Barre der Barre des Écrins 4102m & Dome de Neige 4015m / Dauphiné, Frankreich
Aufstieg: Directe Coolidge, AD/50°, bei unserer Begehung 10m WI3 am Bergschrund
Abstieg: Normalweg, Westgrat PD+/II/40°
27.8/28.8.2015
Noch sind wir gar nicht so lang unterwegs, als schon die weitläufigen Eisbrüche des Glacier Blanc hinter der Pointe de la Gran Sagne auftauchen. Nicht nur weitläufig, sondern auch ein bisschen unbequem, wie sich später zeigte. Viel bequemer war dagegen der Wanderweg bis zum Refuge Glacier Blanc. Und doch gibt auch der schon einen ersten, bleibenden Eindruck. Hinter uns bauen sich Mont Pelvoux und l'Ailefroide zu einer riesigen, zerissenen Mauer aus Fels und Eis aus. Wir fragen uns, welche Linie denn überhaupt nach oben führen könnte. Scheinbar unbezwigbar für Normalbergsteiger. Bis sich am Ende herausstellt, dass W.A Coolidge vor langer Zeit bereits mit seiner Tante (und Hund!) einen Couloiranstieg im PD-Bereich gefunden hat. Und eben der war es auch, auf dessen Spuren wir am nächsten Tag die Nordwand der Barre durchsteigen sollten.
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Am Refuge Glacier Blanc endet der idyllische Weg, zur Écrins-Hütte gibt es keinen. „Itinaire alpinisme“ war hier nun auch als Hinweis auf ein gutes Gespür für die Route zu verstehen. Zumindest dann, als uns der bis dahin halbwegs erkennbare Steig auf den Glacier Blanc führt. Links von uns baut sich der Gletscherbruch auf, rechts deutet sich eine chaotische Randkluft mit steiler Seitenmoräne an. Wir legen die Steigeisen an entscheiden uns für erstere Variante. Zunächst kommen wir auf dem recht flachen und aperen Gletscher schnell voran. Die vielen Spalten lassen sich umgehen oder überspringen. Mit der Zeit wird aus einer netten Gletscherwanderung jedoch mehr und mehr ein Labyrinth aus immer zahlreicheren, großen Spalten und Steilaufschwüngen. Nicht immer ganz bequem mit Zelt, Schlafsack und all dem anderen im Rucksack. Die Steigeisen zahlen sich spätestens hier aus.
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Wir schlagen uns schon eine ganze Weile durch dieses Chaos, als allmählich der Glacier Blanc abflacht und sich von seiner schönsten Seite zeigt. Eben, weit und glänzend in der Sonne. Um ihn herum dunkle Zacken und Wände. Und ganz am Ende die Barre des Écrins, wie ein Thronsaal aus Fels und Eis Immer noch weit entfernt, aber für uns ist sie jetzt schon der schönste große Alpenberg. Auf etwa 3150m bauen wir unser Zelt auf. Unser Platz ist flach und fließend Wasser gibt es gleich noch dazu. Mal zur Abwechslung kein Schneeschmelzen...
Nach und nach kommen die letzten Seilschaften zurück vom Gipfel. Irgendwann am Abend bemerken wir am Fuße der Écrins Nordflanke einen Alleingeher, der nicht gut voranzukommen schien. Nachdem ihm StayRoyal mit ein paar Nüssen entgegenkam stellte dieser sich als überraschend gut gelaunter Pastor heraus. Vielleicht wars der Beistand seies Chefs Wir bleiben dann aber lieber beim Seil mit Bremsknoten...
Nach einer vergleichsweise entspannten und sternenklaren, halben Nacht heißt es um 03:00 Uhr Zelt aufmachen und aus dem Schlafsack. Was gar nicht so schwer fällt, denn kalt ist es sowieso. Da hilft nur ein heißer Tee und möglichst bald loszugehen. Eine halbe Stunde später ist es so weit, wir machen uns auf Richtung Einstieg in die Nordflanke. Lange Zeit scheint die riesige, schwach beschienene Eismauer gar nicht näher zu kommen. Als wir uns dem Einstieg der Normalroute an der westlichen „Rampe“ nähern, zeigen sich zum ersten Mal die Dimensionen der Eisbrüche. Oft dürfte man so etwas auf Normalwegen nicht zu sehen bekommen – jedenfalls steht man selten mittendrin.
Und genau da sind wir wenig später, nach dem wir die ersten ca. 30-40° steilen Aufschwünge hinter uns gebracht haben. Die Route, netterweise etwas gespurt und ohne Neuschnee gut erkennbar, schlängelt sich durch die unübersichtliche Eisflanke. Vorbei an großen Spalten und Seracs, über Steilstufen und ein Lawinenfeld, führt sie uns schließlich auf ca. 3900m an den Fuß der Nordwand.
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Schon während des Aufstieges kam uns die Idee, eventuell verstopfte und zeitraubende Felspassagen durch die Nordwand zu umgehen. Wir sind noch früh, alles Eis um uns herum leuchtet in der aufgehenden Sonne. Es ist noch kalt, und auch der Firn machte bisher einen guten Eindruck. Schnell ist klar, der Plan ist es den Bergschrund an einer günstigen Stelle zu überklettern und dann bald den Grat zu erreichen.
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Wir steigen weiter auf, Richtung Breche Lory. Zu unserer rechten reißt der Bergschrund weit überhängend auf. Unüberwindbar, zumindest für uns. Dann fällt uns eine kleine Brücke auf, oder vielmehr eine Verengung der Kluft. Sonderlich stabil ist diese nicht, wie sich bald herausstellt, hier braucht es etwas Gefühl und Konzentration. Deren Position am Wandfuß scheint uns genau passend, weit genug weg vom Einstieg und ohnehin die einzig sichtbare Möglichkeit. Wie sich später herausstellen sollte, war sie doch etwas zu weit weg von der Breche Lory. In der Mitte, um genau zu sein. So machen wir uns an den Einstieg in die direkte Nordwand, auf der Linie von W.A. Coolidge, die er 1870 erstbegangen und dabei 500 Stufen geschlagen hat. Letzteres bleibt uns erspart, dennoch hat es die Einstiegslänge in sich. Etwa 10 Meter fast senkrechtes Blankeis mit zwei kurzen leicht überhängenden Zügen. Ohne Standplatzsicherung kommen wir hier aber schnell durch und sind in der Wand. Die Idee, die 200m bei besten Finrverhältnissen locker hochzusteigen weicht dann aber schnell der Realität – in Gestalt von dicker, weicher Schneeauflage und rutschigem Fels darunter. In Punkto Lawinengefahr scheint uns das ganze wegen der klaren Nacht und ohne Neuschnee aber vertretbar. Bald zeigt sich aber, dass die Probleme eher im Klettern selbst liegen. Die Frontalzacken kratzen auf dem rutschigen Fels, gute Tritte gibt es kaum. Anstrengendes Bergauf-Wühlen wechselt sich ab mit Mixedpassagen. Nach einem Versuch, mal eine Schraube zu setzen ist klar, an Absicherung braucht man hier nicht weiter zu denken. Das macht das ganze dann doch etwas stressig, aber dafür mit Blick über die halbe Dauphine. Und die ganze Wand glänzt im Sonnenaufgang. Wir kommen langsam voran, und umso öfter wir hoch zum Gipfelgrat schauen, umso länger scheint die Wand zu werden..
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Dann endlich, wir sind an der Kante – aber auch da hat die Route noch eine kleine Klettereinlage zu bieten, die in der Höhe und bei diesen Verhältnissen gar nicht mal so leicht ist. Oben angekommen zeigt sich, die exakte Diretissima haben wir nicht erwischt, aber die paar Meter zum Kreuz sind schnell gemacht, und wir stehen auf dem höchsten Punkt Südfrankreichs. Unter uns die Nordwand und der Glacier Blanc, so groß dass wir unser Zelt nichtmal als kleinen gelben Punkt sehen. Um uns herum die Dauphine-Alpen, Alefroide, La Mejie und viele andere steile, schwere Gipfel.
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Kurz nachdem die ersten über den Normalweg den Gipfel erreicht haben steigen wir hab. Auch der Westgrat bietet leichtes Mixedgelände, dazu einige recht ausgesetzte Stellen. Die Bewertung PD+/II kommt aber hin, solange man nicht den Großvenediger als Referenz zugrundelegt. In den Westalpen und gerade auch in Frankreich ist das dann schon etwas anderes...
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Eine coole Tour in der Dauphine - in den Alpen ein einzigartiges Gebrige , in das man von hier aus leider viel zu selten kommt..
Aufstieg: Directe Coolidge, AD/50°, bei unserer Begehung 10m WI3 am Bergschrund
Abstieg: Normalweg, Westgrat PD+/II/40°
27.8/28.8.2015
Noch sind wir gar nicht so lang unterwegs, als schon die weitläufigen Eisbrüche des Glacier Blanc hinter der Pointe de la Gran Sagne auftauchen. Nicht nur weitläufig, sondern auch ein bisschen unbequem, wie sich später zeigte. Viel bequemer war dagegen der Wanderweg bis zum Refuge Glacier Blanc. Und doch gibt auch der schon einen ersten, bleibenden Eindruck. Hinter uns bauen sich Mont Pelvoux und l'Ailefroide zu einer riesigen, zerissenen Mauer aus Fels und Eis aus. Wir fragen uns, welche Linie denn überhaupt nach oben führen könnte. Scheinbar unbezwigbar für Normalbergsteiger. Bis sich am Ende herausstellt, dass W.A Coolidge vor langer Zeit bereits mit seiner Tante (und Hund!) einen Couloiranstieg im PD-Bereich gefunden hat. Und eben der war es auch, auf dessen Spuren wir am nächsten Tag die Nordwand der Barre durchsteigen sollten.
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Am Refuge Glacier Blanc endet der idyllische Weg, zur Écrins-Hütte gibt es keinen. „Itinaire alpinisme“ war hier nun auch als Hinweis auf ein gutes Gespür für die Route zu verstehen. Zumindest dann, als uns der bis dahin halbwegs erkennbare Steig auf den Glacier Blanc führt. Links von uns baut sich der Gletscherbruch auf, rechts deutet sich eine chaotische Randkluft mit steiler Seitenmoräne an. Wir legen die Steigeisen an entscheiden uns für erstere Variante. Zunächst kommen wir auf dem recht flachen und aperen Gletscher schnell voran. Die vielen Spalten lassen sich umgehen oder überspringen. Mit der Zeit wird aus einer netten Gletscherwanderung jedoch mehr und mehr ein Labyrinth aus immer zahlreicheren, großen Spalten und Steilaufschwüngen. Nicht immer ganz bequem mit Zelt, Schlafsack und all dem anderen im Rucksack. Die Steigeisen zahlen sich spätestens hier aus.
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Wir schlagen uns schon eine ganze Weile durch dieses Chaos, als allmählich der Glacier Blanc abflacht und sich von seiner schönsten Seite zeigt. Eben, weit und glänzend in der Sonne. Um ihn herum dunkle Zacken und Wände. Und ganz am Ende die Barre des Écrins, wie ein Thronsaal aus Fels und Eis Immer noch weit entfernt, aber für uns ist sie jetzt schon der schönste große Alpenberg. Auf etwa 3150m bauen wir unser Zelt auf. Unser Platz ist flach und fließend Wasser gibt es gleich noch dazu. Mal zur Abwechslung kein Schneeschmelzen...
Nach und nach kommen die letzten Seilschaften zurück vom Gipfel. Irgendwann am Abend bemerken wir am Fuße der Écrins Nordflanke einen Alleingeher, der nicht gut voranzukommen schien. Nachdem ihm StayRoyal mit ein paar Nüssen entgegenkam stellte dieser sich als überraschend gut gelaunter Pastor heraus. Vielleicht wars der Beistand seies Chefs Wir bleiben dann aber lieber beim Seil mit Bremsknoten...
Nach einer vergleichsweise entspannten und sternenklaren, halben Nacht heißt es um 03:00 Uhr Zelt aufmachen und aus dem Schlafsack. Was gar nicht so schwer fällt, denn kalt ist es sowieso. Da hilft nur ein heißer Tee und möglichst bald loszugehen. Eine halbe Stunde später ist es so weit, wir machen uns auf Richtung Einstieg in die Nordflanke. Lange Zeit scheint die riesige, schwach beschienene Eismauer gar nicht näher zu kommen. Als wir uns dem Einstieg der Normalroute an der westlichen „Rampe“ nähern, zeigen sich zum ersten Mal die Dimensionen der Eisbrüche. Oft dürfte man so etwas auf Normalwegen nicht zu sehen bekommen – jedenfalls steht man selten mittendrin.
Und genau da sind wir wenig später, nach dem wir die ersten ca. 30-40° steilen Aufschwünge hinter uns gebracht haben. Die Route, netterweise etwas gespurt und ohne Neuschnee gut erkennbar, schlängelt sich durch die unübersichtliche Eisflanke. Vorbei an großen Spalten und Seracs, über Steilstufen und ein Lawinenfeld, führt sie uns schließlich auf ca. 3900m an den Fuß der Nordwand.
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Schon während des Aufstieges kam uns die Idee, eventuell verstopfte und zeitraubende Felspassagen durch die Nordwand zu umgehen. Wir sind noch früh, alles Eis um uns herum leuchtet in der aufgehenden Sonne. Es ist noch kalt, und auch der Firn machte bisher einen guten Eindruck. Schnell ist klar, der Plan ist es den Bergschrund an einer günstigen Stelle zu überklettern und dann bald den Grat zu erreichen.
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Wir steigen weiter auf, Richtung Breche Lory. Zu unserer rechten reißt der Bergschrund weit überhängend auf. Unüberwindbar, zumindest für uns. Dann fällt uns eine kleine Brücke auf, oder vielmehr eine Verengung der Kluft. Sonderlich stabil ist diese nicht, wie sich bald herausstellt, hier braucht es etwas Gefühl und Konzentration. Deren Position am Wandfuß scheint uns genau passend, weit genug weg vom Einstieg und ohnehin die einzig sichtbare Möglichkeit. Wie sich später herausstellen sollte, war sie doch etwas zu weit weg von der Breche Lory. In der Mitte, um genau zu sein. So machen wir uns an den Einstieg in die direkte Nordwand, auf der Linie von W.A. Coolidge, die er 1870 erstbegangen und dabei 500 Stufen geschlagen hat. Letzteres bleibt uns erspart, dennoch hat es die Einstiegslänge in sich. Etwa 10 Meter fast senkrechtes Blankeis mit zwei kurzen leicht überhängenden Zügen. Ohne Standplatzsicherung kommen wir hier aber schnell durch und sind in der Wand. Die Idee, die 200m bei besten Finrverhältnissen locker hochzusteigen weicht dann aber schnell der Realität – in Gestalt von dicker, weicher Schneeauflage und rutschigem Fels darunter. In Punkto Lawinengefahr scheint uns das ganze wegen der klaren Nacht und ohne Neuschnee aber vertretbar. Bald zeigt sich aber, dass die Probleme eher im Klettern selbst liegen. Die Frontalzacken kratzen auf dem rutschigen Fels, gute Tritte gibt es kaum. Anstrengendes Bergauf-Wühlen wechselt sich ab mit Mixedpassagen. Nach einem Versuch, mal eine Schraube zu setzen ist klar, an Absicherung braucht man hier nicht weiter zu denken. Das macht das ganze dann doch etwas stressig, aber dafür mit Blick über die halbe Dauphine. Und die ganze Wand glänzt im Sonnenaufgang. Wir kommen langsam voran, und umso öfter wir hoch zum Gipfelgrat schauen, umso länger scheint die Wand zu werden..
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Dann endlich, wir sind an der Kante – aber auch da hat die Route noch eine kleine Klettereinlage zu bieten, die in der Höhe und bei diesen Verhältnissen gar nicht mal so leicht ist. Oben angekommen zeigt sich, die exakte Diretissima haben wir nicht erwischt, aber die paar Meter zum Kreuz sind schnell gemacht, und wir stehen auf dem höchsten Punkt Südfrankreichs. Unter uns die Nordwand und der Glacier Blanc, so groß dass wir unser Zelt nichtmal als kleinen gelben Punkt sehen. Um uns herum die Dauphine-Alpen, Alefroide, La Mejie und viele andere steile, schwere Gipfel.
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Kurz nachdem die ersten über den Normalweg den Gipfel erreicht haben steigen wir hab. Auch der Westgrat bietet leichtes Mixedgelände, dazu einige recht ausgesetzte Stellen. Die Bewertung PD+/II kommt aber hin, solange man nicht den Großvenediger als Referenz zugrundelegt. In den Westalpen und gerade auch in Frankreich ist das dann schon etwas anderes...
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Eine coole Tour in der Dauphine - in den Alpen ein einzigartiges Gebrige , in das man von hier aus leider viel zu selten kommt..
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