Weitwinkel, Tele, Makro - Profi-Fotograf Scott Kelby erklärt, welche Linsen Fotografen bei der Bildgestaltung helfen, wie sich unterschiedliche Sensorgrößen auswirken und womit er unterwegs fotografiert.
Wer sich eine Spiegelreflexkamera kauft, aber nie die Objektive wechselt, gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten auf. Je nachdem, was man bei welchem Licht fotografieren will, unterstreicht das gut gewählte Objektiv die Bildaussage.
Aber welches?
Der Fotograf Scott Kelby gibt in seinem neuen Ratgeber zur Digitalfotografie einige einführende Antworten auf diese Fragen und verrät, mit welchen Objektiven er in der Praxis arbeitet und welche Tricks ihm helfen. SPIEGEL ONLINE bringt Auszüge aus dem Band.
Grundsätzlich gilt: Je höher die Brennweite, desto näher wird das abgebildete Objekt herangezoomt. Die Brennweite verändert auch die Bildwinkel der Aufnahme. Hier spielen aber auch die verschiedenen Aufnahmeformate (sprich: wie groß ist das auf den Sensor der Kamera einfallende Bild) eine Rolle. Deshalb geben Hersteller meistens die sogenannte kleinbildäquivalente Brennweite (Equiv.135) an.
Kleinbildbrennweiten werden mit Werten wie zum Beispiel 24-60 mm bei digitalen Kompaktkameras angeben. Wenn ein solches Objekt den Bereich zwischen 17 und 35 mm umfasst, sind Weitwinkelaufnahmen möglich (hilfreich, um zum Beispiel Menschengruppen oder Bauwerke aus nicht allzu großer Entfernung aufzunehmen), ab 50 mm ist man schon im leichten Telebereich.
Nah ran, breit aufgezogen, lichtstark - Foto-Profi Scott Kelby verrät, womit er fotografiert.
Wann Sie ein Weitwinkelobjektiv verwenden
Ein herkömmliches Weitwinkelobjektiv (im Gegensatz zu einem Super-Weitwinkel) umfasst einen Bereich zwischen 24 mm und 35 mm und ist ein absolutes Muss, wenn Sie Landschaften fotografieren wollen. Weitwinkelobjektive sind auch bei Umgebungsporträts sehr beliebt (die Art von Aufnahmen, die Sie in Zeitschriftenartikeln über berühmte Persönlichkeiten, Politiker etc. sehen und in denen immer auch viel von der Umgebung zu sehen ist).
Wenn Sie beispielsweise einen Feuerwehrmann in einer Feuerwache fotografieren, sollten Sie ein Weitwinkelobjektiv verwenden und auch einen Teil des Löschfahrzeugs ins Bild integrieren. Weitwinkel sind auch toll, wenn Sie einen Überblick von etwas aufnehmen wollen - gehen Sie nah heran, dann wird es interessant. Es gibt Weitwinkelobjektive mit 24-70 mm (wie ich sie bevorzuge) oder Super-Weitwinkel mit 12-24 mm.
Dieses Objektiv nehme ich, wenn ... ich Landschaften mit einer Kamera fotografiere, die keinen Vollformat-Sensor hat.
Wann Sie ein Fischaugenobjektiv verwenden
Der Name für dieses Objektiv ist ganz passend, denn damit erzielen Sie eine unglaublich weite, fast runde Ansicht (und das Objektiv selbst ist etwas nach außen gewölbt, wie ein Fischauge - ich weiß jetzt allerdings nicht, ob das Objektiv aufgrund seines Aussehens so heißt oder aufgrund der Bilder, die erzeugt werden). Hierbei handelt es sich um ein Spezialobjektiv, das Sie nur sehr sparsam einsetzen sollten, denn der Effekt nutzt sich schnell ab, wenn Sie ihn zu häufig verwenden.
Im richtigen Moment erzeugen Sie mit diesem Objektiv wirklich faszinierende Bilder (halten Sie es über Ihren Kopf, wenn Sie sich in einer Menschenmenge befinden und fotografieren Sie nach unten). Fischaugenobjektive verzerren die Horizontlinie im Bild. Die minimalste Verzerrung erzielen Sie, wenn Sie das Objektiv direkt vor den Körper halten.
Ich nutze das Objektiv, wenn … ich mich in einer Menschenmenge oder einem Stadion befinde oder Wolkenkratzer fotografiere.
Wann Sie ein Teleobjektiv verwenden
Wenn Sie richtig nah heran wollen, dann ist das Ihre Eintrittskarte. Sie könnten sich ein einfaches Teleobjektiv (beispielsweise mit einer festen Brennweite von 200 mm) und kein Telezoom (bei dem Sie beispielsweise zwischen 80 mm und 300 mm zoomen können) zulegen, wenn Sie dann jedoch feststellen, dass Sie zu nah dran oder weit weg sind, können nur Sie als Person sich nach vorn oder hinten bewegen.
Mit einem Telezoom können Sie ganz einfach weiter in die Szene hinein- oder aus ihr herauszoomen, falls Sie zu nah dran sind - der Unterschied besteht in der Komposition Ihrer Aufnahmen. Ich benutze das Telezoom für alles von Porträt- über Sportaufnahmen bis hin zu Architekturfotos (ich zoome gern in interessante Gebäudedetails hinein, anstatt das Gebäude im Ganzen zu zeigen).
Ich nehme dieses Objektiv, wenn … ich Porträt- oder Sportaufnahmen mache.
Wann Sie lichtstarke Objektive verwenden
Wenn Sie Innenaufnahmen ohne Blitz machen wollen (z.B. in einer Kirche, einem Museum oder dort, wo der Einsatz eines Stativs nicht erlaubt ist), brauchen Sie ein richtig lichtstarkes Objektiv (mit Blendenwerten wie f/1,8 oder noch besser f/1,4; je kleiner die Zahl, desto weniger Licht ist nötig).
Warum das so wichtig ist? Wenn Sie an einem dunklen Ort fotografieren, kann die Kamera das Bild nur aufnehmen, wenn die Verschlusszeit verlängert wird, also mehr Licht in die Kamera gelangt. Das ist kein Problem, so lange sich die Kamera auf einem Stativ befindet. Halten Sie sie jedoch in der Hand (in einem Museum oder einem Theater etc.) und fällt die Verschlusszeit unter 1/60 s, dann sehen die Bilder auf der Kamera vielleicht noch ganz okay aus, auf dem Computer erkennen Sie dann jedoch, dass sie unscharf und unbrauchbar sind. Wählen Sie jedoch die Blende f/1,8 oder f/1,4, erzielen Sie auch aus der Hand schöne scharfe Bilder. In diesem Fall ist weniger (eine kleinere Zahl) einfach mehr.
Ich nehme dieses Objektiv, wenn … ich auf Hochzeiten fotografiere.
Wann Sie ein ultra Weitwinkelzoom verwenden
Auch wenn dieses Objektiv für kreative Fotos für alles von Porträt- bis Reisefotografie verwendet wird, handelt es sich doch eigentlich um ein Spezialobjektiv für Landschaftsfotografen. Denn das Objektiv ist so weit, dass es sich für die Landschaftsfotografie wirklich optimal eignet (wenn Sie gern DVDs oder Blu-rays schauen, dann vergleichen Sie ein super Weitwinkelobjektiv einfach mit einem anamorphen Breitbild).
Dieses Objektiv bietet Brennweiten bis minimal 12 mm - mein Lieblingsobjektiv ist ein 14-24 mm f/2,8. Bei Objektiven mit Brennweiten kleiner als 12 mm (also 11 mm oder 10,5 mm) handelt es sich um Fischaugenobjektive, die für die ernsthafte Landschaftsfotografie nicht in Frage kommen. Besitzen Sie eine digitale Spiegelreflexkamera mit einem Vollformat-Sensor und arbeiten Sie mit einem Weitwinkelobjektiv, das für solche Sensoren gedacht ist (z.B. ein Nikkor 14-24 mm f/2,8), wird ein viel weiteres Bild aufgenommen als mit einer herkömmlichen digitalen Spiegelreflexkamera. Hier kann eine Vollformat-Kamera ihre Trümpfe ausspielen - wenn Sie wirklich weite Aufnahmen machen wollen. Bei Weitwinkelobjektiven sehen Sie die deutlichsten Verbesserungen, denn mit Vollformat-Kameras erzielen Sie einen wirklich weiten Blickwinkel.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich Landschaften fotografiere.
Wann Sie ein Super-Teleobjektiv verwenden
Wir bezeichnen dieses Objektiv als "langes Glas" (weil es meistens wirklich sehr lang ist). Damit können Sie, egal, was Sie fotografieren, wirklich richtig nah ran. Typische Brennweiten dieser Objektive liegen bei etwa 300 mm bis zu 600 mm (oder mehr). Sie werden hauptsächlich für Sport-, Luft- sowie Tier- und Vogelaufnahmen verwendet. Sie können feste Brennweiten kaufen (z.B. das Canon 400 mm f/5,6) oder Super-Teleobjektive (ich verwende ein Nikkor 200-400 mm f/4).
Wenn Sie mit dem Objektiv auch unter schwachen Lichtbedingungen fotografieren wollen (z.B. mit f/4 oder f/2,8), kann es schnell recht teuer werden (das Canon 500 mm f/4 Objektiv kostet beispielsweise um die 5800 Euro) - aber Sie können mit einer sehr kleinen Blende auch unter schwachen Lichtbedingungen fotografieren und Bewegungen einfrieren. Wenn Sie Ihre Sportaufnahmen hauptsächlich am Tage machen (bei nettem Sonnenlicht), müssen Sie nicht ganz so viel Geld ausgeben (dann reicht auch das Canon EF 100-400 mm f/4,5-5,6 für etwa 1500 Euro). Wenn Sie ein solch langes Objektiv kaufen, benötigen Sie in der Regel ein Einbeinstativ, um es zu fixieren (es wird am Objektiv befestigt - das funktioniert deutlich besser, als es sich anhört).
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich Sportaufnahmen mache.
Wann Sie ein Makroobjektiv verwenden
Dieses Objektiv holen Sie heraus, wenn Sie etwas richtig nah fotografieren wollen. Kennen Sie richtig große Aufnahmen von Bienen, Blumen oder Marienkäfern? Das sind Makroaufnahmen. Echte Makroobjektive können nur Makroaufnahmen erstellen, aber das auch wirklich gut. Es gibt ein paar Dinge, die Sie über Makroobjektive wissen sollten:
Sie besitzen eine unglaublich kurze Schärfentiefe - so kurz, dass Sie eine Blume fotografieren können, bei der das Blütenblatt im Vordergrund scharf und das im Hintergrund so unscharf ist, dass Sie kaum erkennen können, was es ist. Diese kurze Schärfentiefe liebe ich so an Makroobjektiven - sie wird aber auch zur Herausforderung, wenn Sie versuchen, mehr Dinge in den Fokus zu bringen. (Versuchen Sie es mit f/22, um möglichst viel im Fokus zu haben. Fotografieren Sie außerdem im Querformat.)
Jede kleinste Bewegung oder Erschütterung führt zu einem unscharfen Foto. Ich empfehle Ihnen daher den Einsatz eines Stativs, wenn möglich. Außerdem macht sich ein Fernauslöser ganz gut, denn dann müssen Sie zum Auslösen die Kamera nicht berühren (und verhindern so mögliche Verwacklungen).
Wann Sie ein Tilt- und Shift-Objektiv verwenden
Das ist ein echtes Spezialobjektiv! Es wird hauptsächlich für Architekturaufnahmen verwendet, denn Teile der Linsengruppen können geschwenkt werden und so lässt sich verhindern, dass Gebäude im Verlauf nach oben verzerrt aussehen. Echte Architekturfotografen schwören auf diese Art Objektiv - viele würden gar nicht mehr ohne fotografieren. Wie bei allen Spezialausrüstungen ist auch dieses Objektiv nicht ganz billig.
Digitalkamera vs. Vollformat-Objektiv
Sie haben wahrscheinlich schon gehört, dass die meisten Digitalkameras (und digitalen Spiegelreflexkameras) einen Formatfaktor (Crop-Faktor) haben, der wie eine Ausschnittsvergrößerung wirkt. Das bedeutet, dass sich die Millimeterangaben auf dem Objektiv einer Digitalkamera von denen einer herkömmlichen 35-mm-Kamera unterscheiden. Wenn Sie beispielsweise ein herkömmliches 85-mm-Objektiv mit einer Digitalkamera verwenden, dann sind es nicht wirklich 85 mm.
Eine Nikon arbeitet mit einem Formatfaktor von 1,5, so dass Sie mit dem 85-mm-Objektiv effektiv ein 127-mm-Objektiv besitzen. Canon arbeitet mit einem Formatfaktor von 1,6, so dass 85 mm dort eher 135 mm sind. Das führt bei Fotografen, die von Film auf Digital umgestiegen sind, leicht zu Verwirrungen, denn für sie sollten 85 mm auch einfach 85 mm sein.
Jetzt gibt es aber auch noch Vollformat-Kameras - bei denen sind 85 mm dann auch wirklich wieder 85 mm. Bei diesen Kameras gibt es keinen Formatfaktor, keinen Multiplikator - das Objektiv bleibt, wie es ist. Aber es gibt da einen Haken! (Wie immer eigentlich, oder?) Wenn Sie ein Objektiv, das für eine herkömmliche Digitalkamera gedacht war (und das ist bei den meisten der Fall) auf eine Vollformat-Kamera schrauben, wird "gezoomt".
Sollten Sie sich also eine Vollformat-Kamera zulegen, können Sie deren Vorteile wirklich nur dann nutzen, wenn Sie sich auch ein speziell dazu passendes Objektiv kaufen. Allerdings gibt es auch einige hochpreisigere Objektive, die ganz ausgezeichnet mit Vollformat-Kameras funktionieren und die Bilder nicht beschneiden.
Wann Sie ein All-in-One-Zoom verwenden
Die beliebtesten Objektive von Nikon und Canon sind deren 18-200 mm-Zoomobjektive, da man sie für alles nutzen kann. Sie bieten einen netten Weitwinkel bis hin zu Telefotoeinstellungen, ohne dass Sie das Objektiv wechseln müssen. Und das Beste ist, sie sind sehr kompakt, leicht und relativ kostengünstig im Vergleich zu einigen deutlich teureren Zoomobjektiven mit einem kleineren Brennweitenbereich. Diese Objektive sind ideal für die Reisefotografie (wo Sie nicht den ganzen Tag eine riesige Kameratasche mit sich herumschleppen wollen) oder auch Landschaftsaufnahmen mit einem Stativ. Ich selbst besitze auch so ein Objektiv und ich liebe es.
In Online-Foren ist immer mal wieder zu lesen, dass diese Objektive nicht scharf oder robust genug sind. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken. Ich kenne keinen Fotografen, der solch ein Objektiv besitzt und damit nicht zufrieden ist. Schließlich können Sie bei diesem Objektiv nie sagen: "Oh, jetzt habe ich die Aufnahme verpasst, weil ich nicht das richtige Objektiv dabei hatte." Es ist ein Objektiv für alle Gelegenheiten. Bei mir zu Hause hängt sogar ein Großformatdruck einer Aufnahme, die ich mit diesem Objektiv gemacht habe - ein Zeichen für deren Qualität. Alle lieben dieses Bild und es ist perfekt scharf.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich auf Reisen bin.
Wann Sie ein Lensbaby verwenden
Bevor ich Ihnen etwas über dieses Objektiv erzähle, muss ich Sie warnen: Lensbabys machen süchtig. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft sich Fotografenfreunde so ein Teil zugelegt haben und es dann nicht mehr von der Kamera nehmen wollten. Sie fotografieren alles damit - vom Kindergeburtstag bis hin zum Start einer Weltraumrakete, denn diese Objektive (die Sie mit Ihren Fingern fokussieren und ausrichten) machen einfach süchtig.
Lensbabys sorgen dafür, dass ein kleiner Bereich im Foto richtig scharf und im Fokus ist, während der Rest unscharf erscheint. Dadurch entstehen sehr energiegeladene und interessante Bilder. Das Aussehen der Bilder ist aber nur die eine Sache - ich glaube, das wirklich Tolle daran ist, dass man das Lensbaby selbst bewegt, als würde man das Bild selbst machen, statt einfach nur aufnehmen.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich in der Stimmung für wirklich kreative Bilder bin.
Festbrennweitenobjektive vs. Zoomobjektive
Über eines müssen Sie sich in Bezug auf Objektive klar werden - im Internet wird viel über Objektive diskutiert und jeder hat seine eigenen Vorlieben und Abneigungen. Eine Debatte, die immer wieder geführt wird, beschäftigt sich mit Festbrennweitenobjektiven vs. Zoomobjektiven. Es gibt Leute, die darauf schwören, dass Festbrennweitenobjektive (Objektive, die sich nicht zoomen lassen, sondern eine feste Brennweite besitzen) deutlich schärfere Aufnahmen ermöglichen als Zoomobjektive. Ich glaube, dass das sicherlich irgendwann einmal der Fall war und Zoomobjektive qualitativ nicht ganz so hochwertig waren wie Festbrennweitenobjektive.
Ich persönlich denke jedoch, dass das heute nicht mehr der Fall ist, denn die aktuellen Zoomobjektive sind qualitativ sehr hochwertig (vielleicht nicht alle, aber beispielsweise eines mit f/2,8). Ich denke, es gibt nur eine Handvoll Fotografen, die mit bloßem Auge erkennen würden, ob eine Aufnahme mit einem Festbrennweiten- oder einem Zoomobjektiv aufgenommen wurde. Der Unterschied liegt vielleicht in der Wahrnehmung, aber eigentlich gibt es keinen Unterschied, nur immer wieder Diskussionen.
Ich selbst besitze zwei Objektive mit fester Brennweite. Beide sind sehr scharf. Wie auch meine guten Zoomobjektive. Das ist nichts, worüber man diskutieren müsste. Es ist nur ein Objektiv. Keine Religion.
Quelle: Spiegel.de
Wer sich eine Spiegelreflexkamera kauft, aber nie die Objektive wechselt, gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten auf. Je nachdem, was man bei welchem Licht fotografieren will, unterstreicht das gut gewählte Objektiv die Bildaussage.
Aber welches?
Der Fotograf Scott Kelby gibt in seinem neuen Ratgeber zur Digitalfotografie einige einführende Antworten auf diese Fragen und verrät, mit welchen Objektiven er in der Praxis arbeitet und welche Tricks ihm helfen. SPIEGEL ONLINE bringt Auszüge aus dem Band.
Grundsätzlich gilt: Je höher die Brennweite, desto näher wird das abgebildete Objekt herangezoomt. Die Brennweite verändert auch die Bildwinkel der Aufnahme. Hier spielen aber auch die verschiedenen Aufnahmeformate (sprich: wie groß ist das auf den Sensor der Kamera einfallende Bild) eine Rolle. Deshalb geben Hersteller meistens die sogenannte kleinbildäquivalente Brennweite (Equiv.135) an.
Kleinbildbrennweiten werden mit Werten wie zum Beispiel 24-60 mm bei digitalen Kompaktkameras angeben. Wenn ein solches Objekt den Bereich zwischen 17 und 35 mm umfasst, sind Weitwinkelaufnahmen möglich (hilfreich, um zum Beispiel Menschengruppen oder Bauwerke aus nicht allzu großer Entfernung aufzunehmen), ab 50 mm ist man schon im leichten Telebereich.
Nah ran, breit aufgezogen, lichtstark - Foto-Profi Scott Kelby verrät, womit er fotografiert.
Wann Sie ein Weitwinkelobjektiv verwenden
Ein herkömmliches Weitwinkelobjektiv (im Gegensatz zu einem Super-Weitwinkel) umfasst einen Bereich zwischen 24 mm und 35 mm und ist ein absolutes Muss, wenn Sie Landschaften fotografieren wollen. Weitwinkelobjektive sind auch bei Umgebungsporträts sehr beliebt (die Art von Aufnahmen, die Sie in Zeitschriftenartikeln über berühmte Persönlichkeiten, Politiker etc. sehen und in denen immer auch viel von der Umgebung zu sehen ist).
Wenn Sie beispielsweise einen Feuerwehrmann in einer Feuerwache fotografieren, sollten Sie ein Weitwinkelobjektiv verwenden und auch einen Teil des Löschfahrzeugs ins Bild integrieren. Weitwinkel sind auch toll, wenn Sie einen Überblick von etwas aufnehmen wollen - gehen Sie nah heran, dann wird es interessant. Es gibt Weitwinkelobjektive mit 24-70 mm (wie ich sie bevorzuge) oder Super-Weitwinkel mit 12-24 mm.
Dieses Objektiv nehme ich, wenn ... ich Landschaften mit einer Kamera fotografiere, die keinen Vollformat-Sensor hat.
Wann Sie ein Fischaugenobjektiv verwenden
Der Name für dieses Objektiv ist ganz passend, denn damit erzielen Sie eine unglaublich weite, fast runde Ansicht (und das Objektiv selbst ist etwas nach außen gewölbt, wie ein Fischauge - ich weiß jetzt allerdings nicht, ob das Objektiv aufgrund seines Aussehens so heißt oder aufgrund der Bilder, die erzeugt werden). Hierbei handelt es sich um ein Spezialobjektiv, das Sie nur sehr sparsam einsetzen sollten, denn der Effekt nutzt sich schnell ab, wenn Sie ihn zu häufig verwenden.
Im richtigen Moment erzeugen Sie mit diesem Objektiv wirklich faszinierende Bilder (halten Sie es über Ihren Kopf, wenn Sie sich in einer Menschenmenge befinden und fotografieren Sie nach unten). Fischaugenobjektive verzerren die Horizontlinie im Bild. Die minimalste Verzerrung erzielen Sie, wenn Sie das Objektiv direkt vor den Körper halten.
Ich nutze das Objektiv, wenn … ich mich in einer Menschenmenge oder einem Stadion befinde oder Wolkenkratzer fotografiere.
Wann Sie ein Teleobjektiv verwenden
Wenn Sie richtig nah heran wollen, dann ist das Ihre Eintrittskarte. Sie könnten sich ein einfaches Teleobjektiv (beispielsweise mit einer festen Brennweite von 200 mm) und kein Telezoom (bei dem Sie beispielsweise zwischen 80 mm und 300 mm zoomen können) zulegen, wenn Sie dann jedoch feststellen, dass Sie zu nah dran oder weit weg sind, können nur Sie als Person sich nach vorn oder hinten bewegen.
Mit einem Telezoom können Sie ganz einfach weiter in die Szene hinein- oder aus ihr herauszoomen, falls Sie zu nah dran sind - der Unterschied besteht in der Komposition Ihrer Aufnahmen. Ich benutze das Telezoom für alles von Porträt- über Sportaufnahmen bis hin zu Architekturfotos (ich zoome gern in interessante Gebäudedetails hinein, anstatt das Gebäude im Ganzen zu zeigen).
Ich nehme dieses Objektiv, wenn … ich Porträt- oder Sportaufnahmen mache.
Wann Sie lichtstarke Objektive verwenden
Wenn Sie Innenaufnahmen ohne Blitz machen wollen (z.B. in einer Kirche, einem Museum oder dort, wo der Einsatz eines Stativs nicht erlaubt ist), brauchen Sie ein richtig lichtstarkes Objektiv (mit Blendenwerten wie f/1,8 oder noch besser f/1,4; je kleiner die Zahl, desto weniger Licht ist nötig).
Warum das so wichtig ist? Wenn Sie an einem dunklen Ort fotografieren, kann die Kamera das Bild nur aufnehmen, wenn die Verschlusszeit verlängert wird, also mehr Licht in die Kamera gelangt. Das ist kein Problem, so lange sich die Kamera auf einem Stativ befindet. Halten Sie sie jedoch in der Hand (in einem Museum oder einem Theater etc.) und fällt die Verschlusszeit unter 1/60 s, dann sehen die Bilder auf der Kamera vielleicht noch ganz okay aus, auf dem Computer erkennen Sie dann jedoch, dass sie unscharf und unbrauchbar sind. Wählen Sie jedoch die Blende f/1,8 oder f/1,4, erzielen Sie auch aus der Hand schöne scharfe Bilder. In diesem Fall ist weniger (eine kleinere Zahl) einfach mehr.
Ich nehme dieses Objektiv, wenn … ich auf Hochzeiten fotografiere.
Wann Sie ein ultra Weitwinkelzoom verwenden
Auch wenn dieses Objektiv für kreative Fotos für alles von Porträt- bis Reisefotografie verwendet wird, handelt es sich doch eigentlich um ein Spezialobjektiv für Landschaftsfotografen. Denn das Objektiv ist so weit, dass es sich für die Landschaftsfotografie wirklich optimal eignet (wenn Sie gern DVDs oder Blu-rays schauen, dann vergleichen Sie ein super Weitwinkelobjektiv einfach mit einem anamorphen Breitbild).
Dieses Objektiv bietet Brennweiten bis minimal 12 mm - mein Lieblingsobjektiv ist ein 14-24 mm f/2,8. Bei Objektiven mit Brennweiten kleiner als 12 mm (also 11 mm oder 10,5 mm) handelt es sich um Fischaugenobjektive, die für die ernsthafte Landschaftsfotografie nicht in Frage kommen. Besitzen Sie eine digitale Spiegelreflexkamera mit einem Vollformat-Sensor und arbeiten Sie mit einem Weitwinkelobjektiv, das für solche Sensoren gedacht ist (z.B. ein Nikkor 14-24 mm f/2,8), wird ein viel weiteres Bild aufgenommen als mit einer herkömmlichen digitalen Spiegelreflexkamera. Hier kann eine Vollformat-Kamera ihre Trümpfe ausspielen - wenn Sie wirklich weite Aufnahmen machen wollen. Bei Weitwinkelobjektiven sehen Sie die deutlichsten Verbesserungen, denn mit Vollformat-Kameras erzielen Sie einen wirklich weiten Blickwinkel.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich Landschaften fotografiere.
Wann Sie ein Super-Teleobjektiv verwenden
Wir bezeichnen dieses Objektiv als "langes Glas" (weil es meistens wirklich sehr lang ist). Damit können Sie, egal, was Sie fotografieren, wirklich richtig nah ran. Typische Brennweiten dieser Objektive liegen bei etwa 300 mm bis zu 600 mm (oder mehr). Sie werden hauptsächlich für Sport-, Luft- sowie Tier- und Vogelaufnahmen verwendet. Sie können feste Brennweiten kaufen (z.B. das Canon 400 mm f/5,6) oder Super-Teleobjektive (ich verwende ein Nikkor 200-400 mm f/4).
Wenn Sie mit dem Objektiv auch unter schwachen Lichtbedingungen fotografieren wollen (z.B. mit f/4 oder f/2,8), kann es schnell recht teuer werden (das Canon 500 mm f/4 Objektiv kostet beispielsweise um die 5800 Euro) - aber Sie können mit einer sehr kleinen Blende auch unter schwachen Lichtbedingungen fotografieren und Bewegungen einfrieren. Wenn Sie Ihre Sportaufnahmen hauptsächlich am Tage machen (bei nettem Sonnenlicht), müssen Sie nicht ganz so viel Geld ausgeben (dann reicht auch das Canon EF 100-400 mm f/4,5-5,6 für etwa 1500 Euro). Wenn Sie ein solch langes Objektiv kaufen, benötigen Sie in der Regel ein Einbeinstativ, um es zu fixieren (es wird am Objektiv befestigt - das funktioniert deutlich besser, als es sich anhört).
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich Sportaufnahmen mache.
Wann Sie ein Makroobjektiv verwenden
Dieses Objektiv holen Sie heraus, wenn Sie etwas richtig nah fotografieren wollen. Kennen Sie richtig große Aufnahmen von Bienen, Blumen oder Marienkäfern? Das sind Makroaufnahmen. Echte Makroobjektive können nur Makroaufnahmen erstellen, aber das auch wirklich gut. Es gibt ein paar Dinge, die Sie über Makroobjektive wissen sollten:
Sie besitzen eine unglaublich kurze Schärfentiefe - so kurz, dass Sie eine Blume fotografieren können, bei der das Blütenblatt im Vordergrund scharf und das im Hintergrund so unscharf ist, dass Sie kaum erkennen können, was es ist. Diese kurze Schärfentiefe liebe ich so an Makroobjektiven - sie wird aber auch zur Herausforderung, wenn Sie versuchen, mehr Dinge in den Fokus zu bringen. (Versuchen Sie es mit f/22, um möglichst viel im Fokus zu haben. Fotografieren Sie außerdem im Querformat.)
Jede kleinste Bewegung oder Erschütterung führt zu einem unscharfen Foto. Ich empfehle Ihnen daher den Einsatz eines Stativs, wenn möglich. Außerdem macht sich ein Fernauslöser ganz gut, denn dann müssen Sie zum Auslösen die Kamera nicht berühren (und verhindern so mögliche Verwacklungen).
Wann Sie ein Tilt- und Shift-Objektiv verwenden
Das ist ein echtes Spezialobjektiv! Es wird hauptsächlich für Architekturaufnahmen verwendet, denn Teile der Linsengruppen können geschwenkt werden und so lässt sich verhindern, dass Gebäude im Verlauf nach oben verzerrt aussehen. Echte Architekturfotografen schwören auf diese Art Objektiv - viele würden gar nicht mehr ohne fotografieren. Wie bei allen Spezialausrüstungen ist auch dieses Objektiv nicht ganz billig.
Digitalkamera vs. Vollformat-Objektiv
Sie haben wahrscheinlich schon gehört, dass die meisten Digitalkameras (und digitalen Spiegelreflexkameras) einen Formatfaktor (Crop-Faktor) haben, der wie eine Ausschnittsvergrößerung wirkt. Das bedeutet, dass sich die Millimeterangaben auf dem Objektiv einer Digitalkamera von denen einer herkömmlichen 35-mm-Kamera unterscheiden. Wenn Sie beispielsweise ein herkömmliches 85-mm-Objektiv mit einer Digitalkamera verwenden, dann sind es nicht wirklich 85 mm.
Eine Nikon arbeitet mit einem Formatfaktor von 1,5, so dass Sie mit dem 85-mm-Objektiv effektiv ein 127-mm-Objektiv besitzen. Canon arbeitet mit einem Formatfaktor von 1,6, so dass 85 mm dort eher 135 mm sind. Das führt bei Fotografen, die von Film auf Digital umgestiegen sind, leicht zu Verwirrungen, denn für sie sollten 85 mm auch einfach 85 mm sein.
Jetzt gibt es aber auch noch Vollformat-Kameras - bei denen sind 85 mm dann auch wirklich wieder 85 mm. Bei diesen Kameras gibt es keinen Formatfaktor, keinen Multiplikator - das Objektiv bleibt, wie es ist. Aber es gibt da einen Haken! (Wie immer eigentlich, oder?) Wenn Sie ein Objektiv, das für eine herkömmliche Digitalkamera gedacht war (und das ist bei den meisten der Fall) auf eine Vollformat-Kamera schrauben, wird "gezoomt".
Sollten Sie sich also eine Vollformat-Kamera zulegen, können Sie deren Vorteile wirklich nur dann nutzen, wenn Sie sich auch ein speziell dazu passendes Objektiv kaufen. Allerdings gibt es auch einige hochpreisigere Objektive, die ganz ausgezeichnet mit Vollformat-Kameras funktionieren und die Bilder nicht beschneiden.
Wann Sie ein All-in-One-Zoom verwenden
Die beliebtesten Objektive von Nikon und Canon sind deren 18-200 mm-Zoomobjektive, da man sie für alles nutzen kann. Sie bieten einen netten Weitwinkel bis hin zu Telefotoeinstellungen, ohne dass Sie das Objektiv wechseln müssen. Und das Beste ist, sie sind sehr kompakt, leicht und relativ kostengünstig im Vergleich zu einigen deutlich teureren Zoomobjektiven mit einem kleineren Brennweitenbereich. Diese Objektive sind ideal für die Reisefotografie (wo Sie nicht den ganzen Tag eine riesige Kameratasche mit sich herumschleppen wollen) oder auch Landschaftsaufnahmen mit einem Stativ. Ich selbst besitze auch so ein Objektiv und ich liebe es.
In Online-Foren ist immer mal wieder zu lesen, dass diese Objektive nicht scharf oder robust genug sind. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken. Ich kenne keinen Fotografen, der solch ein Objektiv besitzt und damit nicht zufrieden ist. Schließlich können Sie bei diesem Objektiv nie sagen: "Oh, jetzt habe ich die Aufnahme verpasst, weil ich nicht das richtige Objektiv dabei hatte." Es ist ein Objektiv für alle Gelegenheiten. Bei mir zu Hause hängt sogar ein Großformatdruck einer Aufnahme, die ich mit diesem Objektiv gemacht habe - ein Zeichen für deren Qualität. Alle lieben dieses Bild und es ist perfekt scharf.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich auf Reisen bin.
Wann Sie ein Lensbaby verwenden
Bevor ich Ihnen etwas über dieses Objektiv erzähle, muss ich Sie warnen: Lensbabys machen süchtig. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft sich Fotografenfreunde so ein Teil zugelegt haben und es dann nicht mehr von der Kamera nehmen wollten. Sie fotografieren alles damit - vom Kindergeburtstag bis hin zum Start einer Weltraumrakete, denn diese Objektive (die Sie mit Ihren Fingern fokussieren und ausrichten) machen einfach süchtig.
Lensbabys sorgen dafür, dass ein kleiner Bereich im Foto richtig scharf und im Fokus ist, während der Rest unscharf erscheint. Dadurch entstehen sehr energiegeladene und interessante Bilder. Das Aussehen der Bilder ist aber nur die eine Sache - ich glaube, das wirklich Tolle daran ist, dass man das Lensbaby selbst bewegt, als würde man das Bild selbst machen, statt einfach nur aufnehmen.
Ich verwende dieses Objektiv, wenn … ich in der Stimmung für wirklich kreative Bilder bin.
Festbrennweitenobjektive vs. Zoomobjektive
Über eines müssen Sie sich in Bezug auf Objektive klar werden - im Internet wird viel über Objektive diskutiert und jeder hat seine eigenen Vorlieben und Abneigungen. Eine Debatte, die immer wieder geführt wird, beschäftigt sich mit Festbrennweitenobjektiven vs. Zoomobjektiven. Es gibt Leute, die darauf schwören, dass Festbrennweitenobjektive (Objektive, die sich nicht zoomen lassen, sondern eine feste Brennweite besitzen) deutlich schärfere Aufnahmen ermöglichen als Zoomobjektive. Ich glaube, dass das sicherlich irgendwann einmal der Fall war und Zoomobjektive qualitativ nicht ganz so hochwertig waren wie Festbrennweitenobjektive.
Ich persönlich denke jedoch, dass das heute nicht mehr der Fall ist, denn die aktuellen Zoomobjektive sind qualitativ sehr hochwertig (vielleicht nicht alle, aber beispielsweise eines mit f/2,8). Ich denke, es gibt nur eine Handvoll Fotografen, die mit bloßem Auge erkennen würden, ob eine Aufnahme mit einem Festbrennweiten- oder einem Zoomobjektiv aufgenommen wurde. Der Unterschied liegt vielleicht in der Wahrnehmung, aber eigentlich gibt es keinen Unterschied, nur immer wieder Diskussionen.
Ich selbst besitze zwei Objektive mit fester Brennweite. Beide sind sehr scharf. Wie auch meine guten Zoomobjektive. Das ist nichts, worüber man diskutieren müsste. Es ist nur ein Objektiv. Keine Religion.
Quelle: Spiegel.de