Ankündigung

Einklappen
Mehr anzeigen
Weniger anzeigen

Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

    Hallo!
    Ein wenig habe ich doch überlegt, diesen wilden Bericht ins Forum zu stellen und es ist mir völlig klar, dass ich mich damit eventuell auch einer Kritik ausliefere.
    Auf der anderen Seite ist mir etwas widerfahren, was vielen von uns leider ebenso passieren kann und ich bin – ehrlich – nur heilfroh, dass die Sache für mich so glimpflich verlaufen ist.
    Aber selbst wenn es nur Warnung ist, in diesem Gelände besonders gut aufzupassen, war´s den Beitrag immerhin wert…
    12.10.2008
    Die massiven Neuschneemengen in den Tagen zuvor ließen meine Wahl diesmal auf ein recht ausgefallenes Tauernziel im Lungau fallen. Im prächtigen Weißpriachtal hatte ich mir die Gipfelgruppe südlich des Lungauer Kalkspitz ausgesucht, eine der allerletzten Ecken der Niederen Tauern, die ich noch nicht kannte. Neben Teufelskirche und Schusterstuhl wäre auch noch der Mentenkarspitz am Programm gestanden – allein es sollte anders kommen...
    Noch in tiefe Schatten gehüllt schwingt sich der steile Hangrücken zur Teufelskirche empor:
    sized_DSC00531.JPG
    In der Nähe der Jagdhütte überquere ich zunächst den Znachbach und halte mich schräg rechts aufwärts und umgehe einen Abbruch. Bald aber habe ich einen ausgeprägten Wildwechsel unter den Füßen der mich ohne viel Plagerei den waldigen Südkamm Richtung Teufelskirche empor bringt. Herbstlich bunte Ausblicke begleiten meine Schritte und mit Spannung betrete ich schließlich den völlig unbekannten Südgrat.
    Hier der Ausblick zum nahen Karnereck, Gurpitscheck:
    sized_DSC00535.JPG
    Und ein bunter Lärchenblick zu Brettspitze, Graunock (etwas versteckt) und Blutspitze:
    sized_DSC00537.JPG
    Dieses Tauerngelände unmittelbar nach der Waldgrenze kann besonders unangenehm sein und tatsächlich wartet der S-Grat mit einigen steil abbrechenden Zacken auf. Die umliegenden enorm steilen Wiesen unterstreichen noch zusätzlich das Ambiente, das nur durch die herbstlichen Prachtfarben etwas gemildert wird:
    sized_DSC00539.JPG
    Doch alle Zackenprobleme ergeben sich als Kletterei im II, einmal III. Schwierigkeitsgrad, der Fels ist ganz gut. Ein besonders glatter Zahn muss auf schmalem Band in der Ostflanke umgangen werden.
    Von dem Turm davor studiere ich gerade, wie ich´s machen werde:
    sized_DSC00540.JPG
    Kurz vor dem Gipfel drängt es mich in die Westflanke, von wo aus es gar nicht leicht zu entscheiden ist, welches der richtige Gipfel ist. Über eine Rinne und einen kurzen Gratüberhang (III) erobere ich endlich doch die teuflische Spitze.
    Sie gibt ihrem Namen Ehre, bricht Richtung Schusterstuhl auch noch irre steil ab, sodaß ich meinen IIIer Überhang auch noch im Abstieg begehen darf…
    Hier der aus dem Gipfelrätsel bereits bekannte Blick, schon vom Weiterweg zum Schusterstuhl aus, dahinter rechts Hundstein und Mitterspitzen:
    sized_DSC00541.JPG
    Eine Steilgrasquerung bringt mich auf den Grat zurück, der nunmehr eher hindernislos bis fast zum Schusterstuhl emporführt.
    Ein herbstliches Gemälde erfreut mich noch (Blick zum vom Gurpitscheck norwärts ziehenden Kamm), bevor ein dramatisches Geschehen seinen Lauf nimmt:
    sized_DSC00543.JPG

    Ein letzter Graszacken bricht gegen den Gipfelgrat hin sehr steil ab.
    Da hilft nichts – zurück, etwa 50 Meter absteigen, dann versuche ich in die Westflanke zu queren und dort den Abbruch zu umgehen. Die Westflanke ist ein sehr steiler Grashang, durchsetzt mit kleineren Wandstufen und die oberen 10 Meter fast senkrecht.
    Ein Grasband, ein kleiner Überhang – zu gefährlich, geht nicht – also noch weiter runter…
    Nächster Versuch, wieder ein Grasband, eine kurze, etwas abdrängende Felsstelle, ein etwas heikler Spreizschritt – dann passiert es:
    Mein rechter Griff bricht aus und ich sause in hohem Bogen rücklings hinaus - nach drei Metern lande ich auf einem abschüssigen Band – Rettungsgriffe – vergeblich! Schon fliege ich den nächsten Absatz hinunter, weiter – 5 Meter –dann gerät alles außer Kontrolle…
    In affenartiger Geschwindigkeit rutsche, rolle, überschlage ich mich – stets bei Bewusstsein – kleinste Dinge registrierend. Jeder Aufprall ein Aufschrei – vor Schmerz ? Nein Angst, irre Angst! Gut fünf , sechs Mal werde ich aufs Neue hinausgeschleudert, wie von riesigen Schanzen, einmal drehe ich mich mehrmals aufrecht stehend in der Luft – „Sch…“ entfährt es mir – und nebenbei bemerke ich Blut an meinem Unterschenkel… Noch immer hellwach geht sie weiter die Höllenfahrt. Meine Kamera, am Hemdknopfloch befestigt, saust mir um die Ohren – schon nimmt die Geschwindigkeit wieder zu – ein Blackout – knapp am Aufgeben – plötzlich ein sanfterer Grashang – dort unten Geröll! Dort muss ich mich fangen!
    Und tatsächlich – Stillstand! In ungeheurer Erregung sitze ich da und schreie mehrmals laut auf…
    Dann warte ich – Minuten – bis der erste brennende Schmerz von den Abschürfungen abklingt. Allmählich bewege ich mich - vorsichtig - und registriere das Wunder!
    Es ist mir tatsächlich nichts passiert…!
    Außer ein paar Kratzern – nichts! Kein Bruch, ja nicht einmal ärgere Prellungen!
    Das gnädige Tauerngras und die steilen Ausläufe der Schanzen haben wohl alle ärgeren Aufpralle gedämpft…
    Ich sitze nur da und sage mehrmals „Danke, danke, danke…“
    Nachdenklich blicke ich den Hang empor – er ist gut 100 Meter hoch …
    Und auf halber Höhe spielt der Wind mit meiner verlorenen Kappe als wäre nichts geschehen…
    Hier das eher verharmlosende Bild (28, Weitwinkel) meines Absturzhanges, der Sturz führte etwa durch die Bilddiagonale und noch etwa um die Hälfte weiter:
    sized_DSC00544.JPG
    Nun – ich muss weiter – Gott sei dank führt vom Schusterstuhl ein relativ leichter Wiesengrat Richtung Obere Rainhütte. Ich könnte dorthin queren, merke aber bald, dass der Aufstieg zum Gipfel wohl die sicherere Lösung ist. Also noch empor die letzten 200 Meter – jetzt erst machen sich die Knie bemerkbar, das linke kann den Unterschenkel nicht korrekt halten und ich muss den Fuß sehr konzentriert aufsetzen, aber kaum Schmerzen. Auch das rechte scheint irgendwie geprellt – na ja – kein Wunder! Jedenfalls erreiche ich trotzdem recht problemlos den Gipfel und gönne mir eine einstündige Pause – das Wetter ist ja wunderschön!
    Hier der Blick Richtung Lungauer Kalkspitze und Dachstein:
    sized_DSC00546.JPG
    Merkwürdigerweise bemerke ich keinerlei Schocksymptome, ich bin wieder ganz gelassen, nur in meinem Hirn läuft immer der gleiche Film…
    Ob der der Schock doch Spuren hinterlassen hat oder nur der überschrittene 50 ziger überlasse ich euch zur Beurteillung:
    sized_DSC00550.JPG
    Auf jeden Fall gibt es hinter mir ein paar nette Tauernberge zu bewundern:
    sized_DSC00551.JPG
    Dann der Abstieg, gleich beim Aufstehen spüre ich, dass das kein Honiglecken wird. Aber bald ist die erste Anlaufsteifigkeit überwunden und es hilft ja nichts – keiner trägt mich die 1200 Meter runter! Vorsichtig steige ich den felddurchsetzten Graskamm ab, unangenehmes Gelände. Bloß nicht nochmals das Bein vertreten!
    Wenigstens trösten mich malerische Ausblicke, hier zum Lungauer Kalkspitz:
    sized_DSC00552.JPG
    Nach langen drei Stunden erreiche ich endlich den Fahrweg,der von der Oberen Rainhütte nun gemütlicher abwärtsleitet:
    sized_DSC00554.JPG
    Und nach einer weiteren Stunde hat die Odysse dann bei meinem Fahrzeug doch ein Ende und die Spitzen der Teufelkirche sind bereits wieder in tiefe Schatten getaucht:
    sized_DSC00556.JPG

    Fazit: Eine für mich eher harmlose Tauerntour wäre mir beinahe zum Verhängnis geworden und durch unglaubliche glückliche Fügung habe ich lediglich eine Bänderverletzung davongetragen.
    Lg. Euer quicklebendiger tauernfuchs

  • #2
    AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

    Na Du machst Sachen ...
    Kann aber jedem passieren, der abseits gepflegter Wege unterwegs ist – und manchmal sogar dort.

    Glückwünsche zum interessanten Bericht von Deinem zweiten Geburtstag

    lg
    Norbert
    Meine Touren in Europa
    ... in Italien
    Meine Touren in Südamerika
    Blumen und anderes

    Kommentar


    • #3
      AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

      Wenn man solche Touren (zum sichern zu leicht bzw. lange) macht, rechnet man ja damit dass etwas passieren könnte. So ein Erlebnis schärft wieder die Aufmerksamkeit und der Respekt vor den Bergen wird wieder etwas grösser.
      Ausserdem lernt man (ich) nach solchen Ereignissen wieder das Leben zu schätzen.
      Hat also auch einen positiven Effekt
      auf jeden Fall für den mitreissender Bericht!

      Ich hoffe du wirst wieder gesund und kannst uns auch in der Zukunft mit deinen außergewöhnlichen Berichten erfreuen!
      ...a Tog ohne Bier is wia a Tog ohne Wein....
      google online Album

      Paul

      Kommentar


      • #4
        AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

        Zitat von tauernfuchs Beitrag anzeigen
        Das gnädige Tauerngras und die steilen Ausläufe der Schanzen haben wohl alle ärgeren Aufpralle gedämpft…
        Ich sitze nur da und sage mehrmals „Danke, danke, danke…“
        eine äußerst feine lebenseinstellung, die dinge auch dann noch von herzen zu lieben und positiv beschreiben zu können, wenn's einmal nicht ganz so nach plan läuft!

        Kommentar


        • #5
          AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

          Gut, dass dir nichts Ernsthaftes passiert ist. Alles Gute
          Hans

          Kommentar


          • #6
            AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

            glueck gehabt, steile wiesen sind immer gefaehrlich!
            Daxy besucht mich auf www.wabnig.net

            asti, asti bandar ko bakaro!
            Langsam, langsam fang den Affen!
            Indisches Sprichwort

            Kommentar


            • #7
              AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

              für deine Offenheit und für diesen Bericht der Spitzenklasse, der uns alle wieder ermahnen sollte, nicht "zu übermütig" zu werden. GottseiDank ist die Sache so glimpflich ausgegangen!

              lG und 5.gif
              Martin
              PS: Für deinen Zierlersteigtip gibt's bei unserem ersten Aufeinandertreffen ein
              Leuchtende Tage - nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen!

              Kommentar


              • #8
                AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                Wau , da hat aber dein Schutzengel schön aufgepasst auf dich. Gott sei Dank.

                Schöne Aufnahmen und abgesehen von den schlimmen Ereignis, tolle Tour.

                lg isabella

                Kommentar


                • #9
                  AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                  Gratuliere dir zu deinem Glück !!!
                  So viel bekommen nicht viele im gesamten Leben ab .

                  Ich hoffe, deine Blutergüsse und Gelenkschmerzen haben sich schon gegeben.
                  Wie war das Aufstehen am Tag danach - nach der ersten Nacht ?
                  Bei einem harten Vorstiegssturz letztes Jahr bin ich auch gleich weitergeklettert, habe mir gedacht - alles ok - und am nächsten Tag war ich irgendwie ein anderer Mensch
                  Mir wurde das Erlebte erst über Nacht ein wenig bewusst..

                  Am auf jeden Fall kann man da nur demütig dankbar sein, dass du uns so was berichtest -

                  lg Josef

                  Kommentar


                  • #10
                    AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                    Passieren kann immerund überall was - blöd ist es nur wenns man alleine unterwegs ist und nicht mehr weiter kann - davor hätte ich am meisten Bammel (und vor steilen Grashängen - bin in Osttirol mal, oberhalb der Nilljochhütte als Kind abgerutscht und erst kanpp vor einem Stacheldrahtzaun zum Stillstand gekommen)
                    Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist
                    ein Mensch (E. Kästner)

                    Kommentar


                    • #11
                      AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                      Lieber tauernfuchs,

                      auch ich freu mich daß dir nichts passiert ist! Und zum schönen Bericht auch fünf Sterne!

                      LG
                      Tourenbuch: Outdoor Weblog | ÖBRD Kärnten Infos

                      Kommentar


                      • #12
                        AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                        Da kannst du wirklich nur ein Dankgebet richtung Himmel schicken.
                        So mancheiner überlebt schon weniger nicht. Gott sei Dank ist dir nichts passiert.

                        Kommentar


                        • #13
                          AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                          Danke für den schönen und ergreifenden Bericht und Glückwunsch zum zweiten Geburtstag!

                          Gott sei Dank denkt man nicht ständig daran dass so etwas passieren kann, sonst müsste man das Bergsteigen aufgeben.

                          Gute Genesung,
                          LG maxrax

                          Kommentar


                          • #14
                            AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                            Kombiniere: Auch scheinbar einfaches Gelände ist gefährlich. Danke für den Bericht. Und glückwunsch zur gesunden zweiten Geburt.
                            Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

                            Kommentar


                            • #15
                              AW: Absturz und unglaubliches Glück! Teufelskirche, 2131m - Schusterstuhl, 2416m

                              Puh - da kriegt man schon vom Lesen feuchte Hände

                              Es freut mich, dass Du so viel Glück hattest und ich finde es toll, dass Du diesen Bericht auch eingestellt hast.

                              Mich haben auch Deine bisherigen Berichte fasziniert, wahrscheinlich auch, weil ich sonst nie Eindrücke von diesen Touren bekommen würde, da ich selbst dertiges Gelände meide, nicht nur weil mir die von Dir beschriebenen Touren technisch zu schwer sind. Für mich persönlich wiegt das Risiko bei solchen Unterfangen schwerer als der erreichbare "Lustgewinn".
                              Dein Bericht hat mir sehr deutlích vor Augen geführt, wie schnell "es" gehen kann. Danke!

                              LG Michael
                              Den Abstand zwischen Brett und Kopf nennt man geistigen Horizont

                              Kommentar

                              Lädt...