Show am Berg
Was ist inszeniert und was authentisch? – Im Spitzenalpinismus geben vermehrt Sponsoren den Takt an
Es zählt kaum mehr, welche alpinistischen Leistungen tatsächlich erbracht wurden – wichtiger ist, wie Medien darüber berichten. Was Show ist und was Wirklichkeit, ist immer schwerer zu unterscheiden. Das müsse sich ändern, sagen Elitealpinisten.
Walter Aeschimann
Bloggen, twittern, skypen – Live-Berichte aus dem Biwak sind heute an der Tagesordnung. Die You-Tube-Generation ist in die Vertikale eingestiegen. Bezüglich Kreativität und akrobatischer Kapriolen im 11. Grad hat sie die Kletter-Idole eingeholt, online ist sie schon an ihnen vorbeigezogen. Heute ist das inszenierte Bild ebenso wichtig wie der reale Klimmzug im Überhang. Und kaum sind Wand und Gipfel überwunden, wird ein Filmprodukt vermarktet, inklusive Buch. Es gibt Einzelne, die schon vor dem 20. Altersjahr fette Sponsorengelder kassieren und sich wie Pop-Stars in der Szene bewegen.
David Lama gehört zu dieser Generation. Der Österreicher ist 21 Jahre alt und wird als Wunderkind der Kletterszene gehandelt. Als Wettkampfkletterer war er Jugendweltmeister und Europameister, bevor er sich an die Prestige-Felsen unter freiem Himmel wagte. Dort meisterte er einige interessante Routen, ehe er den Cerro Torre in Patagonien ins Auge fasste, genauer: die Südwestflanke, die Kompressor-Route. So genannt, weil sich 1970 der Italiener Cesare Maestri mit Hilfe eines leuchtend gelben Kompressors und von rund 300 Haken «hinaufbohrte». Die Wand und seine Erstbesteigung sind bis heute Gegenstand heftiger Diskussionen, was den Stil am Berg angeht. Gleichwohl, dieser fast 900 Meter hohen Granitwand nähern sich Elitealpinisten selbst heute, mit modernster Technik ausgerüstet, nur mit dem allerheiligsten Respekt.
Höchste Medienpräsenz
So horchte die Szene auf, als David Lama im November 2009 nach Patagonien reiste und verkündete, den Cerro Torre entlang der Kompressor-Route als Erster frei zu klettern. Freies Klettern wurde von der MTV-Generation erprobt. Für die Nachfolger gehört freies Klettern, bei dem technische Hilfsmittel nur zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit erlaubt sind, nicht aber zur Fortbewegung, zum Standardrepertoire. Aber freies Klettern an der Kompressor-Route ist eine Nummer grösser. Der Marketingabteilung von Lamas Sponsor Red Bull war sofort klar, dass dieses Abenteuer allerhöchste Medienpräsenz garantieren würde, und gab einen pompösen Film darüber in Auftrag. Zwischen 300 und 700 Meter Fixseile wurden eingerichtet und zusätzlich 30 bis 80 neue Haken in die Wand geschlagen, um die Kamerateams in der Wand zu sichern – je nach Quelle variieren die Angaben. Das Unternehmen scheiterte, die Sturmwinde wurden zu heftig, Lama wurde aus der Wand geholt. Das Klettermaterial liessen die Produzenten zurück.
Die Bergsteigergemeinde schrie auf, weil wohl kaum zuvor ein Alpinist und sein Sponsor so unverschämt einen Berg als Kulisse für die perfekte Inszenierung missbraucht hatten. Seither hat Lama einen schweren Stand. «David Lama and Red Bullshit» war etwa auf der Website UKClimbing.com zu lesen. Unglücklicherweise hat der Österreicher gesagt, dass er frei in der Wand geklettert sei, so zuletzt auf einem Podium zum Thema «Show-Alpinismus» am diesjährigen International Mountain Summit in Brixen, Südtirol. «Das ist Quatsch», entgegnet Reinhold Messner. «Die Wand ist derart ausgesetzt, die Rückkehr nicht gesichert, das Wetter spielt häufig so verrückt in dieser Wand; auch angesichts der Fixseile, Bergführer, Kamerateams und Helikopter in der Luft kann nie von freiem Klettern gesprochen werden.» Für Messner ist das Produkt ein «Bergspielfilm ohne dokumentarischen Gehalt».
Immer häufiger werden derartige Filme produziert. Fachleuten ist sofort klar, ob es sich um authentisches Material handelt oder nicht. Der Laie hingegen glaubt nicht selten, die gezeigten Bilder, hoch spannend und unterlegt mit dramatischer Musik, widerspiegelten die Realität. So wie beim «Dokumentarfilm», der am Mount St. Elias in Alaska gedreht wurde. Darin besteigt eine Expedition den 5489 Meter hohen Gipfel und fährt danach auf den Ski hinunter bis ans Meer. Die menschenfeindliche Schnee- und Eiswüste, in der sich bis 1000 Meter tiefe Gletscherspalten öffnen, gilt mit 35 Kilometern als «längste Skiabfahrt der Welt». Der Film kommt wie aus einem Guss daher, in Wahrheit ist er aus mehreren Versuchen zusammengeschnitten.
Die Multimedia-Show am Cerro Torre hätte man Lama wohl verziehen. Doch womöglich hat er nicht die Wahrheit gesagt, als es darum ging, Angaben über Routenwahl und Materialeinsatz in der Wand zu machen. Spätere Seilschaften meinten, mehr Fixseile und Bohrhaken in der Wand gefunden zu haben, und die Route schien herkömmlicher als angegeben. «Wenn gelogen wird, hört alles auf», sagt Stefan Glowacz, deutscher Sportkletterer einer mittleren Generation.
Lama ist nicht der Erste, der sich in eine Abhängigkeit von seinen Sponsoren begeben hat. Auch wenn er sagt, dass er «völlig frei und ohne Druck sein Ding durchziehen» könne, erwarten die Sponsoren eine Gegenleistung für ihr Geld. Wie gross die Belastung werden kann, zeigt das Beispiel von Christian Stangl, dem Sky-Runner aus Österreich. Beim Sky-Running geht es nur darum, möglichst schnell auf den Gipfel und zurück zu hetzen. Stangl verbesserte etliche Rekorde an den mythischen Bergen dieser Welt, auch an den Achttausendern. Im August 2010 deklarierte er auch den K2, den höchsten Berg im Karakorum (8611 Meter), als rekordbestiegen. Doch die Gipfelfoto war gefälscht. Als Grund für seine Lüge führte Stangl den Druck an, den er von Medien und Sponsoren gespürt habe.
Arena der Einsamkeit
«Alpinismus war schon immer Storytelling», sagt Messner. Die Pioniere des Alpinismus waren Amateure, fasziniert von den Bergen, wohlhabende Mitglieder des europäischen Bürgertums, die es sich leisten konnten, Zeit und Geld zu investieren und auch einen einheimischen Bergführer anzustellen. Sie kamen von der Tour zurück, berichteten Wochen später von ihrem Abenteuer und schrieben vielleicht ein Buch, das von Insidern gelesen wurde. Das blieb so, bis der kürzlich verstorbene Walter Bonatti in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten Schritte in den gesponserten Alpinismus wagte. Von da an waren Sponsoren nicht mehr aus dem Bergsport wegzudenken. Doch es war nach wie vor der Abenteurer, der über sein Produkt bestimmte. Dies gilt für die Bonatti nachfolgenden Generationen, zu denen etwa Messner gehört oder der ebenfalls kürzlich verstorbenen Schweizer Erhard Loretan.
In den letzten 20 Jahren hat sich das radikal verändert. Die Alpinisten haben «ihre privaten Abenteuerspiele in der Arena der Einsamkeit», wie der Südtiroler Bergsteiger Hanspeter Eisendle sein Tun umschreibt, weitgehend den Marktmechanismen geopfert: «Konjunktur hat, wer am lautesten in die Medien schreit.» Das Problem sei, findet Glowacz, dass die wenigsten Medien kritisch hinterfragten, was am Berg passiere. «Sie müssen wieder genauer hinschauen.» Die alpinen Medienschaffenden seien ein Teil jener Szene geworden, über die sie berichteten. Sie hätten eine grosse Nähe zu den Stars und verstünden sich nicht als kritisches Korrektiv, war der Tenor der Runde auf dem Podium.
«Abenteuersport wird heute über Bilder kommuniziert», sagt Röbi Bösch. Der Schweizer ist ein weltweit anerkannter Outdoor-Fotograf und selber ein hervorragender Alpinist. «Diese Bilder sind derart stark geworden, dass wir genauer trennen müssen zwischen wahrem Abenteuer und Show.» Bösch plädiert für den «Weg zurück zum authentischen Bildmaterial». Das geht allerdings nicht immer. So war der Berner Spitzenkletterer Ueli Steck bei seiner Speedbegehung an der Eigerwand selbst für Bösch zu schnell. Aus ethischen Gründen wollte man keine Fotografen in der Wand postieren. Der Sponsor und die Öffentlichkeit verlangten jedoch nach professionellem Material. So entschloss man sich, die Begehung nachträglich fotografisch zu inszenieren. Dies ist heute die allgemein anerkannte Form, eine alpinistische Höchstleistung marktgerecht zu dokumentieren.
«Wir Alpinisten müssen uns das Abenteuer zurückerobern. Wir müssen wieder selber bestimmen, welche Inhalte wir kommunizieren. Es darf nicht sein, dass das Bild entscheidet, was am Berg geschieht. Es muss herausgefiltert werden, was Bergspielfilm ist und was Dokumentation, was inszeniert und was authentisch ist», sagt Messner. Ein inszeniertes Bild könne auch niemals das vermitteln, was tatsächlich geschehen sei. «Das innere Gefühl ist immer genauer und exponierter», sagt Eisendle, der sich selber nicht vermarkten mag.
So wie Steve House. Der US-Amerikaner gilt unter Experten als extremster Höhenbergsteiger der Gegenwart. 2005 durchstieg er am Nanga Parbat (8125 Meter) den Zentralpfeiler der Rupalwand – mit 4100 Metern die höchste Felswand auf der Erde. House brachte von seinem tagelangen Überlebenskampf in der Einsamkeit verwackelte und unscharfe Bilder heim, die er mit der Kamera selber gemacht hatte. Elitealpinisten sehen in der Durchsteigung eine der grössten alpinistischen Leistungen der letzten Jahre. Doch in der Öffentlichkeit ist sie kaum bekannt.
Quelle: NZZ Online
Was ist inszeniert und was authentisch? – Im Spitzenalpinismus geben vermehrt Sponsoren den Takt an
Es zählt kaum mehr, welche alpinistischen Leistungen tatsächlich erbracht wurden – wichtiger ist, wie Medien darüber berichten. Was Show ist und was Wirklichkeit, ist immer schwerer zu unterscheiden. Das müsse sich ändern, sagen Elitealpinisten.
Walter Aeschimann
Bloggen, twittern, skypen – Live-Berichte aus dem Biwak sind heute an der Tagesordnung. Die You-Tube-Generation ist in die Vertikale eingestiegen. Bezüglich Kreativität und akrobatischer Kapriolen im 11. Grad hat sie die Kletter-Idole eingeholt, online ist sie schon an ihnen vorbeigezogen. Heute ist das inszenierte Bild ebenso wichtig wie der reale Klimmzug im Überhang. Und kaum sind Wand und Gipfel überwunden, wird ein Filmprodukt vermarktet, inklusive Buch. Es gibt Einzelne, die schon vor dem 20. Altersjahr fette Sponsorengelder kassieren und sich wie Pop-Stars in der Szene bewegen.
David Lama gehört zu dieser Generation. Der Österreicher ist 21 Jahre alt und wird als Wunderkind der Kletterszene gehandelt. Als Wettkampfkletterer war er Jugendweltmeister und Europameister, bevor er sich an die Prestige-Felsen unter freiem Himmel wagte. Dort meisterte er einige interessante Routen, ehe er den Cerro Torre in Patagonien ins Auge fasste, genauer: die Südwestflanke, die Kompressor-Route. So genannt, weil sich 1970 der Italiener Cesare Maestri mit Hilfe eines leuchtend gelben Kompressors und von rund 300 Haken «hinaufbohrte». Die Wand und seine Erstbesteigung sind bis heute Gegenstand heftiger Diskussionen, was den Stil am Berg angeht. Gleichwohl, dieser fast 900 Meter hohen Granitwand nähern sich Elitealpinisten selbst heute, mit modernster Technik ausgerüstet, nur mit dem allerheiligsten Respekt.
Höchste Medienpräsenz
So horchte die Szene auf, als David Lama im November 2009 nach Patagonien reiste und verkündete, den Cerro Torre entlang der Kompressor-Route als Erster frei zu klettern. Freies Klettern wurde von der MTV-Generation erprobt. Für die Nachfolger gehört freies Klettern, bei dem technische Hilfsmittel nur zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit erlaubt sind, nicht aber zur Fortbewegung, zum Standardrepertoire. Aber freies Klettern an der Kompressor-Route ist eine Nummer grösser. Der Marketingabteilung von Lamas Sponsor Red Bull war sofort klar, dass dieses Abenteuer allerhöchste Medienpräsenz garantieren würde, und gab einen pompösen Film darüber in Auftrag. Zwischen 300 und 700 Meter Fixseile wurden eingerichtet und zusätzlich 30 bis 80 neue Haken in die Wand geschlagen, um die Kamerateams in der Wand zu sichern – je nach Quelle variieren die Angaben. Das Unternehmen scheiterte, die Sturmwinde wurden zu heftig, Lama wurde aus der Wand geholt. Das Klettermaterial liessen die Produzenten zurück.
Die Bergsteigergemeinde schrie auf, weil wohl kaum zuvor ein Alpinist und sein Sponsor so unverschämt einen Berg als Kulisse für die perfekte Inszenierung missbraucht hatten. Seither hat Lama einen schweren Stand. «David Lama and Red Bullshit» war etwa auf der Website UKClimbing.com zu lesen. Unglücklicherweise hat der Österreicher gesagt, dass er frei in der Wand geklettert sei, so zuletzt auf einem Podium zum Thema «Show-Alpinismus» am diesjährigen International Mountain Summit in Brixen, Südtirol. «Das ist Quatsch», entgegnet Reinhold Messner. «Die Wand ist derart ausgesetzt, die Rückkehr nicht gesichert, das Wetter spielt häufig so verrückt in dieser Wand; auch angesichts der Fixseile, Bergführer, Kamerateams und Helikopter in der Luft kann nie von freiem Klettern gesprochen werden.» Für Messner ist das Produkt ein «Bergspielfilm ohne dokumentarischen Gehalt».
Immer häufiger werden derartige Filme produziert. Fachleuten ist sofort klar, ob es sich um authentisches Material handelt oder nicht. Der Laie hingegen glaubt nicht selten, die gezeigten Bilder, hoch spannend und unterlegt mit dramatischer Musik, widerspiegelten die Realität. So wie beim «Dokumentarfilm», der am Mount St. Elias in Alaska gedreht wurde. Darin besteigt eine Expedition den 5489 Meter hohen Gipfel und fährt danach auf den Ski hinunter bis ans Meer. Die menschenfeindliche Schnee- und Eiswüste, in der sich bis 1000 Meter tiefe Gletscherspalten öffnen, gilt mit 35 Kilometern als «längste Skiabfahrt der Welt». Der Film kommt wie aus einem Guss daher, in Wahrheit ist er aus mehreren Versuchen zusammengeschnitten.
Die Multimedia-Show am Cerro Torre hätte man Lama wohl verziehen. Doch womöglich hat er nicht die Wahrheit gesagt, als es darum ging, Angaben über Routenwahl und Materialeinsatz in der Wand zu machen. Spätere Seilschaften meinten, mehr Fixseile und Bohrhaken in der Wand gefunden zu haben, und die Route schien herkömmlicher als angegeben. «Wenn gelogen wird, hört alles auf», sagt Stefan Glowacz, deutscher Sportkletterer einer mittleren Generation.
Lama ist nicht der Erste, der sich in eine Abhängigkeit von seinen Sponsoren begeben hat. Auch wenn er sagt, dass er «völlig frei und ohne Druck sein Ding durchziehen» könne, erwarten die Sponsoren eine Gegenleistung für ihr Geld. Wie gross die Belastung werden kann, zeigt das Beispiel von Christian Stangl, dem Sky-Runner aus Österreich. Beim Sky-Running geht es nur darum, möglichst schnell auf den Gipfel und zurück zu hetzen. Stangl verbesserte etliche Rekorde an den mythischen Bergen dieser Welt, auch an den Achttausendern. Im August 2010 deklarierte er auch den K2, den höchsten Berg im Karakorum (8611 Meter), als rekordbestiegen. Doch die Gipfelfoto war gefälscht. Als Grund für seine Lüge führte Stangl den Druck an, den er von Medien und Sponsoren gespürt habe.
Arena der Einsamkeit
«Alpinismus war schon immer Storytelling», sagt Messner. Die Pioniere des Alpinismus waren Amateure, fasziniert von den Bergen, wohlhabende Mitglieder des europäischen Bürgertums, die es sich leisten konnten, Zeit und Geld zu investieren und auch einen einheimischen Bergführer anzustellen. Sie kamen von der Tour zurück, berichteten Wochen später von ihrem Abenteuer und schrieben vielleicht ein Buch, das von Insidern gelesen wurde. Das blieb so, bis der kürzlich verstorbene Walter Bonatti in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten Schritte in den gesponserten Alpinismus wagte. Von da an waren Sponsoren nicht mehr aus dem Bergsport wegzudenken. Doch es war nach wie vor der Abenteurer, der über sein Produkt bestimmte. Dies gilt für die Bonatti nachfolgenden Generationen, zu denen etwa Messner gehört oder der ebenfalls kürzlich verstorbenen Schweizer Erhard Loretan.
In den letzten 20 Jahren hat sich das radikal verändert. Die Alpinisten haben «ihre privaten Abenteuerspiele in der Arena der Einsamkeit», wie der Südtiroler Bergsteiger Hanspeter Eisendle sein Tun umschreibt, weitgehend den Marktmechanismen geopfert: «Konjunktur hat, wer am lautesten in die Medien schreit.» Das Problem sei, findet Glowacz, dass die wenigsten Medien kritisch hinterfragten, was am Berg passiere. «Sie müssen wieder genauer hinschauen.» Die alpinen Medienschaffenden seien ein Teil jener Szene geworden, über die sie berichteten. Sie hätten eine grosse Nähe zu den Stars und verstünden sich nicht als kritisches Korrektiv, war der Tenor der Runde auf dem Podium.
«Abenteuersport wird heute über Bilder kommuniziert», sagt Röbi Bösch. Der Schweizer ist ein weltweit anerkannter Outdoor-Fotograf und selber ein hervorragender Alpinist. «Diese Bilder sind derart stark geworden, dass wir genauer trennen müssen zwischen wahrem Abenteuer und Show.» Bösch plädiert für den «Weg zurück zum authentischen Bildmaterial». Das geht allerdings nicht immer. So war der Berner Spitzenkletterer Ueli Steck bei seiner Speedbegehung an der Eigerwand selbst für Bösch zu schnell. Aus ethischen Gründen wollte man keine Fotografen in der Wand postieren. Der Sponsor und die Öffentlichkeit verlangten jedoch nach professionellem Material. So entschloss man sich, die Begehung nachträglich fotografisch zu inszenieren. Dies ist heute die allgemein anerkannte Form, eine alpinistische Höchstleistung marktgerecht zu dokumentieren.
«Wir Alpinisten müssen uns das Abenteuer zurückerobern. Wir müssen wieder selber bestimmen, welche Inhalte wir kommunizieren. Es darf nicht sein, dass das Bild entscheidet, was am Berg geschieht. Es muss herausgefiltert werden, was Bergspielfilm ist und was Dokumentation, was inszeniert und was authentisch ist», sagt Messner. Ein inszeniertes Bild könne auch niemals das vermitteln, was tatsächlich geschehen sei. «Das innere Gefühl ist immer genauer und exponierter», sagt Eisendle, der sich selber nicht vermarkten mag.
So wie Steve House. Der US-Amerikaner gilt unter Experten als extremster Höhenbergsteiger der Gegenwart. 2005 durchstieg er am Nanga Parbat (8125 Meter) den Zentralpfeiler der Rupalwand – mit 4100 Metern die höchste Felswand auf der Erde. House brachte von seinem tagelangen Überlebenskampf in der Einsamkeit verwackelte und unscharfe Bilder heim, die er mit der Kamera selber gemacht hatte. Elitealpinisten sehen in der Durchsteigung eine der grössten alpinistischen Leistungen der letzten Jahre. Doch in der Öffentlichkeit ist sie kaum bekannt.
Quelle: NZZ Online