"Astrid, Glocknerwetter is!", jubelt Heinz in mein Handy, als er am Dienstag, 4. 8. gegen Mittag von Lienz aus anruft.
Ich glaube ihm kein Wort, schaue ich doch aus meinem Fenster in eine Regenwand!
In Lienz scheint die Sonne, also packe ich meinen Rucksack und nur wenig später fahren Kurt und ich nach Lienz und mit Heinz weiter zum Lucknerhaus, von dem aus wir noch am Abend auf die Stüdlhütte aufsteigen.
Unterwegs stoßenwir auf die Überreste der Riesenlawine, über die wir bei unserem Glockneranstieg mit den Tourenschiern im April gefahren sind.
Noch immer zieht bei dem Gedanken an diese Lawine Gänsehaut auf!
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siehe auch http://www.gipfeltreffen.at/showthre...46784#poststop
Das Wetter am nächsten Morgen ist so, wie Heinz es gesagt hat: Bestes Glocknerwetter!
Aber die Verhältnisse erinnern eher ans Frühjahr - anders hat es bei unserer Schitour im April auch nicht ausgesehen!
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Frischer Schnee liegt auf dem Gletscher - und auch im Stüdlgrat, über das wir heute zum Gipfel aufsteigen wollen.
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Beim Einstieg ins Grat stehen wir hinter einer Gruppe junger tschechischer Bergsteiger, die der Situation ganz offensichtlich nicht gewachsen sind!
Nach einer knappen Stunde, die sie für die erste Seillänge brauchen das erste Unglück: Der Letzte der Gruppe stürzt ins Seil, mit Steigeisen voraus, haarscharf an Heinz' Kopf vorbei kommt er knapp neben Heinz' Füßen zum Liegen!
Ich steige zu Heinz und sehe, dass die Felsen nicht nur schneebedeckt, sondern auch mit einer Eisschicht überzogen sind, sie wirken wie kandiert!
Nach nur wenigen Sätzen sind wir uns einig: Die Kombination Eis und Schnee mit den extrem langsamen und ungeübten Tschechen bedeutet zu viel Gefahr und zu viel Zeitverlust!
Wir kehren um.
Als wir am Luisengrat noch einmal in die Wand zurück schauen ist die tschechische Gruppe noch immer an der selben Stelle - nach 1 1/2 Std.!
Ein weiteres Mal noch stürzt der Tscheche ab, steigt aber trotzdem weiter!
Wir beschließen zur Adlersruhe aufzusteigen.
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im Hintergrund Großer Venediger
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Um uns den Umweg zu ersparen seilen wir uns zum Ködnitzkees ab.
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Selbst im Klettersteig unterhalb der Adlersruhe liegt noch Schnee.
Bei der Adlersruhe diskutieren wir:
Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang am Gipfel?
Die Entscheidung fällt zugunsten des Sonnenunterganges, und wir beschließen, erst spät nachmittags auf den Gipfel zu steigen.
(Eine weise Entscheidung, wie sich später herausstellt, sind doch heute zahlreiche Gipfelstürmer unterwegs, es kommt an der Scharte sogar zu bösen Streitereien!)
Der weitere Aufstieg bietet herrliche Blicke in die umliegenden Berge!
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Wiesbachhorn
Selbst so spät am Nachmittag herrscht ein Getümmel und Gewusel zwischen Leitl und Kleinglockner!
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Glocknerscharte
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Am Gipfel sind wir aber fast allein! Es ist windstill und sehr warm, der Rundumblick ist einfach grandios!
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Großer Venediger in der Abendsonne
Beim Abstieg begegnen wir einer Gruppe, die übers Stüdlgrat aufgestiegen sind. Sie berichten über weitere Komplikationen und große Zeitverluste mit der tschechischen Gruppe! Zusätzlich herrschen im Grat derzeit Verhältnisse, die an eine Winterbesteigung erinnern.
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Zurück bei der Adlersruhe erleben wir einen fantastischen Sonnenuntergang! Im Westen taucht die Abendsonne die Berge in rotes Licht, im Osten steht der Vollmond!
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Beim Abstieg zurück zur Stüdlhütte leuchtet uns der Vollmond den Weg, wir brauchen nicht einmal eine Stirnlampe!
Wir nächtigen in der überbelegten Stüdlhütte. Diejenigen, die keinen Schlafplatz mehr ergattert haben liegen in ihren Schlafsäcken am Gang, wir haben es uns im Winterraum bequem gemacht und verbringen dort weit angenehmer die Nacht.
Als wir am nächsten Morgen absteigen ist wiederum bestes Gipfelwetter, und neuerlich streben Gipfelaspiranten den Berg hinauf...
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Nach diesem Glocknererlebnis steht für mich fest:
Die Entscheidung, nicht hinter den Tschechen weiter gestiegen zu sein war die einzig Richtige.
Der späte Nachmittag am Gipfel war für mich die schönste Sommer-Glockner-Gipfelerfahrung, noch nie hatte ich bisher im Sommer so tolles Glockner-Gipfelwetter, und die Abendstimmung beim Abstieg war ein Erlebnis für sich!
Aber ein weiteres Mal steht für mich fest: Ein Aufstieg auf den Gipfel über den Normalweg an einem Sommer-Sonnentag bedeutet großen Nerven- und Zeitverlust, ich bleibe also dabei: Mit Schiern ist der Glockner zehnmal schöner zu erklimmen!
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