Die Ennstaler Alpen und speziell die Gesäuse-Gipfel als ihr bekanntester Teil haben seit mehr als hundert Jahren einen klangvollen Namen. Das liegt sicher zu einem guten Teil an den Landschaftseindrücken. Ziemlich weit östlich im Alpenbogen ragen hier nochmals kühn geformte Felsgipfel mit beeindruckenden Höhenunterschieden auf: Das Hochtor als gruppenhöchster Gipfel überragt das Ennstal um gut 1800 Meter!
Generationen von Kletterern zog und zieht es zu den Routen durch die imposanten Wände. Aber die Region bietet nicht nur ihnen lohnende Ziele. Das Spektrum der Möglichkeiten ist sehr vielfältig und reicht vom Hüttenzustieg über lange, aber einfache Bergtouren und Klettersteige bis zu anspruchsvollen alpinen Routen nahe an der Grenze zu ausdrücklichen Klettertouren.
So stellt sich die Frage, wo alle, die nicht (vorrangig) an Kletterrouten interessiert sind, aktuelle Informationen über die Ennstaler Alpen finden können.
Der Alpenvereinsführer "Gesäuseberge" von Willi End aus dem Jahr 1988 (im ungewöhnlichen Umfang von mehr als 800 Seiten!) ist ja mittlerweile längst vergriffen.
In der Reihe "Rother Wanderführer" gibt es den Band "Gesäuse mit Haller Mauern und Eisenerzer Alpen" vom bewährten steirischen Autorenpaar Günter und Luise Auferbauer. Er wurde zuletzt im Sommer 2018 überarbeitet; es ist mittlerweile bereits die siebente Auflage! Insgesamt 51 Touren werden vorgestellt: Die Bandbreite reicht dabei - wie in der Reihe weithin üblich - von Tal- und Almenwanderungen über die einfacheren Gipfelanstiege bis zum Peternpfad und dem Schneeloch als anspruchsvollsten Routen. Die Informationen sind verlässlich, die Routenbeschreibungen allerdings ziemlich knapp. (Das soll kein Vorwurf an die Auferbauers sein, sondern so halten es nahezu alle Bände der "Rother Wanderführer".)
Vor einigen Wochen entdeckte ich dann ein neues Buch eines ebenfalls bekannten Autors zur gleichen Region und etwa demselben Tourenspektrum. Ich musste keine Sekunde zögern, es mir zu kaufen.
Csaba Szépfalusi, Die schönsten Bergtouren im Gesäuse mit Haller Mauern und Eisenerzer Alpen. Kral-Verlag, Berndorf 2021
Gleich auf den ersten Blick fällt der Umfang des Buches auf: Es beschreibt dieselbe Region wie der Rother Wanderführer (nahezu die kompletten Ennstaler Alpen), ist mit fast 400 Seiten allerdings etwa zweieinhalbmal so dick. Ohne einen Anspruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben, fehlt doch fast keine Route in der Gebirgsgruppe.
Inhalt des Buches
Die Bandbreite der vorgestellten Touren ist noch etwas größer als im Rother Wanderführer. Die Tal- und Almenwanderungen sowie einige Klammwege sind ebenso vertreten wie die Hüttenzustiege und die technisch einfachen Gipfeltouren. Auch alle versicherten Routen in der Region werden beschrieben. Die meisten bleiben technisch im moderaten Bereich (maximale Schwierigkeit B-C, allenfalls kurz C), sie stellen eher wegen langer Zustiege, sehr exponierter Passagen (Bosruckgrat) oder anspruchsvoller Abstiegsrouten (Südwandband zum Großen Buchstein) größere Anforderungen. Höhere Schwierigkeit weisen neben den Routen im Alpinpark Johnsbach der Kaiserschild-Klettersteig sowie der Teufelsteig auf die Tieflimauer auf.
Einige Gipfel mit klangvollen Namen und respektgebietendem Aussehen sind erstaunlich einfach zu besteigen (Tamischbachturm, Hochzinödl, Kalbling und Sparafeld), und selbst beim Hochtor oder der Planspitze bleiben die Schwierigkeiten auf der Normalroute eher moderat. Aber das Gesäuse bietet zudem eine Reihe von Routen, die - in Szépfalusis Worten am Beispiel des Kleinen Buchsteins - "hart am Übergang zu einer leichten, alpin-ausgesetzten Klettertour" angesiedelt sind. Vielleicht sind genau sie das Salz in der Suppe. Ein Blick in den Ordner "Bergtouren/Steiermark" des Forums zeigt zum Beispiel sehr rasch, wie regelmäßig sie dort vertreten sind. Es sind Routen mit Kletterstellen bis zum Schwierigkeitsgrad 2+ und teilweise auch sehr ausgesetzten Passagen. Etwa in aufsteigender Schwierigkeit gereiht: Wengerweg am Großen Buchstein - Schneelochsteig zum Hochtor - Peternpfad - Admonter Reichenstein - Kleiner Buchstein - Grat vom Kleinen zum Großen Pyhrgas - Rosskuppengrat zum Hochtor - Kirchengrat zum Großen Ödstein. Wenn Szépfalusi zum Rosskuppengrat schreibt, dass der Route "völlig zu Recht der Ruf eines der großartigsten Anstiege dieser Schwierigkeit im gesamten Alpenraum vorauseilt", wird ihm wohl kaum jemand widersprechen wollen.
Mit der Ödstein-Hochtor-Überschreitung ist eine einzige Route ins Buch aufgenommen, die den dritten Schwierigkeitsgrad erreicht und an den Schlüsselstellen auch von erfahrenen Alpinisten üblicherweise mit Seilsicherung gegangen wird. Aber der Autor weist so deutlich auf die speziellen Anforderungen dieser Tour hin, dass die Entscheidung für mich gut nachvollziehbar ist.
Eine Beschreibung der drei ausgewiesenen Mountainbike-Routen im "Nationalpark Gesäuse" rundet das Buch ab.
Charakteristika des Buches
Zwei Merkmale stechen für mich in den Beschreibungen der Routen besonders hervor:
1. die Fülle an verlässlichen Detailinformationen. Ich weiß, dass die Ansichten dazu unterschiedlich sind, aber ich persönlich schätze ausführliche Routenbeschreibungen, die deutlich über das hinausgehen, was sich auch aus gründlichem Kartenstudium bereits erschließt. Oft geben solche Hinweise die besten Entscheidungshilfen dafür, zu welcher Jahreszeit oder unter welchen Bedingungen eine Tour am sinnvollsten unternommen wird. Hier ist ein Steilanstieg im Sommer stundenlang voll der Sonne ausgesetzt, dort sollten Felsbänder in jedem Fall schneefrei bzw. nicht vereist sein. Hier ist ein Abschnitt nach Niederschlägen meist lang feucht oder ein Gipfelkamm sehr windausgesetzt, dort eine Route im Abstieg wegen viel Gerölls unangenehm zu begehen oder bei Nässe speziell heikel. Bei allen Routen finden sich zudem kurze Hinweise auf ihre Eignung für Kinder oder Hunde.
Bei den mir bekannten Routen decken sich die Beschreibungen im Buch gut mit meinen eigenen Erinnerungen. Das ermutigt mich, der genauen Schilderung auch bei jenen Routen zu vertrauen, die ich selbst noch nicht gegangen bin.
2. Bei sämtlichen Routen wird sehr betont auf die Anforderungen hingewiesen. Ähnlich wie in seinem "Klettersteig-Guide Österreich" fällt mir auf, dass Szépfalusi die Schwierigkeiten tendenziell deutlicher benennt als andere Autoren. Oder anders ausgedrückt: Nirgendwo finden sich Formulierungen, die in irgendeiner Weise zum Leichtsinn oder zum Überschätzen der eigenen Möglichkeiten einladen würden. Und dies gilt gar nicht einmal nur für die anspruchsvolleren alpinen Touren. Auch Querungen von Steilgrashängen, rumpelige Schrofen-Abschnitte oder sehr lange Abstiege erfordern Konzentration, und es ist gut, wenn darauf eigens hingewiesen wird. Stünde beim Peternpfad etwa nur, dass er von versierten Felskletterern auch gern im Abstieg begangen wird, wäre das natürlich richtig. Aber all jene, die gerade am Überlegen sind, ob sie sich die Route im Aufstieg zutrauen können, wären nicht klüger als davor.
Zusammenfassend möchte ich die Beschreibungen im besten Sinn seriös nennen. Stets wird darauf hingewiesen, welche Eindrücke eine Route bieten kann, aber jede einzelne von ihnen wird auch in ihren Anforderungen ernst genommen.
Ich habe persönlich etliche Erinnerungen an Touren in den Ennstaler Alpen, die ich auf keinen Fall missen möchte. Zugleich steht - selbst im für mich sicher möglichen Spektrum an Anforderungen - eine Reihe von Zielen nach wie vor auf der Wunschliste. Da ist eine zusätzliche Erinnerung an diese Pläne stets willkommen. Bei den anspruchsvollsten Touren helfen mir die Informationen im Buch zur Abklärung, welche vielleicht doch etwas für mich sein könnten und welche ich klugerweise besser bleiben lasse.
Allen, die von der Gebirgslandschaft der Ennstaler Alpen ebenfalls fasziniert sind, und die überlegen, manche Routen - erstmals oder zumindest nach langer Zeit wieder - zu gehen, kann ich das umfangreiche und höchst informative Buch mit bestem Gewissen empfehlen.
Generationen von Kletterern zog und zieht es zu den Routen durch die imposanten Wände. Aber die Region bietet nicht nur ihnen lohnende Ziele. Das Spektrum der Möglichkeiten ist sehr vielfältig und reicht vom Hüttenzustieg über lange, aber einfache Bergtouren und Klettersteige bis zu anspruchsvollen alpinen Routen nahe an der Grenze zu ausdrücklichen Klettertouren.
So stellt sich die Frage, wo alle, die nicht (vorrangig) an Kletterrouten interessiert sind, aktuelle Informationen über die Ennstaler Alpen finden können.
Der Alpenvereinsführer "Gesäuseberge" von Willi End aus dem Jahr 1988 (im ungewöhnlichen Umfang von mehr als 800 Seiten!) ist ja mittlerweile längst vergriffen.
In der Reihe "Rother Wanderführer" gibt es den Band "Gesäuse mit Haller Mauern und Eisenerzer Alpen" vom bewährten steirischen Autorenpaar Günter und Luise Auferbauer. Er wurde zuletzt im Sommer 2018 überarbeitet; es ist mittlerweile bereits die siebente Auflage! Insgesamt 51 Touren werden vorgestellt: Die Bandbreite reicht dabei - wie in der Reihe weithin üblich - von Tal- und Almenwanderungen über die einfacheren Gipfelanstiege bis zum Peternpfad und dem Schneeloch als anspruchsvollsten Routen. Die Informationen sind verlässlich, die Routenbeschreibungen allerdings ziemlich knapp. (Das soll kein Vorwurf an die Auferbauers sein, sondern so halten es nahezu alle Bände der "Rother Wanderführer".)
Vor einigen Wochen entdeckte ich dann ein neues Buch eines ebenfalls bekannten Autors zur gleichen Region und etwa demselben Tourenspektrum. Ich musste keine Sekunde zögern, es mir zu kaufen.
Csaba Szépfalusi, Die schönsten Bergtouren im Gesäuse mit Haller Mauern und Eisenerzer Alpen. Kral-Verlag, Berndorf 2021
Gleich auf den ersten Blick fällt der Umfang des Buches auf: Es beschreibt dieselbe Region wie der Rother Wanderführer (nahezu die kompletten Ennstaler Alpen), ist mit fast 400 Seiten allerdings etwa zweieinhalbmal so dick. Ohne einen Anspruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben, fehlt doch fast keine Route in der Gebirgsgruppe.
Inhalt des Buches
Die Bandbreite der vorgestellten Touren ist noch etwas größer als im Rother Wanderführer. Die Tal- und Almenwanderungen sowie einige Klammwege sind ebenso vertreten wie die Hüttenzustiege und die technisch einfachen Gipfeltouren. Auch alle versicherten Routen in der Region werden beschrieben. Die meisten bleiben technisch im moderaten Bereich (maximale Schwierigkeit B-C, allenfalls kurz C), sie stellen eher wegen langer Zustiege, sehr exponierter Passagen (Bosruckgrat) oder anspruchsvoller Abstiegsrouten (Südwandband zum Großen Buchstein) größere Anforderungen. Höhere Schwierigkeit weisen neben den Routen im Alpinpark Johnsbach der Kaiserschild-Klettersteig sowie der Teufelsteig auf die Tieflimauer auf.
Einige Gipfel mit klangvollen Namen und respektgebietendem Aussehen sind erstaunlich einfach zu besteigen (Tamischbachturm, Hochzinödl, Kalbling und Sparafeld), und selbst beim Hochtor oder der Planspitze bleiben die Schwierigkeiten auf der Normalroute eher moderat. Aber das Gesäuse bietet zudem eine Reihe von Routen, die - in Szépfalusis Worten am Beispiel des Kleinen Buchsteins - "hart am Übergang zu einer leichten, alpin-ausgesetzten Klettertour" angesiedelt sind. Vielleicht sind genau sie das Salz in der Suppe. Ein Blick in den Ordner "Bergtouren/Steiermark" des Forums zeigt zum Beispiel sehr rasch, wie regelmäßig sie dort vertreten sind. Es sind Routen mit Kletterstellen bis zum Schwierigkeitsgrad 2+ und teilweise auch sehr ausgesetzten Passagen. Etwa in aufsteigender Schwierigkeit gereiht: Wengerweg am Großen Buchstein - Schneelochsteig zum Hochtor - Peternpfad - Admonter Reichenstein - Kleiner Buchstein - Grat vom Kleinen zum Großen Pyhrgas - Rosskuppengrat zum Hochtor - Kirchengrat zum Großen Ödstein. Wenn Szépfalusi zum Rosskuppengrat schreibt, dass der Route "völlig zu Recht der Ruf eines der großartigsten Anstiege dieser Schwierigkeit im gesamten Alpenraum vorauseilt", wird ihm wohl kaum jemand widersprechen wollen.
Mit der Ödstein-Hochtor-Überschreitung ist eine einzige Route ins Buch aufgenommen, die den dritten Schwierigkeitsgrad erreicht und an den Schlüsselstellen auch von erfahrenen Alpinisten üblicherweise mit Seilsicherung gegangen wird. Aber der Autor weist so deutlich auf die speziellen Anforderungen dieser Tour hin, dass die Entscheidung für mich gut nachvollziehbar ist.
Eine Beschreibung der drei ausgewiesenen Mountainbike-Routen im "Nationalpark Gesäuse" rundet das Buch ab.
Charakteristika des Buches
Zwei Merkmale stechen für mich in den Beschreibungen der Routen besonders hervor:
1. die Fülle an verlässlichen Detailinformationen. Ich weiß, dass die Ansichten dazu unterschiedlich sind, aber ich persönlich schätze ausführliche Routenbeschreibungen, die deutlich über das hinausgehen, was sich auch aus gründlichem Kartenstudium bereits erschließt. Oft geben solche Hinweise die besten Entscheidungshilfen dafür, zu welcher Jahreszeit oder unter welchen Bedingungen eine Tour am sinnvollsten unternommen wird. Hier ist ein Steilanstieg im Sommer stundenlang voll der Sonne ausgesetzt, dort sollten Felsbänder in jedem Fall schneefrei bzw. nicht vereist sein. Hier ist ein Abschnitt nach Niederschlägen meist lang feucht oder ein Gipfelkamm sehr windausgesetzt, dort eine Route im Abstieg wegen viel Gerölls unangenehm zu begehen oder bei Nässe speziell heikel. Bei allen Routen finden sich zudem kurze Hinweise auf ihre Eignung für Kinder oder Hunde.
Bei den mir bekannten Routen decken sich die Beschreibungen im Buch gut mit meinen eigenen Erinnerungen. Das ermutigt mich, der genauen Schilderung auch bei jenen Routen zu vertrauen, die ich selbst noch nicht gegangen bin.
2. Bei sämtlichen Routen wird sehr betont auf die Anforderungen hingewiesen. Ähnlich wie in seinem "Klettersteig-Guide Österreich" fällt mir auf, dass Szépfalusi die Schwierigkeiten tendenziell deutlicher benennt als andere Autoren. Oder anders ausgedrückt: Nirgendwo finden sich Formulierungen, die in irgendeiner Weise zum Leichtsinn oder zum Überschätzen der eigenen Möglichkeiten einladen würden. Und dies gilt gar nicht einmal nur für die anspruchsvolleren alpinen Touren. Auch Querungen von Steilgrashängen, rumpelige Schrofen-Abschnitte oder sehr lange Abstiege erfordern Konzentration, und es ist gut, wenn darauf eigens hingewiesen wird. Stünde beim Peternpfad etwa nur, dass er von versierten Felskletterern auch gern im Abstieg begangen wird, wäre das natürlich richtig. Aber all jene, die gerade am Überlegen sind, ob sie sich die Route im Aufstieg zutrauen können, wären nicht klüger als davor.
Zusammenfassend möchte ich die Beschreibungen im besten Sinn seriös nennen. Stets wird darauf hingewiesen, welche Eindrücke eine Route bieten kann, aber jede einzelne von ihnen wird auch in ihren Anforderungen ernst genommen.
Ich habe persönlich etliche Erinnerungen an Touren in den Ennstaler Alpen, die ich auf keinen Fall missen möchte. Zugleich steht - selbst im für mich sicher möglichen Spektrum an Anforderungen - eine Reihe von Zielen nach wie vor auf der Wunschliste. Da ist eine zusätzliche Erinnerung an diese Pläne stets willkommen. Bei den anspruchsvollsten Touren helfen mir die Informationen im Buch zur Abklärung, welche vielleicht doch etwas für mich sein könnten und welche ich klugerweise besser bleiben lasse.
Allen, die von der Gebirgslandschaft der Ennstaler Alpen ebenfalls fasziniert sind, und die überlegen, manche Routen - erstmals oder zumindest nach langer Zeit wieder - zu gehen, kann ich das umfangreiche und höchst informative Buch mit bestem Gewissen empfehlen.
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