Westalpen in Corona-Zeiten

[placeboi]

Natürlich wollten wir die Westalpenreise so abschließen wie sie begonnen hatte – mit einer alpinen Klettertour. Was lag näher als zur Salbithütte aufzusteigen und dann vor Ort zu entscheiden, was wir zum Abschluss klettern würden? Da wir das Bietschhorn noch etwas spürten, gingen wir am Hüttenaufstiegstag nicht mehr klettern.
Die Entscheidung, was wir am kommenden Tag klettern sollten, fiel uns schwer. Wir liebäugelten mit dem Südgrat am Salbitschijen, aber jede Seilschaft auf der Hütte wollte sie klettern, die sie heute nicht geklettert war. Staus, Überholmanöver und den damit verbundenen Stress versuchen wir in alpinen Klettertouren zu vermeiden und gehen dann lieber nicht die berühmtesten Touren. Doch der Südgrat lockte so sehr, dass wir uns anders entschieden als üblich.
Am Abend kam eine gemischtgeschlechtliche Seilschaft aus Grindelwald zur Hütte. Sie hatten an diesem Tag West-, Süd- und Ostgrat am Salbitschijen aneinandergereiht. Da kochte der Wirt, selbst extremer Kletterer und Gebietsexperte, ihnen natürlich auch nach der offiziellen Essenszeit ein warmes Essen, bevor sie weiter abstiegen und nach Grindelwald zurückfuhren.

Grün beginnt der Hüttenaufstieg
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Bald zeigte sich der Salbitschijen
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Blick von der Hütte
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[placeboi]

Auf Empfehlung des Wirts aßen wir um 5 Uhr Frühstück. Das erschien uns sehr früh, aber da mit Ausnahme zweier Zermatter alle später starteten, sollte es sich als gute Wahl herausstellen. Die 1:10 Stunde Zustiegszeit aus dem Führer erwies sich als sehr schnell. Wir konnten sie nicht einhalten, waren aber knapp vor den Zermattern am Einstieg.
Da wir die anderen nicht warten lassen wollten, begannen wir mit hoher Geschwindigkeit zu klettern bis wir ungefähr eineinhalb Seillängen Vorsprung hatten. Danach fielen wir in unser normales Tempo zurück und hielten den Abstand ungefähr konstant. Wenn eine Route so gepriesen wird, wie der Südgrat (Salbit erleben: „Die schönste Granit-Gratkletterei der Alpen! Eine wahre Sinfonie in Fels. Unvergesslich, einmalig und weltberühmt!“), habe ich Vorbehalte. Doch ich muss auch meine Notizen zitieren, die ich direkt nach der Tour gemacht habe: „Doch es ist zweifellos die schönste Tour, die wir bislang geklettert sind. Es gibt kaum Schrofen, die Längen sind meist anhaltend und relativ schwer. Die alte IV+-Bewertung dürfte Chamonix-Bewertungen Konkurrenz machen.“
Wir ließen es uns natürlich nicht nehmen die Nadel zu erklettern. Es war der perfekte Abschluss für die zweite Westalpenreise, die ebenfalls sehr gelungen war. Nach dem Abstieg zum Auto setzten wir uns eine Weile an den Fluss, kühlten unsere Füße und ein Radler, bevor wir auf den erfolgreichsten Sommer unserer Alpinistenkarriere anstießen. Wer hätte das im Lockdown gedacht? Entgegen unseres ursprünglichen Plans hatten wir in mehr als drei Wochen Westalpen keinen einzigen 4000er bestiegen. Aber was machte das schon? Nicht irgendwelche statistischen Daten zählen, sondern die Erlebnisse. Von ihnen konnten wir jede Menge mit nach Hause nehmen. Ich weiß nicht wie oft ich in den vergangenen Monaten mit einem glücklichen Lächeln an den Preussgrat und die Peigne gedacht habe. Es war sehr oft.

Der letzte Sonnenaufgang
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Am Grat
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Was kann es für einen besseren Abschluss eines Westalpen-Sommers geben als die Gipfelnadel des Salbitschijens?
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[placeboi]

Fakten

Pic d'Artsinol, 2998m, Walliser Alpen
Wandergipfel

Pointe de Vouasson, 3490m, Walliser Alpen (Normalweg)
Leichte Hochtour (F)

Clocher de Bertol, 3343m, Walliser Alpen
Felsnadel über der gleichnamigen Hütte mit verschiedenen, kurzen Routen

Aiguille de la Tsa, 3667m, Walliser Alpen (Normalweg)
Gletschertour mit Kletterfinale, kurz IV, ein paar Passagen III, AD-

Überschreitung Dent de Tsalion (3591m) – Pointe de Tsalion (3510m), Walliser Alpen
Nette Gratkletterei ideal kombiniertbar mit der Aiguille de la Tsa, II, PD

Velociraptor an der Aiguille du Châtelet, 2590m Mont-Blanc-Gebiet
10 SL bis 6a, zumeist deutlich leichter und die 6a-Stelle ist eigentlich keine

Punta della Croce, 2478m, Grajische Alpen
Wandergipfel

Preussgrat an der Aiguille Savoie, 3601m, Mont-Blanc-Gebiet
Schöne Gratkletterei bis IV+, zumeist II bis III, AD+
Im Kontext vom Mont-Blanc-Gebiet passt AD+, aber man darf nicht glauben, dass die Tour irgendetwas mit ähnlich bewerteten Touren in den Ostalpen wie beispielsweise dem Hintergrat zu tun hat. Der Abstieg am Normalweg ist nicht zu empfehlen, besser abseilen.

Aiguille d'Argentière, 3901m, Mont-Blanc-Gebiet (Normalweg via Glacier du Milieu)
PD+. Auf das Timing kommt es an. Früh in der Saison relativ einfach und sehr sicher, bei Ausaperung sehr unangenehm.

Mort de Rire an der Aiguille du Génépi, 3059m, Mont-Blanc-Gebiet
7 SL, 6a (5c, A0)
Sehr lohnende Route, aber der Ruf eine der schönste Klettertouren der Alpen zu sein, ist aus unserer Sicht übertrieben.

Zervreilahorn Hauptgipfel, 2897m, Adula Alpen
Klassische Bergtour mit Kletterstellen II

Nordostgrat vom Zervreilahorn Nordgipfel 2801m, Adula Alpen
10 SL, 5c+
Abwechslungsreiche, lohnende Klettertour

Gaspard Premier an der Pointe Gaspard, 2741m, Chablais Alpen
7 SL, 6a, meist deutlich leichter, weich bewertet
Lohnende Tour für unsichere oder gemütliche Tage

Mont Buet, 3098, Chablais Alpen
Wanderberg mit herausragender Aussichtsberg

Südwestgrat der Aiguille du Peigne, 3192m, Mont-Blanc-Gebiet
Der eigentliche Grat hat nur 5 SL, D+, bis 5c, zumeist theoretisch deutlich leichter, aber sehr langer Zustieg über den Normalweg mit diversen Kletterstellen
Nicht ganz so berühmt wie manch andere Tour in dem Gebiet, aber dennoch ein Klassiker, der alles zu bieten hat, was klassische Kletterei im Mont-Blanc-Gebiet auszeichnet

Aiguille Crochues Überschreitung (bis 2840m), Chablais Alpen
Eine Länge 4a, ansonsten leichter
Netter Kraxelgrat für unsichere oder gemütliche Tage

Südostgrat der Aiguille de l'Index, 2595m, Chablais Alpen
6 SL, 4c
Lohnende Tour für unsichere oder gemütliche Tage

Bietschhorn, 3934m, Berner Alpen (Normalweg)
Ein paar Stellen III, sehr viel II, AD
Rein technisch ein relativ einfacher von den anspruchsvolleren Bergen, aber dennoch ernsthaft aufgrund der Länge im Absturzgelände, der komplizierten Wegfindung und des teils brüchigen Fels

Südgrat am Salbitschijen, 2981m, Urner Alpen
17 SL (wenn man die Gipfelnadel zählt), 5c+, meist leichter
Eine Route der Superlative – unsere bislang schönste.

[helferst]

Toll! Phantastisch, weit außerhalb meines Könnens!

[placeboi]

Danke! Ich hätte nicht so schnell mit der ersten Reaktion gerechnet. Offenbar liest du schnell und hast damit begonnen, während ich beim Hochladen war.

[helferst]

Du warst immer ein bis zwei Minuten voraus!

LG Erich

[Antares]

Ein wunderbarer Bericht mit vielen tollen Bildern. Vielen Dank fürs einstellen. Gratulation zu den erfolgreichen Touren . Für mich ist das Meiste deutlich zu schwer, trotzdem schön die bekannten Gegenden zu sehen.

[tauernfuchs]

Super! Bin mit dem Lesen zwar erst beim Aussichtsbiwak angekommen, sage aber bereits zwischendurch einmal:


Morgen lese ich weiter....

LG Manfred

[placeboi]

Super! Bin mit dem Lesen zwar erst beim Aussichtsbiwak angekommen, sage aber bereits zwischendurch einmal:


Morgen lese ich weiter....

LG Manfred

Dann wünsche ich dir viel Spaß beim Weiterlesen.

[csf125]

Phantastischer Bericht .. der des Monats oder schon der des Jahres?
So toll können Westalpentouren auch ganz ohne 4000er sein
Das Bietschhorn wäre auch nicht noch interessanter, nur überlaufen, wenn es ehemals des Bürgermeisters Töchterlein geschafft hätte, den ersten Vermesser so zu bezirzen, dass er die Gipfelhöhe nach oben korrigiert hätte ...

Danke für's Mitnehmen und liebe Grüße
Norbert

[climby]

Großen Respekt vor den Touren, die Ihr gemacht habt und auch vor der Schlepperei bei den Biwaknächten. Diese Zeiten sind bei mir vorbei. Doch die Bilder und Tourenbeschreibungen habe ich sehr genossen, Danke dafür.

Viele Liebe Grüße von climby

[Exilfranke]

Bericht des Jahres, danke

[mountainrabbit]

Entgegen unseres ursprünglichen Plans hatten wir in mehr als drei Wochen Westalpen keinen einzigen 4000er bestiegen.

Dafür aber beeindruckende Touren gegangen und geklettert.
Auch wenn ihr vom Können eindeutig über "meinen wilden Jahren" seid, ich erinnere mich bei Lesen sehr gerne an meine 80er und 90er.

Und den Bericht vom Bietschorn hab ich mit einer Mischung aus Wehmut und Genuss angesehen.

Norbert hat's schon erwähnt, "Bericht des Jahres" Verdacht.

Vielen Dank für die Mühe, die du dir gemacht hast.



LG, Günter

[J.D.]

Da haben sich ja Zwei gefunden. Gratuliere Euch dazu, dass Ihr eure Pläne gemeinsam machen könnt. LG Johann

[pablito]

Einfach unglaublich fantastische Bilder und Text. Zwar für mich um einiges zu anspruchsvoll, aber die Berge sind mir aus der Literatur, aus den Büchern über ihre Erstbesteigungen fast so bekannt, wie wenn ich dort selber unterwegs gewesen wäre
Danke fürs Teilhaben lassen an euren genialen Bergabenteuern