Ankündigung

Einklappen
Mehr anzeigen
Weniger anzeigen

26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

    Hallo,

    nachdem ich nach einwöchiger Grippepause (fieses Virus, was da grad umgeht) wieder den Verstand zurückgewonnen habe, darf ich auch an diesem außergewöhnlichen Winter wieder teilhaben, wenn auch für mich selbst leider die Schneeschuhtourensaison vorzeitig zu Ende gegangen ist (auf Anraten des Arztes). So gesehen ist Ostern für mich heuer kein Grund zur Freude, aber lamentieren bringt auch nichts.

    Wie ihr mit Blick aus dem Fenster unschwer festgestellt haben dürftet, haben wir Winter. Immer noch. Wer Ende Feber dachte, jetzt sei es endlich vorbei mit dem geweckt werden durch auf Asphalt kratzende Schaufeln, hat sich bitter getäuscht. Der Winter läuft sich nicht tot. Und das längst nicht nur in Wien, nicht nur in Österreich. Der Norden und Osten Deutschlands erlebt nicht nur den sonnenscheinärmsten Winter seit Aufzeichnungsbeginn, sondern auch den kältesten (kalendarischen!) Frühlingsanfang seit mindestens 130 Jahren. Schnee und Rekordkälte sind auch aus Benelux und Nordfrankreich sowie Großbritannien zu vermelden, selbst im obligatorisch kalten Russland gab es so viel Schnee seit über 50 Jahren nicht mehr, der Schneesturm in Kiew mit meterhohen Schneeverwehungen war in den letzten 100 Jahren noch nicht dagewesen. Winter weit und breit, in der Poebene, an der Adriaküste, im Osten der USA und selbst in Nordindien.

    Ein simples "Hoch Jill über Skandinavien ist verantwortlich" erklärt aber nicht, weshalb wir seit Mitte Jänner eine Rekordzahl an Italientiefs erleben. Ich habe mir daher die Mühe gemacht, in eine professionelle Wetterkarte der Nordhalbkugel ein paar Farben einzubringen. Die Karte selbst zeigt die Druckverteilung am Boden (Isobaren, weiße Linien, in Hektopascal) und in der Höhe (Isohypsen, Farben, geopotentielle Dekameter). Vereinfacht gesagt: Entlang der schwarzen Linie verläuft die Frontalzone (Geburtsort für Tiefdruckgebiete), rote Farben zeigen hohen Druck in der Höhe und wärmere Luftmassen (in der Höhe!), grüne und blaue Farben stehen für Tiefdruck und kältere Luftmassen.



    Da ist das Resultat schon außergewöhnlich: Pink umrahmt der Verlauf der Tiefdruckzone, die sich für die Jahreszeit etwa 500 km zu weit südlich erstreckt. Von der US-Ostküste bis Griechenland dehnt sich eine Tiefdruckrinne (aneinandergereihte Tiefdruckgebiete mit flacher Druckverteilung) aus, in dieser West-Ost-Erstreckung wirklich außergewöhnlich, habe ich persönlich um diese Jahreszeit noch nie gesehen. Hoher Luftdruck am Boden (und relativ gesehen auch in der Höhe) dagegen über weiten Teilen der Arktis und des Polarkreises. Darunter konnten sich die Luftmassen in den letzten Monaten kräftig auskühlen, sie blieben abgeschottet von der Tiefdrucktätigkeit und fachen die Kaltluftproduktion immer wieder an. Die warme Frühlingsluft wurde weit in den Süden verbannt, krebst da zwischen Florida, Kanaren, Nordafrika bis Nahost herum.

    Schauen wir uns die Situation genauer an: Die Farben zeigen die beteiligten Luftmassen. Je wärmer, desto mehr gehen die Farbtöne ins Grüne und Gelbe.



    Jedes kleine Tief bringt einen Schub Warmluft nach Osten bzw. Nordosten. Je weiter wir uns Richtung Europa bewegen, desto mehr dünnt diese Warmluftzufuhr allerdings aus. Und sie bringt uns in Österreich auch nichts außer Feuchtezufuhr und Aufgleitschneefälle von Süden her. Gleichzeitig saugt der tiefe Luftdruck im Mittelmeerraum die kalte Luft über der Arktis an. Zu uns dringt also die kältestmögliche Luftmasse um diese Jahreszeit, noch dazu über den Landweg von Russland her, das immer noch schneebedeckt ist. Die Luftmasse erwärmt sich also nicht, was sie über den Wasserweg tun würde (z.B. Nordsee), auch das unterstreicht ihren unbarmherzigen Charakter.

    Wie gesagt, diese Großwetterlage herrscht bereits seit Mitte Jänner, und aus der Erfahrung als langjähriger Wetterkartenbetrachter kann ich sagen, dass diese insgesamte Konstellation in den letzten Winter seit 2003/2004 immer wieder vorkommt. Es war also ausgerechnet der Jahrhundertsommer 2003, der einen Wendepunkt des Wintertypus darstellt, das Bindeglied zwischen den milden Sturmwintern der 90er und der oft nicht extrem kalten, aber verhältnismäßig schneereichen Winter des 00er Jahrzehnts. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich in meiner Kindheit in Unterfranken selten schneereiche Winter erlebt habe. Wenn mal 10 cm fielen, oder gar 20 cm, war das außergewöhnlich und dauerte selten länger als ein paar Tage an. Seit ich von daheim weg bin, schneit es dort immer wieder kräftig und ergiebig (Murphys Gesetz), legendär der 3. März 2006, als innerhalb 24 Stunden 40 cm fielen, mehr als ich in Innsbruck in 6 Jahren (2004-2010) je erlebt habe! Aber zurück zu heute: Der Prozess ist selbsterhaltend - dummerweise, denn die Tiefdruckgebiete über dem Atlantik und dem Mittelmeer befördern mit der - atypischen - östlichen Strömung ständig Kaltluft in den Atlantik und fachen die Tiefdrucktätigkeit dadurch immer wieder an. Bereits vor 2 Wochen äußerte ich die Befürchtung, dass sich der Frühling heuer deswegen hinauszögern wird, was sich jetzt bestätigt hat.
    Zuletzt geändert von Exilfranke; 26.03.2013, 12:38.
    http://www.wetteran.de

  • #2
    AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

    Die Gretchenfrage lautet nun, wann diese Tiefdruckdominanz vorbei ist. Die gute Nachricht zuerst: Es wird wärmer. Dafür sorgt der weiter steigende Sonnenstand, der sich Anfang April etwa auf dem Niveau von Ende August befindet. Er sorgt außerdem für steigenden Luftdruck in den Höhenschichten, sodass die grünen und blauen Farben auf der ersten Karte zunehmend ins hellgrüne und rote übergehen. Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten, ist aber kein Garant für beständiges Frühlingswetter. Das ist die schlechte Nachricht, denn entscheidend für den weiteren Verlauf ist die Druckverteilung, also wo der Druck schneller steigt.



    Hier zeichnet sich in ferner Zukunft (eine 180-Std.-Vorhersage-Karte) für Dienstag, 2. April, keine durchgreifende Änderung ab. Zwar ist die Tiefdruckrinne kaum noch vorhanden und durch wesentlich großräumigere Tiefdruckgebiete ersetzt, doch liegt zwischen Island und England immer noch ein Hochdruckgebiet, und über dem Mittelmeerraum ein Tiefdruckgebiet. Zwischen beiden Druckgebieten strömt kalte Luft heran, somit sackt die kontinentweite Schneedecke weiterhin vorwiegend durch die Globalstrahlung (Tagesgang!) zusammen, weniger durch Plusgrade und Tauwetter.

    Zuerst und am längsten in den Genuss von Frühlingswärme kommt die Alpensüdseite, denn die Frontalzone verlagert sich sukzessive nach Norden. Auch inneralpin ist der Volumeneffekt (die Talgeometrie begünstigt raschere Erwärmung als im Flachland) für etwas mildere Luft verantwortlich. Das nördliche und östliche Flachland werden am längsten warten müssen.
    http://www.wetteran.de

    Kommentar


    • #3
      AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

      Wenden wir uns der restlichen Woche einschließlich Ostern zu:

      Aktuell...sorgt die angesprochene Tiefdruckrinne österreichweit noch für andauernden Schneefall, wobei sich dieser in der Nacht auf Mittwoch langsam abschwächt und im Süden bereits aufhört.

      Am Mittwoch halten sich verbreitet viele Wolken, dazu gehen inneralpin noch einzelne Schneeschauer nieder, auch sonst fallen hier und da ein paar Flocken. In 1500 m vom Schneeberg bis zum Rätikon -7 bis +5 Grad, in 3000 m um -12 Grad.

      Am Gründonnerstag an der Alpensüdseite von Italien her im Tagesverlauf aufziehende Schweinerei mit vielen Wolken und etwas Regen (vor allem in Südtirol), Schneefallgrenze auf 800 bis 1000 m ansteigend, sonst vorübergehend Wetterberuhigung. In der Nacht auf Freitag dann zwischen Karnische Alpen und Semmering ein paar Zentimeter Neuschnee, wobei die Schneefallgrenze je nach Intensität zwischen tiefen Lagen und 1000 m liegt. Auch in den Nordalpen flankerlt es in der Nacht unmotiviert dahin, messbare Neuschneemengen zeichnen sich nicht ab.

      Der Karfreitag steht unter 'Zwischenhocheinfluss light', d.h. zwischen der abziehenden, nächtlichen Störung, und einem neuen Frontensystem über Frankreich. Ein Mangel an hohem Luftdruck ist für nur langsam weichende Feuchte verantwortlich. Verbreitet halten sich also hartnäckige Restwolken mit ein paar Tropfen oder Flocken. In 1500 m werden -1 bis +5 Grad erreicht, am mildesten wird es südlich des Hauptkamms, in 3000 m -7 bis -10 Grad. Im Gebirge weht vorübergehend leicht föhniger Südwestwind.

      Trend:

      Am Karsamstag von der Früh weg unbeständig mit vielen Wolken und zeitweise Regen, oberhalb 1200 bis 1500 m Schneefall, in 1500 m +1 bis +6 Grad, in 3000 m-8 bis -4 Grad.

      Am Ostersonntag alpenweit unbeständig mit anhaltendem Regen und Schneefall, von Norden her wieder kälter. Unsicher: Kommt der Niederschlag über den Hauptkamm und wie weit sinkt die Schneefallgrenze ab?

      Am Ostermontag tendenziell rasch abklingender Niederschlag im Süden, in der feuchten Luft allerdings im Tagesverlauf ein paar Regenschauer. Schneefallgrenze ca. 1500 m.

      Gruß,Felix
      http://www.wetteran.de

      Kommentar


      • #4
        AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

        Vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen. Es liegt ja nicht an dir, dass die Prognose so schlecht ausfällt.
        "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

        https://www.instagram.com/grandcapucin38/

        Kommentar


        • #5
          AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

          Felix: Gute Besserung und Dank für Deine tollen (im Sinne von kompetenten) Prognosen!


          L.G. Manfred

          Kommentar


          • #6
            AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

            Vielen Dank - ich finde es immer wieder faszinierend, wie Du das machst!
            wennst runter willst, musst vorher rauf.....

            Kommentar


            • #7
              AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

              Dem Dank schließe mich gerne an! Deine wissenschaftlichen Erklärungen und Schlußfolgerungen, die du daraus ziehst, sind einsame Spitze!


              LG

              Kommentar


              • #8
                AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                ...von mir auch besten Dank für deine Beiträge, bewundernswert was Du dir da für eine Mühe machst und vor allem baldige Besserung!

                l.g. Reini
                .....Beteiligung stillgelegt....und immer gsund heimkommen!

                Kommentar


                • #9
                  AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                  Danke auch - ist wieder sehr interessant zu lesen und macht Hoffnung, dass trotz Klimaerwärmung die Schitourenwinter noch öfter so gut wie heuer sein werden!

                  Kommentar


                  • #10
                    AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                    Auch von mir ein großes Lob für deine super Wetterberichte und Erklärungen. Da wird auch für mich als Laie so manches Verständlich!
                    Freu mich immer wieder drauf!

                    Kommentar


                    • #11
                      AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                      Servus Felix!
                      Wünsche dir baldigste Besserung.
                      Vielen Dank für deine sehr ausführlichen Wetterprognosen. Leider sind die Vorhersagen nicht unbedingt jene die ich gerne hören wollte. Aber für die Mühe die du dir machst, uns Laien das Wettergeschehen verständlich zu machen, kann ich dir nur meinen größten Dank aussprechen.
                      LG Gerold

                      Kommentar


                      • #12
                        AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                        Auf ORF.at schreiben sie die Prognose fuer das Wochenende ist noch unsicher - siehst du das auch so?
                        Meine Videos: http://www.youtube.com/user/shaking2000?feature=mhum

                        Kommentar


                        • #13
                          AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                          Lieber Felix,

                          auch hier mal in der Öffentlichkeit vielen herzlichen Dank von mir für deine umfassenden Wetterprognosen und Darstellungen, warum es nicht so ist, wie wir uns das alle wünschen!

                          Deine Ausführungen zu lesen erfreut die Sinne, da macht einem das miese Wetter gleich viel weniger aus!

                          Vorallem aber weiterhin gute Genesung und es wird schon mal wieder passen, daß du mit meiner Gruppe mitgehen kannst :-)
                          LGr. Pablito

                          Kommentar


                          • #14
                            AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                            Also echt Felix,

                            nur weil Du außer Gefecht gesetzt bist, musst Du doch nicht uns allen das Osterwochenende mit schlechtem Wetter vermiesen!

                            Dann Dir mal zügige Genesung und vielen Dank für diese mal wieder hervorragende Wettererklärung.

                            Grüße
                            Hannes
                            Tourenberichte und Sonstiges auf www.deichjodler.com

                            Kommentar


                            • #15
                              AW: 26.3.13 Ein Winter, wie er noch nie da war

                              Das würde mich auch interessieren. Wir wollten am Freitag losstarten in der Obersteiermark aber irgendwie widersprechen sich die Wetterberichte... DANKE

                              Kommentar

                              Lädt...