und seine spannende Aufkärung:
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Führerbeschreibungen gelegentlich eher als gefühlsmäßige Nachempfindungen, geboren am Stammtisch, ausgeschmückt oder maßlos über- oder untertrieben etc. zu werten sind.
Selten ist es aber, dass man Fehler aus bestehender Literatur heraus nach über hundert Jahren ganz leicht entdecken bzw. korrigieren kann.
Hier die Geschichte der Geschichte:
In einem Beitrag über ein Gebiet der Venedigergruppe:
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...ght=Malhamhorn
erwähnte ich nebenbei, dass ich gerne einmal einen alten Bericht aus der ZDÖAV von 1908 gelesen hätte. Hier vermute ich nämlich nähere Angaben über die Erstbegehung des SO-Grates des Quirl.
Hechenblaikner und Franzelin werden als Erstbegeher angeführt und in der allerneuesten Auflage finden wir sogar ein Bild mit eingezeichneter direkter Anstiegslinie.
Die angeführten Bergsteiger waren „wilde Hunde“ und dass sie dort rauf sind, ist ihnen durchaus zuzutrauen.
Verdächtig erscheint allerdings, dass sie für die Abstiegsbegehung nur eine Stunde gebraucht haben sollen. Von vorne herein klar ist mir bei näherer Fernglasbetrachtung auch, dass sie jedenfalls nicht direkt am Grat abgestiegen sein können – aber okay, vor hundert Jahren war das Direkte noch nicht so gefragt. Soweit meine Zweifel, ganz abgesehen davon, dass ich an dem Tag selbst nicht den Mut aufbrachte raufzuklettern.
Dann kam ich völlig unvermutet durch unseren Forum-Mathias in den Besitz des Originalberichtes:
Nach der Beschreibung des Aufstiegs (von NW, heutiger Normalweg) bringen die Begeher zunächst ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Besteigung nicht schwerer gewesen sei…
Dann folgt sinngemäß: „…. für den Abstieg empfiehlt der Hochtourist den Südgrat, wir haben hingegen eine bessere Möglichkeit entdeckt…“ Dann wird beschrieben, dass gleich in Gipfelnähe ein paar Schuttrinnen ins Kar der Hohen Grube (das sie als „Steinbrechkar“ bezeichnen) runterziehen.
Zur geografischen Situation:
Der Quirl besitzt einen SO- und einen NW-Gipfel, beide sind durch eine etwa 30 Meter tiefe Scharte getrennt. Die Überschreitung ist relativ einfach. Der SO-Grat zieht vom SO-Gipfel, der SW-Grat vom NW-Gipfel runter.
Als Hochtourist wird ein uraltes Führerwerk von L.Purtscheller zitiert, dessen Ausgabe von 1896 ich zufällig besitze. Sofort sehe ich dort nach, finde aber keinerlei Angaben zum Quirl.
Vielleicht haben sich unsere beiden Begeher auf eine spätere Auflage bezogen, möglich…
Sehr wahrscheinlich ist aber, dass eine etwaige Empfehlung sich auf denSW-Grat bezieht, den nämlich die Erstersteiger 1887 benützt haben.
Wie auch immer - unsere Bergsteiger befinden sich also gerade auf dem
SO-Gipfel des Quirl, den sie (wie erwartet) recht einfach erreichen konnten. Für den Abstieg wenden sie sich nun kurz nach Westen (also zurück!) in eine Scharte, von wo aus sie einen „herrlichen Blick auf die Ostwände der Malhamspitzen“ haben. Völlig klar, wo sie nun stehen:
In der Scharte zwischen den beiden Quirlgipfeln! Vom SO-Grat des Quirl ist es ja völlig unmöglich, die Malhamspitzen zu sehen…
Und nun rauschen sie völlig rasch – dort geht es auch nicht anders – die Schotterrinne („knapp hinereinander, damit sie sich nicht gefährden“) hinunter ins Steinbrechkar (Hohe Gruben). Dass sie bereits in einer Stunde unten in der Scharte zwischen Quirl und Ogasil stehen überrascht dann nicht weiter…
Fazit: Unsere beiden (sehr tüchtigen!!) Bergsteiger haben den SO-Grat des Quirl nie begangen, sie sind aber auch völlig unschuldig zu den Ehren einer Erstbegehung gelangt, denn nie haben sie in ihrem Bericht dieses behauptet. Die Besteigung wurde ihnen ganz einfach von den Autoren, die aber sehr wohl den Bericht zitieren, zugeschrieben. In der neuesten Auflage wurde dieser Irrtum noch durch Einzeichnen einer direkten Linie auf dem Foto verstärkt.
Somit erhebt sich die Frage, ob der Quirl SO-Grat überhaupt jemals begangen wurde…
Ich bezweifle es, wer mir das Gegenteil beweist, dem spendiere ich sofort eine Kiste
Offen bleibt noch die Hochtourist-Frage, da aber von einem Südgrat die Rede ist, der nicht existiert, kann es sich sowohl um den SW- als auch den SO-Grat handeln. Der SW-Grat war damals jedenfalls schon begangen.
Nun bedanke ich mich bei allen, die die Ausdauer hatten, dieser historischen Recherche zu folgen… Für mich war´s eine interessante Geschichte….
LG
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Führerbeschreibungen gelegentlich eher als gefühlsmäßige Nachempfindungen, geboren am Stammtisch, ausgeschmückt oder maßlos über- oder untertrieben etc. zu werten sind.
Selten ist es aber, dass man Fehler aus bestehender Literatur heraus nach über hundert Jahren ganz leicht entdecken bzw. korrigieren kann.
Hier die Geschichte der Geschichte:
In einem Beitrag über ein Gebiet der Venedigergruppe:
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...ght=Malhamhorn
erwähnte ich nebenbei, dass ich gerne einmal einen alten Bericht aus der ZDÖAV von 1908 gelesen hätte. Hier vermute ich nämlich nähere Angaben über die Erstbegehung des SO-Grates des Quirl.
Hechenblaikner und Franzelin werden als Erstbegeher angeführt und in der allerneuesten Auflage finden wir sogar ein Bild mit eingezeichneter direkter Anstiegslinie.
Die angeführten Bergsteiger waren „wilde Hunde“ und dass sie dort rauf sind, ist ihnen durchaus zuzutrauen.
Verdächtig erscheint allerdings, dass sie für die Abstiegsbegehung nur eine Stunde gebraucht haben sollen. Von vorne herein klar ist mir bei näherer Fernglasbetrachtung auch, dass sie jedenfalls nicht direkt am Grat abgestiegen sein können – aber okay, vor hundert Jahren war das Direkte noch nicht so gefragt. Soweit meine Zweifel, ganz abgesehen davon, dass ich an dem Tag selbst nicht den Mut aufbrachte raufzuklettern.
Dann kam ich völlig unvermutet durch unseren Forum-Mathias in den Besitz des Originalberichtes:
Nach der Beschreibung des Aufstiegs (von NW, heutiger Normalweg) bringen die Begeher zunächst ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Besteigung nicht schwerer gewesen sei…
Dann folgt sinngemäß: „…. für den Abstieg empfiehlt der Hochtourist den Südgrat, wir haben hingegen eine bessere Möglichkeit entdeckt…“ Dann wird beschrieben, dass gleich in Gipfelnähe ein paar Schuttrinnen ins Kar der Hohen Grube (das sie als „Steinbrechkar“ bezeichnen) runterziehen.
Zur geografischen Situation:
Der Quirl besitzt einen SO- und einen NW-Gipfel, beide sind durch eine etwa 30 Meter tiefe Scharte getrennt. Die Überschreitung ist relativ einfach. Der SO-Grat zieht vom SO-Gipfel, der SW-Grat vom NW-Gipfel runter.
Als Hochtourist wird ein uraltes Führerwerk von L.Purtscheller zitiert, dessen Ausgabe von 1896 ich zufällig besitze. Sofort sehe ich dort nach, finde aber keinerlei Angaben zum Quirl.
Vielleicht haben sich unsere beiden Begeher auf eine spätere Auflage bezogen, möglich…
Sehr wahrscheinlich ist aber, dass eine etwaige Empfehlung sich auf denSW-Grat bezieht, den nämlich die Erstersteiger 1887 benützt haben.
Wie auch immer - unsere Bergsteiger befinden sich also gerade auf dem
SO-Gipfel des Quirl, den sie (wie erwartet) recht einfach erreichen konnten. Für den Abstieg wenden sie sich nun kurz nach Westen (also zurück!) in eine Scharte, von wo aus sie einen „herrlichen Blick auf die Ostwände der Malhamspitzen“ haben. Völlig klar, wo sie nun stehen:
In der Scharte zwischen den beiden Quirlgipfeln! Vom SO-Grat des Quirl ist es ja völlig unmöglich, die Malhamspitzen zu sehen…
Und nun rauschen sie völlig rasch – dort geht es auch nicht anders – die Schotterrinne („knapp hinereinander, damit sie sich nicht gefährden“) hinunter ins Steinbrechkar (Hohe Gruben). Dass sie bereits in einer Stunde unten in der Scharte zwischen Quirl und Ogasil stehen überrascht dann nicht weiter…
Fazit: Unsere beiden (sehr tüchtigen!!) Bergsteiger haben den SO-Grat des Quirl nie begangen, sie sind aber auch völlig unschuldig zu den Ehren einer Erstbegehung gelangt, denn nie haben sie in ihrem Bericht dieses behauptet. Die Besteigung wurde ihnen ganz einfach von den Autoren, die aber sehr wohl den Bericht zitieren, zugeschrieben. In der neuesten Auflage wurde dieser Irrtum noch durch Einzeichnen einer direkten Linie auf dem Foto verstärkt.
Somit erhebt sich die Frage, ob der Quirl SO-Grat überhaupt jemals begangen wurde…
Ich bezweifle es, wer mir das Gegenteil beweist, dem spendiere ich sofort eine Kiste
Offen bleibt noch die Hochtourist-Frage, da aber von einem Südgrat die Rede ist, der nicht existiert, kann es sich sowohl um den SW- als auch den SO-Grat handeln. Der SW-Grat war damals jedenfalls schon begangen.
Nun bedanke ich mich bei allen, die die Ausdauer hatten, dieser historischen Recherche zu folgen… Für mich war´s eine interessante Geschichte….
LG
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