"Der verlorene Berg" und ein Weltkulturerbe
Der Monte Perdido ist zwar nicht der höchste Berg der Pyrenäen, sondern nur der dritthöchste, für uns war er aber dennoch ein attraktives Ziel. Zum einen, weil sich um den Perdido nicht die Massen scharen und zum anderen, weil er im Ordesa Park steht, und weil die Berglandschaft des Mont Perdu, wie sein französischer Name lautet, zum UNESCO Weltkulturerbe zählt.
Und was zum UNESCO Erbe zählt, kann ja nicht wirklich schlecht sein, oder?
Erstbesteigung und Wege
Gemeine Anekdote ist, dass Louis Ramond de Carbonnieres mit Führern vier Tage herumirrte, bevor er am 6. August 1802 den Gipfel erreichte. Hier stellten sie fest, dass der Gipfel bereits im Jahre 1791 bestiegen worden ist.
Die klassische und einfachste Route ist über das Rifugio Goriz, die wir heute auch wählen. Im Hochsommer ist am Weg zum Gipfel fast kein Schnee mehr, nur noch Schotter. Auch über die Nordseite gelangt man auf den Perdido, in Anbetracht der Schneesituation wäre das aber wohl keine gute Idee für uns gewesen und wir haben sie gottseidank wieder verworfen.
Auf der Südseite des Massives finden sich lange Grate (angeblich soll es auch einen Anstieg im zweiten Grad über den Südwestgrat geben) und tiefe Schluchten (Ordesa, Anicsclo und Pineta), im Norden wird es noch steiler. Den Franzosen ist die Sicht zum Perdido leider nicht vergönnt, da stehen so einige andere schöne Gipfel im Weg. Ob er deswegen verloren ist?
Der Ordesa Nationalpark wird landswirtschaftlich brav genutzt, da die Weideflächen Gemeineigentum der umliegenden Dörfer sind. Aber auch der Tourismus beginnt zu boomen, hier in den Pyrenäen und das zurecht.
Denn diese eigenwillige, markante und so unberührte Natur sucht Ihresgleichen!
Man darf ab Anfang Juli mit seinem Auto nicht mehr zum Parkplatz im Ordesa Park hineinfahren, seit einigen Jahren gibt es Shuttleservice von Torla. Doch wir haben Glück und sind ja in der Nebensaison hier, daher dürfen wir direkt beim Parkplatz starten. Wir sind zeitig dran und mit uns auch ein paar Kletterer und Bergsteiger, ansonsten sind die Spanier aber keine großen Frühaufsteher. Auch bei Bergtouren sieht man sie für gewöhnlich erst spät losziehen.
Die meisten Leute starten ohnehin vom Rifugio Goriz.
Der Ordesa Canyon
Und dann geht es los: 10km Latscher durch den Canyon. Große Steigungen lassen wir hier noch nicht hinter uns, doch dafür warten wunderschöne Wasserfälle.
An den Gradas de Soaso vorbei gelangen wir entlang des Rio Arazas zum Cola de Caballo. Pferde sehen wir zwar keine, dafür eine große Kuhherde, die hier noch friedlich und einsam grast.
Der Schein trügt, denn ganz friedlich ist es nicht - vom spanischen Bundesheer kommt uns ein riesiger Trupp entgegen, dem (etwas unfrischen) Aussehen und der Ausrüstung nach, hatte der Troß wohl einige Tage am Berg biwakiert. Inklusive aufmagazinierter Schusswaffen und Co. Anstrengend hat das jedenfalls ausgesehen, was die Herren da herumgeschleppt haben, gut das wir wieder einmal ewas light-weight unterwegs sind.
Wir haben nämlich vorausgedacht und haben beschlossen: wir tun uns keine 30km in steigeisenfesten Schuhen an und sind deshalb mit Laufschuhen unterwegs. Die Sportiva Trango haben wir mit, allerdings satteln wir erst beim Rifugio darauf um.
Kletterpassage oder Wanderweg zum Rifugio Goriz
Nun müssen wir uns entscheiden: Wanderweg oder Direttissima mit Kletterpassagen. Worauf tippt ihr? Natürlich haben wir uns die kleine Klettersteigeinlage gegönnt und somit etwas abgekürzt. Beim Rifugio Goriz haben wir dann den Schuhwechsel vollzogen. Dann sind wir, nach einem kurzen Biss vom Brot, aber auch gleich weiter gesaust.
Unser Tempo ist heute einfach super, das muss ausgenutzt werden und so machen wir über kurze Klettereinlagen und über sehr viel Schotter ganz flott Höhenmeter. Und dann ist er da: Herr Schnee. Herr Schnee hat sich ja im Mai noch ganz schön ausgetobt und etwas Unfrieden gestiftet, auch hier in Spanien. Und so heisst es zum Grand Finale: Steigeisen und Pickel raus, denn es wird steil. Eisig ist es natürlich nicht, sondern der Schnee eher bazig weich, bei gefühlten 50°C in der Sonne, aber das kommt wohl nur wieder mir so vor. Aber für einen 3000er ist es verdammt warm und auch relativ windstill. Erst kurz vor dem Gipfel fängt es etwas zu ziehen an.
Gegen Gipfel hin werde ich, wie schon gedacht und gewohnt, etwas langsamer. Ihr wisst ja, das Alter... oder war's doch die Höhe?
Normal vertrage ich die Höhe zwar an sich ganz gut, werde aber immer furchtbar kurzatmig. Kopfweh oder Übelkeit gibt es eher nie, bis auf meine einzige negative Höhenerfahrung in Peru, wo ich das Gefühl hatte gleich umfallen zu müssen und mein Frühstück rückwärts zu essen. Das war aber wohl eher die Ausnahme. Kann ich übrigens nicht unbedingt weiterempfehlen, diese Höhengeschichte. Daher: immer brav akklimatisieren. Oben eine Nacht verbringen hilft für gewöhnlich. Das Rifugio hat allerdings mäßig schön ausgesehen. Grundsätzlich haben es die Spanier nicht so mit der Hüttenkultur. Das kann man gut finden oder aber etwas vermissen. Die Spanier tendieren ohnehin dazu ihre Jause und all ihr Zeug selbst mitzubringen. Da gibt es keine großartigen Hütten-Essen. Ein Gericht des Tages gibts, und das wird gegessen. Aus!
Das Rifugio ähnelt auch mehr einer kahl eingerichteten Wellblechhütte. Ich würde wohl lieber mein Zelt aufbauen, das ist nämlich im Umkreis der Hütte erlaubt.
Ein Wehmutstropfen - der Abstieg und den exakt selben Weg retour.
Naja, man kann nicht alles haben. Aber in diesem Fall gibts keine Alternative: wir müssen den selben Weg zurück. Hilft ja nix. Ordesa-Schlucht wieder rauslaufen. Juhuuuu!
Wir sind eine gefühlte Ewigkeit unterwegs. Heute ist es auch noch richtig heiss! Und die Touris halten uns ohnehin für komplett gaga. Pickel am Rucksack aber Laufschuhe am Fuß? Ticken die noch richtig?
Ich hatte diesen Urlaub echt so einige Male von Bergtouren die Schnauze voll. So richtig kaputt von den letzten Arbeitsmonaten war ich, die Kondi scheinbar im Eimer, so dass ich einfach ein paar mal NICHT WOLLTE. Berg-Burnout? Doch den Monte Perdido wollte ich. Der hat sich ein bisschen in meinem Kopf festgesetzt. Am Aneto, dem Gebietshöchsten quasi, bin ich mit guter Laune vorbeigefahren, meine Güte, war halt das Wetter schlecht, dann pfeifen wir halt drauf. Aber beim Perdido habe ich gleich gewusst: der daugt mir, den will ich besteigen. Und so haben wir beim Perdido das Wetterfenster kurz abgewartet und zugeschlagen.
Mit seinen 3355m ist er allerdings schon ganz stattlich und immerhin Nr. 3 auf der Skala der höchsten Pyrenäer. Nicht übel!
Nicht übel ist auch der Ausblick vom Gipfel!
Schön ist er also schon. Auch wenn er verloren ist, ich habe dort einiges wieder gefunden. Meine Kondition und ein Stück meiner Motivation zum Beispiel.
Man kann dem Perdu auch über andere Wege aufs Haupt steigen, dieser ist der "Normalweg". Eine Runde über die Fajas de Pineta haben wir kurz angedacht, aber nordseitig wäre sicher noch mehr Schnee gewesen, so hat dann doch der Normalweg gesiegt.
Mehr Bilder und die groben Fakten zu Höhenmeter und Distanz findet ihr am Blog.
Der Monte Perdido ist zwar nicht der höchste Berg der Pyrenäen, sondern nur der dritthöchste, für uns war er aber dennoch ein attraktives Ziel. Zum einen, weil sich um den Perdido nicht die Massen scharen und zum anderen, weil er im Ordesa Park steht, und weil die Berglandschaft des Mont Perdu, wie sein französischer Name lautet, zum UNESCO Weltkulturerbe zählt.
Und was zum UNESCO Erbe zählt, kann ja nicht wirklich schlecht sein, oder?
Erstbesteigung und Wege
Gemeine Anekdote ist, dass Louis Ramond de Carbonnieres mit Führern vier Tage herumirrte, bevor er am 6. August 1802 den Gipfel erreichte. Hier stellten sie fest, dass der Gipfel bereits im Jahre 1791 bestiegen worden ist.
Die klassische und einfachste Route ist über das Rifugio Goriz, die wir heute auch wählen. Im Hochsommer ist am Weg zum Gipfel fast kein Schnee mehr, nur noch Schotter. Auch über die Nordseite gelangt man auf den Perdido, in Anbetracht der Schneesituation wäre das aber wohl keine gute Idee für uns gewesen und wir haben sie gottseidank wieder verworfen.
Auf der Südseite des Massives finden sich lange Grate (angeblich soll es auch einen Anstieg im zweiten Grad über den Südwestgrat geben) und tiefe Schluchten (Ordesa, Anicsclo und Pineta), im Norden wird es noch steiler. Den Franzosen ist die Sicht zum Perdido leider nicht vergönnt, da stehen so einige andere schöne Gipfel im Weg. Ob er deswegen verloren ist?
Der Ordesa Nationalpark wird landswirtschaftlich brav genutzt, da die Weideflächen Gemeineigentum der umliegenden Dörfer sind. Aber auch der Tourismus beginnt zu boomen, hier in den Pyrenäen und das zurecht.
Denn diese eigenwillige, markante und so unberührte Natur sucht Ihresgleichen!
Man darf ab Anfang Juli mit seinem Auto nicht mehr zum Parkplatz im Ordesa Park hineinfahren, seit einigen Jahren gibt es Shuttleservice von Torla. Doch wir haben Glück und sind ja in der Nebensaison hier, daher dürfen wir direkt beim Parkplatz starten. Wir sind zeitig dran und mit uns auch ein paar Kletterer und Bergsteiger, ansonsten sind die Spanier aber keine großen Frühaufsteher. Auch bei Bergtouren sieht man sie für gewöhnlich erst spät losziehen.
Die meisten Leute starten ohnehin vom Rifugio Goriz.
Der Ordesa Canyon
Und dann geht es los: 10km Latscher durch den Canyon. Große Steigungen lassen wir hier noch nicht hinter uns, doch dafür warten wunderschöne Wasserfälle.
An den Gradas de Soaso vorbei gelangen wir entlang des Rio Arazas zum Cola de Caballo. Pferde sehen wir zwar keine, dafür eine große Kuhherde, die hier noch friedlich und einsam grast.
Der Schein trügt, denn ganz friedlich ist es nicht - vom spanischen Bundesheer kommt uns ein riesiger Trupp entgegen, dem (etwas unfrischen) Aussehen und der Ausrüstung nach, hatte der Troß wohl einige Tage am Berg biwakiert. Inklusive aufmagazinierter Schusswaffen und Co. Anstrengend hat das jedenfalls ausgesehen, was die Herren da herumgeschleppt haben, gut das wir wieder einmal ewas light-weight unterwegs sind.
Wir haben nämlich vorausgedacht und haben beschlossen: wir tun uns keine 30km in steigeisenfesten Schuhen an und sind deshalb mit Laufschuhen unterwegs. Die Sportiva Trango haben wir mit, allerdings satteln wir erst beim Rifugio darauf um.
Kletterpassage oder Wanderweg zum Rifugio Goriz
Nun müssen wir uns entscheiden: Wanderweg oder Direttissima mit Kletterpassagen. Worauf tippt ihr? Natürlich haben wir uns die kleine Klettersteigeinlage gegönnt und somit etwas abgekürzt. Beim Rifugio Goriz haben wir dann den Schuhwechsel vollzogen. Dann sind wir, nach einem kurzen Biss vom Brot, aber auch gleich weiter gesaust.
Unser Tempo ist heute einfach super, das muss ausgenutzt werden und so machen wir über kurze Klettereinlagen und über sehr viel Schotter ganz flott Höhenmeter. Und dann ist er da: Herr Schnee. Herr Schnee hat sich ja im Mai noch ganz schön ausgetobt und etwas Unfrieden gestiftet, auch hier in Spanien. Und so heisst es zum Grand Finale: Steigeisen und Pickel raus, denn es wird steil. Eisig ist es natürlich nicht, sondern der Schnee eher bazig weich, bei gefühlten 50°C in der Sonne, aber das kommt wohl nur wieder mir so vor. Aber für einen 3000er ist es verdammt warm und auch relativ windstill. Erst kurz vor dem Gipfel fängt es etwas zu ziehen an.
Gegen Gipfel hin werde ich, wie schon gedacht und gewohnt, etwas langsamer. Ihr wisst ja, das Alter... oder war's doch die Höhe?
Normal vertrage ich die Höhe zwar an sich ganz gut, werde aber immer furchtbar kurzatmig. Kopfweh oder Übelkeit gibt es eher nie, bis auf meine einzige negative Höhenerfahrung in Peru, wo ich das Gefühl hatte gleich umfallen zu müssen und mein Frühstück rückwärts zu essen. Das war aber wohl eher die Ausnahme. Kann ich übrigens nicht unbedingt weiterempfehlen, diese Höhengeschichte. Daher: immer brav akklimatisieren. Oben eine Nacht verbringen hilft für gewöhnlich. Das Rifugio hat allerdings mäßig schön ausgesehen. Grundsätzlich haben es die Spanier nicht so mit der Hüttenkultur. Das kann man gut finden oder aber etwas vermissen. Die Spanier tendieren ohnehin dazu ihre Jause und all ihr Zeug selbst mitzubringen. Da gibt es keine großartigen Hütten-Essen. Ein Gericht des Tages gibts, und das wird gegessen. Aus!
Das Rifugio ähnelt auch mehr einer kahl eingerichteten Wellblechhütte. Ich würde wohl lieber mein Zelt aufbauen, das ist nämlich im Umkreis der Hütte erlaubt.
Ein Wehmutstropfen - der Abstieg und den exakt selben Weg retour.
Naja, man kann nicht alles haben. Aber in diesem Fall gibts keine Alternative: wir müssen den selben Weg zurück. Hilft ja nix. Ordesa-Schlucht wieder rauslaufen. Juhuuuu!
Wir sind eine gefühlte Ewigkeit unterwegs. Heute ist es auch noch richtig heiss! Und die Touris halten uns ohnehin für komplett gaga. Pickel am Rucksack aber Laufschuhe am Fuß? Ticken die noch richtig?
Ich hatte diesen Urlaub echt so einige Male von Bergtouren die Schnauze voll. So richtig kaputt von den letzten Arbeitsmonaten war ich, die Kondi scheinbar im Eimer, so dass ich einfach ein paar mal NICHT WOLLTE. Berg-Burnout? Doch den Monte Perdido wollte ich. Der hat sich ein bisschen in meinem Kopf festgesetzt. Am Aneto, dem Gebietshöchsten quasi, bin ich mit guter Laune vorbeigefahren, meine Güte, war halt das Wetter schlecht, dann pfeifen wir halt drauf. Aber beim Perdido habe ich gleich gewusst: der daugt mir, den will ich besteigen. Und so haben wir beim Perdido das Wetterfenster kurz abgewartet und zugeschlagen.
Mit seinen 3355m ist er allerdings schon ganz stattlich und immerhin Nr. 3 auf der Skala der höchsten Pyrenäer. Nicht übel!
Nicht übel ist auch der Ausblick vom Gipfel!
Schön ist er also schon. Auch wenn er verloren ist, ich habe dort einiges wieder gefunden. Meine Kondition und ein Stück meiner Motivation zum Beispiel.
Man kann dem Perdu auch über andere Wege aufs Haupt steigen, dieser ist der "Normalweg". Eine Runde über die Fajas de Pineta haben wir kurz angedacht, aber nordseitig wäre sicher noch mehr Schnee gewesen, so hat dann doch der Normalweg gesiegt.
Mehr Bilder und die groben Fakten zu Höhenmeter und Distanz findet ihr am Blog.
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