Hallo,
am 4. Juni 2011 war es endlich soweit: das erste ordentliche Gewitter suchte Wien heim:
Die Bilanz:
In den Wienerwaldbezirken sowie von der Innenstadt bis zum 20. und 21. Bezirk traten gab es verbreitet dichten Hagelschlag mit Körnern von 1-2 cm Durchmesser, am Wilhelminenberg wurden auch einzelne Körner mit 3-4 cm beobachtet, in der Dresdner Straße waren sie bis zu 2,5 cm groß (und liegen jetzt brav im Gefrierfach). Im 19. Bezirk wurden Überflutungen gemeldet , im 21. Bezirk sind Keller vollgelaufen. Streckenweise gab es mit dem Hagelschlag zusammen auch Sturmböen, wobei der Wind nicht die größte Gefahr war.
Um 19 Uhr erreichte das Gewitter Unterlaa, dort fiel die Temperatur innerhalb 20 min um 8 Grad Celsius, dazu gab es Windspitzen bis 72 km/h. Am heftigsten war der Regen in Donaufeld mit satten 17,7 l/qm in 10 min, die stärksten Böen verzeichnete Stammersdorf mit 79 km/h. Natürlich kann der Wind außerhalb der Messstationen lokal noch kräftiger gewesen sein.
Insbesondere deshalb, weil die Gewitterlinie sich über Wien erheblich verstärkte, die Gründe dafür werden hier mit Hilfe von Radarbildern dargelegt.
Kurz zusammengefasst:
Niederschlag, der verdunstet, entzieht der Umgebungsluft Wärme. Die Umgebungsluft wird kälter, daher fällt die Temperatur, sobald Regen einsetzt.
Je stärker der Regen, umso stärker die Abkühlung, insbesondere natürlich, wenn es vor dem Regen sehr warm ist (Sonneneinstrahlung!). Kommt Hagel hinzu, wird der Prozess beschleunigt. Um Eiskörner zu schmelzen/verdunsten, wird viel mehr Energie als für Tropfen benötigt. Darum bildet sich nach intensiven Hagelschlag häufig Bodennebel aus (wenn die Temperatur bis zum Taupunkt abkühlt), wie auch in Döbling am Samstagabend beobachtet.
Da kalte Luft schwerer als warme Luft ist, stürzt die niederschlagsgekühlte Luft zu Boden (Abwindbereich der Gewitterzelle) und strömt bodennah aus der Zelle heraus (engl.: Outflow), an der Vorderkante dieser ausströmenden Kaltluft (engl.: Outflow Boundary) wird die davorliegende Warmluft in die Höhe gerissen und bildet neue Aufwinde und neue Gewitterzellen aus. Das ähnelt dann einem perpetuum mobile, und wird erst dann gestoppt, wenn keine Warmluft mehr vorhanden ist, was entweder durch Sonnenuntergang oder andere Outflows geschieht, oder wenn die Luft zu trocken wird (trockene Luft ist schwerer als feuchte Luft).
In Wien kommt noch ein weiterer, gewitterförderlicher Faktor hinzu: Der Wienerwald. Der Outflow der Gewitterlinie traf mit strammen Süd- bis Südostwind auf den Wienerwald und musste irgendwohin ausweichen, was logischerweise nur nach oben geht (zur Seite auch, aber mehrheitlich nach oben).
Das war jetzt zugegebenermaßen länger, aber momentan ist es so schwül, dass ich nicht schlafen kann und auf Gelsenattacke grad keine Lust habe.
Halten wir fest:
Am Samstagabend gab es eine Outflow Boundary, mit der niederschlagsgekühlte Luft auf die in Wien noch lagernde Warmluft traf. Weiters hatte der Outflow Süd/Südostwinde zur Folge, während davor zum Teil noch Ostwind herrschte (unterschiedliche Windrichtungen, die aufeinandertreffen, erzeugen ebenfalls Aufwinde). Drittens war der Wienerwald im Weg und zwang den Südostwind zum Aufsteigen.
Eine bessere Grundlage für heftige Gewitter war kaum denkbar.
Nun zu meinen Bildern aus dem 20. Bezirk: Begonnen hat alles mit
einer unscheinbaren Zelle direkt über Wien, die sich als Cumulus congestus (mächtige Haufenwolke) manifestierte:
Im Wetterradar, siehe Blog-Link oben, sah das folgendermaßen aus:
Ein kleiner grünblauer Fleck, so sieht die Geburt einer Gewitterzelle aus. Südöstlich von Wien naht bereits die Linie mit pinken und weißen Echos. Pink heißt: Starkregen; Hagel wahrscheinlich, weiß heißt: Starkregen, Hagel garantiert. Auf die Größe des Hagels kann man allerdings nicht schließen.
4 min nach meiner ersten Aufnahme sah man bereits eine Böenwalze sich ausbilden:
Da die Wolke im oberen Bereich scharf abgrenzt ist, spricht man auch von einer Regalwolke (engl.: Shelf Cloud). Wann immer man so eine Wolke sieht, sollte man auf kräftige Windböen gefasst sein, im Hochsommer auf Sturm und Orkan.
Um 19.25, nach weiteren 6 min, schiebt sich die Shelf Cloud über die Wiener Innenstadt
Ganz links erkennt man bereits den Abwindbereich mit dem Starkregen (in Unterlaa ca. 10 l/qm in 10 min). Auffallend ist aber der breite Aufwindbereich, wo kein Niederschlag auftritt (engl.: rain free base, regenfreie Wolkenbasis). Je breiter und flächiger dieser Bereich, umso mehr kann die Gewitterzelle feuchtwarme Luft aufsaugen wie ein Schwamm und entsprechend Starkregen/Hagel produzieren.
1 Minute später:
Richtung Laaer Berg/Favoriten wird Starkregen erkennbar, Richtung Zentrum dagegen weiterhin im regenfreien Aufwindbereich. Darüber die Shelf Cloud.
Eine weitere Minute später dürfte der Niederschlag den 11. und 10. Bezirk erfasst haben, hier werden die Fallstreifen weiß, was auf Hagel hindeutet
Um 19.29 intensiviert sich das Ganze
Hinterm Stephansdom verläuft die Grenze zwischen Aufwindbereich (rechts) und Niederschlagsbereich mit Starkregen und Hagel (links). Man beachte den grünlichen Spalt oberhalb dieser Grenze. Grüne Farben sind oft Indikatoren für Hagelschlag (die Physik dahinter ist nicht vollständig verstanden).
Nur eine Minute später hat sich der Starkniederschlag bis hinterm Steffel ausgedehnt
...gleich gehts weiter...
am 4. Juni 2011 war es endlich soweit: das erste ordentliche Gewitter suchte Wien heim:
Die Bilanz:
In den Wienerwaldbezirken sowie von der Innenstadt bis zum 20. und 21. Bezirk traten gab es verbreitet dichten Hagelschlag mit Körnern von 1-2 cm Durchmesser, am Wilhelminenberg wurden auch einzelne Körner mit 3-4 cm beobachtet, in der Dresdner Straße waren sie bis zu 2,5 cm groß (und liegen jetzt brav im Gefrierfach). Im 19. Bezirk wurden Überflutungen gemeldet , im 21. Bezirk sind Keller vollgelaufen. Streckenweise gab es mit dem Hagelschlag zusammen auch Sturmböen, wobei der Wind nicht die größte Gefahr war.
Um 19 Uhr erreichte das Gewitter Unterlaa, dort fiel die Temperatur innerhalb 20 min um 8 Grad Celsius, dazu gab es Windspitzen bis 72 km/h. Am heftigsten war der Regen in Donaufeld mit satten 17,7 l/qm in 10 min, die stärksten Böen verzeichnete Stammersdorf mit 79 km/h. Natürlich kann der Wind außerhalb der Messstationen lokal noch kräftiger gewesen sein.
Insbesondere deshalb, weil die Gewitterlinie sich über Wien erheblich verstärkte, die Gründe dafür werden hier mit Hilfe von Radarbildern dargelegt.
Kurz zusammengefasst:
Niederschlag, der verdunstet, entzieht der Umgebungsluft Wärme. Die Umgebungsluft wird kälter, daher fällt die Temperatur, sobald Regen einsetzt.
Je stärker der Regen, umso stärker die Abkühlung, insbesondere natürlich, wenn es vor dem Regen sehr warm ist (Sonneneinstrahlung!). Kommt Hagel hinzu, wird der Prozess beschleunigt. Um Eiskörner zu schmelzen/verdunsten, wird viel mehr Energie als für Tropfen benötigt. Darum bildet sich nach intensiven Hagelschlag häufig Bodennebel aus (wenn die Temperatur bis zum Taupunkt abkühlt), wie auch in Döbling am Samstagabend beobachtet.
Da kalte Luft schwerer als warme Luft ist, stürzt die niederschlagsgekühlte Luft zu Boden (Abwindbereich der Gewitterzelle) und strömt bodennah aus der Zelle heraus (engl.: Outflow), an der Vorderkante dieser ausströmenden Kaltluft (engl.: Outflow Boundary) wird die davorliegende Warmluft in die Höhe gerissen und bildet neue Aufwinde und neue Gewitterzellen aus. Das ähnelt dann einem perpetuum mobile, und wird erst dann gestoppt, wenn keine Warmluft mehr vorhanden ist, was entweder durch Sonnenuntergang oder andere Outflows geschieht, oder wenn die Luft zu trocken wird (trockene Luft ist schwerer als feuchte Luft).
In Wien kommt noch ein weiterer, gewitterförderlicher Faktor hinzu: Der Wienerwald. Der Outflow der Gewitterlinie traf mit strammen Süd- bis Südostwind auf den Wienerwald und musste irgendwohin ausweichen, was logischerweise nur nach oben geht (zur Seite auch, aber mehrheitlich nach oben).
Das war jetzt zugegebenermaßen länger, aber momentan ist es so schwül, dass ich nicht schlafen kann und auf Gelsenattacke grad keine Lust habe.
Halten wir fest:
Am Samstagabend gab es eine Outflow Boundary, mit der niederschlagsgekühlte Luft auf die in Wien noch lagernde Warmluft traf. Weiters hatte der Outflow Süd/Südostwinde zur Folge, während davor zum Teil noch Ostwind herrschte (unterschiedliche Windrichtungen, die aufeinandertreffen, erzeugen ebenfalls Aufwinde). Drittens war der Wienerwald im Weg und zwang den Südostwind zum Aufsteigen.
Eine bessere Grundlage für heftige Gewitter war kaum denkbar.
Nun zu meinen Bildern aus dem 20. Bezirk: Begonnen hat alles mit
einer unscheinbaren Zelle direkt über Wien, die sich als Cumulus congestus (mächtige Haufenwolke) manifestierte:
Im Wetterradar, siehe Blog-Link oben, sah das folgendermaßen aus:
Ein kleiner grünblauer Fleck, so sieht die Geburt einer Gewitterzelle aus. Südöstlich von Wien naht bereits die Linie mit pinken und weißen Echos. Pink heißt: Starkregen; Hagel wahrscheinlich, weiß heißt: Starkregen, Hagel garantiert. Auf die Größe des Hagels kann man allerdings nicht schließen.
4 min nach meiner ersten Aufnahme sah man bereits eine Böenwalze sich ausbilden:
Da die Wolke im oberen Bereich scharf abgrenzt ist, spricht man auch von einer Regalwolke (engl.: Shelf Cloud). Wann immer man so eine Wolke sieht, sollte man auf kräftige Windböen gefasst sein, im Hochsommer auf Sturm und Orkan.
Um 19.25, nach weiteren 6 min, schiebt sich die Shelf Cloud über die Wiener Innenstadt
Ganz links erkennt man bereits den Abwindbereich mit dem Starkregen (in Unterlaa ca. 10 l/qm in 10 min). Auffallend ist aber der breite Aufwindbereich, wo kein Niederschlag auftritt (engl.: rain free base, regenfreie Wolkenbasis). Je breiter und flächiger dieser Bereich, umso mehr kann die Gewitterzelle feuchtwarme Luft aufsaugen wie ein Schwamm und entsprechend Starkregen/Hagel produzieren.
1 Minute später:
Richtung Laaer Berg/Favoriten wird Starkregen erkennbar, Richtung Zentrum dagegen weiterhin im regenfreien Aufwindbereich. Darüber die Shelf Cloud.
Eine weitere Minute später dürfte der Niederschlag den 11. und 10. Bezirk erfasst haben, hier werden die Fallstreifen weiß, was auf Hagel hindeutet
Um 19.29 intensiviert sich das Ganze
Hinterm Stephansdom verläuft die Grenze zwischen Aufwindbereich (rechts) und Niederschlagsbereich mit Starkregen und Hagel (links). Man beachte den grünlichen Spalt oberhalb dieser Grenze. Grüne Farben sind oft Indikatoren für Hagelschlag (die Physik dahinter ist nicht vollständig verstanden).
Nur eine Minute später hat sich der Starkniederschlag bis hinterm Steffel ausgedehnt
...gleich gehts weiter...
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