Es ist schwierig über Absturz, Tod und schwere Verletzungen zu schreiben. Ein reißerischer Titel hätte sicherlich ein Vielfaches an Hits bewirkt. Doch ich möchte keine Sensationsgier befriedigen. Ich werde den beobachteten Unfall so beschreiben wie ich ihn gesehen habe. Ich werde nicht über Unfallursachen und Fehler spekulieren.
Am späten Vormittag brachen Franzi und ich am kleinen Campingplatz unterhalb des Brügglers auf, um eine Route zu klettern. In der Südwand des Brügglers herrschte viel Betrieb. Trotz der Vielzahl an schönen Genussrouten im fünften und sechsten Franzosengrad kann es hier an schönen Wochenenden zu Staus kommen. In der Kleinen Verschneidung sahen wir niemanden klettern und die Route war uns noch unbekannt. Daher entschlossen wir uns sie zu klettern.
Ich übernahm den ersten Vorstieg. Die Einstiegsseillänge war etwas botanisch, aber wegen der geringen Schwierigkeiten sehr schön zum Einklettern. Die zweite Länge war purer Klettergenuss.
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Als ich mich mitten in der dritten Seillänge war, blickte ich nach links. Ich kann nicht sagen, ob es Zufall war, oder ob ich einen Schrei hörte. Ich sah einen Mann durch die Luft fliegen, das Seil nutzlos in den Gurt eingebunden. Sah ihn am Wandfuß in den Schotter aufschlagen. Bilder, die man nie vergisst. Mehrere Kletterer befanden sich am Wandfuß, liefen zum Abgestürzten. Ich hörte, wie ein Kletterer am Stand einer anderen Route die Rettung rief. Ich konnte nichts tun, kletterte weiter zum Stand und holte Franzi nach. Nach kurzer Diskussion beschlossen wir die Route zu Ende zu klettern. Ich fühlte mich dazu in der Lage und Franzi hatte die schrecklichen Bilder nicht gesehen. Sie sah den abgestürzten erst, als er bereits am Wandfuß lag.
Die Reaktionen der anderen Seilschaften waren unterschiedlich. Einige seilten ab, andere kletterten weiter. Als Franzi sich in der vierten Seillänge befand, kam bereits der Heli. Retter wurden abgelassen, kümmerten sich um den Abgestürzten und wurden kurze Zeit später mit ihm an der Longline ausgeflogen.
Im Rest der Route wollte bei mir kein richtiger Genuss aufkommen. Immer wieder kehrten die Bilder zurück, beim Klettern beeinflussten sich mich aber kaum. Die Kleine Verschneidung ist relativ gut abgesichert, die Schwierigkeiten liegen unter dem, was ich maximal klettern kann, der Fels ist fest und berechenbar. Das ist typisches Gelände, in dem man auch weit von den Zwischensicherungen wegklettern kann ohne sich zu fürchten. Ich hatte keine Angst, die Schwierigkeiten hatte ich gut im Griff, aber mein Gehirn addierte automatisch mögliche Sturzmeter. Die Folge waren zusätzliche Zwischensicherungen, die ich normalerweise nicht gelegt hätte.
Als wir am einfachen Gipfelgrat ausgestiegen waren, erzählte ich Franzi genau, was ich gesehen hatte. Ich hatte so lange gewartet, da ich sie in der Route nicht verunsichern wollte. Nachdenklich stiegen wir die letzten, einfachen Meter zum Gipfel hinauf, von dem ich viele Berge sah, an denen ich mit Franzi, anderen oder auch solo unterwegs war. Selten war ich so dankbar dafür alle Touren unverletzt überlebt zu haben. Trotz der schrecklichen Ereignisse sah ich die Schönheit der Berge um uns herum.
Der Chöpfenberg steht direkt westlich des Brügglers.
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Mit dem Vrenelisgärtli verbinde ich eine meiner schönsten Touren in meinen ehemaligen erweiterten Hausbergen.
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Hinter dem Mattstock erhebt sich der leicht angezuckerte Alpstein.
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Der Mürtschenstock
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Über dem Walensee erhebt sich die Alviergruppe.
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Beim Abstieg mussten wir noch einen am Wandfuß deponierten Rucksack abholen. Dabei kamen wir zwangsläufig an der Absturzstelle vorbei. Unmengen an Blut erinnerten an den Absturz.
Beschließend möchte ich den Bericht mit zwei Bildern vom Zeltplatz, auf dem wir übernachteten. Der Mürtschenstock im Abendlicht
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Der Brüggler mit seiner schönen Südwand.
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Am folgenden Tag wollten wir ursprünglich eine weitere Route am Brüggler klettern, doch uns war die Lust am Klettern vergangen, so dass wir Wandern gingen.
Zur Tour:
Die Kleine Verschneidung ist eine schöne Genusstour. Die Bewertung 5a, A0 passt für mich gut. Die Bewertung der Schlüsselstelle mit 5a+ kann ich nicht nachvollziehen. Wir hatten in den 5a-Passagen deutlich Luft nach oben, waren an der Schlüsselstelle aber froh in die Schlinge greifen zu können. Entweder haben wir beide einen wichtigen Tritt oder Griff übersehen oder die Bewertung passt nicht zum Rest der Route.
Zum Abgestürzten:
Der Zeitung konnten wir entnehmen, dass der Abgestürzte überlebt hat. Spätestens nach den Blutspuren hatten wir damit gerechnet, dass er ums Leben gekommen ist.
Zu den Folgen für mich:
Ich war leider bereits mehrfach mit zum Teil tödlichen Abstürzen konfrontiert. Jedes Unglück hat Spuren hinterlassen, aber der Anblick des durch die Luft fliegenden Körpers hat sich besonders in meinem Gehirn eingebrannt.
Sehr positiv zu erwähnen ist, wie schnell der Heli da war. Wie auch schon früher habe ich wieder einmal gesehen, wie gut die Bergrettung in den Alpen organisiert ist. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Bergrettern bedanken und hoffe, dass ich eure Hilfe nicht in Anspruch nehmen muss, denn ich werde weiter in die Berge gehen, auch zum Klettern.
Zum Bericht:
Eingangs schrieb ich, dass es schwierig ist über Abstürze zu schreiben. Einige werden nicht verstehen, weshalb wir nach dem Unglück die Route zu Ende kletterten und die Schönheit der Berge sehen konnten. Das kann ich verstehen und doch habe ich mein Ziel dann erreicht. Ich möchte mit diesem Bericht einfach zum Nachdenken anregen. Aus meiner Sicht ist es am wichtigsten, dass man sein Tun am Berg gegenüber seinen Angehörigen, seinen Freunden und natürlich gegenüber sich selbst verantworten kann. Egal, ob man Wandern geht oder extreme Touren klettert. Das Risiko wird bei verschiedenen Arten in den Bergen unterwegs zu sein unterschiedlich hoch sein, aber passieren kann immer etwas.
Am späten Vormittag brachen Franzi und ich am kleinen Campingplatz unterhalb des Brügglers auf, um eine Route zu klettern. In der Südwand des Brügglers herrschte viel Betrieb. Trotz der Vielzahl an schönen Genussrouten im fünften und sechsten Franzosengrad kann es hier an schönen Wochenenden zu Staus kommen. In der Kleinen Verschneidung sahen wir niemanden klettern und die Route war uns noch unbekannt. Daher entschlossen wir uns sie zu klettern.
Ich übernahm den ersten Vorstieg. Die Einstiegsseillänge war etwas botanisch, aber wegen der geringen Schwierigkeiten sehr schön zum Einklettern. Die zweite Länge war purer Klettergenuss.
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Als ich mich mitten in der dritten Seillänge war, blickte ich nach links. Ich kann nicht sagen, ob es Zufall war, oder ob ich einen Schrei hörte. Ich sah einen Mann durch die Luft fliegen, das Seil nutzlos in den Gurt eingebunden. Sah ihn am Wandfuß in den Schotter aufschlagen. Bilder, die man nie vergisst. Mehrere Kletterer befanden sich am Wandfuß, liefen zum Abgestürzten. Ich hörte, wie ein Kletterer am Stand einer anderen Route die Rettung rief. Ich konnte nichts tun, kletterte weiter zum Stand und holte Franzi nach. Nach kurzer Diskussion beschlossen wir die Route zu Ende zu klettern. Ich fühlte mich dazu in der Lage und Franzi hatte die schrecklichen Bilder nicht gesehen. Sie sah den abgestürzten erst, als er bereits am Wandfuß lag.
Die Reaktionen der anderen Seilschaften waren unterschiedlich. Einige seilten ab, andere kletterten weiter. Als Franzi sich in der vierten Seillänge befand, kam bereits der Heli. Retter wurden abgelassen, kümmerten sich um den Abgestürzten und wurden kurze Zeit später mit ihm an der Longline ausgeflogen.
Im Rest der Route wollte bei mir kein richtiger Genuss aufkommen. Immer wieder kehrten die Bilder zurück, beim Klettern beeinflussten sich mich aber kaum. Die Kleine Verschneidung ist relativ gut abgesichert, die Schwierigkeiten liegen unter dem, was ich maximal klettern kann, der Fels ist fest und berechenbar. Das ist typisches Gelände, in dem man auch weit von den Zwischensicherungen wegklettern kann ohne sich zu fürchten. Ich hatte keine Angst, die Schwierigkeiten hatte ich gut im Griff, aber mein Gehirn addierte automatisch mögliche Sturzmeter. Die Folge waren zusätzliche Zwischensicherungen, die ich normalerweise nicht gelegt hätte.
Als wir am einfachen Gipfelgrat ausgestiegen waren, erzählte ich Franzi genau, was ich gesehen hatte. Ich hatte so lange gewartet, da ich sie in der Route nicht verunsichern wollte. Nachdenklich stiegen wir die letzten, einfachen Meter zum Gipfel hinauf, von dem ich viele Berge sah, an denen ich mit Franzi, anderen oder auch solo unterwegs war. Selten war ich so dankbar dafür alle Touren unverletzt überlebt zu haben. Trotz der schrecklichen Ereignisse sah ich die Schönheit der Berge um uns herum.
Der Chöpfenberg steht direkt westlich des Brügglers.
2.JPG
Mit dem Vrenelisgärtli verbinde ich eine meiner schönsten Touren in meinen ehemaligen erweiterten Hausbergen.
3.JPG
Hinter dem Mattstock erhebt sich der leicht angezuckerte Alpstein.
4.JPG
Der Mürtschenstock
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Über dem Walensee erhebt sich die Alviergruppe.
6.JPG
Beim Abstieg mussten wir noch einen am Wandfuß deponierten Rucksack abholen. Dabei kamen wir zwangsläufig an der Absturzstelle vorbei. Unmengen an Blut erinnerten an den Absturz.
Beschließend möchte ich den Bericht mit zwei Bildern vom Zeltplatz, auf dem wir übernachteten. Der Mürtschenstock im Abendlicht
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Der Brüggler mit seiner schönen Südwand.
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Am folgenden Tag wollten wir ursprünglich eine weitere Route am Brüggler klettern, doch uns war die Lust am Klettern vergangen, so dass wir Wandern gingen.
Zur Tour:
Die Kleine Verschneidung ist eine schöne Genusstour. Die Bewertung 5a, A0 passt für mich gut. Die Bewertung der Schlüsselstelle mit 5a+ kann ich nicht nachvollziehen. Wir hatten in den 5a-Passagen deutlich Luft nach oben, waren an der Schlüsselstelle aber froh in die Schlinge greifen zu können. Entweder haben wir beide einen wichtigen Tritt oder Griff übersehen oder die Bewertung passt nicht zum Rest der Route.
Zum Abgestürzten:
Der Zeitung konnten wir entnehmen, dass der Abgestürzte überlebt hat. Spätestens nach den Blutspuren hatten wir damit gerechnet, dass er ums Leben gekommen ist.
Zu den Folgen für mich:
Ich war leider bereits mehrfach mit zum Teil tödlichen Abstürzen konfrontiert. Jedes Unglück hat Spuren hinterlassen, aber der Anblick des durch die Luft fliegenden Körpers hat sich besonders in meinem Gehirn eingebrannt.
Sehr positiv zu erwähnen ist, wie schnell der Heli da war. Wie auch schon früher habe ich wieder einmal gesehen, wie gut die Bergrettung in den Alpen organisiert ist. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Bergrettern bedanken und hoffe, dass ich eure Hilfe nicht in Anspruch nehmen muss, denn ich werde weiter in die Berge gehen, auch zum Klettern.
Zum Bericht:
Eingangs schrieb ich, dass es schwierig ist über Abstürze zu schreiben. Einige werden nicht verstehen, weshalb wir nach dem Unglück die Route zu Ende kletterten und die Schönheit der Berge sehen konnten. Das kann ich verstehen und doch habe ich mein Ziel dann erreicht. Ich möchte mit diesem Bericht einfach zum Nachdenken anregen. Aus meiner Sicht ist es am wichtigsten, dass man sein Tun am Berg gegenüber seinen Angehörigen, seinen Freunden und natürlich gegenüber sich selbst verantworten kann. Egal, ob man Wandern geht oder extreme Touren klettert. Das Risiko wird bei verschiedenen Arten in den Bergen unterwegs zu sein unterschiedlich hoch sein, aber passieren kann immer etwas.