Liebe Freunde! Ich bereichere die Sparte der kräfteraubenden Winterbegehungen mit einer einsamen Geschichte aus dem Höllengebirge.
Mehr zum Thema gibt es- ich wiederhole mich- auf unserem BLOG
"Der Tag beginnt auf den Bergen sonnig. Gegen Mittag wird die Sonne von dichten Wolken abgelöst. Es wird stürmisch und beginnt zu schneien".
Glücksspiel in Worten. Eine Wetterprognose, die gleichzeitig schriller Weckton und Einladung zum Brunch ist. Vor allem wen man weiß, dass heimische Metereologen Mittag gerne einmal auf acht Uhr Früh verlegen. Aber wer unter der Woche für die Firma arbeiten kann, kann das am Wochenende auch an sich selbst. Oder so ähnlich.
Der silberne Ford tuckert pflichtbewusst der verschlafenen Sonne entgegen, während seine Insassen weniger zielstrebig sind. Wieder einmal fehlt ein konkreter Plan. Nur den Skiern haben wir heute einstimmig einen Korb gegeben. Sie werden es mit großem Kummer verkraften - ob wir das tun wird in den kommenden Stunden mehrmals fraglich sein.
Die Sonne hat mittlerweile schüchtern ihren Platz am Horizont eingenommen und bestätigt vorerst die Prognosen der Wetterexperten. Erst kurz vor unserer zweiten Heimat, der Traunseestadt Gmunden, dämmert es auch in meinem Kopf. Die verschneiten Berge des Höllengebirges erinnern mich an die Weiße Riesn. Eine bis zu 45 Grad steile Rinne, die sich nur wirklich beherzte Skifahrer zumuten und nur bei perfekten, sicheren Verhältnissen machbar ist. Moment, Moment - denken jetzt (hoffentlich) aufmerksame Leser- der hat doch gar keine Skier mit! Richtig, dafür Pickel, Steigeisen und frische Unvernunft, fein säuberlich verpackt in zwei stramme Wadeln, die sich darauf freuen, durch tiefe Spurarbeit zu wachsen.
Der Ford darf mit Blick zum Naturmuseum in Langwies rasten. Für uns beginnt jetzt das Schönste am Bergsteigerleben: die wohlige Anspannung vor dem ersten Schritt ins Ungewisse.
"Riederhütte geschlossen", steht in sattem, warnendem Rotton auf dem gelben Wegweiser. Das erste Indiz für die Einsamkeit dieses Ecks des Höllengebirges. Denn die Hütte hat offen. Das "Geschlossen" durch ein "Geöffnet" zu ersetzen, wurde vergessen. Vielleicht sogar bewusst vergessen. Folgt man dem Wanderweg, kommt es dem Begeher vor, dass auch auf ihn vergessen wurde. Die Markierungen sind verblasst, die Pfade unwirtlich.
Wenn sich der Weg nach rechts schlängelt, steigen wir gerade weiter in unser Abenteuer, hinein in den Aritzbachgraben.
Die Dornen des wildwuchernden Unkrauts werden schon auf 730 Metern Seehöhe durch Schnee ersetzt. Ausgesprochen viel liegt hier vom weißen Gold und die Anstrengung kann schon gedanklich vorgeplant werden.
Die Ski sind in ihrer Trauer über den Hausarrest nicht mehr alleine, wunderschöne Hänge würden sich für kurvenreiche Abfahrten anbieten. So aber bleibt es nur, einen Fuß vor den nächsten zu setzen. Gar nicht so leicht, wenn man mit dem hinteren Fuß über den vorderen stolpert, weil sich der im Schnee versteckt.
Wir queren eine Forststraße und ackern uns den nächsten Graben hoch. Völlig verlassenes Land, keine Spuren, windgepeitschte Wechten und die Sonne im Rücken. Wir bauen uns unseren eigenen Weg, verlieren ihn wieder und erreichen nach mühsamen Querungen ein Hochplateau unter dem Brunnkogel. Nein, wir haben nicht das Tal gewechselt. Auch hier gibt es einen Berg, der diesen vielvergebenen Namen trägt. Nur der hier ist ein B-Promi, der Richard Lugner des Höllengebirges. Zumindest das Alter dürfte stimmen. Von Weitem sieht man sein zierliches Holzkreuz.Wieder darf vorgeplant werden.
Nur noch wenige Meter trennen uns von der Hinteren Spitzalm. Auch sie ist längst in Vergessenheit geraten. Das zerrüttete Fundament zeugt nicht mehr von einstigem Glanz, es verrottet in den letzten Sonnenstrahlen, die auf die dicke Schneedecke fallen. Eine Wolkenfront nähert sich beharrlich und wir wenden uns nach links um den Einstieg in die Riesn zu begutachten. 200 Höhenmeter müsste man hier absteigen, um in die Rinne zu gelangen und durch sie Richtung Gipfel. Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Die Riesn trägt überraschend wenig Schnee, ist für eine ordentliche Winterdurchsteigung heute nicht geeignet. Steine donnern durch sie herab. Lawinenwarnstufe 3 gilt hier auch für Geröll. Schweren Herzens wenden wir uns ab. Ich steige einige Meter durch dichte Latschen höher, um die Rinne nocheinmal in vollem Umfang zu überblicken, bevor wir beginnen, wieder ins Tal zu schlurfen.
Halt. Da könnte...geht das? Das Latschenmeer weitet sich, gibt den Blick zu einem Grat frei. Nur ein bisschen...hier links... dort rechts... HANS! Nachkommen!
Über die steile Südostflanke des Höllkogels steigen wir weglos empor. Immer wieder stellen sich Latschen in den Weg, doch der Grat rückt näher. Die direkte Verbindung, die uns doch noch zum Höllkogel bringen könnte, ist stark überwechtet. Auf der einen Seite geht es die Südwand hinunter, auf der anderen Seite würde man gleich in ein anderes Tal fliegen. Behutsam tasten wir uns voran. Der Schnee knarrt mahnend unter den Füßen. Die Felsen sind mit Eis überzogen, die Beschaffenheit des Untergrunds wechselt ständig.
Der Wind legt zu, die Kristalle fliegen uns um die kalten Nasen. Der Grat wird breiter, bevor er sich am Ende wieder wenig einladend zusammenschnürt. Eine letzte kleine Felsstufe, eine beherzte Querung über abschüssige Eisplatten und wir stehen am unendlich wirkenden Plateau. Nichts als Schnee. Weiße Einsamkeit. Das Adrenalin, das sich seinen Weg durch den müden Körper in den Geist gesucht hat, lässt nach. Die Augen werden schwer, die Beine sind es schon. Geschafft. Hier auf 1.830 Metern ist es nur noch ein Spaziergang zum Gipfel. Die Spur, die von der Seilbahn herüberführt, hilft uns. Aus dem Tal der Vergessenen zurück ins Hier und Jetzt.
Mehr zum Thema gibt es- ich wiederhole mich- auf unserem BLOG
"Der Tag beginnt auf den Bergen sonnig. Gegen Mittag wird die Sonne von dichten Wolken abgelöst. Es wird stürmisch und beginnt zu schneien".
Glücksspiel in Worten. Eine Wetterprognose, die gleichzeitig schriller Weckton und Einladung zum Brunch ist. Vor allem wen man weiß, dass heimische Metereologen Mittag gerne einmal auf acht Uhr Früh verlegen. Aber wer unter der Woche für die Firma arbeiten kann, kann das am Wochenende auch an sich selbst. Oder so ähnlich.
Der silberne Ford tuckert pflichtbewusst der verschlafenen Sonne entgegen, während seine Insassen weniger zielstrebig sind. Wieder einmal fehlt ein konkreter Plan. Nur den Skiern haben wir heute einstimmig einen Korb gegeben. Sie werden es mit großem Kummer verkraften - ob wir das tun wird in den kommenden Stunden mehrmals fraglich sein.
Die Sonne hat mittlerweile schüchtern ihren Platz am Horizont eingenommen und bestätigt vorerst die Prognosen der Wetterexperten. Erst kurz vor unserer zweiten Heimat, der Traunseestadt Gmunden, dämmert es auch in meinem Kopf. Die verschneiten Berge des Höllengebirges erinnern mich an die Weiße Riesn. Eine bis zu 45 Grad steile Rinne, die sich nur wirklich beherzte Skifahrer zumuten und nur bei perfekten, sicheren Verhältnissen machbar ist. Moment, Moment - denken jetzt (hoffentlich) aufmerksame Leser- der hat doch gar keine Skier mit! Richtig, dafür Pickel, Steigeisen und frische Unvernunft, fein säuberlich verpackt in zwei stramme Wadeln, die sich darauf freuen, durch tiefe Spurarbeit zu wachsen.
Der Ford darf mit Blick zum Naturmuseum in Langwies rasten. Für uns beginnt jetzt das Schönste am Bergsteigerleben: die wohlige Anspannung vor dem ersten Schritt ins Ungewisse.
"Riederhütte geschlossen", steht in sattem, warnendem Rotton auf dem gelben Wegweiser. Das erste Indiz für die Einsamkeit dieses Ecks des Höllengebirges. Denn die Hütte hat offen. Das "Geschlossen" durch ein "Geöffnet" zu ersetzen, wurde vergessen. Vielleicht sogar bewusst vergessen. Folgt man dem Wanderweg, kommt es dem Begeher vor, dass auch auf ihn vergessen wurde. Die Markierungen sind verblasst, die Pfade unwirtlich.
Wenn sich der Weg nach rechts schlängelt, steigen wir gerade weiter in unser Abenteuer, hinein in den Aritzbachgraben.
Die Dornen des wildwuchernden Unkrauts werden schon auf 730 Metern Seehöhe durch Schnee ersetzt. Ausgesprochen viel liegt hier vom weißen Gold und die Anstrengung kann schon gedanklich vorgeplant werden.
Die Ski sind in ihrer Trauer über den Hausarrest nicht mehr alleine, wunderschöne Hänge würden sich für kurvenreiche Abfahrten anbieten. So aber bleibt es nur, einen Fuß vor den nächsten zu setzen. Gar nicht so leicht, wenn man mit dem hinteren Fuß über den vorderen stolpert, weil sich der im Schnee versteckt.
Wir queren eine Forststraße und ackern uns den nächsten Graben hoch. Völlig verlassenes Land, keine Spuren, windgepeitschte Wechten und die Sonne im Rücken. Wir bauen uns unseren eigenen Weg, verlieren ihn wieder und erreichen nach mühsamen Querungen ein Hochplateau unter dem Brunnkogel. Nein, wir haben nicht das Tal gewechselt. Auch hier gibt es einen Berg, der diesen vielvergebenen Namen trägt. Nur der hier ist ein B-Promi, der Richard Lugner des Höllengebirges. Zumindest das Alter dürfte stimmen. Von Weitem sieht man sein zierliches Holzkreuz.Wieder darf vorgeplant werden.
Nur noch wenige Meter trennen uns von der Hinteren Spitzalm. Auch sie ist längst in Vergessenheit geraten. Das zerrüttete Fundament zeugt nicht mehr von einstigem Glanz, es verrottet in den letzten Sonnenstrahlen, die auf die dicke Schneedecke fallen. Eine Wolkenfront nähert sich beharrlich und wir wenden uns nach links um den Einstieg in die Riesn zu begutachten. 200 Höhenmeter müsste man hier absteigen, um in die Rinne zu gelangen und durch sie Richtung Gipfel. Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Die Riesn trägt überraschend wenig Schnee, ist für eine ordentliche Winterdurchsteigung heute nicht geeignet. Steine donnern durch sie herab. Lawinenwarnstufe 3 gilt hier auch für Geröll. Schweren Herzens wenden wir uns ab. Ich steige einige Meter durch dichte Latschen höher, um die Rinne nocheinmal in vollem Umfang zu überblicken, bevor wir beginnen, wieder ins Tal zu schlurfen.
Halt. Da könnte...geht das? Das Latschenmeer weitet sich, gibt den Blick zu einem Grat frei. Nur ein bisschen...hier links... dort rechts... HANS! Nachkommen!
Über die steile Südostflanke des Höllkogels steigen wir weglos empor. Immer wieder stellen sich Latschen in den Weg, doch der Grat rückt näher. Die direkte Verbindung, die uns doch noch zum Höllkogel bringen könnte, ist stark überwechtet. Auf der einen Seite geht es die Südwand hinunter, auf der anderen Seite würde man gleich in ein anderes Tal fliegen. Behutsam tasten wir uns voran. Der Schnee knarrt mahnend unter den Füßen. Die Felsen sind mit Eis überzogen, die Beschaffenheit des Untergrunds wechselt ständig.
Der Wind legt zu, die Kristalle fliegen uns um die kalten Nasen. Der Grat wird breiter, bevor er sich am Ende wieder wenig einladend zusammenschnürt. Eine letzte kleine Felsstufe, eine beherzte Querung über abschüssige Eisplatten und wir stehen am unendlich wirkenden Plateau. Nichts als Schnee. Weiße Einsamkeit. Das Adrenalin, das sich seinen Weg durch den müden Körper in den Geist gesucht hat, lässt nach. Die Augen werden schwer, die Beine sind es schon. Geschafft. Hier auf 1.830 Metern ist es nur noch ein Spaziergang zum Gipfel. Die Spur, die von der Seilbahn herüberführt, hilft uns. Aus dem Tal der Vergessenen zurück ins Hier und Jetzt.
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