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Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

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  • Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

    Nach längerem hin und her habe ich mich letztendlich doch entschieden über meinen Kletterunfall auf der Richterkante zu berichten. Einerseits zur Aufarbeitung, andererseits als warnender Hinweis, wie unerwartet schnell unvorhersehbare Gefahrensituationen eintreten können.

    Hier mein Bericht:

    Eigentlich wollen wir uns im „Wilden Kaiser“ zum Klettern treffen. Aber der Wettergott ist anderer Meinung.
    So nimmt Helmut die lange Fahrt von Innsbruck auf sich um dann mit mir gemeinsam ins Höllental in die Rax zu fahren. Das Wetter ist herrlich, blauer Himmel, optimale Klettertemperatur. Wir entscheiden uns als Eingangstour, die Richterkante, zu klettern.
    Das Gebiet ist uns nicht bekannt, so erreichen wir, nachdem wir vorerst irrtümlich zum Richterweg zugestiegen sind, nach einer guten Stunde Marsch, den Einstieg der Richterkante.
    Um etwa 12 Uhr 30 beginnt Helmut zu klettern, er soll die erste Seillänge führen, für mich ist die zweite gedacht. Aber Helmut steigt weiter, er kommt an der Kante mit dem kleinen Überhang (5+) wieder in mein Blickfeld. Er ruft zu mir herrunter, dass ihm die Expressen ausgehen – klar, die zweite Seillänge ist super abgesichert und in der ersten hängen auch einige Exen. Er überwindet den Überhang und kurze Zeit später erhalte ich das Signal „Stand“.
    Nun lege ich Hand an den kompakten Kalk und in Genusskletterei geht es zu Helmut. Er hat Stand bei einer verlässlichen Sanduhr, neben einem abgestorbenen Baum, gebaut.
    Ein Blick ins Topo bestätigt meine Annahme, dass die ersten zwei Seillängen schon hinter uns liegen. Ich klettere schräg rechts, leicht aufwärts weiter und erreiche nach ein paar Metern, hinter einem Köpfl, den eigentlichen Standplatz der zweiten Seillänge – zwei bombensichere Bohrhaken, einer mit einem Abseilring ausgestattet.
    In einem Bohrhaken hänge ich die Zwischensicherung ein und wende mich dem darüberliegenden Steilaufschwung zu. Leichtes Klettergelände, Schwierigkeitsgrad so zwischen 3 und 4. Mit beiden Händen erreiche ich das vermeintliche Ende des Aufschwungs, ich drücke meine Beine durch, unterstütze diesen Vorgang mit einer kombinierten Druck- Zubewegung meiner Hände.
    Urplötzlich die Empfindung, dass der gesamte Berg entgegenkommt. Rücklings, in den Händen einen großen Felsblock, der sofort parallel zu mir der Schwerkraft mit Getöse folgt und zerbröckelt, geht es nach unten. Ich lande am Felsband beim Standplatz auf dem Rücken, der durch meinen, mit Kleidung gefüllten, Rucksack geschützt wird. Sekundenbruchteile später ein wuchtiger Schlag gegen meinen rechten Unterschenkel, verursacht durch einen schweren Felsbrocken, der auf dem Wege nach unten mich vom Felsband reißt. Kopfüber geht es weiter Richtung Rinne – alles geht unheimlich schnell – bis mich das rettenden Seil nach etwa 5 Meter Sturz abbremst. Geschockt stemme ich meine Beine gegen die nahezu senkrechte Wand und blicke auf die etwa 8m höher gelegene Ausbruchstelle.
    Kein Schmerz – nur Ärger – ein Tabu wurde gebrochen, das Tabu des Stürzens im alpinen Gelände!
    Ein Blick auf meine Beine bringt mich zurück in die Realität. Blut läuft aus meinem rechten Unterschenkel.
    Helmuts besorgte Stimme erreicht mich – soll ich dich ablassen? Ja!
    Ein Paar Minuten später, eine Blutspur hinter mich herziehend, erreiche ich den Einstieg. Ich binde mich im Standhaken ein und sichere Helmut jene paar Meter zum Stand, in welchen ich meine rettende Zwischensicherung eingehängt habe. Ich bitte Helmut ein Foto von der Ausbruchstelle zu machen, bevor er sich abseilt. Es ist jetzt ungefähr 13 Uhr.

    Im Bewusstsein, nichts gebrochen zu haben, ziehe ich nun die Hose über den rechten Unterschenkel hoch. Der Anblick ist nicht erfreulich, ein fleischiges Loch im Durchmesser von etwa 4 – 5cm klafft auf der Außenseite am unteren Ende der Wade. Blut fließt! Ich rufe die 140, melde den Unfall mit den nötigen Daten und bitte um Bergung mittels Hubschrauber. Ich versorge meine Wunde durch Auflage einer Kompresse, lege eine Mullbinde darüber, Helmut, der zwischenzeitig bei mir angelangt ist, befestigt diese mit einem Dreieckstuch.

    Ich versuche eine bequeme Stellung einzunehmen, ein bisschen schwierig in diesem abschüssigen Gelände. Langsam verspüre ich Schmerzen. Helmut macht sich bereit zum Einweisen des Hubschraubers.
    Wir hören das Geknatter, aber wo sucht er? Er sucht unter uns beim Richterweg und nicht bei unserer Kante, schließlich dreht der Christopherus ab.
    Schei...., nochmaliger Anruf bei der Einsatzzentrale, wieder hören wir den Heli und jetzt sieht ihn Helmut, der in Einweiserposition in der Geröllrinne steht. Langsam schwebt der Helikopter über die Rinne herauf. Ich bin immer noch in Verbindung mit der Notrufzentrale. Die Dame in der Zentrale erklärt mir, dass der Hubschrauber jetzt nochmals abdreht, um das Bergeseil zu montieren.

    10 Minuten später hänge ich zusammen mit dem Flugretter am Bergeseil und schwebe durch die Luft. Der Wundverband ist hinuntergerutscht und gibt die Wunde frei.
    Helmut ist alleine zurückgeblieben, er kümmert sich um unsere Ausrüstung und bringt diese ins Tal.
    Auf einer Wiese werde ich erstversorgt, auf eine Vakuummatratze gebettet und bekomme etwas „Lustigmachendes“ injeziert. Mit dem Christopherus geht es weiter ins KH Neunkirchen. Der diensthabende Unfallchirug, eine sympathische Persönlichkeit, hat eine intensive Stunde zu tun, um meine Wunden zu versorgen.
    Er empfiehlt mir dringlich zwei Wochen absolute Bettruhe einzuhalten und prophezeit mir, dass wohl zwei Monate bis zur vollkommenen Genesung vergehen werden.

    Die Rettungsaktion funktionierte vorbildhaft – mein Dank gilt dem Piloten, dem Flugretter, den Ärzten, der Einsatzgruppe der Bergrettung Reichenau und allen die mitgeholfen haben, aber mein besonderer Dank gebührt meinem Freund und Kletterpartner Helmut.

    Im Grunde genommen können wir nur dankbar sein, dankbar dafür, dass alles so glimpflich verlief. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Helmut am Originalstandplatz seinen Stand gebaut hätte. Er hätte kaum eine Chance gehabt, sich den fallenden Felsbrocken zu entziehen.


    Fotos: http://picasaweb.google.de/jope555/K...lwand25102009#

  • #2
    AW: Sturz durch massiven Felsausbruch; Richterkante 25.10.2009

    Sind schon tolle Burschen, die von der Bergrettung. Auch ich habe vor ca 21 Jahren beste Erfahrungen mit ihnen gemacht

    und dir gratuliere ich, dass das so glimpflich ausgegangen ist... Glück gehabt!

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    • #3
      AW: Sturz durch massiven Felsausbruch; Richterkante 25.10.2009

      Oha, meine Güte. Da hast aber Glück gehabt... Hätte auch anderst ausgehen können. Ich bin letztes Jahr auch durch Felsausbruch übelst abgeschmiert (ca8Meter), aber bin zum Glück nicht getroffen worden. Mein Fuß hat dann ziemlich geschmerzt und bin damit aber trotzdem noch weitergeklettert und mit'm Rad wieder heim.
      Am nächsten Tag bin ich aufgrund übelster Schmerzen dann zum Unfallchirurg. Der hat geröncht und mir zum Glück entwarnung gegeben. Hab mir ''nur'' meinen Haxen verstaucht.

      Die Retter sind stille Helden!! Sie verdienen unsere Hochachtung

      Grüßle Chris
      Theorethisch kann ich schwimmen, praktisch bin ich nicht ganz dicht

      Fehlende Leistung wird durch Wahnsinn ersetzt

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      • #4
        AW: Sturz durch massiven Felsausbruch; Richterkante 25.10.2009

        Servus Jope!

        Ich wünsch Dir gute Besserung und hoffentlich ist der Schock nicht allzu groß!

        Deine Beschreibung find ich sehr Aufschlussreich und daher sehe ich es als richtig an, dass du den Bericht hier veröffentlichst.

        Plessberger
        Alle meine Beiträge im Tourenforum

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        • #5
          AW: Sturz durch massiven Felsausbruch; Richterkante 25.10.2009

          Zitat von JOPE Beitrag anzeigen
          Ich lande am Felsband beim Standplatz auf dem Rücken, der durch meinen, mit Kleidung gefüllten, Rucksack geschützt wird.
          Für mich einer der entscheidensten Sätze in deiner Beschreibung. Ohne Rucksack,.....

          Baldige Besserung wünsch ich dir.

          (Das die Bergrettung Spitze ist konnte/durfte ich bereits 1994 selbst feststellen)

          Gruß, Günter
          Meine Touren in Europa

          Nicht was wir erleben, sondern wie wir es empfinden, macht unser Schicksal aus.
          (Marie von Ebner-Eschenbach)

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          • #6
            AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

            Hallo Jope!

            Toll, Dein Bericht. Es bleibt mir, Dir baldige Besserung zu wünschen. Ich kenne die Richterkante und glaube, dass ich mich an diesem Block auch angehalten habe. Das ist jetzt drei Jahre her. Puh!

            Eine Bitte habe ich noch: Da ich im KH Neunkirchen arbeite, (allerdings auf der Interne) würde ich Deinen Bericht natürlich gerne dem betreffenden Unfallchirurgen zeigen, ich kenne die alle gut. Der freut sich sicher. Falls Du den Namen weisst, schreib mit bitte eine kurze PN.

            Vielen Dank, auch im Namen des betreffenden Kollegen,

            michl fasan
            Zu seiner Milbe sagt der Milber:
            "Geh bitte, schenk mir einen Zahn aus Silber.
            Damit ich, wenn im Haargewurl
            ich beißen möchte, hab kan Gsturl!"

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            • #7
              AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

              Wieder einmal hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass bei unserer Leidenschaft ein gewisses Restrisiko niemals ausgeschlossen werden kann.

              GottseiDank ist dieser Unfall (Dank Rucksack, der zweite Brocken hätte dich auch woanders treffen können, etc.) noch relativ glimpflich ausgegangen.

              Ich wünsche dir rasche und vollständige Genesung, und hoffe, dass diese "höhere Gewalt" dir nicht die Freude an der Bergwelt nehmen konnte.

              lG, Alles Gute + Danke für deinen Bericht!
              Martin
              Leuchtende Tage - nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen!

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              • #8
                AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                Wahnsinn!

                Danke für deinen Bericht!

                Das ist - ich hoffe ich beuge mich nicht zu weit aus dem Fenster mit dieser Aussage - im Sinne einer Etablierung einer Rückmeldekultur bei Kletterunfällen die im aktuellen Berg & Steigen 3/2009 Seiten 38ff beschrieben wird.

                Solche Rückmeldungen sind auch meiner Meinung nach zu wenig in den Köpfen von Kletterern bewusst, ich möchte nicht wissen wie oft wir (ich nicht ausgenommen) denken "es wird schon nichts passieren", weil wir es einfach nicht besser - mangels Erfahrung - wissen.

                Ich wünsche dir jedenfalls gute Besserung - und auf deinen Fotos erkenne ich so manchen meiner Bergrettungsausbildner- und kollegen! Top Leute! Und dass Richterweg- und Richterkante verwechselt werden kann, kann ich mir schon gut vorstellen! Gerade in der Einstatz"stress"situation.

                LG Florian
                Meine Berg-, Schi- und Klettertouren auf:
                www.motivation-is-all.at/index.php5

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                • #9
                  AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                  Ja schnell kanns gehn und dann ist verlass auf die Christophorus Crew die haben schon was drauf wünsch dir jedenfalls alles gute.

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                  • #10
                    AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                    Hallo,


                    wir waren die Seilschaft im Richterweg, ihr habt uns - wie wir bereits in der 3. SL waren - nach der Richterkante gefragt !

                    Die haben Euch erst im Bereich der Vorderen Stadelwandplatte gesucht, dann sind sie rauf auf Höhe vom Richterweg und dann zur Richterkante.

                    Photos vom Heli beim Einstieg und Rausfliegen kann ich Dir gerne mailen.

                    Alles Gute !


                    Ruppi
                    www.northland-pro.com
                    Zuletzt geändert von Ruppi; 30.10.2009, 21:30.

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                    • #11
                      AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                      Hallo Ruppi,

                      ja, ich hoffe ihr hattet eine schöne Tour und danke für die Hilfe für die Wegfindung.
                      Wir haben den Christophorus von der Kante aus lange nicht gesehen sondern nur gehört,
                      wäre fein, wenn du mir Fotos zukommen lassen könntest.

                      War ein Traumtagerl, außer euch und uns niemand in der Wand, und dann wirds fast zum Alptraum.

                      alles Lieber und Gute

                      Hans

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                      • #12
                        AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                        Ich möchte mich an dieser Stelle für alle Kommentare und Wünsche herzlichst bedanken.
                        lg
                        Hans

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                        • #13
                          AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                          Wünsche Dir auch baldige Genesung. Zum Glück ist es relativ glimpflich ausgegangen.
                          Bei den Bergen ist es so: Je höher man steigt, umso weiter ist die Sicht; bei den Menschen ist es oft umgekehrt (Otto Baumgartner-Amstad)

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                          • #14
                            AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                            Bin froh das die Sache für dich relativ glimpflich ausgegangen ist. Leider sind viele Stadelwandtouren mit Vorsichtig zu geniessen (das Bruderherz sieht mich sicher nicht wieder). Wir haben leider hier im Thal (meist) keinen Koasa oder Xeis-Fels. Auf jeden Fall gute Besserung - auf das du bald wieder an den Fels darfst!

                            Was mich hingegen ziemlich schockiert ist das die ansässige BR-Est. offenbar den Unterschied zwischen Richterweg und Richterkante nicht kennt!! Bin ebenfalls im Rettungbereich (allerdings Untertags) aktiv, da ist es natürlich mit den Katasternummern einfacher, aber das ein Pilot an der falschen Tour sucht und dann abdreht (...) -- was, wenn es da um Minuten gegangen wäre!
                            carpe diem!
                            www.instagram.com/bildervondraussen/

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                            • #15
                              AW: Sturz durch massiven Felsausbruch - Richterkante 25.10.2009

                              Zitat von Gamsi Beitrag anzeigen

                              Was mich hingegen ziemlich schockiert ist das die ansässige BR-Est. offenbar den Unterschied zwischen Richterweg und Richterkante nicht kennt!! Bin ebenfalls im Rettungbereich (allerdings Untertags) aktiv, da ist es natürlich mit den Katasternummern einfacher, aber das ein Pilot an der falschen Tour sucht und dann abdreht (...) -- was, wenn es da um Minuten gegangen wäre!
                              Hallo Gamsi

                              Das die örtliche Bergrettung den Unterschied nicht kennt kann ich nicht glauben, ich vermute mal das die Bergretter beim eintreffen des CH3 noch nicht am Wandfuß waren. Würde mich sehr wundern wenn es so gewesen wäre.

                              Was erwartest Du vom Piloten? das er alle Touren im Schneeberg, Rax-Bereich kennt? dazu noch die von der Hohen Wand, Peilstein usw.? kaum möglich...Die Flugretter sind auch nicht immer Ortskundig- wie sollten sie auch?

                              @ Um den Piloten das auffinden einer Unfallstelle zu erleichtern, ist es ratsam buntes Outfit zu tragen... auch das schwenken eines Biwacksackes, Jacke usw. ist hilfreich.
                              Es ist für den Piloten kaum möglich dunkel bekleidete Menschen im Gelände auszumachen.

                              @Jope: Glück gehabt.... der Stein hätte ein selbstgemachtes Photo vom verletzten Bein verhindern können.....

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