Letztes Jahr im Oktober sind wir bereits in die Eigernordwand eingestiegen. Ich hatte schon am Vorabend Bauchschmerzen und Durchfall. Was ich als Nervosität abtat, entpuppte sich als ekelhafte Magen-Darmgrippe und wir mussten kurz vor dem Hinterstoisser Quergang umkehren, da ich immer schwächer wurde.
Dann dieses Jahr – endlich. Wir hatten Ferien und das Wetter war gut. Am 7. Oktober hatten wir im Hotel Eigernordwand ein Zimmer gebucht und wollten am Freitag in die Eiger Nordwand einsteigen. Wir assen in einem Restaurant in der Nähe zu Abend. Beim Hinuntergehen ins Hotel beobachten wir eine Heli-Rettung aus der Nordwand. Upps – was ist denn da passiert. Urs ging zum gelandeten Heli, um sich zu erkundigen. Es war ein Bergführer mit Gast – die beiden sprachen Französisch. Der Bergführer sprach mit einem Kollegen und schilderte die schlechten Verhältnisse – mit uns sprach er nicht. Doch der Gast war gesprächiger. Er erklärte uns, dass sie wegen schlechten Bedingungen umgekehrt seien. Der Schnee wäre zu weich gewesen und sie sind stark eingesunken. Wie zwei begossene, aber weitsichtige Pudel gingen wir zurück zum Hotel und beschlossen, das Vorhaben vorerst abzubrechen. Wenn das Wetter hielt, wollten wir am Dienstag einen erneuten Versuch starten.
Am 12. Oktober 2010 stiegen dann wir dann ein. Schon zu Beginn stellten wir fest, dass sich das Warten gelohnt hat – die Bedingungen waren genau so, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Es hatte viel Schnee und statt über lose Felsen ging’s über Trittschnee. Angekommen beim schwierigen Riss bestätigte sich dann unser gutes Gefühl. Es lief uns beiden besser als im letzten Jahr, obschon wir ihn diesmal mit Steigeisen und teils mit Eisgeräten kletterten.
1schwieriger Riss.JPG
Nach dem Stand ging es über Schneefelder nach links zu einem Riss. Dieser war kombiniert mit Schnee und Eis und exponiert. Nach einem weiteren Riss querten wir links rüber auf Schnee und Blankeis
2Hinterstoisser.JPG
zu Haken und Karabiner und mehreren Seilen, die nach links quer rüber hingen und realisierten, dass wir uns schon mitten im Hinterstoisser Quergang befanden. Wir hingen uns an einen Express
3Hinterstoisser.JPG
und gingen gleich weiter zum Schwalbennest, wo Urs Stand machte. Es hatte sogar Fixseile zum Schwalbennest hinauf.
Im Schwalbennest assen wir Käse und Co. und zogen uns leichter an. Weiter ging’s im Schnee auf und über das erste Schneefeld. Wir beschlossen, direkt über den Eisschlauch aufzusteigen zum zweiten Schneefeld. Dies war nun Eisfallklettern pur. Der Eisschlauch liess sich gut mit Eisschrauben absichern.
Das zweite Schneefeld hatte wiederum Trittschnee – super. Danach kam eine enge Verschneidung – kombiniertes Gelände mit Fels und Eis.
3bRiss vor Todesbiwak.JPG
Wir gingen weiter im Schnee, Eis und abdrängendem Fels und dann über das Schneefeld vom Bügeleisen rauf zum Todesbiwak. Wir waren schon früh da, beschlossen aber, trotzdem dort zu biwakieren und nicht weiter zu klettern. Wie sich herausstellte, war diese Entscheidung gut, denn es war bei weitem das bequemste Biwak in der ganzen Wand.
Im Todesbiwak angekommen richteten wir zuerst ein Geländerseil ein, damit wir uns frei bewegen konnten. Danach kochten wir Wasser für das Nachtessen. Wir assen Pasta bella Italia mit 2 Quicknoodles, einer Quicksoup und natürlich Proteinpulver. Das schmeckte wirklich gut – den nötigen Hunger brachten wir mit.
4Todesbiwak.JPG
Die Aussicht war fantastisch - der Sonnenuntergang grandios. Ich musste mir bei Nacht unbedingt noch die Lichter von Grindelwald ansehen. Es ist wirklich beeindruckend: Wir waren mitten in der Wand und die Zivilisation scheint so nah – ist aber in Wirklichkeit weiter entfernt. Wir konnten sogar schlafen… Am nächsten Morgen brauchte ich erstmals einen Kaffee (ja – darauf möchte ich nicht mal in einer solchen Wand verzichten) und wir assen eine grosse Portion Müesli. Während dem Frühstück kam Ueli Steck mit seinem Freund Bruno Schläppi vorbei. Sie waren in der Nacht gestartet, assen kurz einen Sportriegel und zogen dann weiter. Auf Ueli’s homepage lasen wir dann, dass sie die Wand in 5 Stunden und 3 Minuten durchsteigen haben – wow.
Wir starteten etwas später als geplant – um ca. 7:30 Uhr. Nach dem Todesbiwak querten wir noch kurz über das dritte Schneefeld und kamen dann zur Rampe. Hier holte uns eine weitere Seilschaft ein, die die Wand in einem Tag durchstieg. Urs war schon am vorsteigen und ich sagte dem Bergführer, wir würden ihn beim nächsten Stand vorlassen. In der Rampe ist es eng und man kann nur an den Ständen vernünftig überholen. Er meinte aber: „Warten bringt nichts“, hängte einen Express ein, stieg rücksichtslos über mich hinweg und gefährdete mich mit seiner Seilführung. Dann stieg er Urs nach. Der Gast entschuldigte sich für seinen Bergführer und ich half ihm, denn auch er musste wegen dem Bergführer über mich drüber steigen. Der Bergführer folgte Urs und ging zum Teil ohne Zwischensicherung. Wäre Urs gestürzt, er hätte beide in den Tod gerissen (zum Glück klettert Urs so gut und sicher ). Als Urs dann Stand gemacht hatte, konnte der Bergführer überholen und hat durch das Riskieren seines Lebens, des Lebens des Gastes und die Gefährdung von Urs und mir ganze 10 Minuten gespart. Lohnt sich denn so was? Für mich lautet die Antwort ganz klar: NEIN. Danach mussten wir nur noch die heruntersausenden Eisstücke ertragen, die die beiden vor uns auf uns runterliessen. Dann war endlich Ruhe…
Weiter ging’s im kombinierten Gelände an den Stand unterhalb des Wasserfallkamin. Dank Eiswülsten waren gute Hooks da und für die Steigeisen Trittchen in Eis und Fels, manchmal für nur einen Frontzacken.
5 Rampe.JPG
Im Riss befand sich der Stein, an welchem schon Stefan Siegrist in der Sendung Eiger Live eine Sicherung platzierte. Urs wusste sofort, dass dort ein guter Griff war.
Beim Kaminriss ging’s weiter zur Sache. Die Stelle nach dem Stand im linken Fels war recht anspruchsvoll und überhängend. Rechts vom Stand wäre auch eine Möglichkeit zum rauf steigen gewesen, wir wählten aber die linke Variante. Der Wasserfallkamin war vereist und es folgte Eiskletterei. Fels und Schnee wechselten sich ab, auf dem Weg aufs brüchige Band, wo eine aufgerollte Matte am Stand hing.
Der brüchige Riss war vereist und sehr anspruchsvoll. Es hatte diverse Schlingen, die Absicherung war aber alles andere als sturzfreundlich. Weiter oben gab’s einen Haken und dann ging’s links in eine abdrängende Passage mit eiskalten Griffen. Wir kletterten zum Teil ohne Gefühl in den Fingern und ohne zu spüren, was und ob die Finger halten – dies gibt kein gutes Gefühl beim klettern…
Der Götterquergang war spannend über Schnee und Fels. An einer kritischen kurzen Abstiegsstelle war sogar ein Fixseil da – Freude herrschte bei mir.
6Götterquergang.JPG
In der Spinne war zuerst alles blank, dann aber folgte wieder mal wunderbarer Trittschnee.
7Spinne.JPG
Nach der Spinne folgte wiederum kombiniertes Gelände durch eine Rinne – etwa drei Seillängen bis zum Stand unterhalb des Quarzrisses. Die Passagen wechselten sich ab von leichterem Gelände zu steileren Eispassagen.
Als wir vor dem Quarzriss standen, wussten wir, es wird nochmals richtig schwer und Absicherungen oder Absicherungsmöglichkeiten waren bis weit oben keine in Sicht – ein Ausrutscher hätte einen Bodensturz zur Folge gehabt. Der Riss war oben vereist. Mit dem Rücken an der rechten Seite des Risses und den Steigeisen an der zum Teil fast glatten Platte links arbeitete Urs sich an den kleinen Tittchen und Einbuchtungen hoch, bis er nach rechts queren konnte. Ein Hook mit dem Eisgerät in eine Eisplatte auf der rechten Rissseite, nach rechts rüber klettern und dann wieder an einer langen, roten Schlinge auf die linke Seite und da war dann die letzte schwierige Stelle geschafft – super! Über einen weiteren kleineren Riss kamen wir dann auf die Kanzel. Die Fixseile waren alle unter dem Eis versteckt. Dann kam wieder ein gemütlicherer Teil: eine Querung an Fixseilen. Diese Querung erinnerte uns an eine Tyrolienne.
Die Ausstiegskamine waren zuerst mit einer solideren, aber nassen Eisschicht bedeckt. Man sah auch schon, wie sich das Eis vom Fels löste, von der Wärme.
8Ausstiegsrisse.JPG
Die Eisschicht wurde dünner und dünner und forderte die Psyche nochmals heraus. Urs ging vor Ende des Kamins rechts eine kurze Eisrinne hinauf und dann im bequemen Trittschnee an einen Stand im Fels. Weiter ging’s dann im Trittschnee mit kurzen Blankeispassagen rauf an den Grat.
Da wir nicht in der Nacht absteigen wollten, biwakierten wir dort – gemeinsam mit zwei Finnen.
9Abendstimmung auf dem Eiger.JPG
Es war so kalt, dass ich schnell in den Schlafsack kroch. Urs baute eine Nische für den Kocher, da der Wind die Flamme sonst ausblies. Wir kochten Wasser, zuerst für die Mahlzeit, dann für Tee. In der Kälte und Höhe hatte der Jetboil etwa eine Stunde, um 7dl kochendes Wasser zu produzieren. Wir assen die Mahlzeit, hatten aber beide Mühe, den ganzen Pot aufzuessen. Urs stapfte noch einen grösseren Platz, damit auch er liegen konnte und kroch auch in den Schlafsack. In der Nacht wechselte der Wind die Richtung und wir waren nicht mehr im Windschatten. Der Wind zerrte an unseren Biwaksäcken und wir verschlossen sie so gut es ging. Wir froren beide die ganze Nacht (die Finnen übrigens auch), konnten aber vor Erschöpfung trotzdem schlafen.
Am nächsten Morgen warteten wir noch lange, bis die Sonne uns ein bisschen wärmte. Mit dem Wind frohren sofort die Hände ein und es war eine schwierige Angelegenheit, aus dem Schlafsack zu kriechen und ohne Gefühl in den Fingern die Schuhe zu binden. Beim Rucksack packen mussten wir alles festhalten, damit der Wind es nicht wegriss.
Der schmale Grat zum Gipfel führte nicht immer optimal über die Flanke sondern manchmal direkt auf der Gratschneide, was ein heikles Balancieren (bei dem Wind!) zur Folge hatte. In etwa einer Viertelstunde waren wir auf dem Gipfel und glücklich, unser Ziel erreicht zu haben. Die Erleichterung kam aber noch nicht, hatten wir doch noch den Abstieg vor uns.
Wir folgten beim Abstieg den Spuren. Diese führten nicht über die Felsen der Westflanke, sondern über Schnee- und Eisfelder, rechts (von oben her betrachtet) des Gletscherabbruchs vorbei. Wir gingen meistens über festgefroren Schnee, was das Laufen mühsam machte. Teils gingen wir seitlich, teils rückwärts – frontal war selten möglich. Aber das abwechseln war wichtig, da der Abstieg in dem festgefrorenen Schnee anstrengend war – aber immer noch besser als über die Felsen. Zuerst ging es eine steile harte Schneeflanke hinunter. Es wurde wärmer und wärmer und wir zogen schon bald die ersten Kleider aus. Als die Felsen nahten, gab es immer wieder Querungen um die Felsen herum. Teils musste im steilen Eis abgeklettert – einmal sogar eine kurze senkrechte Passage hinaufgeklettert werden. Es gab auch heikle Passagen im Fels mit einer inzwischen dünnen Eisschicht, in welcher kleine Trittchen und Hooks für die Eisgeräte rein zur Balance gefunden werden konnten. Danach ging es durch die Eisrinne des Gletscherabbruchs. Es folgten wieder Schneefelder. Am Schluss kamen wir auf einen Wanderweg mit Felspassagen und Fixseilen. Dort zogen wir die Steigeisen ab, machten eine Pause an der Sonne, erleichterten nochmals unsere Kleidung und packten den Gurt in den Rucksack. Wir waren beide glücklich und stolz, als wir bei der Station Eigergletscher angekommen waren – Geschafft!
Dann dieses Jahr – endlich. Wir hatten Ferien und das Wetter war gut. Am 7. Oktober hatten wir im Hotel Eigernordwand ein Zimmer gebucht und wollten am Freitag in die Eiger Nordwand einsteigen. Wir assen in einem Restaurant in der Nähe zu Abend. Beim Hinuntergehen ins Hotel beobachten wir eine Heli-Rettung aus der Nordwand. Upps – was ist denn da passiert. Urs ging zum gelandeten Heli, um sich zu erkundigen. Es war ein Bergführer mit Gast – die beiden sprachen Französisch. Der Bergführer sprach mit einem Kollegen und schilderte die schlechten Verhältnisse – mit uns sprach er nicht. Doch der Gast war gesprächiger. Er erklärte uns, dass sie wegen schlechten Bedingungen umgekehrt seien. Der Schnee wäre zu weich gewesen und sie sind stark eingesunken. Wie zwei begossene, aber weitsichtige Pudel gingen wir zurück zum Hotel und beschlossen, das Vorhaben vorerst abzubrechen. Wenn das Wetter hielt, wollten wir am Dienstag einen erneuten Versuch starten.
Am 12. Oktober 2010 stiegen dann wir dann ein. Schon zu Beginn stellten wir fest, dass sich das Warten gelohnt hat – die Bedingungen waren genau so, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Es hatte viel Schnee und statt über lose Felsen ging’s über Trittschnee. Angekommen beim schwierigen Riss bestätigte sich dann unser gutes Gefühl. Es lief uns beiden besser als im letzten Jahr, obschon wir ihn diesmal mit Steigeisen und teils mit Eisgeräten kletterten.
1schwieriger Riss.JPG
Nach dem Stand ging es über Schneefelder nach links zu einem Riss. Dieser war kombiniert mit Schnee und Eis und exponiert. Nach einem weiteren Riss querten wir links rüber auf Schnee und Blankeis
2Hinterstoisser.JPG
zu Haken und Karabiner und mehreren Seilen, die nach links quer rüber hingen und realisierten, dass wir uns schon mitten im Hinterstoisser Quergang befanden. Wir hingen uns an einen Express
3Hinterstoisser.JPG
und gingen gleich weiter zum Schwalbennest, wo Urs Stand machte. Es hatte sogar Fixseile zum Schwalbennest hinauf.
Im Schwalbennest assen wir Käse und Co. und zogen uns leichter an. Weiter ging’s im Schnee auf und über das erste Schneefeld. Wir beschlossen, direkt über den Eisschlauch aufzusteigen zum zweiten Schneefeld. Dies war nun Eisfallklettern pur. Der Eisschlauch liess sich gut mit Eisschrauben absichern.
Das zweite Schneefeld hatte wiederum Trittschnee – super. Danach kam eine enge Verschneidung – kombiniertes Gelände mit Fels und Eis.
3bRiss vor Todesbiwak.JPG
Wir gingen weiter im Schnee, Eis und abdrängendem Fels und dann über das Schneefeld vom Bügeleisen rauf zum Todesbiwak. Wir waren schon früh da, beschlossen aber, trotzdem dort zu biwakieren und nicht weiter zu klettern. Wie sich herausstellte, war diese Entscheidung gut, denn es war bei weitem das bequemste Biwak in der ganzen Wand.
Im Todesbiwak angekommen richteten wir zuerst ein Geländerseil ein, damit wir uns frei bewegen konnten. Danach kochten wir Wasser für das Nachtessen. Wir assen Pasta bella Italia mit 2 Quicknoodles, einer Quicksoup und natürlich Proteinpulver. Das schmeckte wirklich gut – den nötigen Hunger brachten wir mit.
4Todesbiwak.JPG
Die Aussicht war fantastisch - der Sonnenuntergang grandios. Ich musste mir bei Nacht unbedingt noch die Lichter von Grindelwald ansehen. Es ist wirklich beeindruckend: Wir waren mitten in der Wand und die Zivilisation scheint so nah – ist aber in Wirklichkeit weiter entfernt. Wir konnten sogar schlafen… Am nächsten Morgen brauchte ich erstmals einen Kaffee (ja – darauf möchte ich nicht mal in einer solchen Wand verzichten) und wir assen eine grosse Portion Müesli. Während dem Frühstück kam Ueli Steck mit seinem Freund Bruno Schläppi vorbei. Sie waren in der Nacht gestartet, assen kurz einen Sportriegel und zogen dann weiter. Auf Ueli’s homepage lasen wir dann, dass sie die Wand in 5 Stunden und 3 Minuten durchsteigen haben – wow.
Wir starteten etwas später als geplant – um ca. 7:30 Uhr. Nach dem Todesbiwak querten wir noch kurz über das dritte Schneefeld und kamen dann zur Rampe. Hier holte uns eine weitere Seilschaft ein, die die Wand in einem Tag durchstieg. Urs war schon am vorsteigen und ich sagte dem Bergführer, wir würden ihn beim nächsten Stand vorlassen. In der Rampe ist es eng und man kann nur an den Ständen vernünftig überholen. Er meinte aber: „Warten bringt nichts“, hängte einen Express ein, stieg rücksichtslos über mich hinweg und gefährdete mich mit seiner Seilführung. Dann stieg er Urs nach. Der Gast entschuldigte sich für seinen Bergführer und ich half ihm, denn auch er musste wegen dem Bergführer über mich drüber steigen. Der Bergführer folgte Urs und ging zum Teil ohne Zwischensicherung. Wäre Urs gestürzt, er hätte beide in den Tod gerissen (zum Glück klettert Urs so gut und sicher ). Als Urs dann Stand gemacht hatte, konnte der Bergführer überholen und hat durch das Riskieren seines Lebens, des Lebens des Gastes und die Gefährdung von Urs und mir ganze 10 Minuten gespart. Lohnt sich denn so was? Für mich lautet die Antwort ganz klar: NEIN. Danach mussten wir nur noch die heruntersausenden Eisstücke ertragen, die die beiden vor uns auf uns runterliessen. Dann war endlich Ruhe…
Weiter ging’s im kombinierten Gelände an den Stand unterhalb des Wasserfallkamin. Dank Eiswülsten waren gute Hooks da und für die Steigeisen Trittchen in Eis und Fels, manchmal für nur einen Frontzacken.
5 Rampe.JPG
Im Riss befand sich der Stein, an welchem schon Stefan Siegrist in der Sendung Eiger Live eine Sicherung platzierte. Urs wusste sofort, dass dort ein guter Griff war.
Beim Kaminriss ging’s weiter zur Sache. Die Stelle nach dem Stand im linken Fels war recht anspruchsvoll und überhängend. Rechts vom Stand wäre auch eine Möglichkeit zum rauf steigen gewesen, wir wählten aber die linke Variante. Der Wasserfallkamin war vereist und es folgte Eiskletterei. Fels und Schnee wechselten sich ab, auf dem Weg aufs brüchige Band, wo eine aufgerollte Matte am Stand hing.
Der brüchige Riss war vereist und sehr anspruchsvoll. Es hatte diverse Schlingen, die Absicherung war aber alles andere als sturzfreundlich. Weiter oben gab’s einen Haken und dann ging’s links in eine abdrängende Passage mit eiskalten Griffen. Wir kletterten zum Teil ohne Gefühl in den Fingern und ohne zu spüren, was und ob die Finger halten – dies gibt kein gutes Gefühl beim klettern…
Der Götterquergang war spannend über Schnee und Fels. An einer kritischen kurzen Abstiegsstelle war sogar ein Fixseil da – Freude herrschte bei mir.
6Götterquergang.JPG
In der Spinne war zuerst alles blank, dann aber folgte wieder mal wunderbarer Trittschnee.
7Spinne.JPG
Nach der Spinne folgte wiederum kombiniertes Gelände durch eine Rinne – etwa drei Seillängen bis zum Stand unterhalb des Quarzrisses. Die Passagen wechselten sich ab von leichterem Gelände zu steileren Eispassagen.
Als wir vor dem Quarzriss standen, wussten wir, es wird nochmals richtig schwer und Absicherungen oder Absicherungsmöglichkeiten waren bis weit oben keine in Sicht – ein Ausrutscher hätte einen Bodensturz zur Folge gehabt. Der Riss war oben vereist. Mit dem Rücken an der rechten Seite des Risses und den Steigeisen an der zum Teil fast glatten Platte links arbeitete Urs sich an den kleinen Tittchen und Einbuchtungen hoch, bis er nach rechts queren konnte. Ein Hook mit dem Eisgerät in eine Eisplatte auf der rechten Rissseite, nach rechts rüber klettern und dann wieder an einer langen, roten Schlinge auf die linke Seite und da war dann die letzte schwierige Stelle geschafft – super! Über einen weiteren kleineren Riss kamen wir dann auf die Kanzel. Die Fixseile waren alle unter dem Eis versteckt. Dann kam wieder ein gemütlicherer Teil: eine Querung an Fixseilen. Diese Querung erinnerte uns an eine Tyrolienne.
Die Ausstiegskamine waren zuerst mit einer solideren, aber nassen Eisschicht bedeckt. Man sah auch schon, wie sich das Eis vom Fels löste, von der Wärme.
8Ausstiegsrisse.JPG
Die Eisschicht wurde dünner und dünner und forderte die Psyche nochmals heraus. Urs ging vor Ende des Kamins rechts eine kurze Eisrinne hinauf und dann im bequemen Trittschnee an einen Stand im Fels. Weiter ging’s dann im Trittschnee mit kurzen Blankeispassagen rauf an den Grat.
Da wir nicht in der Nacht absteigen wollten, biwakierten wir dort – gemeinsam mit zwei Finnen.
9Abendstimmung auf dem Eiger.JPG
Es war so kalt, dass ich schnell in den Schlafsack kroch. Urs baute eine Nische für den Kocher, da der Wind die Flamme sonst ausblies. Wir kochten Wasser, zuerst für die Mahlzeit, dann für Tee. In der Kälte und Höhe hatte der Jetboil etwa eine Stunde, um 7dl kochendes Wasser zu produzieren. Wir assen die Mahlzeit, hatten aber beide Mühe, den ganzen Pot aufzuessen. Urs stapfte noch einen grösseren Platz, damit auch er liegen konnte und kroch auch in den Schlafsack. In der Nacht wechselte der Wind die Richtung und wir waren nicht mehr im Windschatten. Der Wind zerrte an unseren Biwaksäcken und wir verschlossen sie so gut es ging. Wir froren beide die ganze Nacht (die Finnen übrigens auch), konnten aber vor Erschöpfung trotzdem schlafen.
Am nächsten Morgen warteten wir noch lange, bis die Sonne uns ein bisschen wärmte. Mit dem Wind frohren sofort die Hände ein und es war eine schwierige Angelegenheit, aus dem Schlafsack zu kriechen und ohne Gefühl in den Fingern die Schuhe zu binden. Beim Rucksack packen mussten wir alles festhalten, damit der Wind es nicht wegriss.
Der schmale Grat zum Gipfel führte nicht immer optimal über die Flanke sondern manchmal direkt auf der Gratschneide, was ein heikles Balancieren (bei dem Wind!) zur Folge hatte. In etwa einer Viertelstunde waren wir auf dem Gipfel und glücklich, unser Ziel erreicht zu haben. Die Erleichterung kam aber noch nicht, hatten wir doch noch den Abstieg vor uns.
Wir folgten beim Abstieg den Spuren. Diese führten nicht über die Felsen der Westflanke, sondern über Schnee- und Eisfelder, rechts (von oben her betrachtet) des Gletscherabbruchs vorbei. Wir gingen meistens über festgefroren Schnee, was das Laufen mühsam machte. Teils gingen wir seitlich, teils rückwärts – frontal war selten möglich. Aber das abwechseln war wichtig, da der Abstieg in dem festgefrorenen Schnee anstrengend war – aber immer noch besser als über die Felsen. Zuerst ging es eine steile harte Schneeflanke hinunter. Es wurde wärmer und wärmer und wir zogen schon bald die ersten Kleider aus. Als die Felsen nahten, gab es immer wieder Querungen um die Felsen herum. Teils musste im steilen Eis abgeklettert – einmal sogar eine kurze senkrechte Passage hinaufgeklettert werden. Es gab auch heikle Passagen im Fels mit einer inzwischen dünnen Eisschicht, in welcher kleine Trittchen und Hooks für die Eisgeräte rein zur Balance gefunden werden konnten. Danach ging es durch die Eisrinne des Gletscherabbruchs. Es folgten wieder Schneefelder. Am Schluss kamen wir auf einen Wanderweg mit Felspassagen und Fixseilen. Dort zogen wir die Steigeisen ab, machten eine Pause an der Sonne, erleichterten nochmals unsere Kleidung und packten den Gurt in den Rucksack. Wir waren beide glücklich und stolz, als wir bei der Station Eigergletscher angekommen waren – Geschafft!
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