Ankündigung

Einklappen
Mehr anzeigen
Weniger anzeigen

Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

    Senggchuppa (3606m) - Fletschhorn (3984m) - Weissmies (4017m)

    Ein gutes Jahr für Nordwände. Nachdem im Frühjahr meine Pläne von Witterung und Verhältnissen oft durchkreuzt wurden und Touren - wie die Kuchenspitze Nordwand - abgebrochen werden mussten, bescherte das letzte Wochenende Traumbedingungen für eine Tour im Wallis. Ich hätte nicht gedacht, dass Mitte Juli noch Firnwände gehen, aber eine Nullgradgrenze, die mittags noch bei 3200m liegt, ist eine Einladung die man nicht abschlagen sollte.

    Markus und ich gurkten also am Donnerstag ins Wallis und nächtigten im Schlafsack auf dem Simplonpass. Eigentlich wollten wir den Anstieg mit der Anreise kombinieren, aber schon 100km nach München ist die Karre verreckt.

    Tag 1 - 10.7.2009

    Von Simplon Dorf ging es dann erst spät Morgens über einen Wanderweg zur Roßbodentafel und bald über Firn zum Zenbiwak über dem Roßbodengletscher.

    01 Biwak.JPG

    Zwei Seilschaften kehrten grad aus der Fletschhorn Nordwand zurück. Sie haben den Abstieg über den Westgrat gewählt. Eine sinnvolle Tour, da man so Ausrüstung am Biwak lassen kann. Wir mussten leider alles mitschleppen, da wir noch eine zweite Tour dranhängen wollten.

    Nach einer Suppe sausen wir dann auf die Senggchuppa (3606m), einem Skiberg direkt über dem Biwak. Das heißt, Markus ist gesaust. Ich bin in der Höhe noch nicht so flink.

    02 Aufstieg.JPG

    Der Abstecher machte sich aber für die Akklimatisierung mehr als bezahlt. Außerdem hat man eine schöne Aussicht auf die Mischabelkette mit der Lenzspitze Nordwand.

    03 Ausblick.JPG

    Die Nordwand der Fletschspitze wollen wir natürlich an der leichtesten Stelle knacken - über die Wiener Route im rechten, felsfreien Teil. Mal wieder ist mir klar geworden, wie verrückt Steffe ist, der die Wand natürlich im schwierigen Teil links anging. Hier sein beeindruckender Bericht.

    04 Nordwand.JPG

    Auf der Senggchuppa war es reichlich windig. Zudem befürchteten wir, dass die Biwakschachtel bald überfüllt sein würde. Also nix wie runter.

    05 Abstieg.JPG

    Es waren außer uns nur zwei Schweizer im Biwak. Die Nacht war dennoch unruhig, da der Sturm mächtig rüttelte. Gut, dass wir morgen in der Wand vor dem Westwind sicher sind.
    Zuletzt geändert von Jahn; 14.07.2009, 19:29.

  • #2
    AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

    Tag 2 - 11.7.2009

    Da der abnehmende Mond uns den Weg schien, konnten wir den Gletscher gegen 4 uhr ohne Stirnlampen queren. Die Sonne meldete sich dann auch bald.

    06 Morgen.JPG

    Die Wand gingen wir seilfrei an. Bester Trittfirn, anfangs noch nicht so steil. Über uns die Seracs. Die Spuren auf dem Gletscher lassen aber vermuten, dass der Eisschlag weiter links runter kommt. Beruhigend.

    07 Einstieg.JPG

    Ab der kleinen Felsinsel wurde es dann steiler. Jetzt ging es in luftigem Eis grade hoch.

    08 Wandmitte.JPG

    Das Eis wurde härter, die Wand steiler, meine Waden dicker. Die oberen 150m sind wir dann mit laufenden Zwischensicherungen (T-Blocs) am Seil gegangen. Eisschrauben ließen sich gut setzen.

    Entgegen der Originalroute von Erich Vanis querten wir nach rechts raus. Hier gab es einen guten Duchschlupf zwischen den Wächten.

    09 Ausstieg.JPG

    Kaum aus der Nordwand, griff der Höhensturm an. Ich weiß nicht, wie schnell der Wind war, vielleicht 80km/h. Allein der kurze Moment, den ich Markus nachsicherte - ließ mir die Fingerkuppen blau und steif werden. Ich hatte kurz Bedenken, dass ich mir was erfrieren werde. Langes Rumhängen am Gipfel war nicht drin. Trotzdem mussten wir noch einen Schlenker gehen, weil nicht sicher ist, welcher Punkt der höchste am Gipfel ist. Sch*** Sachzwang. Dabei ist das Fletschhorn grad so kein 4000er mehr, da kann es einem doch egal sein.

    10 Fletschhorn.JPG

    Markus wollte noch ein Abstecher über das Lagginhorn machen. Ich fühlte mich nicht mehr trittsicher genug. Glücklicherweise ließ er sich überzeugen.

    11 Gletscher.JPG

    Der Weg zur Weissmieshütte ist nicht ganz trivial. Man muss einen Schlenker nach Norden machen, um den Bruch des Fletschhorngletschers zu meiden.

    12 Abstieg.JPG

    Auf der Weissmieshütte war dann Schluss mit Ruhe. Hier hatten sich 200 Italiener eingefunden, um den Normalweg aufs Weissmies zu nehmen. Zum Glück durften wir in den Winterraum, wo nur die Jungmannschaft rumdöste.

    Kommentar


    • #3
      AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

      Tag 3 - 12.7.2009

      Den Weißmies sind wir dann Sonntags entspannt angegangen. Abmarsch 5 uhr. Bei der Kälte hatten wir kein Zeitdruck. Im Rückblick war das aber leichtfertig, denn es rückte eine Front von Westen an. Weiteres Getrödel wäre sicher nicht gefährlich geworden, hätte uns aber den Ausblick am Gipfel gekostet.

      13 Morgengrauen.JPG

      Auf dem Normalweg war die Monsterseilschaft zu sehen. Sehr lustig.

      14 Kollonne.JPG

      Ursprünglich wollten wir den Nordgrat des Weissmies machen. Das erschien uns aber zu lang und auch etwas ungut wegen des Sturmes. Wir hatten immerhin schon ein paar Hm auf dem Konto. Also stiegen wir über die Westflanke von P.3830 in den Grat ein. Da gibt es ein herrliches Couloir und man umgeht die Hauptschwierigkeiten. (Leicht rechts der Bildmitte)

      15 Rinne.JPG

      Auch hier wieder Traumverhältnisse. Fester Firn, obwohl jeweils ab frühem Nachmittag besonnt.

      16 Im Couloir.JPG

      Irgendwann war dann Schluss mit Stapfen. Es folgten vielleicht 100Hm Kletterei in mittelgutem Fels.

      17 Kletterei.JPG

      Mir ist jetzt erst aufgefallen, dass ich die Kamera wohl unbewusst nach rechts gekippt habe, um Markus etwas zu helfen.

      Der Grat selber ist ein unglaublicher Bruchhaufen. Es hat mich irgendwie an Jenga erinnert. Ich hab immer darauf gewartet, den Stein rauszutreten, der den ganzen Berg zum Einsturz bringt.

      18 Grat Jenga.JPG

      Wenn man sich nicht grad versteigt, ist der Grat leicht. Kurze IIer Stellen, oft sogar Gehgelände.

      19 Gratkletterei.JPG

      Ich war dennoch erstaunt, wie schwer ich mich tue, obwohl ich im Kalk fast vier Grade drüber klettere. Die Höhe macht viel aus. Und der Rucksack ist bei einer Doppelüberschreitung auch nicht grad leicht. Lerneffekt: ich muss noch kräftig trainieren, wenn ich so was mit entsprechender Sicherheitsreserve machen will.

      Im teils stark überwächteten Firngrat geht es dann weiter Richtung Gipfel. Bald wird der Grat harmloser und man erreicht den unspektakulären Gipfel.

      20 Firngrat.JPG

      Eine Dreierseilschaft war noch am Fotos machen. Sonst hat der Wind die Hundertschaften verscheucht, die wegen der 17m über der viertausender Marke hier hoch sind. (Verzeiht die Ironie. Tatsächlich war es ein italienischer Sektionsausflüg. Und es ist schon positiv zu werten, dass die eine solch große Truppe da zackig rauf und runter bringen.)

      21 Weissmies.JPG

      Der Abstieg folgt dem leichten Südgrat. Nach 150m wechselten wir auf das Firnfeld und rutschten auf dem Hosenboden die weiteren 600Hm bis zum Zwischenbergpass.

      22 Abstieg.JPG

      Dann ging es in einem langen Hatscher durchs Zwischenbergtal in Richtung Gondo. Das Tal ist wirklich traumhaft. Grün, lebendig und wild. Dennoch selten besucht.

      23 Zwischenbergtal.JPG

      Die schmerzhafte Wanderung in den steifen Bergstiefeln ist allemal einem Abstieg über Hütte oder gar Seilbahn vorzuziehen. Leider konnten wir die Überschreitung nicht gänzlich aus eigenen Kräften vollenden. Kaum an der ersten Fahrstrasse angelangt, haben wir den Daumen rausgehalten und uns weitere 20km Latscherei zu unserem Auto am Simplon erspart.

      Neben der tollen Eis- und Felskletterei, der fantastischen Natur und den Traumbedingungen hat mich vor allem faszinierend, dass man in drei vollen Tagen an der Weissmieskette so für sich sein kann - sieht man vom Hüttentrubel ab. Unterwegs trafen wir grad mal drei Seilschaften.

      Daten: So wie wir die Tour gemacht haben sind ungefähr 4500Hm und knapp 30km zu überwinden. Die steilsten Stellen im Eis liegen wohl kaum über 50°. Wenige IIer Kletterstellen am Weissmies. Die schweizer Bewertung ist ZS+ bzw ZS für die beiden Touren. Man kann alles seilfrei gehen. Wir haben im oberen Wandteil des Fletschhorn mehr aus einer Laune heraus gesichert, obwohl es eigentlich nicht schwieriger wurde.

      Eine gute Möglichkeit zu einer Rundtour wäre der Rückweg durchs Laggintal. Wir haben wegen tief hängender Wolken aber den Übergang am Tossenjoch nicht gefunden. Die Variante mit dem Autostopp hat uns aber einen Blick auf die beeindruckenden Wände um Gondo beschert. Das ist sicher ein Kletterparadies im oberen Schwierigkeitsgrad.

      Kommentar


      • #4
        AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

        wow, respekt für eure leistung, echt beeindruckend

        Kommentar


        • #5
          AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

          Alpinistisch, bildlich und sprachlich ganz toller Bericht!

          Der Abstieg vom Fletschhorn verläuft ja normalerweise nicht über das Fletschhornjoch sondern über die Westflanke. Ich wusste gar nicht, dass vom Fletschhornjoch überhaupt runter kommt. Hat sich da zuletzt etwas geändert?
          Gruß, Mathias

          Kommentar


          • #6
            AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

            Große Klasse! Danke für die schönen Bilder und den tollen Bericht! Ihr hattet ja tolle Verhältnisse; hoffentlich bleibts noch ein bissl so, denn nächste Woche wollen auch wir die Berge um Saas Fee heimsuchen...

            Wolle

            Kommentar


            • #7
              AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

              Am Samstag war ich auf dem Schinhorn im Oberaletschgebiet. Auf dem Hüttenzu- und abstieg haben wir natürlich das Fletschhorn und seine Nordwand gesehen. Die Erinnerungen an das Durchsteigen dieser Wand vor über zwanzig Jahren kamen auf...

              Herzliche Gratulation!
              Musst
              dein leben erfinden.
              Eine himmelstreppe.
              Tritt
              um tritt.

              Jos Nünlist

              Kommentar


              • #8
                AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                Erstmal danke für die Antworten.

                Zitat von Mathias Beitrag anzeigen
                Der Abstieg vom Fletschhorn verläuft ja normalerweise nicht über das Fletschhornjoch sondern über die Westflanke. Ich wusste gar nicht, dass vom Fletschhornjoch überhaupt runter kommt. Hat sich da zuletzt etwas geändert?
                Wir hatten den Plan mit dem Lagginhorn noch nicht ganz aufgegeben und sind deshalb den Schlenker gegangen. Ich glaube, dass es so auch schöner ist. Nur wird der Gletscher unten bei weiterer Ausaperung sicher recht gefährlich. Da muss man frühzeitig rechts rüber. Wir hatten neben dem ganzen anderen Geraffel auch noch den SAC Führer Walliser Alpen 5. Damit kann man super improvisieren, weil echt jeder erdenkliche Anstieg drin ist.

                Auf dem Normalweg über die W-Flanke kam wohl jemand hoch. Als wir noch in der Wand waren hat ein Hund (!) über die Wächte zu uns herab geschaut.

                Kommentar


                • #9
                  AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                  Schön mal wieder einen Bericht aus den Westalpen zu lesen. Dazu noch einen guter von einer nicht 0815 Tour.

                  Zitat von Jahn Beitrag anzeigen
                  Ich war dennoch erstaunt, wie schwer ich mich tue, obwohl ich im Kalk fast vier Grade drüber klettere. Die Höhe macht viel aus. Und der Rucksack ist bei einer Doppelüberschreitung auch nicht grad leicht. Lerneffekt: ich muss noch kräftig trainieren, wenn ich so was mit entsprechender Sicherheitsreserve machen will.
                  Ich weiß nicht wie viel du im Urgestein unterwegs bist. Bei mir war die erste Tour im Kalk nach langer Zeit eine große Umstellung und in Gelände, in dem ich im Abstieg normalerweise einfach hinablaufen kann, habe ich ganz schön lange gebraucht. Bei der zweiten, viel schwierigeren Tour auf den Zirmenkopf hatte ich keine solchen Probleme mehr.
                  "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

                  https://www.instagram.com/grandcapucin38/

                  Kommentar


                  • #10
                    AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung


                    Schöner, interessanter Bericht! Freu mich für euch, daß ihr diesem labilen Wetter so tolle Touren abringen konntet. Und träume weiter meinen Plan von diesem Dreigestirn...

                    LG

                    Kommentar


                    • #11
                      AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                      Gratuliere euch herzlich zu diesem traumhaften Programm
                      für diesen excellenten Bericht!

                      lG
                      Martin
                      Leuchtende Tage - nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen!

                      Kommentar


                      • #12
                        AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                        Ein sehr schöner Bericht Jahn. Gibt es die Frau im Zenbiwak noch?
                        Für schwindelerregende Aufgaben: www.seil-biggel.de - wieder online im neuen Gesicht!

                        Kommentar


                        • #13
                          AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                          Eine tolle Tour! Vielen Dank für den schönen Bericht!

                          lg der mario

                          Kommentar


                          • #14
                            AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                            Hallo Jahn,

                            Gratuliere zur tollen Tour und danke für die schönen Bilder.

                            Der Schnee ist ja ziemlich geschmolzen im letzten Monat. Am 30.5.09 sah es dort noch so aus:


                            Fletschhorn Nordw (118).JPG

                            Fletschhorn Nordw (59).JPG

                            Fletschhorn Nordw (93).JPG

                            PS: Wir sind wegen dem aufkommenden schlechten Wetters wieder über die Wand abgestiegen und hatten auch das Glück, dass wir mit leichtem Rucksack gehen konnten (Kocher und co. durften im Biwak bleiben) .
                            ________________________________
                            Don't dream your life - live your dream.
                            ________________________________

                            Kommentar


                            • #15
                              AW: Fletschhorn N-Wand / Weissmies Überschreitung

                              Gratuliere, tolle Touren habt ihr da gemacht!
                              ...a Tog ohne Bier is wia a Tog ohne Wein....
                              google online Album

                              Paul

                              Kommentar

                              Lädt...