Die Wand über uns war triefend nass und wolkenverhangen. Kälteschauer überfielen mich. Wie schön wäre es, kein Alpinist zu sein. Dann müsste ich jetzt nicht in die Wand einsteigen, wäre heute nicht um 3.45 Uhr aufgestanden und hätte nicht schon 1200 Höhenmeter in den Beinen.
Ich blieb etwas länger sitzen als unbedingt notwendig, doch dann stand ich auf und band mich ins Seil. Normalerweise hätte ich keine Probleme damit die erste Seillänge der Siemens-Wolf seilfrei zu gehen, doch jetzt legte ich zwischen den beiden Bohrhaken einen Friend. Das Vertrauen in die nassen Tritte fehlte.
Franzi zog sich die Handschuhe für ihren Vorstieg an. Ich hatte keine dabei und kam im Nachstieg mit gefühllosen Fingern am Stand an. Mit der Zeit nahm das Vertrauen in den nassen Fels zu, doch natürlich kletterten wir viel langsamer als geplant. Reichlich nach dem Zeitplan kamen wir am Ausstieg der Route an, die für uns eigentlich nur der Zustieg zum Westgrat der Schüsselkarspitze war.
Trotzdem setzten wir die Tour fort. Wir kletterten weiterhin in den Wolken, aber der Grat bot höchsten Klettergenuss – nahezu perfekter, trockener Fels. An allen schwieriger aussehenden Stellen fanden sich Henkel, so dass sie sich einfach auflösten. Im Nachhinein hätten wir mit Ausnahme der Abseilstelle nach dem Westgratturm alles am langen Seil gehen können, statt zwei Längen über Stände zu sichern.
Am Gipfel der Schüsselkarspitze legten wir eine Pause ein und inspizierten die Biwakschachtel. Es gibt kein Wasser, aber bei schlechtem Wetter wird man hier eine Nacht gut überstehen. Für uns hieß es allerdings nicht bleiben, sondern weitergehen. Der Plan sah vor über den Plattenschuss auf die Leutascher Dreitorspitze zu steigen.
Dass die Felsqualität nach dem Gipfel stark nachlassen würde, wussten wir. Mit dem, was kam, hatten wir nicht gerechnet. Rein technisch war der Abstieg nicht sonderlich schwierig. Viel mehr als II dürfte es nirgendwo gewesen sein, aber alles war geröllbedeckt und oft fiel der Fels einfach auseinander. Dazu bewegten wir uns andauernd in Absturzgelände und hatten keine Chance irgendwie zu sichern.
Noch relativ weit oben schlug ich vor umzudrehen. Der Abstieg über den Westgrat der Schüsselkarspitze wäre, obwohl technisch schwieriger, viel angenehmer gewesen. Doch Franzi wollte weitergehen und so mühten wir uns hinab. Die Felsqualität nahm nach unten hin noch weiter ab. Über so lange Strecken hatten wir noch nie solchen Bruch begehen müssen. Wir sind zwar keine Spezialisten für solches Gelände, kennen aber beispielsweise vieles abseits des Mainstreams im Karwendel.
Das Vorankommen war sehr langsam. Meistens konnte sich nur einer vorsichtig hinabtasten, weil man zwangsläufig dauernd Steinschlag auslöste.
Irgendwann waren wir dem tiefsten Punkt des Übergangs zur Dreitorspitze nahe. Hier schien es klettertechnisch anspruchsvoller zu werden. Wir banden mit mehreren Metern Reepschnur genug Fels zusammen, um eine verlässliche Abseilstelle zu schaffen. Mit unserem 50m-Einfachseil kamen wir zum Glück bis zum tiefsten Punkt hinab.
Der kurze Aufstieg zum Beginn des Plattenschuss war wesentlich angenehmer als der vorherige Abstieg. Der Plattenschuss, der von weitem sehr steil und schwierig ausgesehen hatte, erwies sich als erstaunlich einfach. In gutem Fels konnte man mit Ausnahme einer steilen Stufe im dritten Grad einfach hinaufklettern. Wir hielten uns nicht an die Führerbeschreibung, sondern stiegen ziemlich direkt nahe des rechten Rands des Plattenschuss auf.
Nach dem Plattenschuss folgten Schutt, schuttbedeckte Schrofen und ein paar leichte Kletterstellen bis zum Gipfel der Leutascher Dreitorspitze. Eigentlich hätten wir zu der Zeit schon am Auto sein wollen, aber der Abstieg der Schüsselkarspitze hatte nach der Nässe in der Siemens-Wolf noch einmal enorm Zeit gekostet.
Nach kurzer Rast machten wir uns an den Abstieg. Da noch reichlich Schnee in der Normalwegrinne lag, stiegen wir von der Scharte zum Vorgipfel auf, um die im Führer empfohlene Variante zu gehen. Vom Vorgipfel sahen wir schuttbedeckte Schrofen mit leichten Abkletterstellen und jede Menge Wolken. Das hatte noch gefehlt! Wir hatten keine Lust mehr auf solches Gelände und machten uns Sorgen wegen der Orientierung. Würden wir später die richtige Route finden? Wir beschlossen unser Glück doch in der Normalwegrinne zu versuchen, obwohl uns neben dem Schnee auch hier Gebrösel erwarten würde.
Auf dem Schnee hätten wir uns steigeisenfeste Schuhe und einen Pickel gewünscht, aber wir hatten nur Zustiegsschuhe. Zum Glück fanden wir einen einzelnen Haken kurz bevor das Schneefeld steiler wurde. Eine zweite Reepschnur wurde geopfert und bald waren wir 25 Meter weiter. Während Franzi das Seil aufnahm, übernahm ich die Führung beim Abstieg. Mal trat ich Stufen im steilen Schnee, mal kletterte ich im Gebrösel hinab und mal kombinierte ich beides. Kurz vor dem Erreichen des Leutascher Platts setzte ich einen Fuß so, dass mir der Schmelzwasserbach in den Schuh lief, aber das konnte mich auch nicht mehr stören.
Vom Platt stiegen wir über den Söllerpass ab. Sobald das Gelände flacher wurde, begannen wir zu laufen. Trotzdem waren wir erst nach 14:45 Stunden zurück am Auto.
Fazit:
Einmal und nie wieder – der Übergang von der Schüsselkarspitze zur Leutascher Dreitorspitze wird uns nicht wieder sehen. Sollte jemand den Übergang machen wollen, empfehlen wir die andere Richtung. Über die Steilstufe des Plattenschuss kann man abseilen und der Bruch begeht sich im Aufstieg deutlich angenehmer als im Abstieg. Damit nimmt man sich natürlich die Möglichkeit über eine der vielen, schönen Routen den Westgrat zu erreichen. Der Westgrat selbst ist der vielleicht schönste Grat in dem Schwierigkeitsgrad, den ich kenne.
Ich blieb etwas länger sitzen als unbedingt notwendig, doch dann stand ich auf und band mich ins Seil. Normalerweise hätte ich keine Probleme damit die erste Seillänge der Siemens-Wolf seilfrei zu gehen, doch jetzt legte ich zwischen den beiden Bohrhaken einen Friend. Das Vertrauen in die nassen Tritte fehlte.
Franzi zog sich die Handschuhe für ihren Vorstieg an. Ich hatte keine dabei und kam im Nachstieg mit gefühllosen Fingern am Stand an. Mit der Zeit nahm das Vertrauen in den nassen Fels zu, doch natürlich kletterten wir viel langsamer als geplant. Reichlich nach dem Zeitplan kamen wir am Ausstieg der Route an, die für uns eigentlich nur der Zustieg zum Westgrat der Schüsselkarspitze war.
Trotzdem setzten wir die Tour fort. Wir kletterten weiterhin in den Wolken, aber der Grat bot höchsten Klettergenuss – nahezu perfekter, trockener Fels. An allen schwieriger aussehenden Stellen fanden sich Henkel, so dass sie sich einfach auflösten. Im Nachhinein hätten wir mit Ausnahme der Abseilstelle nach dem Westgratturm alles am langen Seil gehen können, statt zwei Längen über Stände zu sichern.
Am Gipfel der Schüsselkarspitze legten wir eine Pause ein und inspizierten die Biwakschachtel. Es gibt kein Wasser, aber bei schlechtem Wetter wird man hier eine Nacht gut überstehen. Für uns hieß es allerdings nicht bleiben, sondern weitergehen. Der Plan sah vor über den Plattenschuss auf die Leutascher Dreitorspitze zu steigen.
Dass die Felsqualität nach dem Gipfel stark nachlassen würde, wussten wir. Mit dem, was kam, hatten wir nicht gerechnet. Rein technisch war der Abstieg nicht sonderlich schwierig. Viel mehr als II dürfte es nirgendwo gewesen sein, aber alles war geröllbedeckt und oft fiel der Fels einfach auseinander. Dazu bewegten wir uns andauernd in Absturzgelände und hatten keine Chance irgendwie zu sichern.
Noch relativ weit oben schlug ich vor umzudrehen. Der Abstieg über den Westgrat der Schüsselkarspitze wäre, obwohl technisch schwieriger, viel angenehmer gewesen. Doch Franzi wollte weitergehen und so mühten wir uns hinab. Die Felsqualität nahm nach unten hin noch weiter ab. Über so lange Strecken hatten wir noch nie solchen Bruch begehen müssen. Wir sind zwar keine Spezialisten für solches Gelände, kennen aber beispielsweise vieles abseits des Mainstreams im Karwendel.
Das Vorankommen war sehr langsam. Meistens konnte sich nur einer vorsichtig hinabtasten, weil man zwangsläufig dauernd Steinschlag auslöste.
Irgendwann waren wir dem tiefsten Punkt des Übergangs zur Dreitorspitze nahe. Hier schien es klettertechnisch anspruchsvoller zu werden. Wir banden mit mehreren Metern Reepschnur genug Fels zusammen, um eine verlässliche Abseilstelle zu schaffen. Mit unserem 50m-Einfachseil kamen wir zum Glück bis zum tiefsten Punkt hinab.
Der kurze Aufstieg zum Beginn des Plattenschuss war wesentlich angenehmer als der vorherige Abstieg. Der Plattenschuss, der von weitem sehr steil und schwierig ausgesehen hatte, erwies sich als erstaunlich einfach. In gutem Fels konnte man mit Ausnahme einer steilen Stufe im dritten Grad einfach hinaufklettern. Wir hielten uns nicht an die Führerbeschreibung, sondern stiegen ziemlich direkt nahe des rechten Rands des Plattenschuss auf.
Nach dem Plattenschuss folgten Schutt, schuttbedeckte Schrofen und ein paar leichte Kletterstellen bis zum Gipfel der Leutascher Dreitorspitze. Eigentlich hätten wir zu der Zeit schon am Auto sein wollen, aber der Abstieg der Schüsselkarspitze hatte nach der Nässe in der Siemens-Wolf noch einmal enorm Zeit gekostet.
Nach kurzer Rast machten wir uns an den Abstieg. Da noch reichlich Schnee in der Normalwegrinne lag, stiegen wir von der Scharte zum Vorgipfel auf, um die im Führer empfohlene Variante zu gehen. Vom Vorgipfel sahen wir schuttbedeckte Schrofen mit leichten Abkletterstellen und jede Menge Wolken. Das hatte noch gefehlt! Wir hatten keine Lust mehr auf solches Gelände und machten uns Sorgen wegen der Orientierung. Würden wir später die richtige Route finden? Wir beschlossen unser Glück doch in der Normalwegrinne zu versuchen, obwohl uns neben dem Schnee auch hier Gebrösel erwarten würde.
Auf dem Schnee hätten wir uns steigeisenfeste Schuhe und einen Pickel gewünscht, aber wir hatten nur Zustiegsschuhe. Zum Glück fanden wir einen einzelnen Haken kurz bevor das Schneefeld steiler wurde. Eine zweite Reepschnur wurde geopfert und bald waren wir 25 Meter weiter. Während Franzi das Seil aufnahm, übernahm ich die Führung beim Abstieg. Mal trat ich Stufen im steilen Schnee, mal kletterte ich im Gebrösel hinab und mal kombinierte ich beides. Kurz vor dem Erreichen des Leutascher Platts setzte ich einen Fuß so, dass mir der Schmelzwasserbach in den Schuh lief, aber das konnte mich auch nicht mehr stören.
Vom Platt stiegen wir über den Söllerpass ab. Sobald das Gelände flacher wurde, begannen wir zu laufen. Trotzdem waren wir erst nach 14:45 Stunden zurück am Auto.
Fazit:
Einmal und nie wieder – der Übergang von der Schüsselkarspitze zur Leutascher Dreitorspitze wird uns nicht wieder sehen. Sollte jemand den Übergang machen wollen, empfehlen wir die andere Richtung. Über die Steilstufe des Plattenschuss kann man abseilen und der Bruch begeht sich im Aufstieg deutlich angenehmer als im Abstieg. Damit nimmt man sich natürlich die Möglichkeit über eine der vielen, schönen Routen den Westgrat zu erreichen. Der Westgrat selbst ist der vielleicht schönste Grat in dem Schwierigkeitsgrad, den ich kenne.
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