ORTLER über „HINTERGRAT“, eine Solo-Sommer-Tour
Datum: 23.06.2018
Die Kletterroute über den „Hintergrat“ zum Gipfel vom Ortler ist sicher dem Einen oder Anderen bereits bekannt; für mich war sie es bis zum 23.06. noch nicht.
Eigentlich wollte ich sie als Mixed-„Trainingseinheit“ im Fels-Aufstieg konsequent „free solo“ durchziehen und hatte daher weder Gurt noch Seil dabei, aber wie so oft, erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.
Aber nun zu den Fakten und Fotos:
An dem Samstagmorgen starteten ungefähr 15 – 20 Bergsteiger ab ca. 04.00 Uhr an der Hintergrathütte zeitlich versetzt in die Finsternis.
Davon „verirrten“ sich an dem Abzweig mit dem Hinweisschild 3 – 4 Bergsteiger in Richtung „Gletscherweg“ nach unten und mussten dann, nachdem sie unsere Stirnlampen weit über sich entdeckt hatten, den steilen Schutthang zum Einstieg der Hintergrat-Route wieder aufsteigen.
Die ersten Höhenmeter der Route sind jedoch auch in der Dunkelheit unproblematisch.
Tipp:
Sehr empfehlenswert für die Route sind das Topo „Hintergrat“ bzw. für den Abstieg das Topo „Normalweg“, welche man im Internet findet!
Foto01.JPG
…hier zwei der vielen Bergsteiger vom Samstagmorgen kurz nach dem Erreichen der ersten Meter auf dem eigentlichen Grat; in ein paar Minuten geht die Sonne auf
Foto02.JPG
…am Freitag lernte ich beim Abendessen auf der Hütte ein Paar kennen, welches ich auf Grund der aktuellsten europäischen Gesetzgebung zum Datenschutz mal „Ma“ (= sie) und „Ro“ (= ihn) nennen will :-)
Foto03.JPG
…hier ein Rückblick auf das große und im Topo als „1. Eisfeld“ bezeichnete Schneefeld; am Samstag war es eigentlich das 2. Eisfeld, da sich am unteren Aufstiegshang noch fester und glatter Firn befand, den man allerdings auch ohne Steigeisen überwinden konnte; das Foto entstand ein paar Meter unterhalb vom „Signalkopf“ (3.725 m ü. NN); der „Signalkopf“ ist die erste Stelle, an der es klettertechnisch dann auch etwas anspruchsvoller wird
Foto04.JPG
…am „Signalkopf“ muss man sich, selbst wenn es vor Ort möglicherweise senkrecht nach oben logischer erscheint, doch links halten (siehe Topo!); man klettert oder seilt hier ca. 20 m nach unten ab; die Stelle sieht wegen des steilen Hangs links für Erstbegeher eindrucksvoll aus
Foto05.JPG
…dieselbe Stelle am „Signalkopf“, jetzt von unten fotografiert; vorn „Ma“, dahinter „Ro“; laut Topo hat die Kletterstelle UIAA 3; nach dem „Signalkopf“ folgt man dem mehr oder weniger ausgesetzten Grat mit linken und rechten Absturzhöhen von ein bis zwei hundert Metern in Richtung einer ca. 3,0 m hohen und sehr glatten Verschneidung (= UIAA 4)
Foto06.JPG
…hinten unten die ca. 3,0 m hohe „Verschneidung“; hier habe ich mit meinen dicken steigeisenfesten Bergschuhen mein klettertechnisches Waterloo erlebt; Dank der Unterstützung vom vorgestiegenen und etwas größeren „Ro“ konnte ich die Stelle dann doch noch überwinden u. die Solo-Klettertour in Richtung Gipfel fortsetzen
Foto07.JPG
…die „Verschneidung“; auf ca. 1,5 m Höhe gibt es einen Ring zur Zwischensicherung, oben seht Ihr eine Kette zum Hochziehen; wenn man erst einmal die Kette erreicht hat, ist das Schwerste überstanden :-)
...beim Betrachten des Fotos frage ich mich auch heute wieder, wo denn eigentlich am Samstag das Problem lag, vielleicht war es links d. Absturzhöhe von ca. 200 m?
…darüber gibt es dann noch eine Art „Risskamin“ (UIAA 3), welcher allerdings keine wirklichen Probleme bereitet
Foto08.JPG
…Blick hinunter nach Sulden; von hier sind es ca. 1.800 Höhenmeter bis zum Talboden; kurz danach steigt man über das ca. 40° steile und so genannte “2. Eisfeld“ weiter auf; am Samstag waren zwar gute Trittspuren im Firn vorhanden, Steigeisen u. eine Eisaxt sind m. E. jedoch zur Eigensicherung obligatorisch
Foto09.JPG
…unten sehr Ihr das „2. Eisfeld“; ein paar Meter über dem Eisfeld kommt dann im Fels eine Art Mini-Querung mit einer 4er Stelle (s. Topo); hier gilt es mit breiter Beinstellung einen etwas überstehenden Felsbrocken zu umklettern; wenn ich mich nicht irre, entstand das Foto bereits über dieser Stelle, an der ich mich dann nochmals am Seil zw. „Ro“ und hinten „Ma“ festgehalten habe; daher war es auch keine „free solo“-Begehung vom Hintergrat
Foto10.JPG
…kurz vor 10.00 Uhr war der Gipfel auf 3.905 m ü. NN erreicht; unten wird den Trittspuren des Normalwegs im Abstieg gefolgt; Achtung, es gibt eine ganze Reihe von Gletscherspalten unter dem Schnee!!
Foto11.JPG
…die letzte Eis-Steilflanke des Normalwegs (im Abstieg); hinten unten steigt man links vom Felsplateau ab; am Ende des noch mit Schnee bedeckten Plateaus befindet sich das „Lombardi-Biwak“ (3.316 m ü. NN), an der es auch eine (wenig gebrauchte) Abseilstelle zum Normalweg gibt
Foto12.JPG
…die einzige 3+ Stelle des Normalwegs; hier hatten einige Bergsteiger echte Probleme beim Abseilen; Dank des Seils zweier Italiener als „Via Ferratta“ kletterte ich mit meinen Lederhandschuhen daran ab und wartete dann ca. eine Stunde auf „Ma“ + „Ro“, bis diese nach den Anderen v. ihnen ebenfalls an der Stelle abseilen konnten
Foto13.JPG
…ein Foto zur hohen Kettenanlage; ca. in der Mitte ist ein einzementierter Bolzen ausgebrochen, dort kann man sich auf Grund der pendelnden Kette wie „Tarzan“, oder für die jüngere Generation, wie „Spiderman“ fühlen :-)
Foto14.JPG
…nach dem Vorbeilaufen an der „Payerhütte“, einem kurzen Hallo beim Wirt der „Tabarettahütte“, zur Erinnerung ein Foto von der über der oberen Engstelle sichtlich eisärmeren Ortler Nordwand; was für ein Unterschied zum Juni 2014!
…auf der Terrasse der Tabaretta gab ich ein paar Tipps an zwei Bergsteiger, welche die Nordwand am Sonntag angehen wollten
Foto15.JPG
…da ja noch meine Ausrüstung inkl. Kleidung in der Hintergrathütte lagen u. ich erst am Sonntag weiter nach Bozen wollte, folgte für mich nach dem Abstieg eine längere u. stressfreie Wanderung vorbei am Langensteinlift zurück zur Hintergrathütte; Ankunft dort ca. um 17.45 Uhr
Fazit:
Der „Hintergrat“ ist eine tolle, z. T. luftige Tour mit schöner Felskletterei und je nach den noch vorhandenen Eis- u. Firnverhältnissen kommen auch die Steigeisen nicht zu kurz.
Für den Abstieg vom Gipfel bis zur Tabarettahütte / nach Sulden sollte man allerdings dann nochmals 4 – 6 Stunden einplanen.
Wegen des Gletschers am Normalweg empfehle ich jedoch eine Seilschaft statt einer (von mir praktizierten) Solo-Überquerung!
Grüße aus Thüringen
zenitsucher
Datum: 23.06.2018
Die Kletterroute über den „Hintergrat“ zum Gipfel vom Ortler ist sicher dem Einen oder Anderen bereits bekannt; für mich war sie es bis zum 23.06. noch nicht.
Eigentlich wollte ich sie als Mixed-„Trainingseinheit“ im Fels-Aufstieg konsequent „free solo“ durchziehen und hatte daher weder Gurt noch Seil dabei, aber wie so oft, erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.
Aber nun zu den Fakten und Fotos:
An dem Samstagmorgen starteten ungefähr 15 – 20 Bergsteiger ab ca. 04.00 Uhr an der Hintergrathütte zeitlich versetzt in die Finsternis.
Davon „verirrten“ sich an dem Abzweig mit dem Hinweisschild 3 – 4 Bergsteiger in Richtung „Gletscherweg“ nach unten und mussten dann, nachdem sie unsere Stirnlampen weit über sich entdeckt hatten, den steilen Schutthang zum Einstieg der Hintergrat-Route wieder aufsteigen.
Die ersten Höhenmeter der Route sind jedoch auch in der Dunkelheit unproblematisch.
Tipp:
Sehr empfehlenswert für die Route sind das Topo „Hintergrat“ bzw. für den Abstieg das Topo „Normalweg“, welche man im Internet findet!
Foto01.JPG
…hier zwei der vielen Bergsteiger vom Samstagmorgen kurz nach dem Erreichen der ersten Meter auf dem eigentlichen Grat; in ein paar Minuten geht die Sonne auf
Foto02.JPG
…am Freitag lernte ich beim Abendessen auf der Hütte ein Paar kennen, welches ich auf Grund der aktuellsten europäischen Gesetzgebung zum Datenschutz mal „Ma“ (= sie) und „Ro“ (= ihn) nennen will :-)
Foto03.JPG
…hier ein Rückblick auf das große und im Topo als „1. Eisfeld“ bezeichnete Schneefeld; am Samstag war es eigentlich das 2. Eisfeld, da sich am unteren Aufstiegshang noch fester und glatter Firn befand, den man allerdings auch ohne Steigeisen überwinden konnte; das Foto entstand ein paar Meter unterhalb vom „Signalkopf“ (3.725 m ü. NN); der „Signalkopf“ ist die erste Stelle, an der es klettertechnisch dann auch etwas anspruchsvoller wird
Foto04.JPG
…am „Signalkopf“ muss man sich, selbst wenn es vor Ort möglicherweise senkrecht nach oben logischer erscheint, doch links halten (siehe Topo!); man klettert oder seilt hier ca. 20 m nach unten ab; die Stelle sieht wegen des steilen Hangs links für Erstbegeher eindrucksvoll aus
Foto05.JPG
…dieselbe Stelle am „Signalkopf“, jetzt von unten fotografiert; vorn „Ma“, dahinter „Ro“; laut Topo hat die Kletterstelle UIAA 3; nach dem „Signalkopf“ folgt man dem mehr oder weniger ausgesetzten Grat mit linken und rechten Absturzhöhen von ein bis zwei hundert Metern in Richtung einer ca. 3,0 m hohen und sehr glatten Verschneidung (= UIAA 4)
Foto06.JPG
…hinten unten die ca. 3,0 m hohe „Verschneidung“; hier habe ich mit meinen dicken steigeisenfesten Bergschuhen mein klettertechnisches Waterloo erlebt; Dank der Unterstützung vom vorgestiegenen und etwas größeren „Ro“ konnte ich die Stelle dann doch noch überwinden u. die Solo-Klettertour in Richtung Gipfel fortsetzen
Foto07.JPG
…die „Verschneidung“; auf ca. 1,5 m Höhe gibt es einen Ring zur Zwischensicherung, oben seht Ihr eine Kette zum Hochziehen; wenn man erst einmal die Kette erreicht hat, ist das Schwerste überstanden :-)
...beim Betrachten des Fotos frage ich mich auch heute wieder, wo denn eigentlich am Samstag das Problem lag, vielleicht war es links d. Absturzhöhe von ca. 200 m?
…darüber gibt es dann noch eine Art „Risskamin“ (UIAA 3), welcher allerdings keine wirklichen Probleme bereitet
Foto08.JPG
…Blick hinunter nach Sulden; von hier sind es ca. 1.800 Höhenmeter bis zum Talboden; kurz danach steigt man über das ca. 40° steile und so genannte “2. Eisfeld“ weiter auf; am Samstag waren zwar gute Trittspuren im Firn vorhanden, Steigeisen u. eine Eisaxt sind m. E. jedoch zur Eigensicherung obligatorisch
Foto09.JPG
…unten sehr Ihr das „2. Eisfeld“; ein paar Meter über dem Eisfeld kommt dann im Fels eine Art Mini-Querung mit einer 4er Stelle (s. Topo); hier gilt es mit breiter Beinstellung einen etwas überstehenden Felsbrocken zu umklettern; wenn ich mich nicht irre, entstand das Foto bereits über dieser Stelle, an der ich mich dann nochmals am Seil zw. „Ro“ und hinten „Ma“ festgehalten habe; daher war es auch keine „free solo“-Begehung vom Hintergrat
Foto10.JPG
…kurz vor 10.00 Uhr war der Gipfel auf 3.905 m ü. NN erreicht; unten wird den Trittspuren des Normalwegs im Abstieg gefolgt; Achtung, es gibt eine ganze Reihe von Gletscherspalten unter dem Schnee!!
Foto11.JPG
…die letzte Eis-Steilflanke des Normalwegs (im Abstieg); hinten unten steigt man links vom Felsplateau ab; am Ende des noch mit Schnee bedeckten Plateaus befindet sich das „Lombardi-Biwak“ (3.316 m ü. NN), an der es auch eine (wenig gebrauchte) Abseilstelle zum Normalweg gibt
Foto12.JPG
…die einzige 3+ Stelle des Normalwegs; hier hatten einige Bergsteiger echte Probleme beim Abseilen; Dank des Seils zweier Italiener als „Via Ferratta“ kletterte ich mit meinen Lederhandschuhen daran ab und wartete dann ca. eine Stunde auf „Ma“ + „Ro“, bis diese nach den Anderen v. ihnen ebenfalls an der Stelle abseilen konnten
Foto13.JPG
…ein Foto zur hohen Kettenanlage; ca. in der Mitte ist ein einzementierter Bolzen ausgebrochen, dort kann man sich auf Grund der pendelnden Kette wie „Tarzan“, oder für die jüngere Generation, wie „Spiderman“ fühlen :-)
Foto14.JPG
…nach dem Vorbeilaufen an der „Payerhütte“, einem kurzen Hallo beim Wirt der „Tabarettahütte“, zur Erinnerung ein Foto von der über der oberen Engstelle sichtlich eisärmeren Ortler Nordwand; was für ein Unterschied zum Juni 2014!
…auf der Terrasse der Tabaretta gab ich ein paar Tipps an zwei Bergsteiger, welche die Nordwand am Sonntag angehen wollten
Foto15.JPG
…da ja noch meine Ausrüstung inkl. Kleidung in der Hintergrathütte lagen u. ich erst am Sonntag weiter nach Bozen wollte, folgte für mich nach dem Abstieg eine längere u. stressfreie Wanderung vorbei am Langensteinlift zurück zur Hintergrathütte; Ankunft dort ca. um 17.45 Uhr
Fazit:
Der „Hintergrat“ ist eine tolle, z. T. luftige Tour mit schöner Felskletterei und je nach den noch vorhandenen Eis- u. Firnverhältnissen kommen auch die Steigeisen nicht zu kurz.
Für den Abstieg vom Gipfel bis zur Tabarettahütte / nach Sulden sollte man allerdings dann nochmals 4 – 6 Stunden einplanen.
Wegen des Gletschers am Normalweg empfehle ich jedoch eine Seilschaft statt einer (von mir praktizierten) Solo-Überquerung!
Grüße aus Thüringen
zenitsucher
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