Nach längerem hin und her habe ich mich letztendlich doch entschieden über meinen Kletterunfall auf der Richterkante zu berichten. Einerseits zur Aufarbeitung, andererseits als warnender Hinweis, wie unerwartet schnell unvorhersehbare Gefahrensituationen eintreten können.
Hier mein Bericht:
Eigentlich wollen wir uns im „Wilden Kaiser“ zum Klettern treffen. Aber der Wettergott ist anderer Meinung.
So nimmt Helmut die lange Fahrt von Innsbruck auf sich um dann mit mir gemeinsam ins Höllental in die Rax zu fahren. Das Wetter ist herrlich, blauer Himmel, optimale Klettertemperatur. Wir entscheiden uns als Eingangstour, die Richterkante, zu klettern.
Das Gebiet ist uns nicht bekannt, so erreichen wir, nachdem wir vorerst irrtümlich zum Richterweg zugestiegen sind, nach einer guten Stunde Marsch, den Einstieg der Richterkante.
Um etwa 12 Uhr 30 beginnt Helmut zu klettern, er soll die erste Seillänge führen, für mich ist die zweite gedacht. Aber Helmut steigt weiter, er kommt an der Kante mit dem kleinen Überhang (5+) wieder in mein Blickfeld. Er ruft zu mir herrunter, dass ihm die Expressen ausgehen – klar, die zweite Seillänge ist super abgesichert und in der ersten hängen auch einige Exen. Er überwindet den Überhang und kurze Zeit später erhalte ich das Signal „Stand“.
Nun lege ich Hand an den kompakten Kalk und in Genusskletterei geht es zu Helmut. Er hat Stand bei einer verlässlichen Sanduhr, neben einem abgestorbenen Baum, gebaut.
Ein Blick ins Topo bestätigt meine Annahme, dass die ersten zwei Seillängen schon hinter uns liegen. Ich klettere schräg rechts, leicht aufwärts weiter und erreiche nach ein paar Metern, hinter einem Köpfl, den eigentlichen Standplatz der zweiten Seillänge – zwei bombensichere Bohrhaken, einer mit einem Abseilring ausgestattet.
In einem Bohrhaken hänge ich die Zwischensicherung ein und wende mich dem darüberliegenden Steilaufschwung zu. Leichtes Klettergelände, Schwierigkeitsgrad so zwischen 3 und 4. Mit beiden Händen erreiche ich das vermeintliche Ende des Aufschwungs, ich drücke meine Beine durch, unterstütze diesen Vorgang mit einer kombinierten Druck- Zubewegung meiner Hände.
Urplötzlich die Empfindung, dass der gesamte Berg entgegenkommt. Rücklings, in den Händen einen großen Felsblock, der sofort parallel zu mir der Schwerkraft mit Getöse folgt und zerbröckelt, geht es nach unten. Ich lande am Felsband beim Standplatz auf dem Rücken, der durch meinen, mit Kleidung gefüllten, Rucksack geschützt wird. Sekundenbruchteile später ein wuchtiger Schlag gegen meinen rechten Unterschenkel, verursacht durch einen schweren Felsbrocken, der auf dem Wege nach unten mich vom Felsband reißt. Kopfüber geht es weiter Richtung Rinne – alles geht unheimlich schnell – bis mich das rettenden Seil nach etwa 5 Meter Sturz abbremst. Geschockt stemme ich meine Beine gegen die nahezu senkrechte Wand und blicke auf die etwa 8m höher gelegene Ausbruchstelle.
Kein Schmerz – nur Ärger – ein Tabu wurde gebrochen, das Tabu des Stürzens im alpinen Gelände!
Ein Blick auf meine Beine bringt mich zurück in die Realität. Blut läuft aus meinem rechten Unterschenkel.
Helmuts besorgte Stimme erreicht mich – soll ich dich ablassen? Ja!
Ein Paar Minuten später, eine Blutspur hinter mich herziehend, erreiche ich den Einstieg. Ich binde mich im Standhaken ein und sichere Helmut jene paar Meter zum Stand, in welchen ich meine rettende Zwischensicherung eingehängt habe. Ich bitte Helmut ein Foto von der Ausbruchstelle zu machen, bevor er sich abseilt. Es ist jetzt ungefähr 13 Uhr.
Im Bewusstsein, nichts gebrochen zu haben, ziehe ich nun die Hose über den rechten Unterschenkel hoch. Der Anblick ist nicht erfreulich, ein fleischiges Loch im Durchmesser von etwa 4 – 5cm klafft auf der Außenseite am unteren Ende der Wade. Blut fließt! Ich rufe die 140, melde den Unfall mit den nötigen Daten und bitte um Bergung mittels Hubschrauber. Ich versorge meine Wunde durch Auflage einer Kompresse, lege eine Mullbinde darüber, Helmut, der zwischenzeitig bei mir angelangt ist, befestigt diese mit einem Dreieckstuch.
Ich versuche eine bequeme Stellung einzunehmen, ein bisschen schwierig in diesem abschüssigen Gelände. Langsam verspüre ich Schmerzen. Helmut macht sich bereit zum Einweisen des Hubschraubers.
Wir hören das Geknatter, aber wo sucht er? Er sucht unter uns beim Richterweg und nicht bei unserer Kante, schließlich dreht der Christopherus ab.
Schei...., nochmaliger Anruf bei der Einsatzzentrale, wieder hören wir den Heli und jetzt sieht ihn Helmut, der in Einweiserposition in der Geröllrinne steht. Langsam schwebt der Helikopter über die Rinne herauf. Ich bin immer noch in Verbindung mit der Notrufzentrale. Die Dame in der Zentrale erklärt mir, dass der Hubschrauber jetzt nochmals abdreht, um das Bergeseil zu montieren.
10 Minuten später hänge ich zusammen mit dem Flugretter am Bergeseil und schwebe durch die Luft. Der Wundverband ist hinuntergerutscht und gibt die Wunde frei.
Helmut ist alleine zurückgeblieben, er kümmert sich um unsere Ausrüstung und bringt diese ins Tal.
Auf einer Wiese werde ich erstversorgt, auf eine Vakuummatratze gebettet und bekomme etwas „Lustigmachendes“ injeziert. Mit dem Christopherus geht es weiter ins KH Neunkirchen. Der diensthabende Unfallchirug, eine sympathische Persönlichkeit, hat eine intensive Stunde zu tun, um meine Wunden zu versorgen.
Er empfiehlt mir dringlich zwei Wochen absolute Bettruhe einzuhalten und prophezeit mir, dass wohl zwei Monate bis zur vollkommenen Genesung vergehen werden.
Die Rettungsaktion funktionierte vorbildhaft – mein Dank gilt dem Piloten, dem Flugretter, den Ärzten, der Einsatzgruppe der Bergrettung Reichenau und allen die mitgeholfen haben, aber mein besonderer Dank gebührt meinem Freund und Kletterpartner Helmut.
Im Grunde genommen können wir nur dankbar sein, dankbar dafür, dass alles so glimpflich verlief. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Helmut am Originalstandplatz seinen Stand gebaut hätte. Er hätte kaum eine Chance gehabt, sich den fallenden Felsbrocken zu entziehen.
Fotos: http://picasaweb.google.de/jope555/K...lwand25102009#
Hier mein Bericht:
Eigentlich wollen wir uns im „Wilden Kaiser“ zum Klettern treffen. Aber der Wettergott ist anderer Meinung.
So nimmt Helmut die lange Fahrt von Innsbruck auf sich um dann mit mir gemeinsam ins Höllental in die Rax zu fahren. Das Wetter ist herrlich, blauer Himmel, optimale Klettertemperatur. Wir entscheiden uns als Eingangstour, die Richterkante, zu klettern.
Das Gebiet ist uns nicht bekannt, so erreichen wir, nachdem wir vorerst irrtümlich zum Richterweg zugestiegen sind, nach einer guten Stunde Marsch, den Einstieg der Richterkante.
Um etwa 12 Uhr 30 beginnt Helmut zu klettern, er soll die erste Seillänge führen, für mich ist die zweite gedacht. Aber Helmut steigt weiter, er kommt an der Kante mit dem kleinen Überhang (5+) wieder in mein Blickfeld. Er ruft zu mir herrunter, dass ihm die Expressen ausgehen – klar, die zweite Seillänge ist super abgesichert und in der ersten hängen auch einige Exen. Er überwindet den Überhang und kurze Zeit später erhalte ich das Signal „Stand“.
Nun lege ich Hand an den kompakten Kalk und in Genusskletterei geht es zu Helmut. Er hat Stand bei einer verlässlichen Sanduhr, neben einem abgestorbenen Baum, gebaut.
Ein Blick ins Topo bestätigt meine Annahme, dass die ersten zwei Seillängen schon hinter uns liegen. Ich klettere schräg rechts, leicht aufwärts weiter und erreiche nach ein paar Metern, hinter einem Köpfl, den eigentlichen Standplatz der zweiten Seillänge – zwei bombensichere Bohrhaken, einer mit einem Abseilring ausgestattet.
In einem Bohrhaken hänge ich die Zwischensicherung ein und wende mich dem darüberliegenden Steilaufschwung zu. Leichtes Klettergelände, Schwierigkeitsgrad so zwischen 3 und 4. Mit beiden Händen erreiche ich das vermeintliche Ende des Aufschwungs, ich drücke meine Beine durch, unterstütze diesen Vorgang mit einer kombinierten Druck- Zubewegung meiner Hände.
Urplötzlich die Empfindung, dass der gesamte Berg entgegenkommt. Rücklings, in den Händen einen großen Felsblock, der sofort parallel zu mir der Schwerkraft mit Getöse folgt und zerbröckelt, geht es nach unten. Ich lande am Felsband beim Standplatz auf dem Rücken, der durch meinen, mit Kleidung gefüllten, Rucksack geschützt wird. Sekundenbruchteile später ein wuchtiger Schlag gegen meinen rechten Unterschenkel, verursacht durch einen schweren Felsbrocken, der auf dem Wege nach unten mich vom Felsband reißt. Kopfüber geht es weiter Richtung Rinne – alles geht unheimlich schnell – bis mich das rettenden Seil nach etwa 5 Meter Sturz abbremst. Geschockt stemme ich meine Beine gegen die nahezu senkrechte Wand und blicke auf die etwa 8m höher gelegene Ausbruchstelle.
Kein Schmerz – nur Ärger – ein Tabu wurde gebrochen, das Tabu des Stürzens im alpinen Gelände!
Ein Blick auf meine Beine bringt mich zurück in die Realität. Blut läuft aus meinem rechten Unterschenkel.
Helmuts besorgte Stimme erreicht mich – soll ich dich ablassen? Ja!
Ein Paar Minuten später, eine Blutspur hinter mich herziehend, erreiche ich den Einstieg. Ich binde mich im Standhaken ein und sichere Helmut jene paar Meter zum Stand, in welchen ich meine rettende Zwischensicherung eingehängt habe. Ich bitte Helmut ein Foto von der Ausbruchstelle zu machen, bevor er sich abseilt. Es ist jetzt ungefähr 13 Uhr.
Im Bewusstsein, nichts gebrochen zu haben, ziehe ich nun die Hose über den rechten Unterschenkel hoch. Der Anblick ist nicht erfreulich, ein fleischiges Loch im Durchmesser von etwa 4 – 5cm klafft auf der Außenseite am unteren Ende der Wade. Blut fließt! Ich rufe die 140, melde den Unfall mit den nötigen Daten und bitte um Bergung mittels Hubschrauber. Ich versorge meine Wunde durch Auflage einer Kompresse, lege eine Mullbinde darüber, Helmut, der zwischenzeitig bei mir angelangt ist, befestigt diese mit einem Dreieckstuch.
Ich versuche eine bequeme Stellung einzunehmen, ein bisschen schwierig in diesem abschüssigen Gelände. Langsam verspüre ich Schmerzen. Helmut macht sich bereit zum Einweisen des Hubschraubers.
Wir hören das Geknatter, aber wo sucht er? Er sucht unter uns beim Richterweg und nicht bei unserer Kante, schließlich dreht der Christopherus ab.
Schei...., nochmaliger Anruf bei der Einsatzzentrale, wieder hören wir den Heli und jetzt sieht ihn Helmut, der in Einweiserposition in der Geröllrinne steht. Langsam schwebt der Helikopter über die Rinne herauf. Ich bin immer noch in Verbindung mit der Notrufzentrale. Die Dame in der Zentrale erklärt mir, dass der Hubschrauber jetzt nochmals abdreht, um das Bergeseil zu montieren.
10 Minuten später hänge ich zusammen mit dem Flugretter am Bergeseil und schwebe durch die Luft. Der Wundverband ist hinuntergerutscht und gibt die Wunde frei.
Helmut ist alleine zurückgeblieben, er kümmert sich um unsere Ausrüstung und bringt diese ins Tal.
Auf einer Wiese werde ich erstversorgt, auf eine Vakuummatratze gebettet und bekomme etwas „Lustigmachendes“ injeziert. Mit dem Christopherus geht es weiter ins KH Neunkirchen. Der diensthabende Unfallchirug, eine sympathische Persönlichkeit, hat eine intensive Stunde zu tun, um meine Wunden zu versorgen.
Er empfiehlt mir dringlich zwei Wochen absolute Bettruhe einzuhalten und prophezeit mir, dass wohl zwei Monate bis zur vollkommenen Genesung vergehen werden.
Die Rettungsaktion funktionierte vorbildhaft – mein Dank gilt dem Piloten, dem Flugretter, den Ärzten, der Einsatzgruppe der Bergrettung Reichenau und allen die mitgeholfen haben, aber mein besonderer Dank gebührt meinem Freund und Kletterpartner Helmut.
Im Grunde genommen können wir nur dankbar sein, dankbar dafür, dass alles so glimpflich verlief. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Helmut am Originalstandplatz seinen Stand gebaut hätte. Er hätte kaum eine Chance gehabt, sich den fallenden Felsbrocken zu entziehen.
Fotos: http://picasaweb.google.de/jope555/K...lwand25102009#
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