AW: "Risikomanagement im Extremsport" !wichtig!
Sehr wichtiges Thema, deshalb will ich gerne etwas persönlicher und ausführlicher antworten.
Wie gehe ich mit Angst um?
Bei mir ist die Angst während der Tourenplanung zuhause oft größer als unterwegs. Grade bei winterlichen Unternehmungen ist mir halt bange wegen Lawinen. Ich renne manchmal tagelang mit einer Tourenidee rum und denke: 'Verdammt, soll ich das wirklich machen. Das ist doch verrückt.' Dann wäge ich lange ab, wie und ob ich das durchführe und zu welchem Zeitpunkt. Die Angst legt sich dann, sobald ich die Tourenplanung abgeschlossen habe und losgehe. Unterwegs hab ich selten Angst, bin aber oft höchst konzentriert und übermäßig aufmerksam. Bei Alleingängen kommt es mir manchmal vor, als nähme ich Witterung auf, wie ein Tier. Als könne man Schwachstellen im Schnee riechen.
In der Gruppe lass ich mich leichter ablenken und mach auch schon mal was mit, was ich alleine nicht riskieren würde. Die Sicherheitsfaktor Kameradenrettung wird dann halt auf Kosten einer vorsichtigeren Tourenplanung erkauft. Z.B. lass ich mich zu einem späteren Tourenbeginn überreden. Alleine gehe ich so los, dass ich die erste Schwierigkeit mit dem ersten Licht erreiche. Mit der Gruppe bin ich auch schon mal um 8:00 losmarschiert.
So was wie Sturzangst oder Sorgen wegen meiner Kondition hab ich eigentlich nie. Die Touren sind immer so gewählt, dass ich sie mit guter Reserve schaffe. Meine Leistungsfähigkeit baue ich nur unter sicheren Bedingungen aus: Kondition in unschwierigem Gelände und Klettertechnik im Klettergarten. Mich selber kann ich kontrollieren, also gibt es keinen Grund, da ein Risiko einzugehen.
Welche Risiken gehe ich ein?
Natürlich kann immer ein Unfall passieren, aber ich würde behaupten, dass sich bei meinen Unternehmungen das Risiko auf objektive Gefahren beschränkt. Vor denen habe ich allerdings einen Heidenrespekt. Der einzige Umgang damit ist die Vorstellung, dass man eine gleichberechtigte Beziehung zu seiner Umwelt aufbaut. Ich kann gewissermaßen mitbestimmen, ob mich der Steinschlag trifft oder nicht, ob ich auf dem Schneebrett abgehe oder ob mich der Gewitterguss aus der Wand spült. Zeitpunkt, Wegwahl und Sicherheitsausrüstung sind z.B. Parameter mit denen ich objektive Gefahren nicht 100% dem Schicksal überlasse. Diese Einstellung ist mir sehr wichtig, da hierdurch die Entscheidung immer bei mir liegt - somit bin ich auch immer verantwortlich. Da bleibt keine höhere Macht. Das ist ein wesentlicher Schutz vor Angst oder gar Lähmung in der Krise.
Das Entscheidendste ist also Wachsamkeit und Handlungsbereitsschaft. Man sollte immer mal wieder im Geiste durchspielen, wie man auf eine Notlage reagiert. Und man muss rechtzeitig erkennen, wenn einem die Optionen ausgehen. Wo können sich mehrere Fehler so aufadieren, dass ich handlungsunfähig werde? Ich mache zum Bespiel immer einen Umkehrzeitpunkt fest, bevor ich losgehe. Wenn man den Gipfel dann nicht schafft, ist das nicht so schlimm, als wenn man am nahen Ziel aus Ehrgeiz großzügig wird und dann nicht mehr runterkommt.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich angeeignetes Erfahrung und Wissen auch nutze, um schwierigere Touren zu gehen. Ich bin also nicht sicherer als zu Beginn meiner Bergsteigerlaufbahn - aber auch nicht risikofreudiger.
Warum ich das mache?
Graograman hat schon Victor Frankl zitiert. Besser kann man es kaum sagen. Sich einem Problem zu stellen, gibt einem das Gefühl wirklich vital zu sein. Umso mehr, wenn das Problem von mir selber gewählt wurde. So erlangte man Selbstbestimmtheit und in Folge auch wirkliche Zufriedenheit. Einen (für mich) unmöglichen Berg anzugehen und trotz aller Gefahren heil runterzukommen, das ist befriedigender als Wohlstand, beruflicher Erfolg oder was einem sonst so als erstrebenswert nahegelegt wird. Ich könnte mir vorstellen ähnliches empfindet man noch als Jäger in der Arktis oder bei einer große Seefahrt. Es geht mir da nicht um die Härte, sondern um die Authentizität der Aufgabe. Das gibt es halt in der Kulturgesellschaft nicht. Und das schöne am Bergsteigen ist, ich kann das Gefühl für einen Tag haben. Es ist halt viel unaufwändiger als eine Expedition, und dann macht man das halt eher. Diese ganzen Entschuldigungen, Abenteuer seien für bestimmte Privilegierte Randgruppen reserviert, zieht da nicht mehr. Jeder kann sein Abenteuer haben, wenn er will.
Exkurs
Aus Krisen kann man sehr schnell sehr viel über sich lernen, was man sonst vielleicht wegdrängt. Hier zwei Erlebnisse als Beispiel:
Bei einer Wüstendurchquerung auf einer unbekannten Route sollte unsere Expedition bald den Point-of-no-Return erreichen. Wären wir weitergegangen, hätte das Wasser nicht mehr für die sichere Rückkehr gereicht. Wir müssten also in unbekannten Gelände Wasser finden. Die Entscheidung weiterzugehen, wurde natürlich der Gruppe demokratisch überlassen. Die meisten reagierten durch einen plötzlichen Krankheitsausbruch. Das ist ebenso nachvollziehbar wie unsinnig. Bei sowieso knappen Wasservorräten mussten wir einen Pausentag einlegen. Bald hätte sich die Entscheidung von selber erledigt. Ein weiterer Vorstoß mit der desolaten Truppe wäre unsinnig geworden. Ich wiederum hatte einen Wissensvorsprung, da ich der Navigator auf der Expedition war. Ich hatte eine Wisenschaftliche Arbeit über das Wassersystem der Gobi dabei. Aus einer mittelmäßigen Karte und den Untersuchungsergebnissen ließ sich mit etwas gutem Willen eine Regelmäßigkeit in den Wasserlöchern feststellen. Demnach würde wir also auf eine Quelle stoßen, die dann hoffentlich auch nicht versalzen wäre. Ich hab das allen natürlich erklärt. Aber meine Zuversicht, die aus der ständigen Beschäftigung mit dieser Wüste herrührte, konnte ich nur schlecht vermitteln. Naja, wir sind dann weiter und haben die Quelle gefunden, alles ging gut. Danach hab ich aber gedacht: Die Ängstlichen hatten vielleicht recht und haben sich durch den Ausfall vor einer Notsituation schützen wollen. Ich weiß bis heute nicht, ob ich wirklich die Intuition hatte oder mir aus Ehrgeiz die Situation nur schön geredet habe - was unverantwortlich wäre.
Zweites Beispiel: Bei einer Erstbefahrung eines tibetischen Flußes kamen wir an eine unübersichtliche Stelle in einer engen Schlucht. Bisher Wildwasser IV. Mehr wollten wir aber nicht riskieren. Die ganze Tour ging über vier Tage, genug zu Essen hatten wir, Wasser war natürlich kein Problem. Aber die Ausrüstung war wegen der kleinen Boote sehr beschränkt, zu wenig, für einen tagelangen Ausstieg zur nächsten Militärstrasse. Das wäre auf dieser Höhe auch Kräftemäßig nicht gegangen. Wir haben vor der Schlucht halt gemacht, konnten sie aber wegen einer Biegung nicht einsehen. Die Wände ragten ca. 500m hinauf und verengten sich unten auf wenige Meter. Da hätte leicht ein böses Katarakt drin sein können. Mal in der Schlucht gab es keinen Ausweg mehr. Ein Expeditionsmitglied hat dann Angst bekommen. Während der Expeditionsleiter sich im Fluß zurückarbeitete und an der Flanke hinaufkletterte, um Einsicht in die Schlucht zu bekommen, versuchte ich den Verstörten mit Argumenten zu beruhigen. Ich habe ihm unsere Option erklärt und uns beide dabei unwillentlich angelogen. Als der Expeditionsleiter zurück kam, gab es eine kurze Diskussion, worauf er mich zusammenschrie. Ich solle die Moral nicht untergraben, die einzige Chance hier rauszukommen sei dieser Fluss. Er hatte absolut recht und ich kann mich nur nochmals im Nachhinein entschuldigen. An diesem Punkt - fern der Kartographie, Bergwacht und Satellitenkommunikation - gab es keine Alternativen mehr, sondern nur noch absolute Entschlossenheit das Problem auf direktem Weg zu lösen. Am Ende war der Ängstliche sehr froh, dass er einfach in den A*** getreten wurde. Und ich hab gelernt, dass Harmoniebedürfnis unangebracht ist, wenn's haarig wird.
Sehr wichtiges Thema, deshalb will ich gerne etwas persönlicher und ausführlicher antworten.
Wie gehe ich mit Angst um?
Bei mir ist die Angst während der Tourenplanung zuhause oft größer als unterwegs. Grade bei winterlichen Unternehmungen ist mir halt bange wegen Lawinen. Ich renne manchmal tagelang mit einer Tourenidee rum und denke: 'Verdammt, soll ich das wirklich machen. Das ist doch verrückt.' Dann wäge ich lange ab, wie und ob ich das durchführe und zu welchem Zeitpunkt. Die Angst legt sich dann, sobald ich die Tourenplanung abgeschlossen habe und losgehe. Unterwegs hab ich selten Angst, bin aber oft höchst konzentriert und übermäßig aufmerksam. Bei Alleingängen kommt es mir manchmal vor, als nähme ich Witterung auf, wie ein Tier. Als könne man Schwachstellen im Schnee riechen.
In der Gruppe lass ich mich leichter ablenken und mach auch schon mal was mit, was ich alleine nicht riskieren würde. Die Sicherheitsfaktor Kameradenrettung wird dann halt auf Kosten einer vorsichtigeren Tourenplanung erkauft. Z.B. lass ich mich zu einem späteren Tourenbeginn überreden. Alleine gehe ich so los, dass ich die erste Schwierigkeit mit dem ersten Licht erreiche. Mit der Gruppe bin ich auch schon mal um 8:00 losmarschiert.
So was wie Sturzangst oder Sorgen wegen meiner Kondition hab ich eigentlich nie. Die Touren sind immer so gewählt, dass ich sie mit guter Reserve schaffe. Meine Leistungsfähigkeit baue ich nur unter sicheren Bedingungen aus: Kondition in unschwierigem Gelände und Klettertechnik im Klettergarten. Mich selber kann ich kontrollieren, also gibt es keinen Grund, da ein Risiko einzugehen.
Welche Risiken gehe ich ein?
Natürlich kann immer ein Unfall passieren, aber ich würde behaupten, dass sich bei meinen Unternehmungen das Risiko auf objektive Gefahren beschränkt. Vor denen habe ich allerdings einen Heidenrespekt. Der einzige Umgang damit ist die Vorstellung, dass man eine gleichberechtigte Beziehung zu seiner Umwelt aufbaut. Ich kann gewissermaßen mitbestimmen, ob mich der Steinschlag trifft oder nicht, ob ich auf dem Schneebrett abgehe oder ob mich der Gewitterguss aus der Wand spült. Zeitpunkt, Wegwahl und Sicherheitsausrüstung sind z.B. Parameter mit denen ich objektive Gefahren nicht 100% dem Schicksal überlasse. Diese Einstellung ist mir sehr wichtig, da hierdurch die Entscheidung immer bei mir liegt - somit bin ich auch immer verantwortlich. Da bleibt keine höhere Macht. Das ist ein wesentlicher Schutz vor Angst oder gar Lähmung in der Krise.
Das Entscheidendste ist also Wachsamkeit und Handlungsbereitsschaft. Man sollte immer mal wieder im Geiste durchspielen, wie man auf eine Notlage reagiert. Und man muss rechtzeitig erkennen, wenn einem die Optionen ausgehen. Wo können sich mehrere Fehler so aufadieren, dass ich handlungsunfähig werde? Ich mache zum Bespiel immer einen Umkehrzeitpunkt fest, bevor ich losgehe. Wenn man den Gipfel dann nicht schafft, ist das nicht so schlimm, als wenn man am nahen Ziel aus Ehrgeiz großzügig wird und dann nicht mehr runterkommt.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich angeeignetes Erfahrung und Wissen auch nutze, um schwierigere Touren zu gehen. Ich bin also nicht sicherer als zu Beginn meiner Bergsteigerlaufbahn - aber auch nicht risikofreudiger.
Warum ich das mache?
Graograman hat schon Victor Frankl zitiert. Besser kann man es kaum sagen. Sich einem Problem zu stellen, gibt einem das Gefühl wirklich vital zu sein. Umso mehr, wenn das Problem von mir selber gewählt wurde. So erlangte man Selbstbestimmtheit und in Folge auch wirkliche Zufriedenheit. Einen (für mich) unmöglichen Berg anzugehen und trotz aller Gefahren heil runterzukommen, das ist befriedigender als Wohlstand, beruflicher Erfolg oder was einem sonst so als erstrebenswert nahegelegt wird. Ich könnte mir vorstellen ähnliches empfindet man noch als Jäger in der Arktis oder bei einer große Seefahrt. Es geht mir da nicht um die Härte, sondern um die Authentizität der Aufgabe. Das gibt es halt in der Kulturgesellschaft nicht. Und das schöne am Bergsteigen ist, ich kann das Gefühl für einen Tag haben. Es ist halt viel unaufwändiger als eine Expedition, und dann macht man das halt eher. Diese ganzen Entschuldigungen, Abenteuer seien für bestimmte Privilegierte Randgruppen reserviert, zieht da nicht mehr. Jeder kann sein Abenteuer haben, wenn er will.
Exkurs
Aus Krisen kann man sehr schnell sehr viel über sich lernen, was man sonst vielleicht wegdrängt. Hier zwei Erlebnisse als Beispiel:
Bei einer Wüstendurchquerung auf einer unbekannten Route sollte unsere Expedition bald den Point-of-no-Return erreichen. Wären wir weitergegangen, hätte das Wasser nicht mehr für die sichere Rückkehr gereicht. Wir müssten also in unbekannten Gelände Wasser finden. Die Entscheidung weiterzugehen, wurde natürlich der Gruppe demokratisch überlassen. Die meisten reagierten durch einen plötzlichen Krankheitsausbruch. Das ist ebenso nachvollziehbar wie unsinnig. Bei sowieso knappen Wasservorräten mussten wir einen Pausentag einlegen. Bald hätte sich die Entscheidung von selber erledigt. Ein weiterer Vorstoß mit der desolaten Truppe wäre unsinnig geworden. Ich wiederum hatte einen Wissensvorsprung, da ich der Navigator auf der Expedition war. Ich hatte eine Wisenschaftliche Arbeit über das Wassersystem der Gobi dabei. Aus einer mittelmäßigen Karte und den Untersuchungsergebnissen ließ sich mit etwas gutem Willen eine Regelmäßigkeit in den Wasserlöchern feststellen. Demnach würde wir also auf eine Quelle stoßen, die dann hoffentlich auch nicht versalzen wäre. Ich hab das allen natürlich erklärt. Aber meine Zuversicht, die aus der ständigen Beschäftigung mit dieser Wüste herrührte, konnte ich nur schlecht vermitteln. Naja, wir sind dann weiter und haben die Quelle gefunden, alles ging gut. Danach hab ich aber gedacht: Die Ängstlichen hatten vielleicht recht und haben sich durch den Ausfall vor einer Notsituation schützen wollen. Ich weiß bis heute nicht, ob ich wirklich die Intuition hatte oder mir aus Ehrgeiz die Situation nur schön geredet habe - was unverantwortlich wäre.
Zweites Beispiel: Bei einer Erstbefahrung eines tibetischen Flußes kamen wir an eine unübersichtliche Stelle in einer engen Schlucht. Bisher Wildwasser IV. Mehr wollten wir aber nicht riskieren. Die ganze Tour ging über vier Tage, genug zu Essen hatten wir, Wasser war natürlich kein Problem. Aber die Ausrüstung war wegen der kleinen Boote sehr beschränkt, zu wenig, für einen tagelangen Ausstieg zur nächsten Militärstrasse. Das wäre auf dieser Höhe auch Kräftemäßig nicht gegangen. Wir haben vor der Schlucht halt gemacht, konnten sie aber wegen einer Biegung nicht einsehen. Die Wände ragten ca. 500m hinauf und verengten sich unten auf wenige Meter. Da hätte leicht ein böses Katarakt drin sein können. Mal in der Schlucht gab es keinen Ausweg mehr. Ein Expeditionsmitglied hat dann Angst bekommen. Während der Expeditionsleiter sich im Fluß zurückarbeitete und an der Flanke hinaufkletterte, um Einsicht in die Schlucht zu bekommen, versuchte ich den Verstörten mit Argumenten zu beruhigen. Ich habe ihm unsere Option erklärt und uns beide dabei unwillentlich angelogen. Als der Expeditionsleiter zurück kam, gab es eine kurze Diskussion, worauf er mich zusammenschrie. Ich solle die Moral nicht untergraben, die einzige Chance hier rauszukommen sei dieser Fluss. Er hatte absolut recht und ich kann mich nur nochmals im Nachhinein entschuldigen. An diesem Punkt - fern der Kartographie, Bergwacht und Satellitenkommunikation - gab es keine Alternativen mehr, sondern nur noch absolute Entschlossenheit das Problem auf direktem Weg zu lösen. Am Ende war der Ängstliche sehr froh, dass er einfach in den A*** getreten wurde. Und ich hab gelernt, dass Harmoniebedürfnis unangebracht ist, wenn's haarig wird.
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