Harter Ritt auf das Dach der Welt
Zu Fuß auf den Mount Everest? Haben Hunderte gemacht. Mit dem Zug durch Tibet? Ist auch nichts Ungewöhnliches mehr. Die neuen Herausforderungen im Himalaja sind anderer Art: Hartgesottene Radler strampeln 1200 Kilometer weit durch die abgelegene Bergwelt. Ein Teilnehmer berichtet.
Kaum eine Wolke verdeckt den Himmel, und die Aussicht lässt sämtliche Strapazen von 30 Kilometern Bergauf-Strampeln in dünner Höhenluft vergessen. Ehrfürchtig halten 13 Radfahrer auf dem Pang-La-Pass in 5200 Meter Höhe an, um den Blick über den Hauptkamm des Himalaja mit den Achttausendern Everest, Lohtse, Makalu und Cho Oyu schweifen zu lassen.
"Dieser Anblick ist schon extrem beeindruckend, das war für mich der Höhepunkt der Tour", sagt Eberhard Schöbitz, einer der Teilnehmer einer zweiwöchigen Transhimalaja-Radtour im Oktober. Die Route führt von Lhasa über Gyantse und Shigatse nach Kathmandu, insgesamt 1200 Kilometer und 12.000 Höhenmeter über Pässe und Täler müssen die Radler bewältigen.
Für Anfänger ist das nichts. "Erstklassige Kondition und voller Einsatz" werden schon im Reiseprospekt von den Teilnehmern erwartet. "Man sitzt da sechs bis sieben Stunden täglich im Sattel, und das zwei Wochen hintereinander - das muss der Hintern aushalten", sagt Schöbitz, der vorher bei ausgedehnten Touren wie der Transalpinroute Erfahrung im Sattel sammelte.
Strafrunde im Besenwagen
Doch vor allem die Höhe macht den Teilnehmern zu schaffen - trotz monatelanger Vorbereitung und einer Woche Aklimatisierung in Lhasa ringen manche bei den Anstiegen schnell um Luft. "Wer nicht mehr kann, kommt in den Besenwagen", sagt Schöbitz leicht spöttisch - schließlich musste er selbst keine Strafrunde drehen. Der "Besenwagen" ist das Begleitfahrzeug, das Wohn- und Toilettenzelte sowie Gepäck und Kochgeschirr transportiert.
Auch wenn Touristen im Himalaja kein allzu seltener Anblick mehr sind - die Einheimischen sind neugierig und beobachten in den kleinen Dörfern jeden Schritt der campierenden Fahrer mit ihren glänzenden Hightech-Rädern. "Die haben ein ganz anderes Sozialverhalten als Europäer, sie setzten sich vors Zelt, während wir aßen oder uns umzogen - für die waren wir einfach was Besonderes", sagt Schöbitz. Bei gemeinsamen Abenden mit Buttertee und Bier ist Kommunikation meist nur über Zeichensprache möglich - allenfalls die Mönche in Klöstern und vereinzelte Souvenirjacken-Verkäufer sprechen Englisch.
Zum Glück hat die Gruppe einen tibetanischen Koch dabei, der auf Märkten nach den besten Waren sucht - Yakfleisch, Reis, Eier und Porridge stehen auf dem Speiseplan, vor einem Passanstieg ist jeder Tourteilnehmer froh über kalorienreiche Stärkung. "Die Märkte dort erfüllen nicht unbedingt die Hygienestandards, die wir gewohnt sind, aber gebraten war das Essen ganz okay", sagt Schöbitz.
Wenige Autos stören die Radler auf ihrer Tour. Sobald sie das Umland von Lhasa verlassen haben, begegnen ihnen noch etwa zehn Kraftfahrzeuge pro Tag. Viele der Schotterpisten sind so uneben, dass kaum ein Autofahrer freiwillig dort fahren würde, auch den Armen der Radfahrer setzt der unebene, wellblechartig geformte Boden zu.
Ohne Reifen in der Felswüste
Das größte Abenteuer erlebt Schöbitz jedoch nicht im Sattel, sondern bei einer Autofahrt. Mit seinem Begleiter Karsten Xander ist er am Everest Base Camp noch einen Tag länger in dem mit Yakfladen beheizten Großzelt namens "Yeti Hotel" geblieben, um morgens zu dem 5800 Meter hoch gelegenen vorgezogenen Basislager zu laufen. Von dort startete der Abenteurer George Mallory im Jahr 1924 zu seiner erfolglosen Gipfeltour, auch heute machen Expeditionen hier Halt.
Im gecharterten Jeep wollen Schöbitz und Xander nach der achtstündigen Tour die Gruppe einholen, doch mitten in der Wüste gibt es eine Knall - der Reifen ist geplatzt. Die zwei Ersatzreifen im Kofferraum haben ebenfalls keine Luft, und so stellen sie sich auf eine Nacht in der Wüste ein - ohne Gelegenheit, mit der Gruppe zu kommunizieren, denn öffentliche Telefone gibt es nur entlang der Hauptstraße.
Schöbitz und Xander finden sich mit ihrem Schicksal ab. "Immerhin hatten wir Schlafsäcke dabei und genügend zu trinken." Um Mitternacht schließlich kommt wie durch ein Wunder ein anderes Fahrzeug vorbei, das noch einen Ersatzreifen hat, und um drei Uhr nachts erreichen die beiden Nachzügler die besorgte Gruppe.
Ein besonderer Reiz Tibets ist die Weite der Landschaft - manchmal können die Reisenden 50 Kilometer weit in alle Richtungen blicken, ohne Spuren von Menschen zu entdecken. Nur gelegentlich taucht am Horizont ein vereinzeltes Dörfchen oder ein Yak auf.
Gegen Ende der Tour erwartet die erschöpften Teilnehmer auf dem Thong-La-Pass, der auf 5200 Metern Höhe Tibet von Nepal trennt, ein ähnlich großes Glücksgefühl wie beim Blick auf die vier Achttausender ein paar Tage vorher. Denn von hier kündigt die Landkarte eine Riesenabfahrt in wärmere Gefilde an, die auf 150 Kilometern ins über 4500 Höhenmeter tiefer gelegene Dolalghat führt. So erleben die Rad-Abenteurer auf ihrer Tour nicht nur den höchsten Berg, sondern auch die längste Downhillstrecke der Welt.
Quelle: spiegel.de
Zu Fuß auf den Mount Everest? Haben Hunderte gemacht. Mit dem Zug durch Tibet? Ist auch nichts Ungewöhnliches mehr. Die neuen Herausforderungen im Himalaja sind anderer Art: Hartgesottene Radler strampeln 1200 Kilometer weit durch die abgelegene Bergwelt. Ein Teilnehmer berichtet.
Kaum eine Wolke verdeckt den Himmel, und die Aussicht lässt sämtliche Strapazen von 30 Kilometern Bergauf-Strampeln in dünner Höhenluft vergessen. Ehrfürchtig halten 13 Radfahrer auf dem Pang-La-Pass in 5200 Meter Höhe an, um den Blick über den Hauptkamm des Himalaja mit den Achttausendern Everest, Lohtse, Makalu und Cho Oyu schweifen zu lassen.
"Dieser Anblick ist schon extrem beeindruckend, das war für mich der Höhepunkt der Tour", sagt Eberhard Schöbitz, einer der Teilnehmer einer zweiwöchigen Transhimalaja-Radtour im Oktober. Die Route führt von Lhasa über Gyantse und Shigatse nach Kathmandu, insgesamt 1200 Kilometer und 12.000 Höhenmeter über Pässe und Täler müssen die Radler bewältigen.
Für Anfänger ist das nichts. "Erstklassige Kondition und voller Einsatz" werden schon im Reiseprospekt von den Teilnehmern erwartet. "Man sitzt da sechs bis sieben Stunden täglich im Sattel, und das zwei Wochen hintereinander - das muss der Hintern aushalten", sagt Schöbitz, der vorher bei ausgedehnten Touren wie der Transalpinroute Erfahrung im Sattel sammelte.
Strafrunde im Besenwagen
Doch vor allem die Höhe macht den Teilnehmern zu schaffen - trotz monatelanger Vorbereitung und einer Woche Aklimatisierung in Lhasa ringen manche bei den Anstiegen schnell um Luft. "Wer nicht mehr kann, kommt in den Besenwagen", sagt Schöbitz leicht spöttisch - schließlich musste er selbst keine Strafrunde drehen. Der "Besenwagen" ist das Begleitfahrzeug, das Wohn- und Toilettenzelte sowie Gepäck und Kochgeschirr transportiert.
Auch wenn Touristen im Himalaja kein allzu seltener Anblick mehr sind - die Einheimischen sind neugierig und beobachten in den kleinen Dörfern jeden Schritt der campierenden Fahrer mit ihren glänzenden Hightech-Rädern. "Die haben ein ganz anderes Sozialverhalten als Europäer, sie setzten sich vors Zelt, während wir aßen oder uns umzogen - für die waren wir einfach was Besonderes", sagt Schöbitz. Bei gemeinsamen Abenden mit Buttertee und Bier ist Kommunikation meist nur über Zeichensprache möglich - allenfalls die Mönche in Klöstern und vereinzelte Souvenirjacken-Verkäufer sprechen Englisch.
Zum Glück hat die Gruppe einen tibetanischen Koch dabei, der auf Märkten nach den besten Waren sucht - Yakfleisch, Reis, Eier und Porridge stehen auf dem Speiseplan, vor einem Passanstieg ist jeder Tourteilnehmer froh über kalorienreiche Stärkung. "Die Märkte dort erfüllen nicht unbedingt die Hygienestandards, die wir gewohnt sind, aber gebraten war das Essen ganz okay", sagt Schöbitz.
Wenige Autos stören die Radler auf ihrer Tour. Sobald sie das Umland von Lhasa verlassen haben, begegnen ihnen noch etwa zehn Kraftfahrzeuge pro Tag. Viele der Schotterpisten sind so uneben, dass kaum ein Autofahrer freiwillig dort fahren würde, auch den Armen der Radfahrer setzt der unebene, wellblechartig geformte Boden zu.
Ohne Reifen in der Felswüste
Das größte Abenteuer erlebt Schöbitz jedoch nicht im Sattel, sondern bei einer Autofahrt. Mit seinem Begleiter Karsten Xander ist er am Everest Base Camp noch einen Tag länger in dem mit Yakfladen beheizten Großzelt namens "Yeti Hotel" geblieben, um morgens zu dem 5800 Meter hoch gelegenen vorgezogenen Basislager zu laufen. Von dort startete der Abenteurer George Mallory im Jahr 1924 zu seiner erfolglosen Gipfeltour, auch heute machen Expeditionen hier Halt.
Im gecharterten Jeep wollen Schöbitz und Xander nach der achtstündigen Tour die Gruppe einholen, doch mitten in der Wüste gibt es eine Knall - der Reifen ist geplatzt. Die zwei Ersatzreifen im Kofferraum haben ebenfalls keine Luft, und so stellen sie sich auf eine Nacht in der Wüste ein - ohne Gelegenheit, mit der Gruppe zu kommunizieren, denn öffentliche Telefone gibt es nur entlang der Hauptstraße.
Schöbitz und Xander finden sich mit ihrem Schicksal ab. "Immerhin hatten wir Schlafsäcke dabei und genügend zu trinken." Um Mitternacht schließlich kommt wie durch ein Wunder ein anderes Fahrzeug vorbei, das noch einen Ersatzreifen hat, und um drei Uhr nachts erreichen die beiden Nachzügler die besorgte Gruppe.
Ein besonderer Reiz Tibets ist die Weite der Landschaft - manchmal können die Reisenden 50 Kilometer weit in alle Richtungen blicken, ohne Spuren von Menschen zu entdecken. Nur gelegentlich taucht am Horizont ein vereinzeltes Dörfchen oder ein Yak auf.
Gegen Ende der Tour erwartet die erschöpften Teilnehmer auf dem Thong-La-Pass, der auf 5200 Metern Höhe Tibet von Nepal trennt, ein ähnlich großes Glücksgefühl wie beim Blick auf die vier Achttausender ein paar Tage vorher. Denn von hier kündigt die Landkarte eine Riesenabfahrt in wärmere Gefilde an, die auf 150 Kilometern ins über 4500 Höhenmeter tiefer gelegene Dolalghat führt. So erleben die Rad-Abenteurer auf ihrer Tour nicht nur den höchsten Berg, sondern auch die längste Downhillstrecke der Welt.
Quelle: spiegel.de
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