Werte Forumsgemeinde,
viele von uns KletterfreundInnen klinken oft und gerne BH, da diese als ausgesprochen sicher angesehen werden.
Alle von uns haben aber auch schon einmal von BH-Versagen gelesen, das zum Teil schwere Unfälle nach sich gezogen hat. Oft werden (durchaus gute) Schlaghaken als "Rostgurken" verteufelt und vermeintlich sichere BH bedenkenlos geklinkt. Die Problematik der Materialalterung, die sich mit den verzinkten Ankern nach ca. 15 Jahren im Gelände ergibt, ist mittlerweile bekannt, daher werden auch in vielen Gebieten die verzinkten Anker gegen Edelstahlanker getauscht.
Der hier vorgestellte Bericht wird natürlich in erster Linie Routeneinrichter und -sanierer interessieren, aber auch für den "Konsumkletterer" könnten diese Zeilen interessant sein - daher stelle ich den Bericht ins öffentliche Forum.
Wie gut halten jetzt die Expressanker aus Edelstahl? Bleiben sie im Normbereich oder versagen sie bereits früher?
Nachdem ich nach einigen Jahren Einbohrabstinenz wieder zum Routeneinrichten und -sanieren begonnen habe, es von den Herstellern der Anker für die Verwendung in Naturstein aber aus verständlichen Gründen keine Empfehlungen und Bruchwerte geben kann, war mir eine Prüfung der Haltekräfte ausgesprochen wichtig.
Ich bezahle mir mein Material zum allergrößten Teil auch selbst und bin daher durchaus immer wieder mal auf der Suche nach preisgünstigen Alternativprodukten zu den gängigen Modellen - nur sollten diese halt auch die entsprechenden Haltekräfte aufweisen.
Die Preisspanne bei Bohrhaken ist enorm, so verlangen die meisten Bergsporthändler für die diversen Expressanker plus Lasche auch bald mal 6.- Euro/Stück (oder auch mehr), was die Einrichtung von gut abgesicherten MSL-Routen doch sehr teuer macht.
Alpenverein und Naturfreunde bieten für ihre Mitglieder einen kompletten BH um 3.- Euro an - beide haben hier einen Fischer FBN II Expressanker in A4 Edelstahl mit 86mm Länge und eine Austrialpin BH-Lasche aus A4 Edelstahl mit einer Belastungsgrenze von 22 KN. Diesen BH habe ich als Referenz-BH für die nachfolgend beschriebenen Test verwendet.
Bevor ich jetzt die wichtigsten Testergebnisse vorstelle, geht mein herzlicher Dank an Kurt, den guten Geist vom Efeugrat in Mödling, der mit seinem selbst entwickelten Auszugsprüfgerät nicht nur die nötige Hardware uneigennützig zur Verfügung stellte, sondern auch einen ganzen Nachmittag opferte, um mit mir Reihenversuche an BH durchzuführen. Ganz, ganz großes Dankeschön dafür!
Zur Testanordnung:
Disclaimer 1: Es gibt für derartige Auszugsversuche in Naturstein und im Gelände keine DIN-, EN- oder sonstwie genormten Geräte oder Versuchsanordnungen. Dennoch ist es nötig, solche Versuche im Gelände draußen und nicht im Labor zu machen, der BH steckt ja dann auch draußen... Daher können auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse keinerlei 100% Prognosen abgegeben werden, dass jeder BH der getesteten Produkte auch immer die hier gemessene Haltekraft entwickelt. (Aber keine Sorge: Die Normwerte, die ein BH mindestens aushalten muss, werden derart überschritten, dass auch jede Schwankungsbreite nach unten noch immer ausreichende Sicherheit verspricht).
Disclaimer 2: Ich bin kein Techniker, sondern nur ein Sozialwissenschafter… Bitte daher eventuell etwas ungenaue technische Bezeichnungen zu entschuldigen...
Es gibt für die Haltekraft von BH die EN 959, die folgendes besagt:
Zum Testeinsatz sind gekommen:
P1010377.JPG
Nach Einrichtung der Versuchsanordnung - Kurt bei der Arbeit.
Hier die drei getesteten Anker:
Fischer FBN II.jpg
Fischer FBN II 10_86 A4
EA_10_90 A4.jpg
EA_10_90 A4
MKT BZ 10_90 A4.jpg
MKT BZ plus 10_90 A4
Die ausgesprochen zufriedenstellenden Ergebnisse der axialen Auszugsversuche kurz zusammengefasst (radial wurde nicht getestet, es müssen aber die dabei zu erreichenden Werte noch weit über den axial erreichten Werten liegen):
Ein einziger Anker hat sich bei 24 KN aus dem Felsen gelöst, hier war das Bohrloch zu nahe an Felskante, es kam zum Felsausbruch.
Alle anderen Anker lagen mit ihren Haltekräften weit über 30 KN (bis zu 33 KN), also ein Vielfaches der geforderten Mindesthaltekraft von 15 KN. Ergänzend: Die Belastung war durch hydraulische Auszugsvorrichtung zeitlich deutlich länger (um die 30 Sekunden) als bei einem Klettersturz.
Etwas detaillierte Daten für den Referenz-BH Fischer FBN II:
Hier ist nicht der Anker, sondern beidesmal die mit 22 KN normierte BH-Lasche gerissen - jeweils bei 34 KN.
image_575321.jpg
image_575322.jpg
Hier für den MKT BZ plus 10_90 A4:
Ankerbruch bei 32 KN und stark gedehnter BH-Lasche.
image_575323.jpg
Und für den EA-10_90 A4:
Einmal Ankerbruch bei 31 KN und einmal Felsausbruch bei 24 KN.
image_575320.jpg
Alles in allem sehr beruhigende Ergebnisse mit der Erkenntnis, dass beim Bohren nahe der Felskante der BH deutlich weniger, aber immer noch weit über der Norm hält.
D.h. ich kann und werde mit dem getesteten Material weitere Routen einrichten und/oder sanieren und kann mit ruhigem Gewissen festhalten, dass ich Material verwende, das zum Zeitpunkt des Einbohrens weit über den geforderten Normen liegt.
LG
Andi
viele von uns KletterfreundInnen klinken oft und gerne BH, da diese als ausgesprochen sicher angesehen werden.
Alle von uns haben aber auch schon einmal von BH-Versagen gelesen, das zum Teil schwere Unfälle nach sich gezogen hat. Oft werden (durchaus gute) Schlaghaken als "Rostgurken" verteufelt und vermeintlich sichere BH bedenkenlos geklinkt. Die Problematik der Materialalterung, die sich mit den verzinkten Ankern nach ca. 15 Jahren im Gelände ergibt, ist mittlerweile bekannt, daher werden auch in vielen Gebieten die verzinkten Anker gegen Edelstahlanker getauscht.
Der hier vorgestellte Bericht wird natürlich in erster Linie Routeneinrichter und -sanierer interessieren, aber auch für den "Konsumkletterer" könnten diese Zeilen interessant sein - daher stelle ich den Bericht ins öffentliche Forum.
Wie gut halten jetzt die Expressanker aus Edelstahl? Bleiben sie im Normbereich oder versagen sie bereits früher?
Nachdem ich nach einigen Jahren Einbohrabstinenz wieder zum Routeneinrichten und -sanieren begonnen habe, es von den Herstellern der Anker für die Verwendung in Naturstein aber aus verständlichen Gründen keine Empfehlungen und Bruchwerte geben kann, war mir eine Prüfung der Haltekräfte ausgesprochen wichtig.
Ich bezahle mir mein Material zum allergrößten Teil auch selbst und bin daher durchaus immer wieder mal auf der Suche nach preisgünstigen Alternativprodukten zu den gängigen Modellen - nur sollten diese halt auch die entsprechenden Haltekräfte aufweisen.
Die Preisspanne bei Bohrhaken ist enorm, so verlangen die meisten Bergsporthändler für die diversen Expressanker plus Lasche auch bald mal 6.- Euro/Stück (oder auch mehr), was die Einrichtung von gut abgesicherten MSL-Routen doch sehr teuer macht.
Alpenverein und Naturfreunde bieten für ihre Mitglieder einen kompletten BH um 3.- Euro an - beide haben hier einen Fischer FBN II Expressanker in A4 Edelstahl mit 86mm Länge und eine Austrialpin BH-Lasche aus A4 Edelstahl mit einer Belastungsgrenze von 22 KN. Diesen BH habe ich als Referenz-BH für die nachfolgend beschriebenen Test verwendet.
Bevor ich jetzt die wichtigsten Testergebnisse vorstelle, geht mein herzlicher Dank an Kurt, den guten Geist vom Efeugrat in Mödling, der mit seinem selbst entwickelten Auszugsprüfgerät nicht nur die nötige Hardware uneigennützig zur Verfügung stellte, sondern auch einen ganzen Nachmittag opferte, um mit mir Reihenversuche an BH durchzuführen. Ganz, ganz großes Dankeschön dafür!
Zur Testanordnung:
Disclaimer 1: Es gibt für derartige Auszugsversuche in Naturstein und im Gelände keine DIN-, EN- oder sonstwie genormten Geräte oder Versuchsanordnungen. Dennoch ist es nötig, solche Versuche im Gelände draußen und nicht im Labor zu machen, der BH steckt ja dann auch draußen... Daher können auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse keinerlei 100% Prognosen abgegeben werden, dass jeder BH der getesteten Produkte auch immer die hier gemessene Haltekraft entwickelt. (Aber keine Sorge: Die Normwerte, die ein BH mindestens aushalten muss, werden derart überschritten, dass auch jede Schwankungsbreite nach unten noch immer ausreichende Sicherheit verspricht).
Disclaimer 2: Ich bin kein Techniker, sondern nur ein Sozialwissenschafter… Bitte daher eventuell etwas ungenaue technische Bezeichnungen zu entschuldigen...
Es gibt für die Haltekraft von BH die EN 959, die folgendes besagt:
- mindeste Haltekraft axiale Belastung (also Zug nach außen): 15 KN
- mindeste Haltekraft radiale Belastung (also Zug nach unten): 25 KN
- mindeste Setztiefe bei 10mm Ankerdurchmesser: 50 mm
Die UIAA Norm 123 ergänzt hier noch:
- BH müssen aus Edelstahl sein
und der DAV-Sicherheitskreis wünscht sich
- eine Einbindetiefe von 70mm bei 10mm Ankerdurchmesser
Zum Testeinsatz sind gekommen:
- Fischer FBN II A4 10_86
- MKT BZ plus A4 10_90
- EA A4 10_90
P1010377.JPG
Nach Einrichtung der Versuchsanordnung - Kurt bei der Arbeit.
Hier die drei getesteten Anker:
Fischer FBN II.jpg
Fischer FBN II 10_86 A4
EA_10_90 A4.jpg
EA_10_90 A4
MKT BZ 10_90 A4.jpg
MKT BZ plus 10_90 A4
Die ausgesprochen zufriedenstellenden Ergebnisse der axialen Auszugsversuche kurz zusammengefasst (radial wurde nicht getestet, es müssen aber die dabei zu erreichenden Werte noch weit über den axial erreichten Werten liegen):
Ein einziger Anker hat sich bei 24 KN aus dem Felsen gelöst, hier war das Bohrloch zu nahe an Felskante, es kam zum Felsausbruch.
Alle anderen Anker lagen mit ihren Haltekräften weit über 30 KN (bis zu 33 KN), also ein Vielfaches der geforderten Mindesthaltekraft von 15 KN. Ergänzend: Die Belastung war durch hydraulische Auszugsvorrichtung zeitlich deutlich länger (um die 30 Sekunden) als bei einem Klettersturz.
Etwas detaillierte Daten für den Referenz-BH Fischer FBN II:
Hier ist nicht der Anker, sondern beidesmal die mit 22 KN normierte BH-Lasche gerissen - jeweils bei 34 KN.
image_575321.jpg
image_575322.jpg
Hier für den MKT BZ plus 10_90 A4:
Ankerbruch bei 32 KN und stark gedehnter BH-Lasche.
image_575323.jpg
Und für den EA-10_90 A4:
Einmal Ankerbruch bei 31 KN und einmal Felsausbruch bei 24 KN.
image_575320.jpg
Alles in allem sehr beruhigende Ergebnisse mit der Erkenntnis, dass beim Bohren nahe der Felskante der BH deutlich weniger, aber immer noch weit über der Norm hält.
D.h. ich kann und werde mit dem getesteten Material weitere Routen einrichten und/oder sanieren und kann mit ruhigem Gewissen festhalten, dass ich Material verwende, das zum Zeitpunkt des Einbohrens weit über den geforderten Normen liegt.
LG
Andi
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