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Regelwerk für die Benutzung des Forums Gipfeltreffen

Alle Forumsuser/-innen sind aufgefordert, das Regelwerk zu lesen und sich daran zu halten!

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Die Registrierung und Benutzung unserer Foren ist kostenlos. Es ist registrierten Teilnehmern/-innen (Usern/-innen) erlaubt, den Forums-Account bis auf Widerruf im Rahmen der vorgegebenen, jederzeit änderbaren Forumsregeln für private Zwecke zu nutzen. Ein späteres Löschen des Forums-Accounts sowie der ins Forum eingebrachten Inhalte oder Bilder ist nicht möglich. Auf Wunsch des Benutzers kann der Account stillgelegt werden. Der Benutzername kann dann von niemandem mehr benützt werden und wird vor Missbrauch geschützt.

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Die Forenbetreiber erwarten von allen Usern/-innen, sich an die Netiquette zu halten. Auf einen wertschätzenden, höflichen Umgangston wird Wert gelegt.

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6) Verboten ist/sind:

- Beleidigungen, Sticheleien und Provokationen (auch per PN);
- Politische oder religiöse Themen;
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- Das Aufdecken der Identität oder die Preisgabe persönlicher Daten eines Users/Moderators/Administrators;
- Werbung für konkurrenzierende Plattformen;
- Das Führen von Doppel- oder Mehrfachaccounts;

7) Moderation:

Die Moderatoren/Administratoren werden von den Forenbetreibern bzw. ihren Vertretern ernannt.
Sie sind von den Forenbetreibern verpflichtet, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen und somit ermächtigt, die von Usern/-innen bereit gestellten Inhalte (Texte, Anhänge und Verlinkungen) daraufhin zu prüfen und im Bedarfsfall zu bearbeiten, verschieben, zu löschen oder Themen zu schließen. Im Falle der Löschung von Beiträgen können auch jene Beiträge anderer User ganz oder teilweise entfernt werden, die auf einen gelöschten Beitrag Bezug nehmen.

Änderungen von Beiträgen werden - soweit irgend möglich – unter Angabe des Änderungsgrundes gekennzeichnet. Eingriffe, die den Sinn eines Beitrags verändern, werden nicht vorgenommen. Für die geänderten Teile eines Beitrags haftet der ursprüngliche Ersteller nicht.

Wer etwas gegen das aktive Handeln der Moderatoren/-innen vorzubringen hat, kann dies sachlich, mit konkretem Bezug und zeitnah (innerhalb von 6 Wochen ab Anlass) im Unterforum "Zum Forum/Moderation..." darlegen. In allen anderen Foren werden solche Postings im Sinne der Thementreue der Beiträge kommentarlos gelöscht. Bloßes „Mod-Bashing“ führt zu einer sofortigen Sperre.

Das Unterlaufen von Handlungen und Maßnahmen der Moderatoren ist nicht zulässig. Darunter fällt auch das Fortführen des Themas eines geschlossenen oder gelöschten Threads in einem neuen gleichartigen oder ähnlichen Thread. Ergänzungen und Hinweise von Moderatoren und Administratoren dürfen von Usern in deren Beiträgen nicht verändert oder gelöscht werden.

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Ein übermäßiges Ausnutzen der Signatur ist unerwünscht. Diese sollte vor allem eine maßvolle Größe haben. Nicht mit der Forumsleitung abgesprochene Werbung (für kommerzielle Angebote), Beleidigungen oder Anspielungen in der Signatur oder dem Profiltext werden nicht toleriert.

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Die Forenbetreiber stellen die Foren "Forum für Gemeinschaftstouren" und " Bazar" ausschließlich für private Kontaktzwecke zur Verfügung und gehen damit keinerlei Verpflichtungen oder Haftungen ein! Alle Kontakte in diesen Foren laufen ausschließlich zwischen den Usern/-innen und auf Basis des gegenseitigen Vertrauens. Bei nachweislichen Betrugsfällen stellen die Forenbetreiber alle vorhandenen Informationen zur Verfügung, um eine straf- und zivilrechtliche Verfolgung zu ermöglichen.

11) Regelwidriges Verhalten

User/-innen, die sich regelwidrig verhalten, werden per PN verwarnt und/oder gesperrt. Art und Dauer der Maßnahme richten sich nach der Schwere und der Häufigkeit der Regelübertretung/en. Die betroffenen User/-innen werden darüber per Mail informiert. Ein Posten unter einer anderen Registrierung in der Zeit der Accountsperre ist verboten und zieht automatisch eine Verlängerung der Sperre nach sich.

Wer gegen geltendes Recht verstößt, wird im Ernstfall von uns zur Anzeige gebracht.

12) Information

Die Forumsbetreiber behalten sich das Recht vor,
- alle registrierten User/-innen in unregelmäßigen Abständen über Themen rund um das Bergsteigen, alpiner Sicherheit, Risikomanagement und Weiterbildung per Mail zu informieren und
- dieses Regelwerk jederzeit abzuändern.

13) Nutzung von hochgeladenen Anhängen

Die User/-innen stellen den Forenbetreibern die eingestellten Bilder sowie sonstige Anhänge zur Nutzung im Forum zur Verfügung. Eine darüber hinaus gehende Nutzung der eingestellten Bilder und sonstigen Anhänge durch die Forenbetreiber erfolgt nicht.
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Mama Himalaja

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  • Mama Himalaja

    Seit mehr als 40 Jahren führt die Amerikanerin Elizabeth Hawley in Katmandu eine Chronik über die Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt. Jeder, der einen Gipfel in Nepal und Tibet erklommen hat, muss ihr nach der Rückkehr beweisen, dass er wirklich oben war.


    Die alte Dame auf dem Beifahrersitz schaut so grimmig, als wollte sie ihren Chauffeur auf der Stelle entlassen. Der junge Fahrer hupt, drängelt, stößt in die kleinste Lücke, um vorwärtszu- kommen mit ihrem hellblauen Käfer, Baujahr 63, aber mehr als Schrittgeschwindigkeit ist im Chaos auf den Straßen Katmandus gerade nicht möglich.

    Zum Hotel de l'Annapurna, nicht weit entfernt vom neuen Königspalast, fehlt noch ein Kilometer, und eigentlich müsste Elizabeth Hawley jetzt, um drei Uhr, dort ankommen. Sie ist mit zwei französischen Bergsteigern verabredet, und sollte sie die Kletterer verpassen, wird sie für den Rest des Tages Feuer spucken. Die Franzosen wollen am Morgen des nächsten Tages aufbrechen zum Langtang Lirung, 7234 Meter hoch, einem der Giganten des Himalaja. Es ist ein seltenes und riskantes Unternehmen, und Hawley will alles über diese Expedition erfahren: die Route, die Dauer, die Ausrüstung, die Biografien der Teilnehmer.

    Die Abenteurer aus dem savoyischen Alpenstädtchen St. Gervais, muskulöse, lässige Männer, der eine Mitte, der andere Ende 20, sind noch da, als Hawley die Hotellobby betritt. Wie ferngesteuert läuft sie auf die beiden zu, ohne sie zu kennen, sie hat ein Gespür entwickelt in den vergangenen Jahrzehnten für diesen Typus Mensch. Eine kurze Begrüßung, und schon holt sie ihr Klemmbrett aus der Handtasche, spannt ihre Fragebögen ein und legt eine Karte auf den Couchtisch, Maßstab 1:50 000, Region Langtang-Himal West.

    "Messieurs, bitte schön", sagt sie, "ich höre." Die Franzosen haben die Südostflanke für den Aufstieg gewählt, und ihre Erläuterungen klingen, als hätten sie sich auf ein Examen vorbereitet. Aufmerksam schreibt Hawley mit. Dann fragt sie, warum die beiden so spät in der Nachmonsunzeit unterwegs seien, die Winde seien fürchterlich.

    Elizabeth Hawley zieht ein leicht vergilbtes Blatt aus ihrer Handtasche, darauf hat sie alle Expeditionen auf den Langtang Lirung seit der Erstbesteigung 1978 getippt. Zwölf Jahre sind vergangen, seit zum letzten Mal ein Mensch auf dem Gipfel stand. "Ich hoffe, Sie sind sich im Klaren darüber, auf was Sie sich einlassen", sagt Hawley beim Abschied. "Bis bald in Katmandu." In sechs Wochen, so ist es abgemacht, wird sie sich wieder mit den Franzosen treffen. Wenn sie es bis auf den Gipfel geschafft haben, müssen sie die Lady überzeugen. Am besten, sie kommen mit handfesten Beweisen zurück, Bildern oder Videos.

    Elizabeth Hawley ist eine 83 Jahre alte Dame, klein und schmächtig von Statur, eine Lesebrille auf der Nasenspitze, die schmalen Lippen hellrot geschminkt. In ihrem beigefarbenen Rock und der exakt gebügelten Bluse sieht sie aus, als käme sie gerade vom Kirchgang. Seit mehr als 40 Jahren lebt die Amerikanerin in Katmandu und ist in dieser Zeit die Chronistin des Bergsteigens im Himalaja geworden. Sie registriert so gut wie jede Expedition, die von Nepals Hauptstadt aus die höchsten Gipfel der Welt in Angriff nimmt.

    Niemand soll ihr entgehen, und deswegen hat sie ein dichtes Informantennetz gesponnen. Das Tourismusministerium teilt ihr mit, welche Expeditionen erwartet werden. Die Trekking-Agenturen melden sich, sobald sie eine Tour vermittelt haben. Und die Rezeptionisten der Hotels und Gästehäuser von Katmandu rufen Hawley an, sobald Kletterer angekündigt sind. "Spätestens eine halbe Stunde nach dem Einchecken", sagt der deutsche Bergsteiger Ralf Dujmovits, der bereits elf Achttausender bezwungen hat, klingele in seinem Stammhotel Shangri-La das Telefon, am Apparat Miss Hawley.

    In den Akten, Notizen, Briefen und Statistiken, die Hawley in ihrem Haus verwahrt, sind mehr als 4000 Expeditionen und mehr als 36 000 Bergsteiger erfasst. Es ist eine grandiose Faktensammlung, die in nüchternen Worten alles erzählt über die Faszination und den Irrsinn, in die Todeszone des Himalaja vorzustoßen; einen Kosmos, in dem die Temperaturen zuweilen auf minus 50 Grad stürzen, Winde mit Geschwindigkeiten über 200 Kilometer pro Stunde blasen und der Gehalt des Sauerstoffs in der Luft um zwei Drittel reduziert ist; eine Welt, in der überhängende Bergwände mehrere Kilometer in den Himmel ragen, tonnenschwere Eisbrocken, sogenannte Seracs, wie fallengelassenes Spielzeug Gottes in die Tiefe donnern und sich Lawinen mit der Zerstörungskraft von Flächenbombardements von den Hängen lösen. Eigentlich nichts für Menschen.

    Hawleys "Himalayan Database" hat ihren Anfang in den frühen sechziger Jahren, einer Epoche, in der Bergsteiger noch Pioniere, Sonderlinge oder Desperados waren, die die Grenzen des Möglichen neu definierten. Es ging um Rekorde für die Ewigkeit.

    Fast lückenlos reicht die Dokumentation bis in die Gegenwart, und die Aufzeichnungen erzählen auch davon, wie tiefgreifend die kommerzielle Ausbeutung des Expeditionsgeschäfts die Verhältnisse im Himalaja verändert hat. Vor allem der Mount Everest hat sich zu einem Rummelplatz für Sinnsucher aus aller Welt entwickelt, die für ihren Selbsterfahrungstrip 70 000 Dollar bezahlen, doch ohne die Rundumbetreuung von Sherpas und Führern vermutlich nicht einmal ein Basislager erreichen würden. Es gab Tage in diesem Frühjahr, an denen am Fuße des höchsten Gipfels der Welt fast tausend Menschen campierten.

    Und alle landen in den Akten von Elizabeth Hawley. Sie hört sich die Schilderungen an, sie vergleicht, sie wägt ab, und dann fällt sie ein Urteil. Wenn objektive Beweise wie Gipfelfotos fehlen, vernimmt sie die Expeditionsleiter wie eine Kommissarin den Verdächtigen, der für den Zeitpunkt des Verbrechens kein Alibi vorweisen kann: Wann sind Sie wo gewesen? Was konnten Sie von wo aus sehen? Beschreiben Sie die Topografie, die Beschaffenheit des Eises, den Charakter des Gesteins, die Ausdehnung der Gletscher!

    Elizabeth Hawley ist die Großinquisitorin, die letzte Instanz. Ihre ehemalige Assistentin beschreibt in der Hawley-Biografie der kanadischen Autorin Bernadette McDonald, dass Bergsteiger, denen nach Wochen in dünner Luft das "Hirn halb weggeschmolzen" war, im Sperrfeuer von Hawleys Fragen fast zusammenbrachen: "Ich weiß es nicht! Ich kann mich nicht erinnern! Ihre Fragen sind zu schwierig!"

    Hawley entgehe "kein noch so verstecktes Detail", sagt der ecuadorianische Bergsteiger Iván Vallejo, der bereits auf zwölf Achttausendern stand und der Amerikanerin zuletzt im Oktober nach seiner abgebrochenen Expedition auf den Dhaulagiri (8167 Meter) in Katmandu gegenübersaß. Sir Edmund Hillary, 87, als Erstbesteiger des Mount Everest ein Urvater der Kletterszene, sagt: "Niemand weiß mehr über das Bergsteigen im Himalaja als sie." Und auch Reinhold Messner, der als erster Mensch alle 14 Achttausender bezwang, ließ sich von ihr beraten: "Ich muss ihr für ihre Ideen dankbar sein."

    Die Gebirgszüge scheinen in ihrem Kopf so gestochen scharf abgebildet wie Satellitenaufnahmen. Doch die Pointe ist, dass Elizabeth Hawley selbst nie auf einem der Gipfel stand. Was sie weiß, weiß sie vom Nachlesen, Nachforschen, Zuhören, Zusammentragen. Sie ist Historikerin, keine Entdeckerin. Sie will nicht dabei sein. Sie will "nur aufschreiben, was gewesen ist".

    Die Regale in ihrem Büro sind vollgepackt mit Literatur über den Himalaja, und in mächtigen Aktenschränken, erdbebensicher befestigt, lagert ihr Lebenswerk. Draußen vor dem Fenster brummen Generatoren, weil mal wieder der Strom ausgefallen ist, das Licht ihrer Lampe wird gespeist von zwei Lastwagenbatterien, die sie auf ihrem Balkon festgezurrt hat.

    Die Gipfel des Himalaja, sagt Elizabeth Hawley, die gern sarkastisch ist und manchmal auch zynisch, seien "überschwemmt von Männern, die verrückt genug sind, sich bis ganz nach oben kämpfen zu wollen". Und überhaupt: "Warum sollte ich da hochgehen? That's not my cup of tea."

    Hawley kommt aus einer anderen Welt. Bevor sie sich in Katmandu niederließ, lebte sie wohlbehütet in Amerika, wo man Wert legte auf Bildung und Strebsamkeit, auf Recht und Ordnung. Dort war kein Platz für Weltenbummler und Abenteurer. Ihr Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann, war Präsident der Chicago Crime Commission und hatte sich offen mit Al Capone angelegt.

    Nach dem Geschichtsstudium in Michigan ging Hawley nach New York. Sie war 22, als sie sich beim Wirtschaftsmagazin "Fortune" als Rechercheurin und Dokumentationsjournalistin bewarb. Fortan arbeitete sie elf Jahre für den Verlag, der auch das Nachrichtenmagazin "Time" publiziert, ihr erster Schreibtisch stand in einem Büro des Empire State Building.

    Sie ist viel rumgekommen. Vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs reiste sie durch das zerbombte Deutschland, und 1957 brach sie auf zu einer zwei Jahre dauernden Weltreise, die sie auch nach Katmandu führte. Sie war hingerissen von der Stadt, die ihr vorkam "wie eine märchenhafte Fata Morgana, eine Oase der Fruchtbarkeit in einem Meer aus senkrechten Wänden", und sie war hingerissen von der Fremdheit des Landes, "an dem man erkennen kann, was aus der Welt wird". Nach mehr als hundert Jahren Isolation hatte Nepal erst 1950 seine Grenzen für Ausländer wieder geöffnet.

    Ein Jahr nach ihrer Rückkehr in die USA wanderte Hawley aus. Sie hatte New York und das tägliche Rattenrennen satt, Katmandu war der größtmögliche Gegensatz. Dort galt ihr Interesse von Anfang an der Geschichte des Bergsteigens, was auch damit zu tun hatte, dass sie sich Geld verdienen musste. Hawley hatte als Korrespondentin bei der Nachrichtenagentur Reuters angeheuert, und es waren vor allem die Expeditionen auf die Achttausender, die Neuigkeiten produzierten. Die Erde hatte noch weiße Flecken, viele davon lagen im Himalaja.

    Wie wertvoll die persönlichen Kontakte waren, die Hawley zu den Bergsteigern knüpfte, zeigte sich beispielhaft 1963. Einer amerikanischen Expedition, die auf den Mount Everest wollte, war erstmals die Überschreitung des Berges gelungen, und dies auch noch von der Westseite aus. Es war eine Pioniertat, die ein enormes Medieninteresse erzeugte. Hawley erfuhr die Sensation vor allen anderen Korrespondenten, und der Bericht, den sie in die Redaktion kabelte, landete schließlich auch auf dem Tisch von John F. Kennedy. Fortan bekam sie Reportageaufträge der bekanntesten Magazine, und bald schon galt sie als beste Kennerin einer Region, für die es größtenteils nicht einmal brauchbares Kartenmaterial gab.

    In den mehr als 40 Jahren seitdem hat sie dieser Todeszone Konturen gegeben, und natürlich hat sie sich nicht nur Freunde gemacht. So hat sie sich mit dem englischen Bergsteiger Alan Hinkes angelegt, der sich im Mai vergangenen Jahres als der erste Brite feiern ließ, der alle Achttausender bezwungen hat.

    Miss Hawley aber hatte Zweifel. Sie mied die Gartenparty in Katmandu, die die britische Botschaft zu Hinkes' Ehren ausrichtete. Stattdessen erörterte sie in ihrem Frühjahrsbericht 2005 für die "Himalayan Database" eine Expedition von 1990, die Hinkes zum Cho Oyu (8188 Meter) geführt hatte. Ein Teilnehmer hatte ihr gebeichtet, dass Hinkes nur das unter dem Gipfel liegende Plateau erreicht habe.

    Hinkes bestreitet, getäuscht zu haben. Es sei neblig gewesen, doch er sei sicher, den Gipfel erreicht zu haben. Aber Hawley bleibt stur. Er solle den Cho Oyu erneut in Angriff nehmen, "und man kann nur hoffen, dass es nicht wieder neblig ist".

    Auch der kasachische Kletterer Anatolij Bukrejew, der mit spektakulären Touren auf sich aufmerksam gemacht hatte, ehe er im Dezember 1997 unter einer Lawine an der Annapurna (8091 Meter) verschüttet wurde, bekam ein Problem mit Hawley. Seinen Schilderungen nach einer Expedition auf den Shisha Pangma (8027 Meter) entnahm sie, dass Bukrejew nur einen Nebengipfel erreicht hatte. Anders als Hinkes nahm der Kasache ihre Belehrung gelassen hin. Einem Mitstreiter vertraute er an, Hawley habe ihn angeherrscht. "Ich muss noch mal hin, Elizabeth sagt, ich sei nicht ganz oben gewesen."

    In Hawleys Archiv taucht Bukrejew auch als Bergführer einer Expedition auf, die an der größten Tragödie in der Geschichte des Bergsteigens am Everest beteiligt war. Das Drama, bei dem acht Bergsteiger starben, machte auf brutale Art deutlich, wie unvermittelt sich das Hochgebirge in die Hölle verwandelt, wenn Überehrgeiz, Geltungsbedürfnis und Kostendruck die Entscheidungen in dünner Luft beeinflussen.

    Bukrejew war für 25.000 Dollar als Bergführer einer US-Expedition angeheuert, die sich Mountain Madness nannte. Sie bestand einschließlich der Sherpas aus 22 Teilnehmern. Scott Fischer, der Expeditionsleiter, traf sich am 28. März 1996 in Katmandu mit Hawley. Am 9. Mai, so sein Plan, wollte die Expedition auf dem Mount Everest stehen, für den 15. Mai war die Rückkehr nach Katmandu vorgesehen.

    Drei Tage nach ihrem Interview mit Fischer sprach Hawley in Katmandu mit dem Profi-Bergsteiger Rob Hall, dem Chef der Trekking-Agentur Adventure Consultants aus Christchurch in Neuseeland. Auch Hall wollte mit seiner Expedition, bestehend aus 26 Teilnehmern, auf den Everest, der Gipfeltag war, so hielt Hawley es in ihren Aufzeichnungen fest, einen Tag später vorgesehen als bei Fischers Gruppe.

    Elizabeth Hawley hat weder Hall noch Fischer jemals wiedergesehen. Beide Expeditionsleiter kamen beim Abstieg vom Mount Everest ums Leben. Sie waren am Nachmittag des 10. Mai unterhalb des Gipfels in einen Schneesturm geraten.

    Einen der ersten Augenzeugenberichte der Katastrophe hörte Hawley eine Woche später von einem Amerikaner namens Jon Krakauer, den sie in seinem Hotel in Thamel traf, dem Touristenviertel Katmandus. Krakauer, ein Journalist aus Seattle, gehörte zu den Überlebenden des Teams von Hall. Er war auf den Everest gestiegen, weil er eine Reportage über die Auswüchse der Kommerzialisierung des Himalaja-Bergsteigens schreiben wollte.

    Es wurde ein Buch über den Tod. "Into Thin Air", in eisige Höhen, Krakauers minutiöse Nacherzählung des Dramas, verkaufte sich millionenfach, und die zwei engbeschriebenen Seiten, die Hawley bei dem Gespräch mit Krakauer in ihrer nur schwer zu entziffernden Handschrift notierte, lesen sich wie das Skript zu diesem Bestseller.

    Kaum eine andere Akte in Hawleys Archiv ist so umfangreich, doch nur widerwillig spricht die Dame über die Geschichte.

    Sie hat es häufig erlebt, dass sich Bergsteiger von ihr verabschiedeten und nicht wiederkamen, sie ist Historikerin, und Historiker, sagt sie, zeigen ihr Mitgefühl nicht.

    Die Ereignisse am Mount Everest hatten eine neue, deprimierende Botschaft, auch für Elizabeth Hawley. Zwei kommerzielle Expeditionen waren am selben Tag auf den Gipfel gestrebt, beide befanden sich auf Kollisionskurs, niemand wich zurück, niemand nahm die Gefahren ernst. Es hatte den Anschein, als sei der ganz alltägliche Wahnsinn der westlichen Welt endgültig auch im Hochgebirge des Himalaja angekommen. Was sich damals auf dem Mount Everest abspielte, war so etwas wie die Fortsetzung des Rattenrennens um Macht und Erfolg, dem Elizabeth Hawley eigentlich hatte entfliehen wollen.

    In Hawleys Unterlagen zu dem Drama findet sich ein Fax, das sie am 11. Mai 1996 an Adventure Consultants in Christchurch schickte. In Katmandu hatte sie die ersten Gerüchte aufgeschnappt, dass Mitglieder der neuseeländischen Expedition nach dem Abstieg vom Mount Everest vermisst würden, unter ihnen auch der Chef des Unternehmens, Rob Hall.

    "Ich kann nur hoffen, dass sie alle überlebt haben", schrieb Hawley, "nicht zu wissen, was passiert, ist noch schlimmer, als Gewissheit darüber zu haben." In dem ihr eigenen Ton fügte sie hinzu: "Dummes Zeug, das Bergsteigen, nicht wahr?"

    Das Fax bekam Halls Frau, der es noch am selben Abend gelang, eine telefonische Verbindung zu ihrem Mann herzustellen. Sie hatte das Basislager der Adventure-Consultants-Expedition am Mount Everest angewählt, und Halls Freunde hatten den Anruf zu seinem Funkgerät durchgestellt.

    Hall verharrte, zu Tode erschöpft, auf dem Südgipfel auf mehr als 8000 Meter Höhe im Schnee, seit dem Beginn des Sturms waren über 24 Stunden vergangen. Seine Frau war drei Jahre zuvor mit Hall auf dem Mount Everest gewesen, sie machte sich keine Illusionen über seine hoffnungslose Lage.

    "Hi, mein Schatz", sagte Hall, "ich hoffe, du liegst warm eingepackt im Bett. Wie geht's dir?"

    "Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich an dich denke", antwortete seine Frau. "Du klingst ja viel besser, als ich erwartet habe. Ist dir auch nicht zu kalt, Liebling?"

    "Wenn man die Höhe und das ganze Drumherum bedenkt, geht's mir eigentlich verhältnismäßig gut", sagte Hall.

    Sie erwiderte: "Ich kann's kaum erwarten, dich ganz gesund zu pflegen, wenn du wieder zu Hause bist. Ich weiß einfach, dass du gerettet wirst. Denk nicht, dass du allein und verlassen bist."

    Bevor er das Gespräch beendete, sagte Hall: "Ich liebe dich. Schlaf gut, mein Schatz. Mach dir bitte nicht zu viele Sorgen."

    Zwölf Tage später fand man Hall tot in einer Eismulde.

    Quelle: spiegel.de
    Die Vernunft kann sich mit viel größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen wenn der Zorn ihr dienbar zur Hand geht!
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