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Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

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  • Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

    1.650 Höhenmeter, 20 Kilometer Wegstrecke


    Eine Uhr, die durch Sonnenkraft, mehr Freud als müdes Leiden schafft

    06:00:00 Das nächtliche Konzert verstummt langsam. Einige wenige Tenortöne aus den Nasenflügeln bilden das Grande Finale. Der Wecker klingelt. Nun ist man kein Prinz mehr, der mit hinaufgezogenen Hosenbeinen durch seinen Geldspeicher watet. Es ist ein typischer Wecker, der mit den schrillen Tönen vor einem weiteren Tag in der kuriosen Welt des Alltags warnt. Einer der mehr Wutprobe, als Hilfestellung ist. Ein Wecker, der sagt: "Komm hoch, mein Freund, dich erwarten heute Probleme, Zerreißproben und Kaffee." Müde trottet man in's Badezimmer. Richtig wach wird man erst beim Blick in den Spiegel. Es dauert ein bisschen bis das Bild, das im Glas reflektiert, zugeordnet werden kann. Die Angst ein grässliches Fabelwesen, hätte es in der Nacht in die Wohnung geschafft, verfliegt aber erfahrungsgemäß wieder. Das Frühstück wird vom klingelnden Telefon zum Business-Meeting umfunktioniert und mit ein paar kräftigen Schlägen auf den Rücken hat man auch das morgendliche Croissant wieder aus der Luftröhre geklopft, das man verschluckt hat, während man essen und reden gleichzeitig wollte. Der Motor des Autos klingt wie das Bellen eines Wachhundes, doch auch diese letzte Warnung vor dem Einbruch in die Gewohnheit, muss man ignorieren. Die Bürotür öffnet sich, die Playboy-Hasen des Vorgesetzten lachen nackig vom Poster, das über dem Schreibtisch hängt, während der Chef selbst den engen Rock der Sekretärin lobt. Der Alltag beginnt....


    07:00:00 ...nicht heute. Denn just in diesem Moment tauchen wir durch die nächtlichen Nebelschleier, die sich über dem Almsee bei Grünau gebildet haben. Nur einen Tag, nachdem ich vom Traunstein abgestiegen bin, auf dem wir unser 24-Stunden-Projekt erfolgreich in die Tat umsetzen konnten, will ich mir alpine Entschleunigung gönnen. Und wie könnte das besser gehen, als mit einem Familienausflug! Die Familie besteht allerdings heute nicht aus Blutsverwandten, sondern aus einer buntgemischten Bergtruppe. Gemeinsam mit Evergreen Hans, der Schönwetterprinzessin Veronika und ihrem königlichen Berater Manfred und dem ruhigen Braunbären Roman starten wir in die Röll.



    Es gilt die vier Kilometer Zustieg zum Sepp-Huber-Steig zu absolvieren, ohne vor Langeweile einzuschlafen. Immer wieder aber gibt die Baumlandschaft einen Blick auf die Riesen des Toten Gebirges frei und so können wir uns auch auf den breiten Forststraßen auf einen schönen Tag freuen.
    Unser Ziel ist heute die Almtaler Sonnenuhr, die einzigen Zeiger, die die Zeit nicht voranschreiten lassen und stoische Ruhe bewahren. Der Sepp-Huber-Steig, der auf den Röllsattel (1.680m) führt, ist mit Leitern und Seilen versichert (A) und kann durchaus auch mit abwechslungsreicher Landschaft aufwarten.



    08:00:00 Kurz bevor man den Röllsattel erreicht, sollte man sehr wachsam sein. Mit Adleraugen gilt es die Umgebung zu inspizieren, denn Steinmänner leiten hier vom Weg ab. Was dann kommt, kann man nur schwer beschreiben. Einen richtigen oder falschen Weg zum Neunerkogel, unserem ersten Ziel gibt es nämlich nicht. Über Rinnen, scharfen Fels, schottrigen Untergrund und Latschen bewegen wir uns nach Westen.



    Über wunderbare Platten können wir unserem Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Es gilt hier eigentlich nur: der Nase und dem Spürsinn nach, denn der Weg ist das Ziel.





    Steht man direkt vor dem letzten Aufschwung zum Neunerkogel kann man sich entscheiden: Entweder man nimmt die direkte Variante, oder man versucht sich links über Platten (I). Kleiner Tipp: Die Platten sind famos!





    09:00:00 Eine kurze Kletterstelle versüßt die ohnehin schon wolhschmeckende Traunstein-Nachspeise und schon stehen wir auf einem schrofigen Sattel. Von dort sind es nur noch 40 Höhenmeter nach links zum kleinen Holzkreuz, das den unscheinbaren Latschengupf ziert. Auch das Gipfelbuch wurde liebevoll gestaltet, so wie es sich für einen Bergsteiger mit einem gewissen Hang zum Exotischen gehört. Stefan Fischereder aus Vorchdorf (hier bei uns Edlbauer) ist den Zeigern im Juli 2013 nachgegangen und hat die Sonnenuhr gut bestückt. Die Zeiger zeigen auf 09.00 Uhr. Wir befinden uns am Gipfel des 1.904 Meter hohen Neunerkogels. Viele finden sich hier nicht ein, um Raum und Zeit zu entfliehen. Zu lukullisch lockt die Pühringerhütte in diesem Gebiet.





    Kurz pausiert, müssen wir den geeigneten Abstiegsweg finden. Auch hier gilt es: find your own way! Markierungsfans und Wanderwegfreunde sollten von dieser Unternehmung Abstand halten, denn beides gibt es trotz Uhrzeigersinn nicht ansatzweise. Manchmal liegen etwas verloren Steinmänner in der Gegend herum, kämpfen vergebens an der Wegfindungsfront. Dafür entschädigen alpines Gelände, sagenhafte Ausblicke und garantierte Einsamkeit für die Mühen.



    Der Zehnerkogel ist nicht weit entfernt und wird über ein wahres Plattenparadies erreicht. Zuerst gilt es aber in eine Scharte abzuklettern. Die Schwierigkeit überschreitet nie den ersten Grad, die Bergfahrt kann also getrost auch von Wanderern ohne vertikale Ambitionen durchgeführt werden.







    10:00:00 Durch eine kurze Latschengasse erreicht man mit einem Rechtsschwung den Gipfel des Zehnerkogels. Hierhin verirren sich noch weniger Bergsteiger. Kein Wunder, liegt er doch irgendwo im Nirgendwo. Zeit die größte Gruppe seit Ewigkeiten bildlich festzuhalten:



    Beim Übergang vom Zehnerkogel zum Elferkogel wird das Ambiente noch ein Stück weit alpiner! Nur wenige Meter trennen uns von einem wahren Platteninferno! Die Wegbeschreibung ist hier einfacher: der Nase nach, der Gipfel leuchtet mit seinem Kreuz bereits von Weitem.

    Zuletzt geändert von Seek; 16.09.2015, 14:14.
    www.facebook.com/bergaufundbergab

  • #2
    AW: Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

    Erreicht man erst die wunderbaren Felsen, kann man sich einem wahren Genuss hingeben. Der Parmesan, der sanft auf die Spaghetti fällt, hat gegen diese Reibung keine Chance.





    11:00:00 Schnell ist der kurze, breite Grat erreicht und auf sanften Wiesen schlendern wir zum höchsten Punkt des Elferkogels, unserem ersten und letzten Zweitausender (2.038m). Der Familenwandertag wird mit Jause, Berggeschichten und Zukunftsplänen abgerundet. Und das alles vor den Fluten des weit entfernten Almsees





    "Ulli, da Tanzboden is insa!" dürfte vor Jahren in diesem Gebiet gerufen worden sein. Denn durch die Platten des Zwölferkogels führt eine sanfte Kletterei im unteren IV. Schwierigkeitsgrad, die diesen Namen trägt. Ja, der "Zwölfer" wär auch unsere nächste Destination auf der Almtaler Sonnenuhr. Doch besonders brave Arbeitnehmer müssen ja auch Mittagspause machen und die darf schließlich vor 12.00 Uhr beginnen. Zudem drohen mir meine Füße nach den Strapazen der letzten Tage mit Mord und Totschlag. Wir queren über Wiesen und kompakten Fels zum Grießkarsteig, der uns wieder zurück in die Röll bringt.



    11:55:00: Kurz vor Zwölf verabschieden wir uns also vom Toten Gebirge, lassen auch den Einserkogel sein nachmittägliches Dasein fristen. Erst mit dem 13.00 Uhr- Kogel, wie er zeitgemäß heißen müsste, wäre die gesamte Sonnenuhr beschritten. Der Grießkarsteig, steil und seilversichert, zieht sich ordentlich und als ich im Tal ankommen, lasse ich mich erstmal für eine halbe Stunde ins Gras fallen. Die Ameisen bewundern meine Schlafposition aus nächster Nähe und so bin ich froh, als wir gemeinsam wieder den Weg zurück zum Almsee antreten können.

    Eine einsame Runde geht am Seeufer zu Ende. Dass gerade auf einer felsigen Uhr, Zeit so gar keine Rolle spielt. Wer hätte das gedacht? Nur, warum habe ich jetzt Lust alte Vinyl's auszupacken und den Plattenspieler vom Staub zu befreien? Seltsam..

    Mehr Bilder, GPS-Track und Erklärungen gibt es HIER

    Ach ja: Die Zeiten sind natürlich nur symbolisch. Etwas länger haben wir dann doch gebraucht
    www.facebook.com/bergaufundbergab

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    • #3
      AW: Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

      Ganz toller BEricht, habe ich super gerne gelesen

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      • #4
        AW: Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

        Super Tour und ebensolcher Bericht! (Man muss ja fast schon sagen, wie man's von dir gewohnt ist!)
        Aber ... - wenn das dein Chef liest - oder gar seine Frau

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        • #5
          AW: Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

          Schöne Tour, witziger Bericht

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          • #6
            AW: Im Toten Gebirge ist es fünf vor zwölf: Die Almtaler Sonnenuhr (Neuner-Zehner-Elferkogel)- 13. September 2015

            Zitat von AndiG Beitrag anzeigen
            Super Tour und ebensolcher Bericht! (Man muss ja fast schon sagen, wie man's von dir gewohnt ist!)
            Aber ... - wenn das dein Chef liest - oder gar seine Frau
            Ich nutz unseren Blog auch recht gern um mich textlich weiterzuentwickeln, deswegen auch die vielen "Geschichten", die mit Tourenberichten meist nichts mehr zu tun haben.

            Gott sei Dank sind die Geschichten meist fiktiv, sonst würd ich wohl das "Playboy-Poster" nicht mehr so schnell zu Gesicht bekommen
            www.facebook.com/bergaufundbergab

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            • #7
              Kurz bevor man den Röllsattel erreicht, sollte man sehr wachsam sein. Mit Adleraugen gilt es die Umgebung zu inspizieren, denn Steinmänner leiten hier vom Weg ab. Was dann kommt, kann man nur schwer beschreiben. Einen richtigen oder falschen Weg zum Neunerkogel, unserem ersten Ziel gibt es nämlich nicht. Über Rinnen, scharfen Fels, schottrigen Untergrund und Latschen bewegen wir uns nach Westen.


              Wir haben gestern die Sonnenuhr gemacht. Zwei andere Bergsteiger waren am Sepp Huber Steig etwa 20 Minuten vor uns, dann am Neunerkogel aber plötzlich 20 Minuten hinter uns! Sie sind so wie hier beschrieben und recht allgemein üblich, bis kurz vor den Röllsattel gegangen. Meine alternative Empfehlung lautet: Ein kurzes Stück oberhalb der letzten Leiter des Sepp Huber Steigs (noch vor dem finalen Schotterhang) sollte man in der flachen Mulde rechts (unter einer Felswand) abzweigen. Dort gibt's auch Steinmandln, wenn man genau schaut. Nun aber nicht den anschließenden Schotterhang gerade hinauf, sondern sich wieder rechts halten (Steinmandln) zu einer Rampe, die sich fast hindernisfrei bis hinauf auf die Hochfläche zieht. Nun entweder rechts über felsdurchsetzte Wiesen zum Neuner-Vorgipfel oder links zu den Platten unter dem Hauptgipfel rüberqueren (eher zuerst tief halten). So wird das sehr mühsame Gelände nahe dem Röllsattel vollständig vermieden.

              IMG_8885.JPG
              Zuletzt geändert von roxfox; 23.09.2019, 13:41.

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