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Mangart (2677m) über Via Italiana, Abstieg Slovenska Pot, 12.-13.9.1987 (ein Nostalgiebericht)

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  • Mangart (2677m) über Via Italiana, Abstieg Slovenska Pot, 12.-13.9.1987 (ein Nostalgiebericht)

    Prolog:

    Für Oktober 1987 hatten mein Freund Herbert und ich eine Reise nach Indien und Nepal geplant; unter anderem wollten wir dort den Everest Trek von Lukla bis zum Base Camp gehen. Um dafür zu trainieren, machten wir vorher noch einige Bergtouren. Eine davon war der Mangart, ausgehend von den Weißenfelser Seen (Laghi di Fusine). Der Plan war, über den Italienischen Klettersteig aufzusteigen, am Gipfel zu übernachten und am nächsten Tag über den Slowenischen Klettersteig sowie die Lahnscharte abzusteigen.

    ----------

    Wir fuhren also Freitag Nachmittag bis zum oberen Weißenfelser See (Lago die Fusine superiore, 928m) und schlugen dort unser Zelt auf. Ein idyllischer Platz, der Blick auf die Mangart Nordwand ist phantastisch. Eigentlich hätten wir nur die Natur genießen und uns früh schlafen legen können, doch der Abend war noch jung, wir waren durstig, und so düsten wir noch schnell nach Tarvis hinunter. Eine Bar war bald gefunden, die Kellnerin war hübsch, aus einem Bier wurden mehrere (es können auch ein paar Cynar dabei gewesen sein) und es wurde spät.

    Ein wenig verkatert schälten wir uns am nächsten Morgen aus den Schlafsäcken. Angesichts des vor uns liegenden Aufstiegs (immerhin 1750 hm), des schweren Gepäcks (Herbert hatte sogar eine Flasche Wein mit) und unseres Zustands beschlichen uns leise Zweifel ob unseres Vorhabens. Doch nach einem guten Frühstück und einer kalten Gesichtswäsche kehrten die Lebensgeister langsam wieder zurück und wir legten los.

    Eine Schotterstraße führt leicht ansteigend durch den Wald in den Talhintergrund. Zum Bivacco Nogara, bei dem der Klettersteig beginnt, muss man sich dann eher rechts halten. Wir folgten der Straße ohne viel nachzudenken, sie war bequem und gerade richtig zum Eingehen. So drifteten wir immer weiter nach links ab, zunächst ohne es zu bemerken. Die Abzweigung hatten wir längst verpasst. Zu unserem Erstaunen landeten wir schließlich bei der Zacchi-Hütte (1380m) unterhalb der Ponza.

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    Es half nichts, wir mussten 3 km hinüber auf die andere Seite des Talkessels. Also zuerst wieder ein Stück absteigen, dann eine lange Querung über die Schutthalden unter den Nordwänden. Als wir endlich auf den richtigen Zustiegsweg trafen, waren wir mehr als gut aufgewärmt und der letzte Rest des Katers war verflogen. Nach einem steileren Anstieg erreichten wir das Bivacco Nogara (1920m).

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    Die Via ferrata Italiana beginnt nach weiteren 100 Höhenmetern. Ich kann mich dunkel an eine Engstelle gleich am Anfang erinnern, wo man sich durchzwängen musste. Der Klettersteig ist durchwegs steil und oben sehr ausgesetzt, technisch aber nicht übermäßig schwer. Die Sicherungen waren damals alt, aber noch einigermaßen brauchbar. In den 2000er-Jahren wurde ihr Zustand dann immer schlechter und der Steig wurde schließlich gesperrt, bis er 2009 saniert und wieder eröffnet wurde (siehe auch hier).

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    Wie man aber auf diesem Foto sieht, waren schon 1987 abschnittsweise neue Seile zusätzlich zu den alten angebracht.

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    Die ausgesetzteste Stelle ist die „Nase“ im oberen Teil.

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    Man beachte, wie wir uns damals gesichert haben: nur mit Brustgurt plus Bandschlinge. Klettersteigsets hatten wir noch nicht.

    006.jpg


    Hier dürften wir die Nase schon hinter uns haben (ob die Reihenfolge der Fotos chronologisch stimmt, kann ich nicht garantieren).

    007.jpg


    Plötzlich konnten wir - nur wenige Meter entfernt - über die Plateaukante schauen, der Steig geht aber nach links weiter. Im Hintergrund der Piccolo Mangart.

    008.jpg


    Blick in die Gegenrichtung

    009.jpg


    Uns war vorher nicht bewusst, dass der Klettersteig nicht direkt auf den Gipfel führt, sondern schon nach 400 hm endet und unterhalb der Leichenbretter in den Normalweg einmündet. Auf die Idee, über den Slowenischen Klettersteig weiterzugehen, kamen wir nicht; der war fix für den Abstieg eingeplant. Außerdem wussten wir gar nicht genau, wo er beginnt. So war ich über den Schlussanstieg am Normalweg, der in einer weit nach Osten ausholenden Schleife zum Gipfel leitet, nicht besonders begeistert, auch wenn die Ausblicke - allen voran zum Jalovec hinüber - toll waren. Wir waren beide froh, als wir endlich oben ankamen.

    Ich weiß nicht mehr, wie lange wir da gesessen sind, uns ausgeruht und die Aussicht genossen haben. Jedenfalls wurde es langsam Abend und wir beratschlagten, wie wir die Nacht verbringen wollten.

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    (Links im Bild Wischberg und Montasch)


    Der Gedanke, hier oben das Zelt aufzustellen, behagte mir immer weniger. Wenig Platz, steiniger Untergrund, Wind und Wetter ausgesetzt… es waren zwar keine Gewitter angekündigt, aber man weiß ja nie. Schließlich konnte ich Herbert davon überzeugen, dass es besser wäre, noch zum Plateau abzusteigen und in der Nähe der Mangarthütte (Koča na Mangrtskem sedlu, 1906m) zu zelten. Also gingen wir beim letzten Tageslicht über den Slowenischen Klettersteig hinunter. Davon existieren leider keine Fotos, ich habe aber in Erinnerung, dass es teilweise recht steil-schottrig war und man sehr aufpassen musste.

    Wir fanden einen netten Zeltplatz in der Wiese, nicht ganz bei der Hütte, aber doch so in der Nähe, dass wir noch auf ein, zwei Bier hinübergehen konnten. Um wieder zum Zelt zurückzufinden, bauten wir ein paar Steinmandln. Wunderschön war es dann, den über die Silhouette des Mangart wandernden Mond zu beobachten.

    So bot sich unser Nachtquartier Sonntag Früh dar:

    011.jpg


    Ausblick Richtung WSW:

    Ganz links Rombon, dann Jerebica (Cima del Lago), rechts dahinter das Canin-Massiv; mittig der Pass Sella Nevea; rechts das Wischberg-Massiv und ganz rechts dahinter der Montasch

    012.jpg


    Nach einem kurzen Anstieg zur Lahnscharte (Forcella della Lavina, 2055m) liefen wir das Valle della Lavina hinunter. Das war insofern noch spannend, als es da vor kurzem einen Felssturz gegeben haben musste; es lagen sichtlich frisch ausgebrochene Felsbrocken herum, alles war mit Staub bedeckt und man hörte es aus den Flanken rieseln. Mit einem mulmigen Gefühl, immer wieder zurückschauend, brachten wir die Strecke so schnell wie möglich hinter uns. Unten im Wald konnten wir uns dann entspannen, und beim See gönnten wir uns in der Bar Ai Sette Nani einen Imbiss und - man glaubt es kaum - ein Bier

    014.jpg

    ----------

    Epilog:

    Der Everest-Trek Ende Oktober 1987 war dann wirklich traumhaft. Und auf den Mangart kam ich Jahre später noch ein zweites Mal, 2012 ganz gemütlich über den Normalweg vom Parkplatz der Mangartstraße aus.
    Zuletzt geändert von maxrax; 07.09.2023, 16:01.

  • #2
    No sehr lässig! Aber auch ganz schön alkoholisch, möchte ich sagen. Und ihr beide als Jungs - genial!
    Zu seiner Milbe sagt der Milber:
    "Geh bitte, schenk mir einen Zahn aus Silber.
    Damit ich, wenn im Haargewurl
    ich beißen möchte, hab kan Gsturl!"

    Kommentar


    • #3
      Toller Nostalgie-Bericht.

      Erinnert mich auch an so manche Tour in meinen Jugendtagen, wo man noch sehr unbekümmert und strotzend vor Kraft und Unternehmungsgeist, oft mit improvisiertem Equipment an die Sachen rangegangen ist.

      Hab heuer auch raufgeschaut von den Laghi di Fusine.

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      • #4
        Zitat von Graograman Beitrag anzeigen

        Erinnert mich auch an so manche Tour in meinen Jugendtagen, wo man noch sehr unbekümmert und strotzend vor Kraft und Unternehmungsgeist, oft mit improvisiertem Equipment an die Sachen rangegangen ist.

        Tja. Dem kann ich mich nur anschließen.
        Da hat sich so Einiges geändert.

        Ein schöner Bericht!

        ++m

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        • #5
          Schöner Retrobericht - das Equipment von Seinerzeit ist heute wirklich bemerkenswert!
          Dort oben biwakieren wollt ich übrigens auch vor einiger Zeit, bis mir gesagt wurde das die Slowenen im NP total streng dagegen vorgehen...
          Die Via Italiana schaut super aus, und die Sicherungen erinnern ein wenig an den Königsschusswandsteig vor der unlängstigen Sanierung.
          Zuletzt geändert von Gamsi; 17.09.2023, 23:46.
          carpe diem!
          www.instagram.com/bildervondraussen/

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          • #6
            Mah schön, 1987 war auch ich noch mit einer "kratzenden" Knicker und Socken unterwegs.

            Schaut ganz schön steil aus, der Klettersteig.

            LG, Günter
            Meine Touren in Europa

            Nicht was wir erleben, sondern wie wir es empfinden, macht unser Schicksal aus.
            (Marie von Ebner-Eschenbach)

            Kommentar


            • #7
              sehr sehr feiner Bericht 1987 ... da konnte ich grad mal gehen so irgendwie

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              • #8
                Toller Bericht ! 87 hab ich immerhin schon maturiert...und meine erste Reise war die Maturareise 2 Tage im Zug Bach Athen

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                • #9
                  Nostalgische Berichte, wie dieser hier wecken Erinnerungen. Danke maxrax! Ich war noch nicht am Mangart!
                  Aber diesen August, knapp nach Ferragosto sollte es doch passen.
                  Gemütlich fahren wir vom Faakersee von unserm Quartier los, einmal weg von den vielen Leuten dort.
                  Ein wenig in die Berge gehen, wo es nicht ganz so warm ist steht am Programm!
                  Den vierthöchsten in den Julischen mit kurzem Zustieg haben wir ausgewählt.
                  Von Tarvis zum Predilpass fahren wir sorgenfrei, aber danach ändert sich spontan die Situation.
                  Bei der Kreuzung (Abzweigung der Mautstraße) sind schon sehr viele Mitbewerber und warten auf ein Freizeichen zum Hinauffahren. Normalerweise verzichtet man in solchen Situationen eher und sucht nicht so bekannte Ziele aus. Einige Leute begannen zu Fuß die Mautstraße hinauf zu gehen, andere bemühen sich um eine Mitfahrgelegenheit. Nach einer Stunde Wartezeit können wir endlich losfahren und nach einem Kilometer fahrt wird schon eine zu Berg gehende Passantin in unser Auto geholt. Bis auf eine beanspruchte, stark riechende Kupplung sind wir oben gut angekommen und haben noch eine kleine Parkmöglichkeit ergattert. Wir haben uns nicht gut vorbereitet auf diesen Berg, aber ich hatte die Berichte von DieIris und diesen hier von maxrax in Erinnerung.
                  Aber, dass dann so viele Leute unterwegs sind hat uns etwas überrascht. Richtung Gipfel den Normalweg konnte man gut einsehen und so gingen wir bald am kleinen Mangart vorbei und sahen links draußen in den Felsen einen Klettersteig (Italienischer Weg)?
                  Wir gingen den Steig zum slowenischen Weg entlang, als aber ein paar Donner hörbar waren, reagierte meine Frau und sagte: Ich geh nicht weiter, schon gar nicht diesen Klettersteig und schon gar nicht ohne Steigset!
                  Wir waren uns einig und so ging es unter den Felswänden wieder Richtung zum Normalweg hinauf.
                  Nach einiger Zeit haben wir den Gipfel erreicht und es war niemand vor Ort, ist sicher selten so um die Mittagszeit, der Aufenthalt war wegen der unsicheren Wetterlage jedoch kurz. Es gab während unseres Abstieges schon einige Regentropfen die wurden von vielen noch hinaufgehenden Leuten scheinbar gar nicht beachtet.
                  Und weil es beim Hinunterfahren auf der Mautstraße Nass wurde, haben wir halt ein paar Straßenwanderer mitgenommen. Sie wollten genauso bis zum Berggipfel kommen wie wir, aber mit fast tausend Höhenmeter Straßenzustieg.

                  Wie sich dieses Gewitter am Mangart entwickelte haben wir nicht mehr beobachtet.

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                  • #10
                    Zuerst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die voriges Jahr auf meine kleine Nostalgiegeschichte geantwortet haben. Hätte ich längst tun können - Asche auf mein Haupt.

                    Und zu Bergmaxi: Im Ferragosto ist natürlich immer viel los, aber dass man eine Stunde auf die Auffahrt warten muss ist schon erstaunlich. Im August 2012 bei meiner zweiten Mangart-Besteigung war das überhaupt kein Problem.
                    Schön, dass ihr den Gipfel doch noch geschafft habt. Ich wollte heuer auch wieder hinauf, aber daraus ist nichts geworden.
                    Und ja, der Klettersteig, den man vom Normalweg aus links in der Wand sieht, ist die Via Italiana.
                    Zuletzt geändert von maxrax; 21.08.2024, 10:05.

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                    • #11
                      ...Hätte ich längst tun können...
                      So bin ich zum Glück auch noch auf diesen Bericht aufmerksam geworden . Fantastisch, mir gefallen diese Nostalgieberichte wie z.B. auch vom tauernfuchs sehr.

                      Da das natürlich noch lange vor dem großen Klettersteig-Boom war und wohl eher nur die welche gingen, die dem auch wirklich gewachsen waren, gab es vermutlich eher weniger Stürze in die Sicherungen, aber möchte nicht wissen, wie das ausgeht, wenn man da vielleicht auch noch kurz vorm Umhängepunkt reinkracht (da kracht wohl mehr als nur der Aufprall am Fels). Dafür hat man halt heute das durch den Bandfalldämpfer verringerte Verletzungsrisiko durch meist unzählige Eisenstifte wieder ausgeglichen

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                      • #12
                        Zitat von Hard85 Beitrag anzeigen
                        …aber möchte nicht wissen, wie das ausgeht, wenn man da vielleicht auch noch kurz vorm Umhängepunkt reinkracht
                        Das hab ich mir damals natürlich auch schon gedacht, und deshalb hab ich am „Mori-Steig“ (ungefähr zur gleichen Zeit) kurz nach dem Einstieg umgedreht.
                        Zwei Jahre später bin ich ihn dann gegangen, zwar immer noch ohne Falldämpfer, aber immerhin mit Brust- und Sitzgurt.
                        https://www.gipfeltreffen.at/forum/g...-413#post49978

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                        • #13
                          Phantastisch diese Nostalgieberichte , da kommen Erinnerungen hoch von meinen Touren ab 1980. Das waren noch Abenteuer,meist auch oft riskant und mit zerfledderten Landkarten und mit geringer Dias-Ausbeute.
                          Schön war es allemal!

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