Schon seit Stunden geht es in einem dichten, felsdurchsetzten Wald aufwärts. Ein schweißtreibender und unübersichtlicher Anstieg ist das, bei dem es ständig gilt, sich einen möglichst gut begehbaren Weg zu bahnen. Schließlich beginnt sich der Wald aber zu lichten und bleibt dann ganz hinter uns. Der Blick zurück über das nun offen unter uns liegende Hochtal ist atemberaubend. Unter einem makellos blauen Himmel wandern wir noch ein Stück einen Wiesenhang hinauf und finden einen richtig guten Platz für die Mittagsrast.
Ganz zur Ruhe kommen kann ich hier allerdings nicht. Ständig schaue ich gebannt hinauf zu einer Felsstufe, die weiter oben das ganze Tal abriegelt. Das ist allem Anschein nach die Schlüsselstelle unserer Tour. Einige Zeit später stehen wir direkt unter der Felsstufe. Steil ist sie, stellenweise sogar senkrecht, aber soweit wir das von unserem Standpunkt absehen können, dürfte es ausreichend viele akzeptable Griffe und Tritte geben. Also los. Wir folgen einem ausgeprägten Riss, der das gesamte Bollwerk in der Mitte durchzieht, überklettern vorsichtig einige Absätze und gelangen schon nach wenigen Minuten wieder in angenehmeres Gelände. Das hätten wir uns nicht gedacht. Die Sorgen waren unbegründet! Jetzt kann uns nichts mehr halten und bald darauf befinden wir uns am lange herbeigesehnten Hochplateau. Eine ganz neue Welt tut sich hier auf. Überall sanfte Bergkuppen, teilweise mit saftig grünen Bergwiesen. Paradiesisch. Rechts von uns führt ein einfach zu begehender Hang auf einen ersten Gipfel. Immer großartiger wird der Ausblick und dann sind wir oben. Wir legen die Rucksäcke ab und umarmen uns. Gipfelglück. Alle Zweifel sind verflogen, es ist der pure Genuss.
Die Sonne brennt heiß herab, die Luft ist aber gleichzeitig angenehm kühl. Sollen wir hier die Nacht verbringen? Der Platz wäre sehr gut geeignet. Doch da drüben, da gibt es noch einen etwas höheren Gipfel und Zeit bliebe bis zum Sonnenuntergang noch genug. Schnell sind wir uns einig: Dort soll dieser einzigartige Tag seinen krönenden Abschluss finden. Im Vergleich zum bisherigen Anstieg ist die folgende Wegstrecke ein Spaziergang und als wir dann ganz oben ankommen, könnte ich vor Freude fast platzen. Was für ein schöner, absolut einsamer Ort. Der erste Rundblick bestätigt, dass es wirklich der höchste Punkt des Hochplateaus ist! Wie erhofft lässt es sich hier auch recht gut biwakieren. Sofort machen wir uns daran, alles für die Nacht herzurichten und widmen uns danach, die letzten Strahlen der Sonne genießend, einem ausgiebigen Abendessen.
Wohlig warm liege ich in meinem Schlafsack und schaue in einen klaren Sternenhimmel. Kein Lüftchen regt sich, völlige Stille. Tiefe Zufriedenheit macht sich in mir breit. Immer wieder schließe ich die Augen und das heute Erlebte zieht wie ein Film an mir vorbei. Ein zunächst anstrengender, aber zum Ende hin traumhaft schöner Tag war das. Plötzlich erfasst mich ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt: Wie doch unsere heutige Bergtour dem Verlauf der Geschichte gleicht! Genau wie bei uns war der Anfang auch für die Menschheit zäh, als sie noch im dunklen Wald nach einem Weg suchen musste. Die Orientierung so schwierig, immer wieder Sackgassen. Dann das Zeitalter der Wissenschaft. Der Wald lichtet sich nun und die einzuschlagende Richtung ist unübersehbar. Es wird heller und heller und der Blick immer freier. Am Ende gelangt die Menschheit jedoch an die steile Felsstufe. Nun braucht es Mut und Entschlossenheit, Konzentration und Zusammenhalt. Ein Absturz ist möglich, die Folgen nicht abzusehen. Doch es gelingt. Die Vision vom paradiesischen Hochplateau war viel zu verlockend, ein Umkehren die schlechtere Alternative.
Dieser Durchbruch, denke ich mir, das war die globale Einigung. Die Einigung auf die globalen Gesetze. Die Einigung auf unsere gemeinsame Sprache. Die Einigung auf gemeinsame Ziele. Das wichtigste davon, das Erreichen des 1-Milliarde-Menschen-Ziels könnte man als ersten Gipfel sehen. Und heute leben wir am Zenit wie mir scheint, vergleichbar mit unserem wunderschönen Gipfelbiwak hier heroben. Wahrscheinlich geht es uns jetzt vor allem deshalb so gut, weil die Angst weg ist. Kaum jemand braucht mehr Angst zu haben. Nicht vor Kriegen, nicht vor Verbrechen, nicht einmal mehr vor Krankheit und Tod. Früher waren dagegen die Lebensbedingungen vieler Menschen so schlecht, dass sie nur auf ein jenseitiges Paradies hoffen konnten. Dabei wäre hier im Diesseits ein Paradies doch immer möglich gewesen! Was für eine Tragödie. Einige Kirchengebäude sind aus dieser Zeit noch erhalten geblieben, Gipfelkreuze gibt es aber nicht mehr, auch keine religiösen Feiertage. Statt Weihnachten feiern wir heute die Wintersonnenwende, statt dem Osterfest die globale Einigung.
Seit dieser globalen Einigung hat sich unsere Welt gewaltig verändert. Das ständige Gegeneinander ist endlich einem vernünftigen Miteinander gewichen. Unsere Schulen haben zu dieser Entwicklung den größten Beitrag geleistet. Die Lehrpläne werden ständig auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht und nur die Allerbesten können Lehrer werden. Gerne bin ich in die Schule gegangen, denn jeder Tag war spannend dort. Wir wurden zu gesamtheitlich denkenden Freigeistern erzogen und im Mittelpunkt stand die ständige Suche nach Wahrheit.
Geschichtsunterricht war allerdings oftmals etwas beklemmend. Viel zu lange hat es gedauert, bis die Menschheit zusammengewachsen ist. Uneinigkeit und Dummheit hätten uns um ein Haar alle vernichtet. Heute kann uns das mit unseren globalen Spielregeln hoffentlich nicht mehr passieren. Immerhin werden jetzt alle Neuerungen daraufhin abgeklopft, ob sie auch wirklich das Gesamtwohl steigern. Und dieses Grundprinzip färbt auch auf die Gewissenhaftigkeit von jedem einzelnen ab - niemand will das Erreichte durch individuelle Rücksichtslosigkeiten wieder schmälern.
Alle fünf Jahre wählen wir aus unserer örtlichen Lehrerschaft die Person aus, die uns als Gemeindeoberhaupt am geeignetsten erscheint. Eine große Zahl von Gemeindeoberhäuptern wählt dann mehrere Personen an die Spitze der jeweiligen Region und die Regionaloberhäupter wählen schließlich die Mitglieder der Globalregierung. Damit ist gewährleistet, dass nur die besten Köpfe an die höchsten Stellen gelangen. Alle diese Amtsträger genießen unseren größten Respekt und unser vollstes Vertrauen.
Im Schlafsack neben mir dreht sich gerade meine Lebensgefährtin um. Ob sie auch noch wach ist? Lange sind wir nun schon zusammen. Wir waren beide sechzehn, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Eine tolle Zeit haben wir schon gehabt, viele wunderbare gemeinsame Erlebnisse. So sorgenfrei und harmonisch zu leben fühlt sich sehr, sehr gut an, da braucht es ganz bestimmt keine Reichtümer. Damals, vor der globalen Einigung, gab es einmal eine Elite, die viel luxuriöser gelebt hat, als das bei uns möglich wäre. Diese riesigen Unterschiede in der Lebensqualität gibt es jetzt nicht mehr. Unsere Bestverdiener können sich ein Leben in einem schönen Haus und eine weitreichende Mobilität leisten, aber eine eigene Luxusyacht oder gar ein Privatjet sind undenkbar.
Sehr erfreulich finde ich zudem, dass eine umfassende Freiheit Wirklichkeit geworden ist. Jeder verhandelt seine Arbeitsbedingungen selbst, und wer am Anfang bereits gut verdient hat, geht oft schon frühzeitig wieder auf die Grundsicherung zurück. Die dafür zu leistende gemeinnützige Arbeit bietet ja auch vielfältige Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Von der Forschung bis zur Mitarbeit in der örtlichen Gemeinde, da findet jeder etwas Passendes.
Selbst hier im Gebirge hat sich in Sachen Freiheit einiges getan. Es gibt jetzt viel weniger Liftanlagen, Klettersteige oder Forststraßen. Almhütten werden dagegen allerorts erhalten. Sie sind im Sommer ständig bewohnt, weil die dort durchzuführende gemeinnützige Landschaftspflege sehr beliebt ist. Richtige Schmuckstücke sind die meisten Almen geworden. Tiere werden zwar vereinzelt noch aufgetrieben, allerdings dort, wo Touristen kaum hinkommen. Dabei handelt es sich vor allem um rückgezüchtete, kleine und leichte Bergrinder sowie um Schafe und Ziegen. Geortet werden die Tiere elektronisch - so stört kein Glockengebimmel die Ruhe.
Mit mehr Freiheit wurden sogar im Straßenverkehr gute Erfahrungen gemacht. Trotz Aufhebung fast aller Geschwindigkeitsbeschränkungen passieren Jahr für Jahr weniger Unfälle und auch mein Wagen ist immer noch unfallfrei, obwohl er schon unglaublich alt ist. So ein treuer Begleiter. Noch keine einzige Panne hatte ich bisher, weshalb ich ihn noch lange behalten möchte. Früher waren technische Geräte einmal Wegwerfartikel! Eine irre Verschwendung.
Große Fabriken sind heute einer Vielzahl kleiner Reparaturbetriebe gewichen. Und ganz generell geht der Trend ständig weiter in Richtung Vernunft. Wohlergehen, Harmonie und Schönheit stehen stark im Fokus. Bei der Landschaftsgestaltung, der Architektur, bei Gebrauchsgegenständen und sogar bei uns Menschen selber – überall findet eine Entwicklung hin zum Schönen, zum Stimmigen, zum vernünftigen Maß statt. Es gibt keine Großstädte mehr, keine monströsen Autobahnen, Flughäfen oder Hochhäuser. Aber die Spuren dieser verrückten Vergangenheit zu beseitigen, wird uns noch lange beschäftigen.
Plötzlich bemerke ich, dass es heller geworden ist. Der Mond ist aufgegangen! Ein eigenartig weiches Licht liegt nun über der Landschaft. Keine Wolke ist am Nachthimmel zu sehen, demnach sollte das morgen wieder ein weiterer sehr sonniger Tag werden. Wie geht es weiter? Auf der Nordseite gibt es ein paar Schneereste. Wasser finden wir dort sicher recht leicht, und Nahrungsmittel haben wir genug mitgenommen, also könnten wir heroben bleiben. Das Hochplateau ist so groß, so einsam, so anziehend, da wäre es doch spannend, die Gegend zu erkunden. Am schönsten fände ich es, hier oben von Gipfel zu Gipfel zu wandern und möglichst viele verschiedene Facetten dieses Paradieses kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht noch tagelang.
Ganz zur Ruhe kommen kann ich hier allerdings nicht. Ständig schaue ich gebannt hinauf zu einer Felsstufe, die weiter oben das ganze Tal abriegelt. Das ist allem Anschein nach die Schlüsselstelle unserer Tour. Einige Zeit später stehen wir direkt unter der Felsstufe. Steil ist sie, stellenweise sogar senkrecht, aber soweit wir das von unserem Standpunkt absehen können, dürfte es ausreichend viele akzeptable Griffe und Tritte geben. Also los. Wir folgen einem ausgeprägten Riss, der das gesamte Bollwerk in der Mitte durchzieht, überklettern vorsichtig einige Absätze und gelangen schon nach wenigen Minuten wieder in angenehmeres Gelände. Das hätten wir uns nicht gedacht. Die Sorgen waren unbegründet! Jetzt kann uns nichts mehr halten und bald darauf befinden wir uns am lange herbeigesehnten Hochplateau. Eine ganz neue Welt tut sich hier auf. Überall sanfte Bergkuppen, teilweise mit saftig grünen Bergwiesen. Paradiesisch. Rechts von uns führt ein einfach zu begehender Hang auf einen ersten Gipfel. Immer großartiger wird der Ausblick und dann sind wir oben. Wir legen die Rucksäcke ab und umarmen uns. Gipfelglück. Alle Zweifel sind verflogen, es ist der pure Genuss.
Die Sonne brennt heiß herab, die Luft ist aber gleichzeitig angenehm kühl. Sollen wir hier die Nacht verbringen? Der Platz wäre sehr gut geeignet. Doch da drüben, da gibt es noch einen etwas höheren Gipfel und Zeit bliebe bis zum Sonnenuntergang noch genug. Schnell sind wir uns einig: Dort soll dieser einzigartige Tag seinen krönenden Abschluss finden. Im Vergleich zum bisherigen Anstieg ist die folgende Wegstrecke ein Spaziergang und als wir dann ganz oben ankommen, könnte ich vor Freude fast platzen. Was für ein schöner, absolut einsamer Ort. Der erste Rundblick bestätigt, dass es wirklich der höchste Punkt des Hochplateaus ist! Wie erhofft lässt es sich hier auch recht gut biwakieren. Sofort machen wir uns daran, alles für die Nacht herzurichten und widmen uns danach, die letzten Strahlen der Sonne genießend, einem ausgiebigen Abendessen.
Wohlig warm liege ich in meinem Schlafsack und schaue in einen klaren Sternenhimmel. Kein Lüftchen regt sich, völlige Stille. Tiefe Zufriedenheit macht sich in mir breit. Immer wieder schließe ich die Augen und das heute Erlebte zieht wie ein Film an mir vorbei. Ein zunächst anstrengender, aber zum Ende hin traumhaft schöner Tag war das. Plötzlich erfasst mich ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt: Wie doch unsere heutige Bergtour dem Verlauf der Geschichte gleicht! Genau wie bei uns war der Anfang auch für die Menschheit zäh, als sie noch im dunklen Wald nach einem Weg suchen musste. Die Orientierung so schwierig, immer wieder Sackgassen. Dann das Zeitalter der Wissenschaft. Der Wald lichtet sich nun und die einzuschlagende Richtung ist unübersehbar. Es wird heller und heller und der Blick immer freier. Am Ende gelangt die Menschheit jedoch an die steile Felsstufe. Nun braucht es Mut und Entschlossenheit, Konzentration und Zusammenhalt. Ein Absturz ist möglich, die Folgen nicht abzusehen. Doch es gelingt. Die Vision vom paradiesischen Hochplateau war viel zu verlockend, ein Umkehren die schlechtere Alternative.
Dieser Durchbruch, denke ich mir, das war die globale Einigung. Die Einigung auf die globalen Gesetze. Die Einigung auf unsere gemeinsame Sprache. Die Einigung auf gemeinsame Ziele. Das wichtigste davon, das Erreichen des 1-Milliarde-Menschen-Ziels könnte man als ersten Gipfel sehen. Und heute leben wir am Zenit wie mir scheint, vergleichbar mit unserem wunderschönen Gipfelbiwak hier heroben. Wahrscheinlich geht es uns jetzt vor allem deshalb so gut, weil die Angst weg ist. Kaum jemand braucht mehr Angst zu haben. Nicht vor Kriegen, nicht vor Verbrechen, nicht einmal mehr vor Krankheit und Tod. Früher waren dagegen die Lebensbedingungen vieler Menschen so schlecht, dass sie nur auf ein jenseitiges Paradies hoffen konnten. Dabei wäre hier im Diesseits ein Paradies doch immer möglich gewesen! Was für eine Tragödie. Einige Kirchengebäude sind aus dieser Zeit noch erhalten geblieben, Gipfelkreuze gibt es aber nicht mehr, auch keine religiösen Feiertage. Statt Weihnachten feiern wir heute die Wintersonnenwende, statt dem Osterfest die globale Einigung.
Seit dieser globalen Einigung hat sich unsere Welt gewaltig verändert. Das ständige Gegeneinander ist endlich einem vernünftigen Miteinander gewichen. Unsere Schulen haben zu dieser Entwicklung den größten Beitrag geleistet. Die Lehrpläne werden ständig auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht und nur die Allerbesten können Lehrer werden. Gerne bin ich in die Schule gegangen, denn jeder Tag war spannend dort. Wir wurden zu gesamtheitlich denkenden Freigeistern erzogen und im Mittelpunkt stand die ständige Suche nach Wahrheit.
Geschichtsunterricht war allerdings oftmals etwas beklemmend. Viel zu lange hat es gedauert, bis die Menschheit zusammengewachsen ist. Uneinigkeit und Dummheit hätten uns um ein Haar alle vernichtet. Heute kann uns das mit unseren globalen Spielregeln hoffentlich nicht mehr passieren. Immerhin werden jetzt alle Neuerungen daraufhin abgeklopft, ob sie auch wirklich das Gesamtwohl steigern. Und dieses Grundprinzip färbt auch auf die Gewissenhaftigkeit von jedem einzelnen ab - niemand will das Erreichte durch individuelle Rücksichtslosigkeiten wieder schmälern.
Alle fünf Jahre wählen wir aus unserer örtlichen Lehrerschaft die Person aus, die uns als Gemeindeoberhaupt am geeignetsten erscheint. Eine große Zahl von Gemeindeoberhäuptern wählt dann mehrere Personen an die Spitze der jeweiligen Region und die Regionaloberhäupter wählen schließlich die Mitglieder der Globalregierung. Damit ist gewährleistet, dass nur die besten Köpfe an die höchsten Stellen gelangen. Alle diese Amtsträger genießen unseren größten Respekt und unser vollstes Vertrauen.
Im Schlafsack neben mir dreht sich gerade meine Lebensgefährtin um. Ob sie auch noch wach ist? Lange sind wir nun schon zusammen. Wir waren beide sechzehn, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Eine tolle Zeit haben wir schon gehabt, viele wunderbare gemeinsame Erlebnisse. So sorgenfrei und harmonisch zu leben fühlt sich sehr, sehr gut an, da braucht es ganz bestimmt keine Reichtümer. Damals, vor der globalen Einigung, gab es einmal eine Elite, die viel luxuriöser gelebt hat, als das bei uns möglich wäre. Diese riesigen Unterschiede in der Lebensqualität gibt es jetzt nicht mehr. Unsere Bestverdiener können sich ein Leben in einem schönen Haus und eine weitreichende Mobilität leisten, aber eine eigene Luxusyacht oder gar ein Privatjet sind undenkbar.
Sehr erfreulich finde ich zudem, dass eine umfassende Freiheit Wirklichkeit geworden ist. Jeder verhandelt seine Arbeitsbedingungen selbst, und wer am Anfang bereits gut verdient hat, geht oft schon frühzeitig wieder auf die Grundsicherung zurück. Die dafür zu leistende gemeinnützige Arbeit bietet ja auch vielfältige Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Von der Forschung bis zur Mitarbeit in der örtlichen Gemeinde, da findet jeder etwas Passendes.
Selbst hier im Gebirge hat sich in Sachen Freiheit einiges getan. Es gibt jetzt viel weniger Liftanlagen, Klettersteige oder Forststraßen. Almhütten werden dagegen allerorts erhalten. Sie sind im Sommer ständig bewohnt, weil die dort durchzuführende gemeinnützige Landschaftspflege sehr beliebt ist. Richtige Schmuckstücke sind die meisten Almen geworden. Tiere werden zwar vereinzelt noch aufgetrieben, allerdings dort, wo Touristen kaum hinkommen. Dabei handelt es sich vor allem um rückgezüchtete, kleine und leichte Bergrinder sowie um Schafe und Ziegen. Geortet werden die Tiere elektronisch - so stört kein Glockengebimmel die Ruhe.
Mit mehr Freiheit wurden sogar im Straßenverkehr gute Erfahrungen gemacht. Trotz Aufhebung fast aller Geschwindigkeitsbeschränkungen passieren Jahr für Jahr weniger Unfälle und auch mein Wagen ist immer noch unfallfrei, obwohl er schon unglaublich alt ist. So ein treuer Begleiter. Noch keine einzige Panne hatte ich bisher, weshalb ich ihn noch lange behalten möchte. Früher waren technische Geräte einmal Wegwerfartikel! Eine irre Verschwendung.
Große Fabriken sind heute einer Vielzahl kleiner Reparaturbetriebe gewichen. Und ganz generell geht der Trend ständig weiter in Richtung Vernunft. Wohlergehen, Harmonie und Schönheit stehen stark im Fokus. Bei der Landschaftsgestaltung, der Architektur, bei Gebrauchsgegenständen und sogar bei uns Menschen selber – überall findet eine Entwicklung hin zum Schönen, zum Stimmigen, zum vernünftigen Maß statt. Es gibt keine Großstädte mehr, keine monströsen Autobahnen, Flughäfen oder Hochhäuser. Aber die Spuren dieser verrückten Vergangenheit zu beseitigen, wird uns noch lange beschäftigen.
Plötzlich bemerke ich, dass es heller geworden ist. Der Mond ist aufgegangen! Ein eigenartig weiches Licht liegt nun über der Landschaft. Keine Wolke ist am Nachthimmel zu sehen, demnach sollte das morgen wieder ein weiterer sehr sonniger Tag werden. Wie geht es weiter? Auf der Nordseite gibt es ein paar Schneereste. Wasser finden wir dort sicher recht leicht, und Nahrungsmittel haben wir genug mitgenommen, also könnten wir heroben bleiben. Das Hochplateau ist so groß, so einsam, so anziehend, da wäre es doch spannend, die Gegend zu erkunden. Am schönsten fände ich es, hier oben von Gipfel zu Gipfel zu wandern und möglichst viele verschiedene Facetten dieses Paradieses kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht noch tagelang.
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