By fair means – Es sind die großen Worte des Bergsports, oft angereichert mit viel Pathos, welche nicht selten mit einer gehörigen Dosis Selbstbeweihräucherung einhergehen. Vielleicht wirken sie deshalb heute so befremdlich, wenn sie immer wieder in Überschriften und Beschreibungen von Bergbesteigungen auftauchen. Irgendjemand versucht sich und seine Leistung wieder wichtiger zu nehmen als nötig, indem er hervor hebt, dass er den technischen Verführungen der modernen (Berg-)Welt widerstanden und es sich im Gegenzug schwerer als nötig gemacht hat. Was die meisten dafür übrig haben? Ein müdes Lächeln. Chapeau!
Doch was heißt in der heutigen Zeit eigentlich „fair“ und was bringt es uns, einen Berg möglichst „fair“ zu besteigen? Über kaum einen Begriff gehen die Meinungen derart weit auseinander. Für die meisten ist es der Verzicht gegenüber der Nutzung von Seilbahnen, Zahnradbahnen oder von sonstigen Liften, die den Gipfelaufstieg verkürzen bzw. vereinfachen. Das Besteigen des Berges aus eigener Kraft heraus ist die Devise. Der Begriff kann aber auch noch konsequenter ausgelegt werden. So müsste eine faire Besteigung vom Fuß des Berges beginnen und nicht am höchstgelegenen Parkplatz. Und überhaupt: Die Anreise müsste auch fair erfolgen – zu Fuß oder zumindest mit dem Rad. Am Berg dann dürften keine modernen Hütten genutzt werden, das Essen müsste selbst transportiert werden und wem ein Biwak zu ungemütlich ist, der muss halt ein Zelt hinauf schleppen. Ganz radikale Meinungen gehen so weit, dass folglich auch die Benutzung von Drahtseilen, Klammern, Trittstiften, Eisenleitern und –ketten nicht dem fairen Charakter entspricht. Diesem Verständnis folgend hätten der Liongrat am Matterhorn oder der Dent du Geant sicherlich deutlich weniger Besteigungen pro Jahr vorzuweisen und die Watzmannüberschreitung wäre wohl anspruchsvoller als der Jubigrat.
Wie weit „by fair means“ ausgelegt wird, ist subjektiv und folglich von dem Einzelnen selbst abhängig. Letztens habe ich einen Bericht gelesen, da wurde von „by fair means“ gesprochen, weil bei der Besteigung des Piz Bernina (via Biancograt) auf die 7km lange Kutschfahrt durch das Val Roseg sowie den Abstieg via Seilbahn von der Diavolezza verzichtet wurde. Hm…
Trotz aller Mehrdeutigkeit und semantischen Aushöhlung des Begriffs haben auch wir bei unseren Bergtouren das Credo verinnerlicht, die Besteigungen möglichst fair anzugehen. Das hat aber weniger mit der Außenwirkung des Unterfangens zu tun, als mit dem Wunsch, die Bergwelt und insbesondere die Gipfelbesteigung mit all ihren Facetten zu erfahren. Kaum etwas ist befriedigender, als nach unzähligen Strapazen an einem hohen Gipfel zu stehen und den Blick hinunter ins Tal mit dem Bewusstsein schweifen zu lassen, sich von ganz dort unten mit den eigenen Füßen hinauf gekämpft zu haben. Der Verzicht auf Nutzung der vorhandenen Hütten mit ihrem entsprechenden Luxus und stattdessen der Transport von Behausung und Nahrungsmitteln auf dem eigenen Rücken machen dieses Gefühl nur noch intensiver. Die Flexibilität, Individualität und das Gefühl von einem „Abenteuer“ bilden die Krönung des Ganzen.
Doch nicht immer steckt man diese zusätzlichen Beschwerlichkeiten locker weg. Was auf dem Papier noch ganz gut machbar aussieht, entwickelt sich in der Realität am Berg oft zur schonungslosen Konditionsprüfung und nicht selten zur vollendeten Tortur. Dies ist gerade in den Westalpen der Fall, wo die Berge höher sind, die Zustiege länger und die Touren einen ticken schwieriger. Doch genau da trieb es uns nun wieder hin – Knapp eine Woche Schinderei wartete auf uns…
Als Richard und ich am Sonntagmittag (04.09.), zwei Tage nach meiner vorerst letzten Examensprüfung, von Sachsen bzw. Thüringen gen Süden aufbrachen, waren die ersten Ziele klar im Visier. Von der italienischen Seite sollte es zunächst auf Pollux und Castor gehen, welche den Test für die geplante Liskamm-Überschreitung darstellen würden. Uns stand ein ambitioniertes Unterfangen bevor, welches wir abends auf dem großen Sankt Bernhard Pass in unserem Auto ganz traditionell mit einer Flasche Rotwein begossen. Dieses kleine Ritual hatte sich bisher immer als gutes Omen erwiesen.
Am nächsten Morgen ging es weiter nach San Giacomo (1690m), von wo der knapp 6h lange Aufstieg zum Rifugio d’Ayas mit seinen knapp 1800hm beginnen sollte. Am örtlichen Parkplatz trafen wir auf eine 3er Seilschaft Rumänen, die den gleichen Plan hatte wie wir. In einem kurzen Austausch ergab sich, dass sie mit ihrer 20stündigen Fahrt unsere knapp 12h lange Anreise doch noch deutlich in den Schatten stellten. Trotz dieser langen Zeit im Auto war in Anbetracht des langen Zustieges die Motivation zum Aufbruch auf beiden Seiten verhältnismäßig gering. Unsere dicken Rucksäcke taten ihr übriges. Wir hatten geplant, uns essenstechnisch fünf volle Tage selbst zu versorgen. Die daran gebundene Entscheidung, dieses Mal dafür zumindest auf Zelt, Isomatte und Schlafsack zu verzichten, wirkte sich auf das Rucksackgewicht überraschend wenig aus. Aber es nutzte alles nichts, fast pünktlich zur Mittagszeit ging es dann endlich los.
Unser Aufstieg wurde von Beginn an von einer Mischung von Wind, Sonnenschein und Regen begleitet, auch wenn sich der Regen mit zunehmendem Höhengewinn merklich durchsetzte.
Der Blick Richtung Gletscher sowie zum Rifugio Mezzalama (3036m) und Rifugio d’Ayas (3425m).
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Als wir an der Mezzalama ankamen, stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass die Hütte entgegen zahlreiche Warnungen zwar unbewirtschaftet, aber offen war. Im dunklen und kühlen Aufenthaltungsraum versuchten wir gemeinsam mit zwei anderen Seilschaften unsere durchnässte Kleidung ein wenig zu trocknen. Der Blick hinaus verriet nichts Gutes.
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In Anbetracht des unaufhörlichen Regens kam schnell der Gedanke auf, hier die Nacht zu verbringen. Da wir am kommenden Tag ohnehin „nur“ den Pollux auf dem Programm hatten und anschließend zum Bivacco Rossi e Volante absteigen wollten, würden die gut 400hm extra auch kein allzu großes Hindernis darstellen. Gesagt getan. Während die anderen zeitnah wieder in die Nässe hinaus mussten, um pünktlich zum Abendbrot auf der d’Ayas einzutreffen, machten wir es uns bei Tee und Nudeln häuslich bequem. Im Verlauf des Abends gesellten sich noch die Rumänen dazu sowie eine Dreiergruppe Polen, was die Gemütlichkeit aber nicht einschränkte.
Der kommende Morgen begann früh. Während die anderen beiden Seilschaften noch keine Anzeichen machten aufzustehen, verließen wir gegen 4.30Uhr als erste die Hütte und steuerten im Schein unserer Stirnlampen auf die d’Ayas zu. Mit dem Sonnenaufgang erreichten wir ihre Terrasse und reihten uns wenig später in die menschliche Kolonne Richtung Pollux und Castor ein.
Über teils offene Spalten und bisweilen dünne Schneebrücken ging es weiter über den Verra Gletscher hinauf zum Zwillingsjoch.
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Die meisten anderen Bergsteiger vor uns zweigten nach rechts Richtung Castor ab, sodass wir am Einstieg zum Südwestgrat plötzlich nur noch eine Seilschaft vor uns hatten.
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Aufgrund des blanken Zustandes ließen wir die Firnrinne links liegen und stiegen direkt in den Felsgrat ein. Hier machte sich der Niederschlag der vergangenen zwei Tage schon früh bemerkbar. Im kombinierten Ier und IIer Gelände ging es am laufenden Seil nach oben, teils wurde uns die Kletterei durch unliebsame Vereisungen erschwert. Mit der üblichen Bewertung PD hatte das Ganze nicht mehr wirklich viel gemein. Wir kamen dennoch ganz gut vorwärts und erreichten bald die markante Platte, die zunächst gequert wird und nach der es anschließend nochmal (mit der Hilfe fixierter Eisenketten) 15m senkrecht nach oben geht.
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Dort wartete dann bereits der Vorgipfel mit seiner Madonna.
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Mittels eines breiten Firngrates wurden wir die letzten gut 100hm zum kleinen Gipfelplateau geführt.
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Dort hatten wir dann den Gipfel ganz für uns allein. Da das Wetter heute so gut mitspielte, hatten wir eine ausgezeichnete Sicht auf die umliegenden Riesen des Wallis.
Direkt gegenüber breiteten sich Nordend, Dufourspitze, Zumsteinspitze, die beiden Gipfel des Liskamms sowie die Schneedomspitze vor uns aus.
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Auf der anderen Seite stach der Gran Paradiso heraus und der Blick reichte bis in unseren 2400hm niedriger gelegenen Talrot San Giacomo.
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Genauso schön, aber doch etwas weniger einladend, die teils doch sehr blanke Westflanke des Castor. Bis dahin waren es noch beinah 24 Stunden hin.
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Der starke Wind nötigte uns bald wieder zum Abstieg. Nun machte sich auch die Höhe durch einsetzende Kopfschmerzen bemerkbar und zu allem Überfluss war es ab der Madonna mit der Ruhe schlagartig vorbei. Von unten drängten mehrere Seilschaften gleichzeitig nebeneinander (gefühlt übereinander) nach oben. Während wir uns zum Abseilen vorbereiteten, schloss von hinten ein Bergführer mit seinen beiden Klienten direkt zu uns auf, welche uns am Firngrat eben noch entgegen gekommen waren und die gefühlt nur 1 Minuten am Gipfel verweilt haben dürften. Um hier nicht im Stau zu versauern hieß es Beeilung. Der Tumult in diesem Nadelöhr war wirklich nicht mehr schön. Wir hatten uns beide noch nicht einmal die erste Seillänge vollständig abgeseilt, da kamen von oben schon die Konturen des nächsten angerauscht. Während ich abseilte, versuchten andere (teils überforderte) Bergsteiger, sich an unserem Seil die senkrechte Wand hochzuziehen. Anschließend konnten wir es nicht abziehen, da irgendjemand weiter oben mit seinen Steigeisen darauf stand. Um weiteren Stress zu vermeiden, ließen wir den drängelnden Bergführer hinter uns mit seinen beiden Kunden überholen. 15 Minuten später war es dann endlich wieder ruhiger.
Doch was heißt in der heutigen Zeit eigentlich „fair“ und was bringt es uns, einen Berg möglichst „fair“ zu besteigen? Über kaum einen Begriff gehen die Meinungen derart weit auseinander. Für die meisten ist es der Verzicht gegenüber der Nutzung von Seilbahnen, Zahnradbahnen oder von sonstigen Liften, die den Gipfelaufstieg verkürzen bzw. vereinfachen. Das Besteigen des Berges aus eigener Kraft heraus ist die Devise. Der Begriff kann aber auch noch konsequenter ausgelegt werden. So müsste eine faire Besteigung vom Fuß des Berges beginnen und nicht am höchstgelegenen Parkplatz. Und überhaupt: Die Anreise müsste auch fair erfolgen – zu Fuß oder zumindest mit dem Rad. Am Berg dann dürften keine modernen Hütten genutzt werden, das Essen müsste selbst transportiert werden und wem ein Biwak zu ungemütlich ist, der muss halt ein Zelt hinauf schleppen. Ganz radikale Meinungen gehen so weit, dass folglich auch die Benutzung von Drahtseilen, Klammern, Trittstiften, Eisenleitern und –ketten nicht dem fairen Charakter entspricht. Diesem Verständnis folgend hätten der Liongrat am Matterhorn oder der Dent du Geant sicherlich deutlich weniger Besteigungen pro Jahr vorzuweisen und die Watzmannüberschreitung wäre wohl anspruchsvoller als der Jubigrat.
Wie weit „by fair means“ ausgelegt wird, ist subjektiv und folglich von dem Einzelnen selbst abhängig. Letztens habe ich einen Bericht gelesen, da wurde von „by fair means“ gesprochen, weil bei der Besteigung des Piz Bernina (via Biancograt) auf die 7km lange Kutschfahrt durch das Val Roseg sowie den Abstieg via Seilbahn von der Diavolezza verzichtet wurde. Hm…
Trotz aller Mehrdeutigkeit und semantischen Aushöhlung des Begriffs haben auch wir bei unseren Bergtouren das Credo verinnerlicht, die Besteigungen möglichst fair anzugehen. Das hat aber weniger mit der Außenwirkung des Unterfangens zu tun, als mit dem Wunsch, die Bergwelt und insbesondere die Gipfelbesteigung mit all ihren Facetten zu erfahren. Kaum etwas ist befriedigender, als nach unzähligen Strapazen an einem hohen Gipfel zu stehen und den Blick hinunter ins Tal mit dem Bewusstsein schweifen zu lassen, sich von ganz dort unten mit den eigenen Füßen hinauf gekämpft zu haben. Der Verzicht auf Nutzung der vorhandenen Hütten mit ihrem entsprechenden Luxus und stattdessen der Transport von Behausung und Nahrungsmitteln auf dem eigenen Rücken machen dieses Gefühl nur noch intensiver. Die Flexibilität, Individualität und das Gefühl von einem „Abenteuer“ bilden die Krönung des Ganzen.
Doch nicht immer steckt man diese zusätzlichen Beschwerlichkeiten locker weg. Was auf dem Papier noch ganz gut machbar aussieht, entwickelt sich in der Realität am Berg oft zur schonungslosen Konditionsprüfung und nicht selten zur vollendeten Tortur. Dies ist gerade in den Westalpen der Fall, wo die Berge höher sind, die Zustiege länger und die Touren einen ticken schwieriger. Doch genau da trieb es uns nun wieder hin – Knapp eine Woche Schinderei wartete auf uns…
Als Richard und ich am Sonntagmittag (04.09.), zwei Tage nach meiner vorerst letzten Examensprüfung, von Sachsen bzw. Thüringen gen Süden aufbrachen, waren die ersten Ziele klar im Visier. Von der italienischen Seite sollte es zunächst auf Pollux und Castor gehen, welche den Test für die geplante Liskamm-Überschreitung darstellen würden. Uns stand ein ambitioniertes Unterfangen bevor, welches wir abends auf dem großen Sankt Bernhard Pass in unserem Auto ganz traditionell mit einer Flasche Rotwein begossen. Dieses kleine Ritual hatte sich bisher immer als gutes Omen erwiesen.
Am nächsten Morgen ging es weiter nach San Giacomo (1690m), von wo der knapp 6h lange Aufstieg zum Rifugio d’Ayas mit seinen knapp 1800hm beginnen sollte. Am örtlichen Parkplatz trafen wir auf eine 3er Seilschaft Rumänen, die den gleichen Plan hatte wie wir. In einem kurzen Austausch ergab sich, dass sie mit ihrer 20stündigen Fahrt unsere knapp 12h lange Anreise doch noch deutlich in den Schatten stellten. Trotz dieser langen Zeit im Auto war in Anbetracht des langen Zustieges die Motivation zum Aufbruch auf beiden Seiten verhältnismäßig gering. Unsere dicken Rucksäcke taten ihr übriges. Wir hatten geplant, uns essenstechnisch fünf volle Tage selbst zu versorgen. Die daran gebundene Entscheidung, dieses Mal dafür zumindest auf Zelt, Isomatte und Schlafsack zu verzichten, wirkte sich auf das Rucksackgewicht überraschend wenig aus. Aber es nutzte alles nichts, fast pünktlich zur Mittagszeit ging es dann endlich los.
Unser Aufstieg wurde von Beginn an von einer Mischung von Wind, Sonnenschein und Regen begleitet, auch wenn sich der Regen mit zunehmendem Höhengewinn merklich durchsetzte.
Der Blick Richtung Gletscher sowie zum Rifugio Mezzalama (3036m) und Rifugio d’Ayas (3425m).
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Als wir an der Mezzalama ankamen, stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass die Hütte entgegen zahlreiche Warnungen zwar unbewirtschaftet, aber offen war. Im dunklen und kühlen Aufenthaltungsraum versuchten wir gemeinsam mit zwei anderen Seilschaften unsere durchnässte Kleidung ein wenig zu trocknen. Der Blick hinaus verriet nichts Gutes.
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In Anbetracht des unaufhörlichen Regens kam schnell der Gedanke auf, hier die Nacht zu verbringen. Da wir am kommenden Tag ohnehin „nur“ den Pollux auf dem Programm hatten und anschließend zum Bivacco Rossi e Volante absteigen wollten, würden die gut 400hm extra auch kein allzu großes Hindernis darstellen. Gesagt getan. Während die anderen zeitnah wieder in die Nässe hinaus mussten, um pünktlich zum Abendbrot auf der d’Ayas einzutreffen, machten wir es uns bei Tee und Nudeln häuslich bequem. Im Verlauf des Abends gesellten sich noch die Rumänen dazu sowie eine Dreiergruppe Polen, was die Gemütlichkeit aber nicht einschränkte.
Der kommende Morgen begann früh. Während die anderen beiden Seilschaften noch keine Anzeichen machten aufzustehen, verließen wir gegen 4.30Uhr als erste die Hütte und steuerten im Schein unserer Stirnlampen auf die d’Ayas zu. Mit dem Sonnenaufgang erreichten wir ihre Terrasse und reihten uns wenig später in die menschliche Kolonne Richtung Pollux und Castor ein.
Über teils offene Spalten und bisweilen dünne Schneebrücken ging es weiter über den Verra Gletscher hinauf zum Zwillingsjoch.
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Die meisten anderen Bergsteiger vor uns zweigten nach rechts Richtung Castor ab, sodass wir am Einstieg zum Südwestgrat plötzlich nur noch eine Seilschaft vor uns hatten.
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Aufgrund des blanken Zustandes ließen wir die Firnrinne links liegen und stiegen direkt in den Felsgrat ein. Hier machte sich der Niederschlag der vergangenen zwei Tage schon früh bemerkbar. Im kombinierten Ier und IIer Gelände ging es am laufenden Seil nach oben, teils wurde uns die Kletterei durch unliebsame Vereisungen erschwert. Mit der üblichen Bewertung PD hatte das Ganze nicht mehr wirklich viel gemein. Wir kamen dennoch ganz gut vorwärts und erreichten bald die markante Platte, die zunächst gequert wird und nach der es anschließend nochmal (mit der Hilfe fixierter Eisenketten) 15m senkrecht nach oben geht.
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Dort wartete dann bereits der Vorgipfel mit seiner Madonna.
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Mittels eines breiten Firngrates wurden wir die letzten gut 100hm zum kleinen Gipfelplateau geführt.
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Dort hatten wir dann den Gipfel ganz für uns allein. Da das Wetter heute so gut mitspielte, hatten wir eine ausgezeichnete Sicht auf die umliegenden Riesen des Wallis.
Direkt gegenüber breiteten sich Nordend, Dufourspitze, Zumsteinspitze, die beiden Gipfel des Liskamms sowie die Schneedomspitze vor uns aus.
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Auf der anderen Seite stach der Gran Paradiso heraus und der Blick reichte bis in unseren 2400hm niedriger gelegenen Talrot San Giacomo.
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Genauso schön, aber doch etwas weniger einladend, die teils doch sehr blanke Westflanke des Castor. Bis dahin waren es noch beinah 24 Stunden hin.
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Der starke Wind nötigte uns bald wieder zum Abstieg. Nun machte sich auch die Höhe durch einsetzende Kopfschmerzen bemerkbar und zu allem Überfluss war es ab der Madonna mit der Ruhe schlagartig vorbei. Von unten drängten mehrere Seilschaften gleichzeitig nebeneinander (gefühlt übereinander) nach oben. Während wir uns zum Abseilen vorbereiteten, schloss von hinten ein Bergführer mit seinen beiden Klienten direkt zu uns auf, welche uns am Firngrat eben noch entgegen gekommen waren und die gefühlt nur 1 Minuten am Gipfel verweilt haben dürften. Um hier nicht im Stau zu versauern hieß es Beeilung. Der Tumult in diesem Nadelöhr war wirklich nicht mehr schön. Wir hatten uns beide noch nicht einmal die erste Seillänge vollständig abgeseilt, da kamen von oben schon die Konturen des nächsten angerauscht. Während ich abseilte, versuchten andere (teils überforderte) Bergsteiger, sich an unserem Seil die senkrechte Wand hochzuziehen. Anschließend konnten wir es nicht abziehen, da irgendjemand weiter oben mit seinen Steigeisen darauf stand. Um weiteren Stress zu vermeiden, ließen wir den drängelnden Bergführer hinter uns mit seinen beiden Kunden überholen. 15 Minuten später war es dann endlich wieder ruhiger.
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