Aig Blanche N-Wand, 55°; 1 Sl. 90°; anschließend Überschreitung Peutereygrat
4., 5.,6.8.1983
Aig. Blanche de Peuterey, 4107 m, Grand Pilier d´Angle; Mont Blanc, 4887 m, Mont Maudit, 4465 m;
Mt. Blanc di Tacul, 4248 m
Vielleicht passend für ein verregnetes Wochenende, oder weil gerade einmal das Thema „Eisklettern anno dazumal“
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...sklettern+anno
aufgegriffen wurde, etwas aus meiner Nostalgiekiste:
1983 war ein Jahrhundertsommer. Wir brauchten uns keine Gedanken zu machen wegen des Wetters, es war wie selbstverständlich schön und es gab kaum Gewitter. Dazu waren wir in Hochform. Nach unserem wilden Abenteuer in der Dru-Nordwand
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...ighlight=Petit
beratschlagten wir, ob wir schon reif für den Walker-Pfeiler wären. Die Konferenz dauerte genau zwei Halbe Bier lang. Drei Tage später hatten wir dann auch diesen in der Erinnerungstasche.
Nun lag es nahe, sich auch im steilen Eis zu versuchen und so kam uns der Gedanke die Nordwand der Aig. Blanche mit der Peuterey-Grat zu verbinden und auf diese Weise auch einmal dem Monarchen die Ehre zu erweisen.
Informationen über die herrschenden Eis-Verhältnisse waren auch im Bergführerbüro Chamonix schwer zu bekommen, Französisch konnten wir auch nur rudimentär, Internet gab es natürlich auch nicht.
Hätten wir gewusst, welche Überraschung uns mitten in der Nordwand erwartet, wären wir aber sicher nicht so unbeschwert aufgebrochen. Doch davon später.
4.8.1983
Drängerei in der Seilbahn. Mit etwas Glück erwischen wir doch die letzte Gondel auf die Aig. di Midi. Das Wetter, wolkenverhangen im Tal, überrascht uns hier oben mit den tollsten Stimmungen. Uns fasziniert das Spiel der bauschigen Gebilde, die einmal die Gipfel rund um die Aig. Verte freigeben, dann wieder die anderen Felszacken ringsum.
Hier die Aig. di Plan
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Ein Blick zu Dru, Verte und Triolet
E01AigBl-002.jpg
Wir marschieren am Fuorche-Biwak vorbei und steigen heikel über die Randkluft, hinunter auf den Brenvagletscher. Auf dem Weg zum Col Moore verabschiedet sich bereits die Sonne.
Wir dringen ein in eine abweisende, unheimliche und doch wieder faszinierende Bergwelt. Seracs, Spalten, vereiste Felsen wirken fast bedrohlich in der allmählich herein brechenden Nacht, die uns einen kühlen Hauch entgegensendet.
Der Col Moore ist eine schmaler Schneesattel. Hier beginnt die einfachste Route durch die Brenva-Flanke, der Moore-Sporn, sicher auch eine feine Route.
Doch damit begnügen wir uns diesmal nicht…
Der Blick in die eisstarrende Brenvaflanke wirkt bedrückend. Was haben wir hier bloß verloren…? Noch reicht das weichende Tageslicht für forschende Blicke in die Wand. Der untere Teil wirkt halb so schlimm, aber was wartet dort, wo ein scharfer Eisgrat scheinbar an einen Überhang stößt?
Ein Bild von dieser Eiswand bzw. Schlüsselstelle (S) mache ich einen Tag später:
E01AigBl-003.jpg
Beunruhigt können wir unsere Blicke kaum von der Stelle lösen, aber die einbrechende Dämmerung verschleiert dieses Rätsel immer mehr. Bald umgibt uns dunkle Nacht und in uns tragen wir ein gespanntes, etwas banges Gefühl.
Wir biwakieren hier, das heißt, wir hocken ein paar Stunden halb schief auf einer Felsplatte. Aber lange halten wir´s nicht aus, wir müssen ohnehin noch in der Nacht aufbrechen.
5.8.1983 Es ist etwa 1 Uhr als wir den steilen Eishang hinuntersteigen unter die Brenvaflanke.
Selbst in der Nacht ist es hier nicht völlig ruhig, immer wieder poltert etwas, es knackt, knirscht, rauscht und bröselt.
Bald versperrt uns ein wüster Bergschrund den Weiterweg, gut 20 Meter tiefer liegt der untere Spaltenrand. Hier geht´s nicht, also queren. Abseilen? Aber wo? Reicht das Seil? Nein - also weiterqueren, hinweg über zahlreiche Eisrippen, dann endlich eine bescheidene Möglichkeit. Wir turnen über verdächtige Eisblöcke, seilen zuletzt an einem dicken Eiszapfen ab. Geschafft!
Aber nun – bloß weiter! Bedrohlich hängen hier die Seracs über uns, wir ahnen es nur, aber das Gletscherbecken ist übersät mit Trümmern. Beinahe hasten wir hinüber zum Einstieg wo wir uns wieder etwas sicherer fühlen – warum eigentlich?
Noch immer ist es stockdunkel als sich uns die ersten Klüfte entgegenstellen. Steigeisenknirschen, fahles Stirnlampenlicht – es ist geisterhaft, unheimlich. Besonders zu Beginn lauern tückische Spaltenhindernisse. Doch wir haben Glück, das Eis ist gut, wir können gleichzeitig klettern.
Das Dumme ist nur, dass wir nicht wissen, ob wir unversehens auf eine unüberwindbare Kluft zusteuern. Aber je steiler es wird, desto mehr sinkt diese Gefahr und tatsächlich erreichen wir bald ein monoton hinauf ziehendes Eisschild, das wir nun zügig verfolgen. Oft zeigt sich Blankeis, aber was soll´s, 55°,
das geht, wir haben ja bereits etwas Wasserfalltraining…
Bald mündet unser Dreieck in einen flacher werdenden Eisgrat. Tief unter uns liegt bereits der Brenvagletscher aus dem allmählich die Schatten weichen.
Noch immer steigen wir seilfrei weiter, zuletzt fast ein wenig entspannt, verfolgen wir einen fast waagrechten Grat. Doch plötzlich stehen wir an!
Eine senkrechte Eismauer versperrt uns den Weg, gut 25 Meter hoch, überwölbt von gewaltigen, teils 4 Meter weit ausladenden Eisdächern – du lieber Himmel!
Hier eine Vergrößerung der Schlüsselstelle, aufgenommen einen Tag danach:
E01AigBl-004.jpg
Auf einmal sind wir angehenden Eiskletterer wieder ganz klein… Selbst mit moderner Eistechnik, wie kommen wir über ein 4-Meter-Dach?
Der einzige Ausweg ist ein Quergang im senkrechten Eis. Wie lange? Schlimmstenfalls 40 Meter…
Etwa 10 Meter steigen wir noch hinauf auf einen fast ebenen Eisbalkon – ein guter Stand - immerhin.
Dann geht Gerhard ans Werk. Wie gut, dass wir an Wasserfällen trainiert haben!
E01AigBl-005.jpg
Aber Queren ist noch schwieriger als gerade hochklettern. Nur zögernd kommt mein Freund voran, mühsam und kraftraubend ist das Anbringen der Eisschrauben und wir haben nicht viele. Zum Queren steht nur ein schmaler Streifen senkrechten Eises zur Verfügung,
E01AigBl-006.jpg
oben drängen die Überhänge ab, unten wölbt sich die Eiswand schon wieder hinein. Man kann sich nicht einmal richtig an die Geräte hängen.
Nach 15 Metern erreicht Gerhard überraschend einen Spalt, der vielleicht durch die Dächer leitet.
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Ein wüster Anblick: Mein Freund hängt buchstäblich unter den Eisüberhängen, gut 500 Meter über dem Gletscherboden. Gleichzeitig taucht die Morgensonne alles in fahlgelbes Licht – ein Bild, unvergesslich…
Bald verschwindet der Kamerad im Eisspalt und - jammert. Der Spalt ist tapeziert mit mürben Eisgebilden. Aber es muss gehen! Wenn nur die Eisgeräte gut greifen…
Endlich läuft das Seil flotter, dann der ersehnte Ruf: „Stand!“
Die Reihe ist an mir. Aber auch für mich gilt: Stürzen nicht erlaubt! Das wäre ein Fiasko, gut möglich, dass auch Gerhards Stand nicht der Beste ist.
Präzise steigen, konzentrieren, heikle Schinderei mit fast verkrampfenden Unterarmen, Rasten geht kaum, alle Achtung dem Vorsteiger!
Auch mir ist kein Fehler gestattet, aber wenigstens habe ich schon kleine Kerben im harten Eis. Dann der Eiskamin, unheimlich tückisch und eng noch dazu , überall filigrane Eisgebilde, verdächtige Blöcke. Ich darf jetzt etwas runter schmeißen, aber Gerhard durfte es nicht… Irgendwie schaff ich´s dann auch.
Puuhh - endlich sicheres Gelände – gleich ein Frühstück!
Der Rest, ein ca. 50° steiler Eishang erscheint uns jetzt als „gmahde Wiesn“. Selbst eine sehr breite Kluft bietet einen überraschend einfachen Überstieg. Bald ist das Seil wieder im Rucksack und wir steigen weiter. Langsam aber stetig, wir fühlen uns nun doch ein wenig ausgeschunden…
Ein Blick zurück von weiter oben, der Gipfelhang mit dem Gipfelturm:
E01AigBl-008.jpg
Vom Gipfel folgt eine luftige Abseilerei in den Col di Peuterey. Hier treffen wir erstmals auf Leute, aber bald haben wir sie wieder aus den Augen verloren.
Ganz nahe vor uns stehen die Freney-Pfeiler über einem unheimlich zerrissenen Gletscher. Unter uns herrscht ständiges Knirschen und Poltern, irgendwo im Freney-Gletscher „lebt“ immer etwas. Es ist schon ein beklemmend reizvolles Gefühl, einen so weltentrückten Winkel zu betreten. Verständlich, dass hier jeder Wettersturz sofort in eine sehr ernste Lage führen muss. Aus diesem Gewirr an Seracs, Spalten und vereisten Abbrüchen gibt es kaum ein Entrinnen…
Wir klettern nun sehr gemächlich hinauf Richtung Pilier d`Angle, nur IIIer-Gelände, vielfach trocken, längst gehen wir wieder seilfrei.
Aber wir sind müde und ausgelaugt, jetzt bloß nicht zu schnell…
Ein Blick zurück zu Aig di Blanche, Austiegsflanke und Gipfelturm, rechts unten der Col di Peuterey.
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Am Pilier d´Angle beziehen wir unser Biwak. Es wäre zwar noch ein paar Stunden Tag, aber wir müssen uns etwas regenerieren, das Wetter ist schließlich gut und morgen werden wir den Aufstieg mehr genießen können. Vielleicht friert es auch den Schnee am Firngrat über Nacht etwas durch.
Außerdem bietet sich ein perfekter, balkonartiger Platz mit Blick Richtung Süden, wer könnte hier noch widerstehen?
Es wird eine traumhafte Biwaknacht mit Blick auf die Lichter von Courmayeur. Nur ein paar Abendwolken, aber der nächste Morgen ist wieder klar.
6.8.1983
Ein prächtiger Firngrat leitet uns weiter, perfekter Trittschnee! Hier schauen wir zurück zum Blockturm des Pilier d´Angle in dessen Nähe wir biwakiert haben:
E01AigBl-010.jpg
Der Blick neben den Füssen führt ins Abenteuerliche, Bodenlose, nirgendwo ein Ruhepunkt für das Auge. Aber unser Grat bietet einfach nur eine bizarre Schau.
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Gegenüber all dem was wir hinter uns haben, ist er geradezu gemütlich.
Blick Richtung Grandes Jorasses, Weisshorn…
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Wir gehen hier selbstverständlich ohne Seil, das halten wir immer so in einem Gelände, in dem man nicht ordentlich sichern kann.
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Aber das ist nicht einmal ein Thema, wir genießen einfach nur
E01AigBl-014.jpg
die gewaltige Aussicht, Grandes Jorasses, Wallis…
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4., 5.,6.8.1983
Aig. Blanche de Peuterey, 4107 m, Grand Pilier d´Angle; Mont Blanc, 4887 m, Mont Maudit, 4465 m;
Mt. Blanc di Tacul, 4248 m
Vielleicht passend für ein verregnetes Wochenende, oder weil gerade einmal das Thema „Eisklettern anno dazumal“
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...sklettern+anno
aufgegriffen wurde, etwas aus meiner Nostalgiekiste:
1983 war ein Jahrhundertsommer. Wir brauchten uns keine Gedanken zu machen wegen des Wetters, es war wie selbstverständlich schön und es gab kaum Gewitter. Dazu waren wir in Hochform. Nach unserem wilden Abenteuer in der Dru-Nordwand
http://www.gipfeltreffen.at/showthre...ighlight=Petit
beratschlagten wir, ob wir schon reif für den Walker-Pfeiler wären. Die Konferenz dauerte genau zwei Halbe Bier lang. Drei Tage später hatten wir dann auch diesen in der Erinnerungstasche.
Nun lag es nahe, sich auch im steilen Eis zu versuchen und so kam uns der Gedanke die Nordwand der Aig. Blanche mit der Peuterey-Grat zu verbinden und auf diese Weise auch einmal dem Monarchen die Ehre zu erweisen.
Informationen über die herrschenden Eis-Verhältnisse waren auch im Bergführerbüro Chamonix schwer zu bekommen, Französisch konnten wir auch nur rudimentär, Internet gab es natürlich auch nicht.
Hätten wir gewusst, welche Überraschung uns mitten in der Nordwand erwartet, wären wir aber sicher nicht so unbeschwert aufgebrochen. Doch davon später.
4.8.1983
Drängerei in der Seilbahn. Mit etwas Glück erwischen wir doch die letzte Gondel auf die Aig. di Midi. Das Wetter, wolkenverhangen im Tal, überrascht uns hier oben mit den tollsten Stimmungen. Uns fasziniert das Spiel der bauschigen Gebilde, die einmal die Gipfel rund um die Aig. Verte freigeben, dann wieder die anderen Felszacken ringsum.
Hier die Aig. di Plan
E01AigBl-001.jpg
Ein Blick zu Dru, Verte und Triolet
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Wir marschieren am Fuorche-Biwak vorbei und steigen heikel über die Randkluft, hinunter auf den Brenvagletscher. Auf dem Weg zum Col Moore verabschiedet sich bereits die Sonne.
Wir dringen ein in eine abweisende, unheimliche und doch wieder faszinierende Bergwelt. Seracs, Spalten, vereiste Felsen wirken fast bedrohlich in der allmählich herein brechenden Nacht, die uns einen kühlen Hauch entgegensendet.
Der Col Moore ist eine schmaler Schneesattel. Hier beginnt die einfachste Route durch die Brenva-Flanke, der Moore-Sporn, sicher auch eine feine Route.
Doch damit begnügen wir uns diesmal nicht…
Der Blick in die eisstarrende Brenvaflanke wirkt bedrückend. Was haben wir hier bloß verloren…? Noch reicht das weichende Tageslicht für forschende Blicke in die Wand. Der untere Teil wirkt halb so schlimm, aber was wartet dort, wo ein scharfer Eisgrat scheinbar an einen Überhang stößt?
Ein Bild von dieser Eiswand bzw. Schlüsselstelle (S) mache ich einen Tag später:
E01AigBl-003.jpg
Beunruhigt können wir unsere Blicke kaum von der Stelle lösen, aber die einbrechende Dämmerung verschleiert dieses Rätsel immer mehr. Bald umgibt uns dunkle Nacht und in uns tragen wir ein gespanntes, etwas banges Gefühl.
Wir biwakieren hier, das heißt, wir hocken ein paar Stunden halb schief auf einer Felsplatte. Aber lange halten wir´s nicht aus, wir müssen ohnehin noch in der Nacht aufbrechen.
5.8.1983 Es ist etwa 1 Uhr als wir den steilen Eishang hinuntersteigen unter die Brenvaflanke.
Selbst in der Nacht ist es hier nicht völlig ruhig, immer wieder poltert etwas, es knackt, knirscht, rauscht und bröselt.
Bald versperrt uns ein wüster Bergschrund den Weiterweg, gut 20 Meter tiefer liegt der untere Spaltenrand. Hier geht´s nicht, also queren. Abseilen? Aber wo? Reicht das Seil? Nein - also weiterqueren, hinweg über zahlreiche Eisrippen, dann endlich eine bescheidene Möglichkeit. Wir turnen über verdächtige Eisblöcke, seilen zuletzt an einem dicken Eiszapfen ab. Geschafft!
Aber nun – bloß weiter! Bedrohlich hängen hier die Seracs über uns, wir ahnen es nur, aber das Gletscherbecken ist übersät mit Trümmern. Beinahe hasten wir hinüber zum Einstieg wo wir uns wieder etwas sicherer fühlen – warum eigentlich?
Noch immer ist es stockdunkel als sich uns die ersten Klüfte entgegenstellen. Steigeisenknirschen, fahles Stirnlampenlicht – es ist geisterhaft, unheimlich. Besonders zu Beginn lauern tückische Spaltenhindernisse. Doch wir haben Glück, das Eis ist gut, wir können gleichzeitig klettern.
Das Dumme ist nur, dass wir nicht wissen, ob wir unversehens auf eine unüberwindbare Kluft zusteuern. Aber je steiler es wird, desto mehr sinkt diese Gefahr und tatsächlich erreichen wir bald ein monoton hinauf ziehendes Eisschild, das wir nun zügig verfolgen. Oft zeigt sich Blankeis, aber was soll´s, 55°,
das geht, wir haben ja bereits etwas Wasserfalltraining…
Bald mündet unser Dreieck in einen flacher werdenden Eisgrat. Tief unter uns liegt bereits der Brenvagletscher aus dem allmählich die Schatten weichen.
Noch immer steigen wir seilfrei weiter, zuletzt fast ein wenig entspannt, verfolgen wir einen fast waagrechten Grat. Doch plötzlich stehen wir an!
Eine senkrechte Eismauer versperrt uns den Weg, gut 25 Meter hoch, überwölbt von gewaltigen, teils 4 Meter weit ausladenden Eisdächern – du lieber Himmel!
Hier eine Vergrößerung der Schlüsselstelle, aufgenommen einen Tag danach:
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Auf einmal sind wir angehenden Eiskletterer wieder ganz klein… Selbst mit moderner Eistechnik, wie kommen wir über ein 4-Meter-Dach?
Der einzige Ausweg ist ein Quergang im senkrechten Eis. Wie lange? Schlimmstenfalls 40 Meter…
Etwa 10 Meter steigen wir noch hinauf auf einen fast ebenen Eisbalkon – ein guter Stand - immerhin.
Dann geht Gerhard ans Werk. Wie gut, dass wir an Wasserfällen trainiert haben!
E01AigBl-005.jpg
Aber Queren ist noch schwieriger als gerade hochklettern. Nur zögernd kommt mein Freund voran, mühsam und kraftraubend ist das Anbringen der Eisschrauben und wir haben nicht viele. Zum Queren steht nur ein schmaler Streifen senkrechten Eises zur Verfügung,
E01AigBl-006.jpg
oben drängen die Überhänge ab, unten wölbt sich die Eiswand schon wieder hinein. Man kann sich nicht einmal richtig an die Geräte hängen.
Nach 15 Metern erreicht Gerhard überraschend einen Spalt, der vielleicht durch die Dächer leitet.
E01AigBl-007.jpg
Ein wüster Anblick: Mein Freund hängt buchstäblich unter den Eisüberhängen, gut 500 Meter über dem Gletscherboden. Gleichzeitig taucht die Morgensonne alles in fahlgelbes Licht – ein Bild, unvergesslich…
Bald verschwindet der Kamerad im Eisspalt und - jammert. Der Spalt ist tapeziert mit mürben Eisgebilden. Aber es muss gehen! Wenn nur die Eisgeräte gut greifen…
Endlich läuft das Seil flotter, dann der ersehnte Ruf: „Stand!“
Die Reihe ist an mir. Aber auch für mich gilt: Stürzen nicht erlaubt! Das wäre ein Fiasko, gut möglich, dass auch Gerhards Stand nicht der Beste ist.
Präzise steigen, konzentrieren, heikle Schinderei mit fast verkrampfenden Unterarmen, Rasten geht kaum, alle Achtung dem Vorsteiger!
Auch mir ist kein Fehler gestattet, aber wenigstens habe ich schon kleine Kerben im harten Eis. Dann der Eiskamin, unheimlich tückisch und eng noch dazu , überall filigrane Eisgebilde, verdächtige Blöcke. Ich darf jetzt etwas runter schmeißen, aber Gerhard durfte es nicht… Irgendwie schaff ich´s dann auch.
Puuhh - endlich sicheres Gelände – gleich ein Frühstück!
Der Rest, ein ca. 50° steiler Eishang erscheint uns jetzt als „gmahde Wiesn“. Selbst eine sehr breite Kluft bietet einen überraschend einfachen Überstieg. Bald ist das Seil wieder im Rucksack und wir steigen weiter. Langsam aber stetig, wir fühlen uns nun doch ein wenig ausgeschunden…
Ein Blick zurück von weiter oben, der Gipfelhang mit dem Gipfelturm:
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Vom Gipfel folgt eine luftige Abseilerei in den Col di Peuterey. Hier treffen wir erstmals auf Leute, aber bald haben wir sie wieder aus den Augen verloren.
Ganz nahe vor uns stehen die Freney-Pfeiler über einem unheimlich zerrissenen Gletscher. Unter uns herrscht ständiges Knirschen und Poltern, irgendwo im Freney-Gletscher „lebt“ immer etwas. Es ist schon ein beklemmend reizvolles Gefühl, einen so weltentrückten Winkel zu betreten. Verständlich, dass hier jeder Wettersturz sofort in eine sehr ernste Lage führen muss. Aus diesem Gewirr an Seracs, Spalten und vereisten Abbrüchen gibt es kaum ein Entrinnen…
Wir klettern nun sehr gemächlich hinauf Richtung Pilier d`Angle, nur IIIer-Gelände, vielfach trocken, längst gehen wir wieder seilfrei.
Aber wir sind müde und ausgelaugt, jetzt bloß nicht zu schnell…
Ein Blick zurück zu Aig di Blanche, Austiegsflanke und Gipfelturm, rechts unten der Col di Peuterey.
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Am Pilier d´Angle beziehen wir unser Biwak. Es wäre zwar noch ein paar Stunden Tag, aber wir müssen uns etwas regenerieren, das Wetter ist schließlich gut und morgen werden wir den Aufstieg mehr genießen können. Vielleicht friert es auch den Schnee am Firngrat über Nacht etwas durch.
Außerdem bietet sich ein perfekter, balkonartiger Platz mit Blick Richtung Süden, wer könnte hier noch widerstehen?
Es wird eine traumhafte Biwaknacht mit Blick auf die Lichter von Courmayeur. Nur ein paar Abendwolken, aber der nächste Morgen ist wieder klar.
6.8.1983
Ein prächtiger Firngrat leitet uns weiter, perfekter Trittschnee! Hier schauen wir zurück zum Blockturm des Pilier d´Angle in dessen Nähe wir biwakiert haben:
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Der Blick neben den Füssen führt ins Abenteuerliche, Bodenlose, nirgendwo ein Ruhepunkt für das Auge. Aber unser Grat bietet einfach nur eine bizarre Schau.
E01AigBl-011.jpg
Gegenüber all dem was wir hinter uns haben, ist er geradezu gemütlich.
Blick Richtung Grandes Jorasses, Weisshorn…
E01AigBl-012.jpg
Wir gehen hier selbstverständlich ohne Seil, das halten wir immer so in einem Gelände, in dem man nicht ordentlich sichern kann.
E01AigBl-013.jpg
Aber das ist nicht einmal ein Thema, wir genießen einfach nur
E01AigBl-014.jpg
die gewaltige Aussicht, Grandes Jorasses, Wallis…
E01AigBl-015.jpg
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