie Management-Seminare halten wird wie andere Alpinisten, weil sich seine Message auf die vier Worte "No risk, no fun" verkürzen ließe?
"Wenn du weißt, dass du tot bist, wenn du einen Fehler machst, führt das zu einer intensiveren Wahrnehmung. Man gibt sich so viel Mühe wie nie zuvor im Leben", erklärt Potter. "Viele Details der Umgebung haben eine größere Bedeutung: das Aussehen des Himmels, fallender Luftdruck, der einen Sturm ankündigt, die Geräusche im Fels. Um zu überleben, muss ich all das besser verstehen, dadurch bin ich in solchen Situationen der Natur so nah wie sonst nie."
Draufgänger und Poet
Wer den Menschen Dean Potter kennenlernen will, muss mit ihm in die Natur gehen. Auf einer Wanderung zur Aschila-Alm über dem Valsertal in Südtirol haben ein paar Gäste des Festivals Gelegenheit dazu. Potter und sein langjähriger Kletter- und Basejump-Kollege Ivo Ninov sind die Einzigen, die in Jeans und Turnschuhen unterwegs sind.
So ein gemächlicher Bergspaziergang sei sicher langweilig für ihn, sagt ein Wanderer. "Das ist ein Missverständnis", Potters braune Augen blinzeln in die Vormittagssonne, um die Mundwinkel bilden sich Lachfalten. "Die Leute bekommen nur zehn Prozent von dem mit, was ich mache." Jeden Morgen nach dem Aufstehen gehe er von seiner Wohnung im Yosemite-Park aus erst mal für eine Stunde mit Whisper spazieren, seinem Australian Cattle Dog. "Das ist dann so ähnlich wie hier", er deutet auf die schneebedeckten Bergkuppen der Alpen, "ich liebe einfach die Natur".
Wie zum Beweis springt er kurz darauf ausgelassen durch schienbeinhohen Schnee, bewirft seine vorherigen Gesprächspartner mit Schneebällen. Und ist zwei Minuten später wieder der zurückhaltende Typ, der mit sanfter Stimme davon erzählt, dass er seit einiger Zeit Gedichte und Kurzgeschichten schreibt und an einem Kinderbuch arbeitet. Im Gespräch wirkt dieser Meister der Selbstinszenierung am Berg, der bei seinen Stunts fast immer eine Videokamera dabei hat, beinahe schüchtern.
Superfokussiert, superkonzentriert
Schon als Kind kritzelte er am liebsten Bilder von Vögeln und Flugzeugen auf Zeichenblocks. "Eine meiner frühesten Erinnerungen ist ein Traum, in dem ich versuche zu fliegen", erzählt er. Den gleichen Traum habe er bis heute manchmal, er rast darin durch die Luft, kurz vor dem Aufprall wacht er auf.
Potters Vater war Berufssoldat, die Mutter Yoga-Lehrerin. "Von ihm habe ich das Superfokussierte, die Disziplin, von ihr habe ich meine eher mystische Seite", erzählt er. Sehr oft setzt er das Wort "super" vor Adjektive.
Superkonzentriert sei er in den Momenten, in denen ein kleiner Fehler den sicheren Tod bedeutet: "Dann habe ich plötzlich Kräfte, die ich nicht vermutet hätte, die Sinne arbeiten viel intensiver, man wird eins mit der Natur, plötzlich ist da eine große Ruhe." Bevor er auf ein Hochseil über einem Hunderte Meter tiefen Abgrund steigt, konzentriert er sich nur auf seine Atmung. "Das ist wie Meditation", sagt er.
Als er im Free-Base-Stil eine höchst anspruchsvolle Passage der Eiger-Nordwand hochkraxelte, verblüffte er die Fachwelt. Am vergangenen Donnerstag gelang ihm dort mit mehr als drei Minuten der bislang längste Basejump überhaupt. Jetzt plant er zwei weitere Stunts, die noch niemandem vor ihm gelungen sind: einen Basejump mit Hund und eine Landung mit dem Wingsuit ohne Fallschirm.
Er ist davon überzeugt, dass bei geeigneten Windverhältnissen eine Landung auf einem zugeschneiten Berghang möglich ist. "Wie ein Flugzeug auf der Landebahn, nur mit meinem Körper." Mit ein paar Freunden zusammen entwickelt er jetzt einen gepanzerten Wingsuit, der vorne Schlittenkufen für die Landung hat.
Ein Rabe braucht keinen Fallschirm.
Anmerkung beim Freischalten:
Auf Seite 2 des oben angegebenen links findet sich noch ein Interview mit Dean Potter.
Lg, Wolfgang A.
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