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Interpretation des GFS-Meteogramms - Tutorial

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  • Interpretation des GFS-Meteogramms - Tutorial

    Hallo,

    dieser Beitrag richtet sich an alle Berggeher, die nicht nur dem Wetterbericht trauen wollen , sondern sich auch selbst Informationen beschaffen wollen.

    Wetterkarten (z.B. http://www.wetterzentrale.de/pics/Rtavn061.png ) zu interpretieren ist alles andere als trivial und erfordert vor allem viel Übung, am besten täglicher Gebrauch.

    Dann existieren noch die Ensemblekarten (z.B. http://www.wetterzentrale.de/pics/MT8_Aberdeen_ens.png ), d.h. mehrerere Modellläufe eines Modells, die auf einen Blick anhand zwei Parametern, Temperatur in 850hPa, ca. 1500m Höhe sowie Niederschlag in mm, einen Wetterverlauf bzw. Trend für die Mittelfrist (> 72h) angeben. Auch diese Karten haben so ihre Tücken, weil man die Auflösung der einzelnen Läufe gegenüber Hauptlauf und Kontrolllauf berücksichtigen muss ( und dazu sollte man je nach Diagramm-Zielort auch wissen, wie das Modell die Topographie auflöst)

    Am Einfachsten zu interpretieren sind die Meteogramme, im Folgenden soll anhand eines GFS-Meteogramms die Palette an Information erläutert werden, die man im Meteogramm ablesen kann.

    Vorab aber noch ein paar wichtige Informationen zum verwendeten Modell, das dem Meteogramm zugrunde liegt. Da die meisten hier nicht vom Fach sind, möchte ich das kurz halten - aber es ist vielleicht nicht schlecht, sowas im Hinterkopf zu haben, wenn man das Meteogramm liest.

    GFS heißt ausgeschrieben Global Forecast System und wurde in den USA entwickelt. Es handelt sich um ein Globalmodell, d.h. es wird für alle Erdteile gerechnet. Da es weit in die Zukunft rechnet (bis 384h, das sind 16 Tage) und vier Mal täglich (um 02, 08, 14 und 20 MESZ) gerechnet wird, kann es aus rechnerkapazitären Gründen nur eine bestimmte Auflösung haben. Hätte es eine höhere Auflösung und würde in dieser Auflösung bis weit in die Zukunft gerechnet, dann würde man, salopp gesagt, die Vorhersage für den nächsten Tag erst am nächsten Tag erhalten. Ist auch nicht so wichtig, wir merken uns, dass das GFS-Modell derzeit mit einer Auflösung von 40 km rechnet.

    Was bedeutet nun Auflösung?

    Ich zitiere da gerne einen Ausspruch von Arno Holz (Naturalist): "Kunst = Natur -x", übertragen auf die Wettermodelle: "Modell = Realität -x". Im Klartext: Ein Modell kann niemals die Wirklichkeit originalgetreu abbilden. Es wird immer eine Unzulänglichkeit x geben. Modelle haben grundsätzlich viele Unzulänglichkeiten, die alle zu erläutern aber zu weit führen würde, eine, die bei der Interpretation der Meteogramme eine wichtige Rolle spielt, ist die Modelltopographie.

    Modelltopographie und reale Topographie stimmen nicht überein. Bei einer Auflösung von 40km, d.h. so groß ist die Distanz zwischen zwei Gitterpunkten im Modell, schaut die Modelltopographie beim GFS-Modell folgendermaßen aus:



    Auf der Achse links aufgetragen ist der Breitengrad, unten der Längengrad, rechts farbig die Höhenabstufungen in Metern (bezogen auf Meeresniveau). HgtSfc bedeutet Height-Surface (Höhe der Oberfläche).

    Vergleicht man die abgebildete Modelltopographie mit einer Landkarte aus dem Atlas, dann fällt einem auf, dass der Alpenbogen zwar in seinen Wesenszügen richtig dargestellt ist, aber der östliche Teil der Ostalpen unterschlagen wurde, die Höhenzüge von Mühl- und Waldviertel mit ihren sanften Tälern fehlen völlig, der Bayrische Wald ist lediglich angedeutet und auch sonst ist bei den deutschen Mittelgebirgen eher Fehlanzeige. Auch sind die Alpen nur 2100m hoch, der Mont Blanc mit seinen 4807m geht ebenso klanglos unter wie Großglockner und weitere Drei- und Viertausender.

    Mit anderen Worten - das Modell glättet die Topographie, es enthält keine Täler und keine Berge, sondern nur eine mäßig hohe Hochebene. Diese Unzulänglichkeit wirkt sich sowohl bei der Interpretation der Wetterkarten, der Ensemblediagramme als auch bei den Meteogrammen aus. Als Interpret sollte man also immer hinterfragen, was die Grundlage des Meteogramms ist, wie also das Modell beschaffen ist. Die Modelltopographie ist da natürlich nur ein Aspekt, aber der Rest betrifft die Modellphysik, das führt hier zu weit.

    Weiter gehts in Teil 2...
    Zuletzt geändert von Exilfranke; 02.07.2009, 15:31.
    http://www.wetteran.de

  • #2
    Teil 2

    Nun zum praktischen Teil:

    Was sind Gitterpunkte?

    Das möchte ich anhand der folgenden Abbildung erklären, die in elf Abschnitte unterteilt den Weg zur Interpretation des Meteogramms liefert:



    1. Zuerst gibt man www.wetterzentrale.de in die Adressleiste des Browsers ein, dann klickt man auf "Topkarten" links, dann in dem kleinen eingebetteten Fenster auf "Diagramme" (unterhalb GME).

    2. Nun erhält man eine Reihe von Karten zur Auswahl, wir klicken auf GFS 0,5°-Mitteleuropa. Die Grad-Angabe bezieht sich auf die Modellauflösung.

    3. Links erscheint jetzt eine Karte, die mit der realen Topographie (nicht die Modelltopographie!) unterlegt ist, links wieder die Breitengrade, unten die Längengrade. Die Kreuze bilden ein Gitter. Der Gitterpunktsabstand beträgt ca. 40km - entspricht also der Modellauflösung (jetzt kommen hoffentlich ein paar Aha-Effekte). Das Modell ist nicht in der Lage, beispielsweise Schauerbewölkung, die sich innerhalb dieser Gitterboxen (bestehend aus 4 Kreuzen) tummeln, aufzulösen. Es kann nur Schauerbewölkung an an den Gitterpunkten auflösen, was innerhalb der Gitterbox geschieht, wird gemittelt.

    Das Beispiel-Diagramm rechts gilt für den weiß markierten Gitterpunkt am Alpennordrand.

    Auch hier zunächst etwas Hintergrundinformation:

    Oben links steht immer, um welchen Modellauf es sich handelt - hier um den 12z-Lauf. z steht für Zulu, äquivalent zu UTC (Weltzeit), MESZ ist UTC +2 h, MEZ ist UTC + 1h. Der 12z-Lauf wird also mit den Beobachtungsdaten von 12 UTC gerechnet und erscheint im Sommer so gegen 17.30-18.00 MESZ. Oben rechts sind die Breiten- und Längengrade des abgebildeten Gitterpunkts angegeben, rechts daneben die Meereshöhe (Height) in Metern. Wenn man weiß, welcher Ort auf diesem Gitterpunkt (in Wirklichkeit) liegt, dann kann man sehr leicht nachprüfen, ob das Modell den Ort auch in der richtigen Höhe rechnet (abhängig von der Modelltopographie, s.o.)

    4. In dieser Zeile sieht man die Bewölkung in verschiedenen Stockwerken in Prozent. Die Dicke des weißen Bereichs zeigt die Wolkenbedeckung in % an, d.h. ist in einem "Wolkenstockwerk" alles weiß, ist die Wolkenbedeckung in diesem Stockwerk bei 100%, ist alles blau ist sie 0%. Wolkenlos ist es demzufolge nur, wenn es in allen drei Stockwerken "blau" ist. Die Wolkenart selbst ist nicht verschlüsselt, aber wenn beispielsweise im Niederschlagsdiagramm Schauer angezeigt werden, kann man davon ausgehen, dass es sich um Haufenwolken handelt (die zur "Überentwicklung" neigen, wie die Segelflieger sagen).

    5. Hier ist der Bodendruck (in hPa) aufgetragen. Im Gebirge nur bedingt aussagekräftig, weil in Tälern der Luftdruck direkt von der Temperatur abhängt, bei starke Erwärmung im Tal fällt der Luftdruck (das Gewicht der Luftsäule auf den Boden nimmt ab, weil die Dichte nur die Erwärmung verringert wird), das kann aber auch bei einer sonnigen, niederschlagsfreien Hochdrucklage passieren.

    Fallender Luftdruck = Schlechtwetter gilt im Alpenraum also nicht bzw. nur bedingt. nFällt der Luftdruck hingegen stark über längere Zeit, so nähert sich ein Tiefdrucksystem an, das mit einem Schlechtwettergebiet einhergehen kann.

    6+7. Grün die Windgeschwindigkeit in Knoten (1 Knoten = 1,852 km/h) am Boden, es handelt sich um einen Mittelwind! Böen wie bei Schauern/Gewittern sind hier nicht berücksichtigt. Schwarz abgebildet sind die Windrichtungen als Windfiedern. Hier hat man um den 2. Juli herum zunächst Nordostwind, dann Südwestwind. Die Windrichtung ist die Richtung, aus der der Wind kommt. Die Fieder befindet sich immer auf der Seite, wo der Wind herkommt.

    8+9. Die orange-rote-Kurve gibt die Temperaturbandbreite an, die obere Linie ist die Temperaturmaximumkurve, die untere Kurve die Temperaturminimumkurve. Die schwarze Linie ist der Taupunkt. Der Taupunkt ist diejenige Temperatur, auf die sich die Luft abkühlen muss, damit der in ihr enthaltene Wasserdampf kondensiert (100% relative Feuchte). Je geringer die Differenz zwischen Lufttemperatur und Taupunkt, desto feuchter die Luft und desto leichter können sich Wolken bilden.

    10. Aufgetragen ist die relative Luftfeuchte in 2 m Höhe über Grund in Prozent. Ist glaub ich selbsterklärend. Schön sieht man z.B. den Einbruch der Feuchte um die Mittagszeit, wenn die Verdunstung durch die Sonneneinstrahlung am Größten ist. Damit es regnen kann, muss die relative Feuchte jedoch nicht 100% betragen. Der Regen wird in den Wolken gemacht, also weit über dem Boden. Wenn die Feuchte am Boden aber sehr gering ist, kann ein (großer) Teil des Regens in der trockenen Luft verdunsten.

    [Achtung: Die relative Feuchte ist neben dem Niederschlag einer der unsichersten Vorhersageparameter.]

    11. Zu guter letzt noch der Niederschlag - es handelt sich hier um dreistündige Niederschlagssummen in mm (l/m²), insgesamt gibt es maximal acht Balken zu je drei Stunden pro 24h-Intervall. Grün bedeutet Niederschlag, roter Balken deutet Feuchtkonvektion, d.h. Schauer/Gewitter an.

    Gerade bei konvektivem Niederschlag sind die Summen sehr mit Vorsicht zu genießen. Ein Globalmodell kann einen Schauer nicht realitätsgetreu auflösen (auch ein hoch aufgelöstes Modell kann das (noch) nicht), die Mengen können also höher oder niedriger ausfallen. Wenn konkret am 2. Juli nachmittags vom Modell 3mm Niederschlag simuliert sind, dieser aber konvektiv ist, dann kann im ungünstigsten (oder besten, das ist Ansichtssache) Fall der Schauer vorbeiziehen und es gibt kein Niederschlag, oder er trifft voll und es gibt 20-30mm oder noch mehr im Extremfall.

    Beim Niederschlag muss man also allgemein etwas aufpassen, aber er gibt sicherlich einen guten Anhaltspunkt, wie wahrscheinlich Niederschlag ist.

    Ich hoffe, ich hab Euch jetzt nicht mit Information erschlagen. Bei Fragen/Unklarheiten bitte hier nachfragen.

    Gruß,Felix
    Zuletzt geändert von Exilfranke; 02.07.2009, 15:32.
    http://www.wetteran.de

    Kommentar


    • #3
      AW: Interpretation des GFS-Meteogramms - Tutorial

      Danke Felix !!

      Hochinteressant ! Werde mich am WE einmal ein wenig einlesen - es ist auf jedem Fall wirklich faszinierend, wie gut die Prognosen in den letzten 5-10 Jahren geworden sind. Oft stimmt der Beginn eines Niederschlagsereignis auf ein paar Stunden genau - früher waren die Prognosen max. zu 30% passend...

      lg Josef

      Kommentar


      • #4
        AW: Interpretation des GFS-Meteogramms - Tutorial

        Respekt und Danke an Felix.

        Das ist schon Zeit was du dir hier nimmst um uns zu informieren.

        Danke

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        • #5
          AW: Interpretation des GFS-Meteogramms - Tutorial

          vielen dank, felix, für diese umfassende erklärung!

          ich verwende diese webseite nun schon ziemlich lange für meine tourenplanung - die vorhersage lag meist richtig. man muss sich zwar etwas "einlesen", aber es lohnt sich!



          und mittlerweile gibt es sogar schon eine europa-karte.
          besser 8 Stunden Büro als gar kein Schlaf

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          • #6
            AW: Teil 2

            Servus!

            Vielen Dank für diese ausführlichen Erklärungen...
            Bisher bin ich, was die Wetterbeobachtung betrifft, kaum über Niederschlagsradar und NOAA/Meteosat-Aufnahmen hinausgekommen.


            Zitat von Inntranetz Beitrag anzeigen
            10. Aufgetragen ist die relative Luftfeuchte in 2 m Höhe über Grund in Prozent. Ist glaub ich selbsterklärend. Schön sieht man z.B. den Einbruch der Feuchte um die Mittagszeit, wenn die Verdunstung durch die Sonneneinstrahlung am Größten ist. Damit es regnen kann, muss die relative Feuchte jedoch nicht 100% betragen. Der Regen wird in den Wolken gemacht, also weit über dem Boden. Wenn die Feuchte am Boden aber sehr gering ist, kann ein (großer) Teil des Regens in der trockenen Luft verdunsten.
            Interessant find ich, dass das Diagramm (11) darunter mit den Niederschlagssummen stets unmittelbar nach den Einbrüchen in der Feuchte (10) die höchsten Amplituden aufweist. Diese "Gegenbewegung" erscheint mir im ersten Moment etwas widersprüchlich...?

            Grüße,
            Peter

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