Eine unglaubliche Berggeschichte!
Um Erstbegehungen war früher vielfach "a Griss" - um die hier beschriebene sicherlich nie... Während des Schreibens meines Venediger-Ergänzungsführers erinnerte ich mich wieder an diese Begebenheit. Ich hoffe, auch ein alter Tourenbericht passt noch in diese Abteilung des Forums.
Hier zunächst der Tatort: Das Dürrfeldereck mit seinem Südgrat:(Das Bild hab ich mir von Willy ausgeborgt - Verzeihung.... )
Durfeldeck%201%20f[1].jpg
Sonst hab ich leider keine Bilder, Geduldige dürfen trotzdem weiterlesen... ,
ist nämlich wirklich:
Eine Unglaubliche Bergeschichte
Das Dürrfeldereck kennt niemand…
Hubert Peterka hingegen ist zumindest der älteren Generation ein Begriff, sowohl als einer der klassischen Bergsteiger, der eine Unzahl von Erstbegehungen ausführen konnte, als auch als akribischer Autor in der Führerliteratur.
Auch der klassische Venedigerführer stand ja lange Zeit unter seinem „Stern“ und in ihm erwähnt finden wir auch das Dürrfeldereck und – typisch Peterka – der immer wieder kehrende Hinweis auf Erstbegehungsmöglichkeiten. Das liest (oder besser las) sich dann so:
Dürrfeldereck…..S-Grat (noch Problem!)
Nun – das Dürrfeldereck steht in einer entlegenen Ecke der Venedigergruppe, im ohnehin schon spärlich besuchten Laßörlinggebiet, etwa halbwegs zwischen Finsterkarspitze und Stampfleskopf. Einigen wenigen sind wenigstens diese Gipfel bekannt, es sind ja auch Dreitausender… Das Dürrfeldereck mit seinen 2977m ist hingegen sogar formmäßig eine unbedeutende Kuppe, in den Karten nicht einmal namentlich bezeichnet, sondern nur höhenkotiert.
Man musste schon Peterka lesen, um zu wissen, wo dieser Berg steht.
Meine Bekanntschaft mit dem Dürrfeldereck ergab sich an einem Allerheiligentag, sozusagen als „Kollateralereignis“ im Rahmen einer Gratrundtour.
Nach einigem Schmökern in der Führerliteratur und Planen einer Gratrunde, mit Hauptziel Finsterkarspitze, sah ich Peterkas Hinweis „noch Problem“ und beschloss, diesen S-Grat des
Dürrfelderecks zu versuchen und in meine Runde einzubauen.
Am 1. 11. 1987 startete ich also, das Wetter war wunderbar und eigentlich war es ein Sakrileg mit meinem VW-Käfer bis zur Dürrfelderalm hochzutuckern und diese fast heilige Stille dieser Jahreszeit zu durchbrechen. Weglos stieg ich das noch völlig schneefreie Kar empor, kein Laut, nur das Rauschen der Bäche. Nicht einmal ein Vogelruf durchbrach um diese Zeit diese Stille und das Gefühl dieser mystischen Einsamkeit.
Bald war ich am Gratansatz. Steil und plattig baute der Grat sich auf, aber durchaus kletterfreundlich und aus recht gutem Gestein.
Also los, gleich stieg ich die gegliederten Platten empor, meist II, gelegentlich eine IIIer Stelle, immer wieder gespannt, wie es weitergeht erreichte ich in recht schöner Kletterei schließlich einen ersten Gipfel.
Der gesamte Grat teilt sich auf in drei Abschnitte, dazwischen liegen zwei Scharten, die meist wieder recht einfach vom Kar aus zugänglich sind. Wäre mein Vorhaben also nicht gelungen, hätten mir sogar zwei Notabstiege zur Verfügung gestanden.
Doch ich hatte keinen Grund zur Sorge, gut gegliederter Fels leitete mich hinab Richtung erste Scharte, doch ganz zuletzt lauerte dann doch ein sehr steiler Abbruch. Gut, dass ich ein Seil mithatte! Rasch um einen Zacken geschlungen und schon konnte ich die paar Meter hinunterseilen.
Doch während dieses Manövers geschah es: Ich hörte was - Stimmen, ja ich hörte Stimmen!
Zunächst dachte ich, es werden wohl Jäger im Kar sein, ich bin halt doch nicht so ganz alleine.
Doch nein – im Kar sind keine Jäger… Dann wieder - Geplauder, ganz in der Nähe!
"Bin ich jetzt verrückt oder was, das gibt es doch gar nicht!"
Dann sah ich sie – zwei Bergsteiger – sie kletterten soeben von der anderen Seite genau in die Scharte zurück hinunter, die ich gerade zu erreichen versuchte - unglaublich!
Wenige Schritte und wir standen gemeinsam in der Scharte und starrten uns an, wie der Messner den Yeti.
Nach einer erstaunten Begrüßung stellte es sich heraus:
Die beiden hatten tatsächlich an diesem Allerheiligentag zur gleichen Zeit wie ich, an diesem an Einsamkeit kaum überbietbaren Ort, das gleiche Motiv:
Nämlich die Erstbegehung dieses Grates zu machen.
Geschieht es schon höchstens alle dreißig Jahre, dass sich Bergsteiger auf diesem abgelegenen Gipfel treffen, so ist dieser Zufall eigentlich unfassbar.
Im Gespräch stellte sich nun heraus, dass die beiden meinen bereits begangenen Gratteil umgangen und die Scharte direkt aus dem Kar über eine steile Rinne erreicht hatten.
Danach waren sie am Grat weitergeklettert, beim nächsten Gratgipfel aber gescheitert, da dieser in die folgende Scharte überhängend abbricht. Ein Seil zum Abseilen hatten sie nicht mit…
Nun - ich hatte aber ein Seil dabei und selbstverständlich machte ich ihnen das Angebot, dass wir uns zusammentun und es neuerdings gemeinsam versuchen.
Doch sie lehnten dankend ab – es wäre schon zu spät und sie müssten schon dringend zur Allerheiligenfeier. Ja – auch das ist Osttirol…
Allein blieb ich zurück. Noch immer meinen Gedanken über dieses merkwürdige Zusammentreffen nachhängend stieg ich weiter. Nicht besonders schwer, ein Zweier halt und recht guter Fels dazu, bald war auch ich auf dem Gratgipfel angekommen, der überhängend abbrechen sollte.
Das tat er auch und zwar gewaltig, aber das wäre weiter nicht schlimm gewesen. Viel übler war eine andere Tatsache:
Hier war kein zackiges Felsgelände, sondern eine breite Schuttfläche, erdig und ohne jegliche Möglichkeit eine verlässliche Abseilstelle einzurichten. Lediglich ein paar Felsbrocken lagen herum.
Nun war guter Rat teuer und hilflos wanderte mein Blick herum, auf der Suche nach einer Hakenritze oder sonst was – nichts…. Oder doch? Da lag ein Felsstück - nahe der Abbruchkante. Ich überlegte – der Brocken wog gut ein paar hundert Kilo, eigentlich war es unmöglich, ihn hinunter zu reißen. Ich opferte eine längere Reepschnur und seilte ab. Genau 20 überhängende Meter, dann hatte ich es geschafft. Die nächste Scharte war erreicht und ab nun bot der Grat kaum mehr Hindernisse. In flotter Gangart erreichte ich über gutmütiges IIer-Gelände den Gipfel des Dürrfelderecks.
Die Erstbegehung des S-Grates war geschafft und – ausnahmsweise – konnte ich mir hier wirklich hundertprozentig sicher sein, dass ich der erste Mensch war, der diesen Grat je betreten hatte.
LG
copyright by M.P.
Um Erstbegehungen war früher vielfach "a Griss" - um die hier beschriebene sicherlich nie... Während des Schreibens meines Venediger-Ergänzungsführers erinnerte ich mich wieder an diese Begebenheit. Ich hoffe, auch ein alter Tourenbericht passt noch in diese Abteilung des Forums.
Hier zunächst der Tatort: Das Dürrfeldereck mit seinem Südgrat:(Das Bild hab ich mir von Willy ausgeborgt - Verzeihung.... )
Durfeldeck%201%20f[1].jpg
Sonst hab ich leider keine Bilder, Geduldige dürfen trotzdem weiterlesen... ,
ist nämlich wirklich:
Eine Unglaubliche Bergeschichte
Das Dürrfeldereck kennt niemand…
Hubert Peterka hingegen ist zumindest der älteren Generation ein Begriff, sowohl als einer der klassischen Bergsteiger, der eine Unzahl von Erstbegehungen ausführen konnte, als auch als akribischer Autor in der Führerliteratur.
Auch der klassische Venedigerführer stand ja lange Zeit unter seinem „Stern“ und in ihm erwähnt finden wir auch das Dürrfeldereck und – typisch Peterka – der immer wieder kehrende Hinweis auf Erstbegehungsmöglichkeiten. Das liest (oder besser las) sich dann so:
Dürrfeldereck…..S-Grat (noch Problem!)
Nun – das Dürrfeldereck steht in einer entlegenen Ecke der Venedigergruppe, im ohnehin schon spärlich besuchten Laßörlinggebiet, etwa halbwegs zwischen Finsterkarspitze und Stampfleskopf. Einigen wenigen sind wenigstens diese Gipfel bekannt, es sind ja auch Dreitausender… Das Dürrfeldereck mit seinen 2977m ist hingegen sogar formmäßig eine unbedeutende Kuppe, in den Karten nicht einmal namentlich bezeichnet, sondern nur höhenkotiert.
Man musste schon Peterka lesen, um zu wissen, wo dieser Berg steht.
Meine Bekanntschaft mit dem Dürrfeldereck ergab sich an einem Allerheiligentag, sozusagen als „Kollateralereignis“ im Rahmen einer Gratrundtour.
Nach einigem Schmökern in der Führerliteratur und Planen einer Gratrunde, mit Hauptziel Finsterkarspitze, sah ich Peterkas Hinweis „noch Problem“ und beschloss, diesen S-Grat des
Dürrfelderecks zu versuchen und in meine Runde einzubauen.
Am 1. 11. 1987 startete ich also, das Wetter war wunderbar und eigentlich war es ein Sakrileg mit meinem VW-Käfer bis zur Dürrfelderalm hochzutuckern und diese fast heilige Stille dieser Jahreszeit zu durchbrechen. Weglos stieg ich das noch völlig schneefreie Kar empor, kein Laut, nur das Rauschen der Bäche. Nicht einmal ein Vogelruf durchbrach um diese Zeit diese Stille und das Gefühl dieser mystischen Einsamkeit.
Bald war ich am Gratansatz. Steil und plattig baute der Grat sich auf, aber durchaus kletterfreundlich und aus recht gutem Gestein.
Also los, gleich stieg ich die gegliederten Platten empor, meist II, gelegentlich eine IIIer Stelle, immer wieder gespannt, wie es weitergeht erreichte ich in recht schöner Kletterei schließlich einen ersten Gipfel.
Der gesamte Grat teilt sich auf in drei Abschnitte, dazwischen liegen zwei Scharten, die meist wieder recht einfach vom Kar aus zugänglich sind. Wäre mein Vorhaben also nicht gelungen, hätten mir sogar zwei Notabstiege zur Verfügung gestanden.
Doch ich hatte keinen Grund zur Sorge, gut gegliederter Fels leitete mich hinab Richtung erste Scharte, doch ganz zuletzt lauerte dann doch ein sehr steiler Abbruch. Gut, dass ich ein Seil mithatte! Rasch um einen Zacken geschlungen und schon konnte ich die paar Meter hinunterseilen.
Doch während dieses Manövers geschah es: Ich hörte was - Stimmen, ja ich hörte Stimmen!
Zunächst dachte ich, es werden wohl Jäger im Kar sein, ich bin halt doch nicht so ganz alleine.
Doch nein – im Kar sind keine Jäger… Dann wieder - Geplauder, ganz in der Nähe!
"Bin ich jetzt verrückt oder was, das gibt es doch gar nicht!"
Dann sah ich sie – zwei Bergsteiger – sie kletterten soeben von der anderen Seite genau in die Scharte zurück hinunter, die ich gerade zu erreichen versuchte - unglaublich!
Wenige Schritte und wir standen gemeinsam in der Scharte und starrten uns an, wie der Messner den Yeti.
Nach einer erstaunten Begrüßung stellte es sich heraus:
Die beiden hatten tatsächlich an diesem Allerheiligentag zur gleichen Zeit wie ich, an diesem an Einsamkeit kaum überbietbaren Ort, das gleiche Motiv:
Nämlich die Erstbegehung dieses Grates zu machen.
Geschieht es schon höchstens alle dreißig Jahre, dass sich Bergsteiger auf diesem abgelegenen Gipfel treffen, so ist dieser Zufall eigentlich unfassbar.
Im Gespräch stellte sich nun heraus, dass die beiden meinen bereits begangenen Gratteil umgangen und die Scharte direkt aus dem Kar über eine steile Rinne erreicht hatten.
Danach waren sie am Grat weitergeklettert, beim nächsten Gratgipfel aber gescheitert, da dieser in die folgende Scharte überhängend abbricht. Ein Seil zum Abseilen hatten sie nicht mit…
Nun - ich hatte aber ein Seil dabei und selbstverständlich machte ich ihnen das Angebot, dass wir uns zusammentun und es neuerdings gemeinsam versuchen.
Doch sie lehnten dankend ab – es wäre schon zu spät und sie müssten schon dringend zur Allerheiligenfeier. Ja – auch das ist Osttirol…
Allein blieb ich zurück. Noch immer meinen Gedanken über dieses merkwürdige Zusammentreffen nachhängend stieg ich weiter. Nicht besonders schwer, ein Zweier halt und recht guter Fels dazu, bald war auch ich auf dem Gratgipfel angekommen, der überhängend abbrechen sollte.
Das tat er auch und zwar gewaltig, aber das wäre weiter nicht schlimm gewesen. Viel übler war eine andere Tatsache:
Hier war kein zackiges Felsgelände, sondern eine breite Schuttfläche, erdig und ohne jegliche Möglichkeit eine verlässliche Abseilstelle einzurichten. Lediglich ein paar Felsbrocken lagen herum.
Nun war guter Rat teuer und hilflos wanderte mein Blick herum, auf der Suche nach einer Hakenritze oder sonst was – nichts…. Oder doch? Da lag ein Felsstück - nahe der Abbruchkante. Ich überlegte – der Brocken wog gut ein paar hundert Kilo, eigentlich war es unmöglich, ihn hinunter zu reißen. Ich opferte eine längere Reepschnur und seilte ab. Genau 20 überhängende Meter, dann hatte ich es geschafft. Die nächste Scharte war erreicht und ab nun bot der Grat kaum mehr Hindernisse. In flotter Gangart erreichte ich über gutmütiges IIer-Gelände den Gipfel des Dürrfelderecks.
Die Erstbegehung des S-Grates war geschafft und – ausnahmsweise – konnte ich mir hier wirklich hundertprozentig sicher sein, dass ich der erste Mensch war, der diesen Grat je betreten hatte.
LG
copyright by M.P.
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