Quelle
http://www.spiegel.de/wissenschaft/n...-a-919066.html
Der Klimawandel stockt, die Luft hat sich seit 15 Jahren nicht mehr erwärmt. Jetzt legen Wissenschaftler eine Lösung des Rätsels vor: Der Pazifik kühlt die Welt. Doch wichtige Fragen bleiben offen.
Hamburg - Die steigende Temperaturkurve gilt als Symbol für den menschengemachten Klimawandel. Jeder Uno-Klimabericht stellte die wirkungsvolle Grafik nach vorne. Aufgrund der jüngsten Klimaentwicklung hat sie allerdings an Gewicht verloren: Das Klima hat sich seit 15 Jahren nicht weiter erwärmt, die Kurve zeigt nicht mehr nach oben - obwohl die Menschheit zunehmend Kohlendioxid in die Atmosphäre pustet.
Den Prognosen zufolge hätte es seit der Jahrtausendwende um rund 0,25 Grad wärmer werden müssen. Computermodelle konnten die Entwicklung bislang nicht erklären. Nur zwei Prozent der Simulationen zeigten eine solch lang anhaltende Temperaturdelle, berichten deutsche Forscher in einer neuen Studie. Nun meinen Wissenschaftler, die Erklärung gefunden zu haben. Kühles Pazifikwasser sei verantwortlich für den Stillstand der Erwärmung der Luft, berichten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature".
Was für Außenstehende klingen mag wie ein Taschenspieler-Trick, beruht auf solider Physik. Die meiste Energie gelangt in die Ozeane, sie schlucken etwa 90 Prozent der Wärme. In ihren obersten drei Metern halten die Meere so viel Wärme wie die gesamte Lufthülle der Erde. Rhythmische Schwankungen von Meeresströmungen ändern die Witterung auf Jahre hinaus. Ein ungewöhnlich warmer tropischer Pazifik etwa, ein sogenannter El Niño, sorgt alle paar Jahre für Unwetter.
Dürre, Hitze, Wind
Zuletzt hatte sich das gegenteilige Phänomen gehäuft: Mehrfach war La Niña aufgezogen, im Pazifik war kühles Tiefenwasser an die Oberfläche gestiegen, es drängt warmes Wasser nach unten - und kühlt die Luft. Obwohl der tropische Ostpazifik lediglich ein Zwölftel der Erde bedeckt, erkläre seine Abkühlung nahezu vollständig, warum sich die Luft im globalen Durchschnitt in den vergangenen Jahren nicht weiter aufgeheizt habe, berichten Yo Kosaka und Shang-Ping Xie von der University of California in San Diego in "Nature".
Ihnen sei es mit einem Computermodell gelungen, die Klimaentwicklung präzise nachzubilden. Getreulich zeige die Simulation die regionale Witterung der vergangenen Jahre wie etwa die Dürre 2012 in den USA, heißere Sommer in nördlichen Breiten oder Luftströmungen über dem Pazifik. Vor allem ein Zusammenhang steche heraus: Simultan mit der Temperatur des Ostpazifiks schwanke seit 1970 die globale Temperatur. Ist das Rätsel der Erwärmungspause also gelöst?
"Die Arbeit zeigt, dass eine Abkühlung des tropischen Pazifiks eine abgebremste globale Erwärmung begründen kann", sagt Stefan Brönnimann, Klimatologe an der Universität Bern. Es sei beachtlich, dass die pazifische Kühlung im Modell die globalen Klimaschwankungen so gut nachbilde, ergänzt Doug Smith vom britischen Met Office. Vermutlich könnte die natürliche Variation im Pazifik die Erwärmungspause ausreichend erklären, meint auch Gerald Meehl vom National Center for Atmospheric Research in den USA. Seine früheren Simulationen hatten den Zusammenhang bereits nahegelegt.
Offene Fragen
Über die Ursache der Klimaschwankung allerdings mache die neue Studie keine Angaben, betont Brönnimann: Warum hat sich der Pazifik abgekühlt? Diese Frage bleibe offen. Die Abkühlung des Pazifiks könne von weiteren Klimaeinflüssen verursacht worden sein - die somit letztlich die Ursache für die Erwärmungspause wären, meint auch Smith.
"Die Studie erklärt keineswegs den ungewöhnlichen Temperaturverlauf", sagt Kevin Trenberth vom National Center for Atmospheric Research in den USA (NOAA). Denn es fehle eine Erklärung, wohin sich die Wärme verlagert habe. Ein Team um Trenberth hatte kürzlich zeigen können, dass die Tiefsee ein Drittel der Erderwärmung geschluckt haben könnte.
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Zudem könnten vermutlich Änderungen des Strahlungshaushalts der Erde zum Teil den unerwarteten Temperaturverlauf erklären, meint der Forscher. Beispielsweise seien hohe Luftschichten in den vergangenen Jahren ausgetrocknet. Ihr Wasserdampf wirkt als Wärmepuffer. Die Trockenheit der Stratosphäre habe folglich dazu beigetragen, dass die Erwärmung pausiere, berichten Forscher. Zudem könnten Abgase in Asien oder Vulkanausbrüche das Sonnenlicht gedimmt haben. Auch die Schwäche der Sonne scheint den Klimawandel leicht gebremst zu haben.
"Die Unsicherheit ist hoch", meint Andrey Kostianoy von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Offen bleibe, ob nicht auch andere Ozeane den Klimarhythmus vorgäben. "Der Südozean hat sich während der vergangenen Jahrzehnte besonders stark abgekühlt, er muss zur Atempause der Erderwärmung beigetragen haben", ergänzt der Klimatologe Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Latif hatte bereits 2008 prognostiziert, dass Ozeane den Klimawandel vorübergehend bremsen würden.
Die Vorhersage blieb ein Einzelfall. Erst jetzt rückt die Wissenschaft die Bedeutung der Meere in den Mittelpunkt. Auch das britische Met Office glaubt mittlerweile, dass die Pause der Erderwärmung noch ein paar Jahre anhalten wird. Doch der Temperaturpuffer der Ozeane sei nur vorübergehend, meint Brönnimann. Die Treibhausgase würden ihre wärmende Wirkung entfalten, konstatiert der Uno-Klimabericht, der in Kürze veröffentlicht werden soll. Womöglich folge gar eine Phase beschleunigter Erwärmung.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/n...-a-919066.html
Der Klimawandel stockt, die Luft hat sich seit 15 Jahren nicht mehr erwärmt. Jetzt legen Wissenschaftler eine Lösung des Rätsels vor: Der Pazifik kühlt die Welt. Doch wichtige Fragen bleiben offen.
Hamburg - Die steigende Temperaturkurve gilt als Symbol für den menschengemachten Klimawandel. Jeder Uno-Klimabericht stellte die wirkungsvolle Grafik nach vorne. Aufgrund der jüngsten Klimaentwicklung hat sie allerdings an Gewicht verloren: Das Klima hat sich seit 15 Jahren nicht weiter erwärmt, die Kurve zeigt nicht mehr nach oben - obwohl die Menschheit zunehmend Kohlendioxid in die Atmosphäre pustet.
Den Prognosen zufolge hätte es seit der Jahrtausendwende um rund 0,25 Grad wärmer werden müssen. Computermodelle konnten die Entwicklung bislang nicht erklären. Nur zwei Prozent der Simulationen zeigten eine solch lang anhaltende Temperaturdelle, berichten deutsche Forscher in einer neuen Studie. Nun meinen Wissenschaftler, die Erklärung gefunden zu haben. Kühles Pazifikwasser sei verantwortlich für den Stillstand der Erwärmung der Luft, berichten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature".
Was für Außenstehende klingen mag wie ein Taschenspieler-Trick, beruht auf solider Physik. Die meiste Energie gelangt in die Ozeane, sie schlucken etwa 90 Prozent der Wärme. In ihren obersten drei Metern halten die Meere so viel Wärme wie die gesamte Lufthülle der Erde. Rhythmische Schwankungen von Meeresströmungen ändern die Witterung auf Jahre hinaus. Ein ungewöhnlich warmer tropischer Pazifik etwa, ein sogenannter El Niño, sorgt alle paar Jahre für Unwetter.
Dürre, Hitze, Wind
Zuletzt hatte sich das gegenteilige Phänomen gehäuft: Mehrfach war La Niña aufgezogen, im Pazifik war kühles Tiefenwasser an die Oberfläche gestiegen, es drängt warmes Wasser nach unten - und kühlt die Luft. Obwohl der tropische Ostpazifik lediglich ein Zwölftel der Erde bedeckt, erkläre seine Abkühlung nahezu vollständig, warum sich die Luft im globalen Durchschnitt in den vergangenen Jahren nicht weiter aufgeheizt habe, berichten Yo Kosaka und Shang-Ping Xie von der University of California in San Diego in "Nature".
Ihnen sei es mit einem Computermodell gelungen, die Klimaentwicklung präzise nachzubilden. Getreulich zeige die Simulation die regionale Witterung der vergangenen Jahre wie etwa die Dürre 2012 in den USA, heißere Sommer in nördlichen Breiten oder Luftströmungen über dem Pazifik. Vor allem ein Zusammenhang steche heraus: Simultan mit der Temperatur des Ostpazifiks schwanke seit 1970 die globale Temperatur. Ist das Rätsel der Erwärmungspause also gelöst?
"Die Arbeit zeigt, dass eine Abkühlung des tropischen Pazifiks eine abgebremste globale Erwärmung begründen kann", sagt Stefan Brönnimann, Klimatologe an der Universität Bern. Es sei beachtlich, dass die pazifische Kühlung im Modell die globalen Klimaschwankungen so gut nachbilde, ergänzt Doug Smith vom britischen Met Office. Vermutlich könnte die natürliche Variation im Pazifik die Erwärmungspause ausreichend erklären, meint auch Gerald Meehl vom National Center for Atmospheric Research in den USA. Seine früheren Simulationen hatten den Zusammenhang bereits nahegelegt.
Offene Fragen
Über die Ursache der Klimaschwankung allerdings mache die neue Studie keine Angaben, betont Brönnimann: Warum hat sich der Pazifik abgekühlt? Diese Frage bleibe offen. Die Abkühlung des Pazifiks könne von weiteren Klimaeinflüssen verursacht worden sein - die somit letztlich die Ursache für die Erwärmungspause wären, meint auch Smith.
"Die Studie erklärt keineswegs den ungewöhnlichen Temperaturverlauf", sagt Kevin Trenberth vom National Center for Atmospheric Research in den USA (NOAA). Denn es fehle eine Erklärung, wohin sich die Wärme verlagert habe. Ein Team um Trenberth hatte kürzlich zeigen können, dass die Tiefsee ein Drittel der Erderwärmung geschluckt haben könnte.
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Zudem könnten vermutlich Änderungen des Strahlungshaushalts der Erde zum Teil den unerwarteten Temperaturverlauf erklären, meint der Forscher. Beispielsweise seien hohe Luftschichten in den vergangenen Jahren ausgetrocknet. Ihr Wasserdampf wirkt als Wärmepuffer. Die Trockenheit der Stratosphäre habe folglich dazu beigetragen, dass die Erwärmung pausiere, berichten Forscher. Zudem könnten Abgase in Asien oder Vulkanausbrüche das Sonnenlicht gedimmt haben. Auch die Schwäche der Sonne scheint den Klimawandel leicht gebremst zu haben.
"Die Unsicherheit ist hoch", meint Andrey Kostianoy von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Offen bleibe, ob nicht auch andere Ozeane den Klimarhythmus vorgäben. "Der Südozean hat sich während der vergangenen Jahrzehnte besonders stark abgekühlt, er muss zur Atempause der Erderwärmung beigetragen haben", ergänzt der Klimatologe Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Latif hatte bereits 2008 prognostiziert, dass Ozeane den Klimawandel vorübergehend bremsen würden.
Die Vorhersage blieb ein Einzelfall. Erst jetzt rückt die Wissenschaft die Bedeutung der Meere in den Mittelpunkt. Auch das britische Met Office glaubt mittlerweile, dass die Pause der Erderwärmung noch ein paar Jahre anhalten wird. Doch der Temperaturpuffer der Ozeane sei nur vorübergehend, meint Brönnimann. Die Treibhausgase würden ihre wärmende Wirkung entfalten, konstatiert der Uno-Klimabericht, der in Kürze veröffentlicht werden soll. Womöglich folge gar eine Phase beschleunigter Erwärmung.
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