Bergfotograf Robert Bösch
"Bei Expeditionen am Limit ist jedes Bild gut"
Spektakuläre Bilder sind oft wichtiger als die alpine Leistung: Alpinsport ist heute auch ein Wettbewerb um die perfekte Präsentation. Im Interview setzt sich der Schweizer Spitzenfotograf Robert Bösch für mehr Authentizität ein - und verrät, warum man an Achttausendern doch oft tricksen muss.
SPIEGEL ONLINE: Wie stark beeinflussen Fotos das, was die Betrachter heute vom Expeditionsbergsteigen mitbekommen?
Bösch: Der Abenteuersport wird heute in erster Linie über die Bilder und nicht über die Leistung definiert. Dementsprechend werden viele Expeditionen so geplant: Wo kann ich mit einem tragbaren Risiko mit großer Wahrscheinlichkeit spektakuläre Fotos nach Hause bringen, die auch den Sponsor zufriedenstellen? Eine solche Tour muss schon ernsthaft und anspruchsvoll sein, aber nicht zu sehr, sonst wird es schwierig mit den Bildern.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt, die Betrachter bekommen schon mal Schwierigkeiten vorgegaukelt, die so gar nicht existieren?
Bösch: Je perfekter das Bildmaterial ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Expedition nicht ans absolute Limit der Beteiligten ging. Wenn du eine hohe Wand im Himalaja besteigst im Alpinstil, über weite Strecken schlecht oder gar nicht gesichert bist, dann steigt da normalerweise keiner mehr mit nur zum Fotografieren. Und auch als Kletterer denkst du vor allem ans Überleben und nicht an Bilder und Sponsoren.
SPIEGEL ONLINE: Andererseits erscheinen manche wirklich anspruchsvolle Routen auf Achttausender im Bild nicht so schwierig, wie sie tatsächlich sind…
Bösch: Ja, das ist ein Problem bei den hohen Bergen. Die dünne Luft, die Lawinengefahr, die Erschöpfung, die enorme Ausgesetztheit - das kommt auf Fotos nicht rüber. So sieht selbst eine Begehung des sehr anspruchsvollen K2 auf Bildern oft nicht so schwierig aus, weil es meistens - optisch - nicht extrem steil ist. Dass man da beim Fotografieren oft mit "Übersteilen" nachhilft, ist nachvollziehbar - man kippt also die Kamera etwas, wodurch es steiler aussieht als in Wirklichkeit. Man sollte es nur nicht übertreiben.
SPIEGEL ONLINE: Was macht ein gutes Bergfoto von einer schwierigen Expedition aus?
Bösch: Wenn man von schwierigen, exponierten Expeditionen spricht, dann ist prinzipiell jedes Bild gut, das es gibt. Reinhold Messner wurde ja nicht bekannt durch seine tollen Bilder, sondern durch seine Begehungen. Er brachte Fotos mit, die nicht perfekt gestaltet sind, aber sie sind Zeugnisse dessen, was da stattgefunden hat. Die Fotos sind Dokumente dieser bedrohlichen Situation, dafür brauchst du kein perfektes Bild.
SPIEGEL ONLINE: Hoffen Sie, dass die Authentizität von Fotos wieder wichtiger wird als ihre Perfektion?
Bösch: Man müsste wieder dahin kommen, gute Geschichten zu erzählen. Eine Expedition am Limit ist immer eine gute Geschichte. Die lebt mehr vom Inhalt als vom Bild - obwohl ich jetzt gegen meinen eigenen Beruf rede. Es wird auch gute Geschichten mit guten Bildern geben. Es gibt kein eindeutiges "Gut" oder "Schlecht" - aber man sollte sich über die Mechanismen im Klaren sein.
SPIEGEL ONLINE: Sie machen es häufig so, dass Sie erst nach einer geglückten Besteigung mit dem Kletterer in die Wand gehen, um Fotos zu machen. Ist das keine Täuschung des Betrachters?
Bösch: Es ist immer ein Abwägen - und eine Frage des Machbaren. Wenn der Fotograf die Geschichte dabei möglichst so zeigt, wie sie stattgefunden hat, ist das für mich oft die bestmögliche Variante. So können die Jungs rausgehen, ihr Ding durchziehen und werden nicht durch eine Fotoaktion beeinflusst. Wenn einer dagegen eine Free-Solo-Begehung einer großen Wand macht und fünf Kameramänner mit Seilen gesichert in der Route hängen, dann verringert sich das Risiko: Für den Kletterer ist das weniger gefährlich, weil die Kameraleute in einem Notfall eventuell helfen könnten.
Das Interview führte Stephan Orth
Quelle:
http://www.spiegel.de/reise/fernweh/...798147,00.html
Es lohnt sich die Bilder anzuschauen.
"Bei Expeditionen am Limit ist jedes Bild gut"
Spektakuläre Bilder sind oft wichtiger als die alpine Leistung: Alpinsport ist heute auch ein Wettbewerb um die perfekte Präsentation. Im Interview setzt sich der Schweizer Spitzenfotograf Robert Bösch für mehr Authentizität ein - und verrät, warum man an Achttausendern doch oft tricksen muss.
SPIEGEL ONLINE: Wie stark beeinflussen Fotos das, was die Betrachter heute vom Expeditionsbergsteigen mitbekommen?
Bösch: Der Abenteuersport wird heute in erster Linie über die Bilder und nicht über die Leistung definiert. Dementsprechend werden viele Expeditionen so geplant: Wo kann ich mit einem tragbaren Risiko mit großer Wahrscheinlichkeit spektakuläre Fotos nach Hause bringen, die auch den Sponsor zufriedenstellen? Eine solche Tour muss schon ernsthaft und anspruchsvoll sein, aber nicht zu sehr, sonst wird es schwierig mit den Bildern.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt, die Betrachter bekommen schon mal Schwierigkeiten vorgegaukelt, die so gar nicht existieren?
Bösch: Je perfekter das Bildmaterial ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Expedition nicht ans absolute Limit der Beteiligten ging. Wenn du eine hohe Wand im Himalaja besteigst im Alpinstil, über weite Strecken schlecht oder gar nicht gesichert bist, dann steigt da normalerweise keiner mehr mit nur zum Fotografieren. Und auch als Kletterer denkst du vor allem ans Überleben und nicht an Bilder und Sponsoren.
SPIEGEL ONLINE: Andererseits erscheinen manche wirklich anspruchsvolle Routen auf Achttausender im Bild nicht so schwierig, wie sie tatsächlich sind…
Bösch: Ja, das ist ein Problem bei den hohen Bergen. Die dünne Luft, die Lawinengefahr, die Erschöpfung, die enorme Ausgesetztheit - das kommt auf Fotos nicht rüber. So sieht selbst eine Begehung des sehr anspruchsvollen K2 auf Bildern oft nicht so schwierig aus, weil es meistens - optisch - nicht extrem steil ist. Dass man da beim Fotografieren oft mit "Übersteilen" nachhilft, ist nachvollziehbar - man kippt also die Kamera etwas, wodurch es steiler aussieht als in Wirklichkeit. Man sollte es nur nicht übertreiben.
SPIEGEL ONLINE: Was macht ein gutes Bergfoto von einer schwierigen Expedition aus?
Bösch: Wenn man von schwierigen, exponierten Expeditionen spricht, dann ist prinzipiell jedes Bild gut, das es gibt. Reinhold Messner wurde ja nicht bekannt durch seine tollen Bilder, sondern durch seine Begehungen. Er brachte Fotos mit, die nicht perfekt gestaltet sind, aber sie sind Zeugnisse dessen, was da stattgefunden hat. Die Fotos sind Dokumente dieser bedrohlichen Situation, dafür brauchst du kein perfektes Bild.
SPIEGEL ONLINE: Hoffen Sie, dass die Authentizität von Fotos wieder wichtiger wird als ihre Perfektion?
Bösch: Man müsste wieder dahin kommen, gute Geschichten zu erzählen. Eine Expedition am Limit ist immer eine gute Geschichte. Die lebt mehr vom Inhalt als vom Bild - obwohl ich jetzt gegen meinen eigenen Beruf rede. Es wird auch gute Geschichten mit guten Bildern geben. Es gibt kein eindeutiges "Gut" oder "Schlecht" - aber man sollte sich über die Mechanismen im Klaren sein.
SPIEGEL ONLINE: Sie machen es häufig so, dass Sie erst nach einer geglückten Besteigung mit dem Kletterer in die Wand gehen, um Fotos zu machen. Ist das keine Täuschung des Betrachters?
Bösch: Es ist immer ein Abwägen - und eine Frage des Machbaren. Wenn der Fotograf die Geschichte dabei möglichst so zeigt, wie sie stattgefunden hat, ist das für mich oft die bestmögliche Variante. So können die Jungs rausgehen, ihr Ding durchziehen und werden nicht durch eine Fotoaktion beeinflusst. Wenn einer dagegen eine Free-Solo-Begehung einer großen Wand macht und fünf Kameramänner mit Seilen gesichert in der Route hängen, dann verringert sich das Risiko: Für den Kletterer ist das weniger gefährlich, weil die Kameraleute in einem Notfall eventuell helfen könnten.
Das Interview führte Stephan Orth
Quelle:
http://www.spiegel.de/reise/fernweh/...798147,00.html
Es lohnt sich die Bilder anzuschauen.