... weil dies bislang noch fehlt - nicht nur im forum - und weil es sein muß, v.a. das die hütte jetzt "hüttenwirtslos" ist - ein kleiner rückblick in die geschichte und vorgeschichte einer hütte. auch auf eine aufforderung des letzten hüttenwirts vor einigen jahren (hüstel) hin. meine hochachtung gilt diesem herrn und seinen vorgänger/innen, auch den vereinsmitgliedern, die viel herzblut und mühe in den aufbau und die erhaltung der hütte gesteckt haben. vielleicht gibt dieser text und die bilder eine anregung erinnerungen an das happischhaus und seine leut' hier zu teilen, es würde mich freuen. viele grüße, georg
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„Weit ab vom Weltlärm“ – oder: Touristische Entdeckung und Erschließung des nordwestlichen Tennengebirges
Am Nachmittag des 10. September 1865 erreichten zwei Männer, Guido von Sommaruga und Georg Hofer – ein Wiener Jurist und sein aus Werfen stammende Führer – das vordere Pitschenbergtal im nordwestlichen Tennengebirge. Sie waren von Werfen über die Griesscharte und das Raucheck aufgestiegen und hatten dann das Ebental, die Streitmandlscharte und die Wieselsteine passiert. Als sie schließlich zur auf etwa 1.700 Metern gelegenen vorderen Pitschenbergalm kamen, bewegte deren Anblick zumindest einen der beiden, den Alpenvereinsmitbegründer Sommaruga, tief: „Da war sie endlich, die erste menschliche Wohnung nach 9stündigem Umherstreichen durch ödes Felsgewirre und unabsehbare Karrenfelder; und dazu so heimlich und einladend, dass einem ordentlich das Herz im Leibe lachte.“ Auf der Alm befand sich damals, so Sommaruga in seinem Bericht weiter, ein ungewöhnlich „geräumiges Gebäude mit grosser Stube“, das von einer „liebenswürdigen“ Sennerin bewohnt wurde, welche die Wanderer mit „Almschmarn“ und „Milchkaffe“ verköstigte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die vordere Pitschenbergtalalm gemeinsam mit der „hinteren“ Alm und der tiefer gelegenen Grünwaldalm vom Stegenwaldgut in Sulzau bewirtschaftet, dem heutigen Gasthaus Stegenwald. Vom Stegenwaldgut aus konnte man das vordere Pitschenbergtal über einen Almsteig, der – wie schon in den 1840er Jahren betont wurde – ein „sehr malerischer, aber nicht unbeschwerlicher Weg“ war und welcher mit dem heutigen Anstieg weitgehend ident ist, in etwa vier Stunden das vordere Pitschenbergtal erreichen.
Während die Pitschenbergtäler vermutlich schon seit der späten Bronzezeit für die Almwirtschaft genutzt wurden und sie auch über Jahrhunderte hinweg als herrschaftliches Jagdgebiet gedient hatten, scheinen erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Touristen in diesen abgelegenen Teil des Tennengebirges gekommen zu sein. Diese Zeit ist generell als Aufbruchsphase des Alpinismus in den Ostalpen zu sehen, die neben der Gründung der alpinen Vereine auch die Errichtung von Schutzhütten und Wegmarkierung als erste touristische Infrastrukturen mit sich brachte. Zudem förderte die Expansion des Eisenbahnnetzes die Zugänglichkeit der Bergwelt durch erholungssuchende und in alpinistischer Hinsicht ambitionierte Städter. Durch die Eröffnung der „Gisela-Bahn“ im Jahre 1875 und deren Stationen in Golling, Sulzau, Tenneck und Werfen rückte auch das Tennengebirge zunehmend in den Fokus der Touristen. Dennoch verwiesen die damals publizierten Erlebnisberichte – darunter ebenso Sommarugas Schilderung, aus der eingangs zitiert wurde und die im „Jahrbuch“ des Alpenvereins erschienen war – stets auf die grundlegende Zivilisationsferne und Unzugänglichkeit des Gebietes. Als im Jahre 1879 Werfener Bezirksrichter mit seinen vier Kindern und zwei Jägern als Führer eine Hochkogelbesteigung von Sulzau aus über das vordere Pitschenbergtal unternahm, war dies dem „Salzburger Volksblatt“ immerhin eine eigene Meldung wert. Obgleich man „an einigen Stellen auf allen Vieren“ kriechen musste, hatte man – was wohl das bergsteigerische Können der Gruppe unterstreichen sollte – insgesamt „weder Steigeisen noch Stricke gebraucht“.
Dass das nordwestliche Tennengebirge in touristischer Hinsicht relativ spärlich besucht blieb, lag auch an einem fast völligen Fehlen touristischer Infrastrukturen, die in anderen Berggebieten zu dieser Zeit bereits etabliert waren. Schutzhütten waren – mit Ausnahme der „Werfener Hütte“ des „Österreichischen Touristenklubs“ (ab 1890) und der „Söldenhütte“ des Alpenvereins (ab 1913, heute „Heinrich-Hackel-Hütte“) an der Südseite des Gebirgszuges – in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg noch kaum errichtet worden. Zudem blieb das Kartenmaterial bis zur Erstellung einer eigenen Tennengebirgswanderkarte in den 1920er Jahren sehr dürftig: Mit der „österr. Specialkarte“, so das lakonische Urteil eines Alpinisten im Jahre 1901, sei im Tennengebirge „nichts anzufangen, da die meisten Gipfel nicht verzeichnet und viele Terrainfalten unrichtig wiedergegeben sind.“ Wenngleich gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon erste Wegmarkierungen durchgeführt worden waren, beschränkten sich diese aber eher auf Anstiege in der Nähe der Hütten und somit auf die südlichen Teile des Tennengebirges. Offenbar bestanden um 1900 auch Wegmarkierungen vom Raucheck über den Hochkogel ins Pitschenbergtal, die jedoch bereits vor dem Ersten Weltkrieg als „sehr mangelhaft“ bezeichnet wurden. „Leider ist eine Nachmarkierung nicht gestattet“, bemerkte eine Publikation aus dem Jahre 1915 dazu. Widerstände gegen touristische Erschließungen dieser Art gab es im Gebiet der Pitschenbergtäler vor allem vonseiten der Jagdpächter und/oder Grundbesitzer: Nachdem der preußische Oberstjagdmeister Fürst Heinrich von Pleß in den 1870er Jahren die Almflächen erworben hatte und die Almhütten als Jagdunterkunft genutzt wurden, fielen diese als mögliche Anlaufstellen für Wanderer weg.
Mitte der 1920er Jahre stellte Heinrich Hackel – Salzburger Alpenvereinsfunktionär und damaliger Wart der „Söldenhütte“ – rückblickend fest, dass in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Teilen des Tennengebirges die „Gefahr“ gedroht hätte, „als künftige Jagddomäne eines damals allgewaltigen hohen Herren für den Turistenverkehr gänzlich gesperrt [zu] werden“. Dieser „Herr“ war der Thronfolger Franz Ferdinand, der schon im nahen Blühnbachtal wiederholt gegen touristische Besucher aufgetreten war. Tatsächlich konnten ohne Zustimmung der Grundbesitzer und der Jagdpächter keine Markierungen durchgeführt, im Extremfall sogar Wanderer am Betreten der Gebiete gehindert werden. Die befürchteten Abschließungstendenzen wären laut Hackel auch ein wesentliches Motiv für den Erwerb von Almgebieten auf der Südseite des Tennengebirges durch den Alpenverein und die spätere Errichtung der „Söldenhütte“ gewesen. Dennoch wurde offenbar auf den Pitschenbergalmen ab 1902 wieder Almwirtschaft betrieben, zudem begann der Alpenverein in den 1910er Jahren mit der Wegmarkierung von Übergängen zur Alm.
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Mit dem Ende der Monarchie waren letzte Widerstände größtenteils verschwunden – ohnehin hatten sich einzelne Besitzverhältnisse grundlegend geändert und Bergbegeisterte begannen sich zunehmend für das Tennengebirge zu interessieren. Besonders in 1920er Jahren expandierte die touristische Infrastruktur spürbar, was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Schisport erheblich an Bedeutung gewann. 1921 und 1922 errichteten die „Bergler“ und „Edelweißer“ private Unterstandshütten,1925 wurde das „Eisriesenwelthaus“ (heute „Dr. Friedrich-Oedl-Haus“), das den Besuch der in den 1870er Jahren entdeckten Eishöhle erleichtern sollte, eröffnet, ein Jahr später die „Stefan-Schatzl-Hütte“ der Naturfreunde an der Nordseite des Tennengebirges und die „Laufenerhütte“ auf der Tennalm im Osten. 1925 stellte Heinrich Hackel, der im gleichen Jahr den ersten „Führer durch das Tennengebirge“ veröffentlicht hatte, zwar fest, dass nunmehr ein „Markierungsnetz über das ganze Gebirge gelegt“ wurde, das Gebiet insgesamt aber „für einen Massenbesuch [...] zu rauh und unwirtlich“ sei. Bei einer seiner Bergtouren, vermutlich in den 1910er Jahren, hatte Hackel die vordere Pitschenbergalm besucht: Der „alte Senner“, den er dort antraf, „war ein gemütlicher Mensch, der sogar den bedächtigen Ausspruch tat: er könne es niemandem verdenken, wenn es ihn in die Berge ziehe, nachdem er eine Woche in der Stadt habe sitzen müssen.“
Die 1920er und beginnenden 1930er Jahre brachten auch in den Pitschenbergtälern Veränderungen mit sich: Die Besitzer des Stegenwaldgutes hatte die – von ihnen genutzte – Alm 1927 erworben, verkauften diese jedoch drei Jahre später an die Wiener „Naturfreunde“, die dem Stegenwaldgut im Gegenzug ein immerwährendes Weiderecht auf den Almflächen „mit 57 Rindergräsern“ einräumten. Die Pläne der „Naturfreunde“ für den neu erworbenen Besitz war ambitioniert: Auf dem Windischriedel, einem breiten Felsriegel zwischen dem vorderen und dem hinteren Pitschenbergtal, den auch der Alpinist Sommaruga und sein Gefährte in den 1860er Jahren passiert hatten, sollte eine Schutzhütte entstehen – ein „großer Blockbau auf Betongrund und sehr geräumig“, so ein Artikel der „Arbeiterzeitung“ aus dem April 1932. Damit werde nun „das eigentliche Tennengebirge erschlossen“. Zwar begann der Bau der Schutzhütte, die später den Namen des Mitbegründers und damaligen Vizepräsidenten der „Naturfreunde“ Leopold Happisch tragen sollte, schon im gleichen Jahr – Finanzierungsprobleme und die Beschlagnahmung der Hütte ab 1934 durch austrofaschistische und später nationalsozialistische Organisationen bedeuteten jedoch, dass die Fertigstellung des Bauvorhabens erst in den 1950er Jahren erfolgte.
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Die Pitschenbergentäler sind dennoch ein relativ zivilisationsferner und somit ruhiger Ort geblieben – diesen Eindruck verstärkt die mittlerweile nur noch von Schafen bevölkerte vordere Pitschenbergalm, deren „menschliche Wohnung“ stetig zerfällt. Auch das Happisch-Haus ist seit dem Sommer 2015 ohne Hüttenwirt, dafür aber mit einer Privatunterkunft für den Schweizer Jagdpächter ausgestattet: eine bemerkenswerte Entscheidung, wenn man die oben skizzierten Konflikten und den Anspruch der „Naturfreunde“ berücksichtigt – wie es mehr als 80 Jahre zuvor formuliert wurde - „rote Burgen auf den Bergen“ zu errichten. Honi soit qui mal y pense.
(in leicht redigierter und gekürzter? version im Salzburger Bauernkalender 2017 erschienen; die zu den zitaten gehörenden texte sind zumeist online frei zugänglich, die bilder stammen - von/aus: "der naturfreund" 1915 u. 1933, aus der TVN-broschüre [undatiert, wohl 1950er] und von m. pacher 2014)
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„Weit ab vom Weltlärm“ – oder: Touristische Entdeckung und Erschließung des nordwestlichen Tennengebirges
Am Nachmittag des 10. September 1865 erreichten zwei Männer, Guido von Sommaruga und Georg Hofer – ein Wiener Jurist und sein aus Werfen stammende Führer – das vordere Pitschenbergtal im nordwestlichen Tennengebirge. Sie waren von Werfen über die Griesscharte und das Raucheck aufgestiegen und hatten dann das Ebental, die Streitmandlscharte und die Wieselsteine passiert. Als sie schließlich zur auf etwa 1.700 Metern gelegenen vorderen Pitschenbergalm kamen, bewegte deren Anblick zumindest einen der beiden, den Alpenvereinsmitbegründer Sommaruga, tief: „Da war sie endlich, die erste menschliche Wohnung nach 9stündigem Umherstreichen durch ödes Felsgewirre und unabsehbare Karrenfelder; und dazu so heimlich und einladend, dass einem ordentlich das Herz im Leibe lachte.“ Auf der Alm befand sich damals, so Sommaruga in seinem Bericht weiter, ein ungewöhnlich „geräumiges Gebäude mit grosser Stube“, das von einer „liebenswürdigen“ Sennerin bewohnt wurde, welche die Wanderer mit „Almschmarn“ und „Milchkaffe“ verköstigte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die vordere Pitschenbergtalalm gemeinsam mit der „hinteren“ Alm und der tiefer gelegenen Grünwaldalm vom Stegenwaldgut in Sulzau bewirtschaftet, dem heutigen Gasthaus Stegenwald. Vom Stegenwaldgut aus konnte man das vordere Pitschenbergtal über einen Almsteig, der – wie schon in den 1840er Jahren betont wurde – ein „sehr malerischer, aber nicht unbeschwerlicher Weg“ war und welcher mit dem heutigen Anstieg weitgehend ident ist, in etwa vier Stunden das vordere Pitschenbergtal erreichen.
Während die Pitschenbergtäler vermutlich schon seit der späten Bronzezeit für die Almwirtschaft genutzt wurden und sie auch über Jahrhunderte hinweg als herrschaftliches Jagdgebiet gedient hatten, scheinen erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Touristen in diesen abgelegenen Teil des Tennengebirges gekommen zu sein. Diese Zeit ist generell als Aufbruchsphase des Alpinismus in den Ostalpen zu sehen, die neben der Gründung der alpinen Vereine auch die Errichtung von Schutzhütten und Wegmarkierung als erste touristische Infrastrukturen mit sich brachte. Zudem förderte die Expansion des Eisenbahnnetzes die Zugänglichkeit der Bergwelt durch erholungssuchende und in alpinistischer Hinsicht ambitionierte Städter. Durch die Eröffnung der „Gisela-Bahn“ im Jahre 1875 und deren Stationen in Golling, Sulzau, Tenneck und Werfen rückte auch das Tennengebirge zunehmend in den Fokus der Touristen. Dennoch verwiesen die damals publizierten Erlebnisberichte – darunter ebenso Sommarugas Schilderung, aus der eingangs zitiert wurde und die im „Jahrbuch“ des Alpenvereins erschienen war – stets auf die grundlegende Zivilisationsferne und Unzugänglichkeit des Gebietes. Als im Jahre 1879 Werfener Bezirksrichter mit seinen vier Kindern und zwei Jägern als Führer eine Hochkogelbesteigung von Sulzau aus über das vordere Pitschenbergtal unternahm, war dies dem „Salzburger Volksblatt“ immerhin eine eigene Meldung wert. Obgleich man „an einigen Stellen auf allen Vieren“ kriechen musste, hatte man – was wohl das bergsteigerische Können der Gruppe unterstreichen sollte – insgesamt „weder Steigeisen noch Stricke gebraucht“.
Dass das nordwestliche Tennengebirge in touristischer Hinsicht relativ spärlich besucht blieb, lag auch an einem fast völligen Fehlen touristischer Infrastrukturen, die in anderen Berggebieten zu dieser Zeit bereits etabliert waren. Schutzhütten waren – mit Ausnahme der „Werfener Hütte“ des „Österreichischen Touristenklubs“ (ab 1890) und der „Söldenhütte“ des Alpenvereins (ab 1913, heute „Heinrich-Hackel-Hütte“) an der Südseite des Gebirgszuges – in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg noch kaum errichtet worden. Zudem blieb das Kartenmaterial bis zur Erstellung einer eigenen Tennengebirgswanderkarte in den 1920er Jahren sehr dürftig: Mit der „österr. Specialkarte“, so das lakonische Urteil eines Alpinisten im Jahre 1901, sei im Tennengebirge „nichts anzufangen, da die meisten Gipfel nicht verzeichnet und viele Terrainfalten unrichtig wiedergegeben sind.“ Wenngleich gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon erste Wegmarkierungen durchgeführt worden waren, beschränkten sich diese aber eher auf Anstiege in der Nähe der Hütten und somit auf die südlichen Teile des Tennengebirges. Offenbar bestanden um 1900 auch Wegmarkierungen vom Raucheck über den Hochkogel ins Pitschenbergtal, die jedoch bereits vor dem Ersten Weltkrieg als „sehr mangelhaft“ bezeichnet wurden. „Leider ist eine Nachmarkierung nicht gestattet“, bemerkte eine Publikation aus dem Jahre 1915 dazu. Widerstände gegen touristische Erschließungen dieser Art gab es im Gebiet der Pitschenbergtäler vor allem vonseiten der Jagdpächter und/oder Grundbesitzer: Nachdem der preußische Oberstjagdmeister Fürst Heinrich von Pleß in den 1870er Jahren die Almflächen erworben hatte und die Almhütten als Jagdunterkunft genutzt wurden, fielen diese als mögliche Anlaufstellen für Wanderer weg.
Mitte der 1920er Jahre stellte Heinrich Hackel – Salzburger Alpenvereinsfunktionär und damaliger Wart der „Söldenhütte“ – rückblickend fest, dass in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Teilen des Tennengebirges die „Gefahr“ gedroht hätte, „als künftige Jagddomäne eines damals allgewaltigen hohen Herren für den Turistenverkehr gänzlich gesperrt [zu] werden“. Dieser „Herr“ war der Thronfolger Franz Ferdinand, der schon im nahen Blühnbachtal wiederholt gegen touristische Besucher aufgetreten war. Tatsächlich konnten ohne Zustimmung der Grundbesitzer und der Jagdpächter keine Markierungen durchgeführt, im Extremfall sogar Wanderer am Betreten der Gebiete gehindert werden. Die befürchteten Abschließungstendenzen wären laut Hackel auch ein wesentliches Motiv für den Erwerb von Almgebieten auf der Südseite des Tennengebirges durch den Alpenverein und die spätere Errichtung der „Söldenhütte“ gewesen. Dennoch wurde offenbar auf den Pitschenbergalmen ab 1902 wieder Almwirtschaft betrieben, zudem begann der Alpenverein in den 1910er Jahren mit der Wegmarkierung von Übergängen zur Alm.
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Mit dem Ende der Monarchie waren letzte Widerstände größtenteils verschwunden – ohnehin hatten sich einzelne Besitzverhältnisse grundlegend geändert und Bergbegeisterte begannen sich zunehmend für das Tennengebirge zu interessieren. Besonders in 1920er Jahren expandierte die touristische Infrastruktur spürbar, was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Schisport erheblich an Bedeutung gewann. 1921 und 1922 errichteten die „Bergler“ und „Edelweißer“ private Unterstandshütten,1925 wurde das „Eisriesenwelthaus“ (heute „Dr. Friedrich-Oedl-Haus“), das den Besuch der in den 1870er Jahren entdeckten Eishöhle erleichtern sollte, eröffnet, ein Jahr später die „Stefan-Schatzl-Hütte“ der Naturfreunde an der Nordseite des Tennengebirges und die „Laufenerhütte“ auf der Tennalm im Osten. 1925 stellte Heinrich Hackel, der im gleichen Jahr den ersten „Führer durch das Tennengebirge“ veröffentlicht hatte, zwar fest, dass nunmehr ein „Markierungsnetz über das ganze Gebirge gelegt“ wurde, das Gebiet insgesamt aber „für einen Massenbesuch [...] zu rauh und unwirtlich“ sei. Bei einer seiner Bergtouren, vermutlich in den 1910er Jahren, hatte Hackel die vordere Pitschenbergalm besucht: Der „alte Senner“, den er dort antraf, „war ein gemütlicher Mensch, der sogar den bedächtigen Ausspruch tat: er könne es niemandem verdenken, wenn es ihn in die Berge ziehe, nachdem er eine Woche in der Stadt habe sitzen müssen.“
Die 1920er und beginnenden 1930er Jahre brachten auch in den Pitschenbergtälern Veränderungen mit sich: Die Besitzer des Stegenwaldgutes hatte die – von ihnen genutzte – Alm 1927 erworben, verkauften diese jedoch drei Jahre später an die Wiener „Naturfreunde“, die dem Stegenwaldgut im Gegenzug ein immerwährendes Weiderecht auf den Almflächen „mit 57 Rindergräsern“ einräumten. Die Pläne der „Naturfreunde“ für den neu erworbenen Besitz war ambitioniert: Auf dem Windischriedel, einem breiten Felsriegel zwischen dem vorderen und dem hinteren Pitschenbergtal, den auch der Alpinist Sommaruga und sein Gefährte in den 1860er Jahren passiert hatten, sollte eine Schutzhütte entstehen – ein „großer Blockbau auf Betongrund und sehr geräumig“, so ein Artikel der „Arbeiterzeitung“ aus dem April 1932. Damit werde nun „das eigentliche Tennengebirge erschlossen“. Zwar begann der Bau der Schutzhütte, die später den Namen des Mitbegründers und damaligen Vizepräsidenten der „Naturfreunde“ Leopold Happisch tragen sollte, schon im gleichen Jahr – Finanzierungsprobleme und die Beschlagnahmung der Hütte ab 1934 durch austrofaschistische und später nationalsozialistische Organisationen bedeuteten jedoch, dass die Fertigstellung des Bauvorhabens erst in den 1950er Jahren erfolgte.
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Die Pitschenbergentäler sind dennoch ein relativ zivilisationsferner und somit ruhiger Ort geblieben – diesen Eindruck verstärkt die mittlerweile nur noch von Schafen bevölkerte vordere Pitschenbergalm, deren „menschliche Wohnung“ stetig zerfällt. Auch das Happisch-Haus ist seit dem Sommer 2015 ohne Hüttenwirt, dafür aber mit einer Privatunterkunft für den Schweizer Jagdpächter ausgestattet: eine bemerkenswerte Entscheidung, wenn man die oben skizzierten Konflikten und den Anspruch der „Naturfreunde“ berücksichtigt – wie es mehr als 80 Jahre zuvor formuliert wurde - „rote Burgen auf den Bergen“ zu errichten. Honi soit qui mal y pense.
(in leicht redigierter und gekürzter? version im Salzburger Bauernkalender 2017 erschienen; die zu den zitaten gehörenden texte sind zumeist online frei zugänglich, die bilder stammen - von/aus: "der naturfreund" 1915 u. 1933, aus der TVN-broschüre [undatiert, wohl 1950er] und von m. pacher 2014)
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