Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

[Flachland-Mensch]

Liebes Forum,

ich beschäftige mich als Flachland-Mensch gerne mit den 8000ern.

1. Das Netz ist voller Videos und Bilder. Wieso finde ich nichts vernünftiges von der freien Besteigung des Second Steps? Zumindest von Conrad Anker müsste doch eigentlich was da sein?
2. Wie verhält sich das generell mit den Leitern und Fixseilen? Beispiel Second Step: Die Leiter ist dort seit 1975. 2007 wurde sie temporär entfernt. Wie zur Hölle kann man davon ausgehen, dass die Leiter fest ist? Oder die Leitern/Fixseile im Khumbu-Eisfall?
3. Man hört oft, dass man am Everest nicht klettern muss: Ein Blinder, ein Mann ohne Arme und ein 13jähriger waren schon oben. Wie muss man sich das vorstellen? Kann man als akklimatisierter Mensch, mit guter Kondition da tatsächlich so einfach hoch, nur weil die Kohle stimmt?

Vielen Dank im Voraus

[climby]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

Naja, ich schätze mal weil der Second Step noch gar so oft frei begangen wurde. Ich kenne auch nur die Begehung von Conrad Anker, ob Mallory und Irvine es geschafft haben wissen wir ja nicht. Wenn man da oben eine V oder VI (UIAA) frei klettert, hat man keine wahrscheinlich keine Hand mehr frei, ein Video zu machen.

Hier wäre ein Bild der Leiter: phoca_thumb_l_466.jpg

Man kann nicht davon ausgehen, dass Leitern fest sind, deshalb sichert man sich noch zusätzlich an einem Fixseil. Aber auch diese können bei schlechter Verankerung oder durch Verschleiß der Seile reißen, das ist das Risiko. Da der Everest recht viel begangen wird und die Fixseile dort jedes Jahr neu einrichtet werden, ist das Risiko kalkulierbar. Aber auch in den Alpen gibt es an Abseilpunkten alte Schlingen, die durchaus genutzt werden...auch von mir.

Aus meiner Sicht kann man das Besteigen des Everest nicht mit dem normalen Klettern vergleichen, da eben alles mit Fixseilen abgesichert ist. Es ist eher so ein sich hochhangeln an 2 Steigklemmen, die am Gurt hintersichert sind. Deshalb sieht man oft auf Videos der Besteigung, dass Leute ein paar Meter wegtaumeln, dann aber doch gesichert sind.

Viele Liebe Grüße von climby

P.S. Ich war da nicht oben...

[schrutkaBua]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

https://www.youtube.com/watch?v=EcqfDOVnM1o Second Step: Auer / Houlding

[climby]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

So richtig viel sieht man auf dem Video ja nicht, aber als Beweis reicht es wohl.

Viele Liebe Grüße von climby

[megatom]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

Wo sind denn die Leitern und Fixseile in dem Video hin?
Oder werden die immer am Ende der Saison wieder eingesammelt?

[schrutkaBua]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

So richtig viel sieht man auf dem Video ja nicht, aber als Beweis reicht es wohl.

Viele Liebe Grüße von climby

Ich bilde mir ein einmal eine längere Doku gesehen zu haben. Da war mehr und in besserer Qualität zu sehen. Evt. auf servusTV!?

[Flachland-Mensch]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

Wo sind denn die Leitern und Fixseile in dem Video hin?

Anker hat sich 1999 (versehentlich?) an der Leiter abgestützt, weshalb er diese 2009 (also das Video oben) entfernen lies, bevor er den Second Step frei kletterte.

Hier erzählt er davon, wenn ich mich richtig erinnere: https://www.youtube.com/watch?v=STN8lJNNrbU

[schrutkaBua]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

Weils dazupasst.

"Bei der vierten Begehung des Nordostgrats 1985 kletterte der Katalane Oscar Cadiach die Zweite Stufe in Seilschaft und frei, d.h. ohe Benutzung der chinesischen Leiter. Allerdings nutzte er eine Schlinge, die er um eine Leitersprosse legte, als Zwischensicherung. Er bewertete die Stelle mit dem Schwierigkeitsgrad V+ (USA 5.8) - was Theo Fritsche sechzehn Jahre später bestätigte.
Nach seinem viel publizierten gescheiterten Versuch 1999 versuchte sich Conrad Anker acht Jahre darauf für den Film The Wildest Dream erneut an dem Problem und schaffte diesmal einen freien Durchstieg. Sein Partner, der Engländer Leo Houlding, folgte im Nachstieg und bewertete die Stelle mit VI (USA 5.9)." aus Austria 8000, Jochen Hemmleb, Innsbruck 2013, S. 17.

Theo Fritsche kletterte den Second Step im Jahr 2001 free solo. vgl.: Austria 8000, Jochen Hemmleb, Innsbruck 2013, S. 10-22.


In dieser Leseprobe nachzulesen.

[Veronika Meyer]

AW: Everest - Leitern und Fixsteile, Second Step

Wer den Everest besteigt, muss Leitern und Fixseile benützen, die von den Sherpas eingerichtet wurden. Auf der Südseite wird wirklich jeder, auch absolute Spitzenalpinisten, die Leitern im Eisfall benützen. Weiter oben sind die Fixseile nicht zwingend zu benützen, aber 99% der Leute tun es. Auf der Nordseite hängen sich auch 99% an die Fixseile und arbeiten sich mit dem Jumar hoch. Die Leiter am Second Step wird von allen benützt, es sei denn, irgend jemand will wieder einmal wissen, wie es sich anfühlt, mit sehr dicken Schuhen, Steigeisen, dicken Handschuhen und ev. einer Sauerstoffmaske im 5. Grad zu klettern.

Wenn man also den Everest als Nicht-SpitzenkönnerIn besteigt, muss man Vertrauen in die Fixseile haben. Sie werden jedes Jahr neu gelegt. (Auf der Nordroute ist dann das Vertrauen in die Leiter am Second Step nur ein Detail.) Weil die günstigen Tage für eine Besteigung fast immer nur im Mai sind (ev. noch Anfang Juni), und das oft nur wenige Tage sind, gehen dann natürlich sehr viele Leute gleichzeitig in die Hochlager und, wer so weit kommt, auf den Gipfel. Ich befand mich auch in diesen Kolonnen, und manchmal musste ich mir sagen: Wenn jetzt ein Seil reissen sollte, weil 10 Personen daran hängen, gibt das eine Katastrophe. Aber weil ich ja auch hinauf wollte, war ich halt ein Mitglied der Kolonnen und vertraute darauf, dass die Seile gut fixiert waren. (Waren sie.)

Übrigens hat man je nach Wetter, d.h. Wind, auch grosses Vertrauen in das Können der Sherpas, Zelte auf abschüssigem Gelände sturmfest fixieren zu können. Im Lager 7800 m (Nordseite) stürmte es mal die ganze Nach so heftig, dass man nicht hörte, was draussen vorging. Da stand mein Zelt auf einer Plattform von aufgeschichteten Steinen. Es gab nichts anderes, als darauf zu vertrauen, dass die Sherpas gewusst hatten, was sie taten. (Hatten sie.) Die Alternative wäre gewesen, noch gleichentags in ein tieferes Lager abzusteigen. Aber eben, man will ja nach oben…

Also, die Leiter am Second Step. Ob die sicher sei oder nicht - diese Frage stellt man sich dort oben überhaupt nicht, man hat ja schon kilometerweise Fixseile hinter sich. Ich habe die Stelle in meinem Buch so beschrieben:

"Nach wenigen Schritten befand ich mich auf dem Schneefleck, der zur berühmten Leiter hinauf führte. Tatsächlich waren da zwei Leitern am Fels befestigt, denn die neue, etwas längere, war einfach über der älteren montiert worden. Auch sie war beinahe senkrecht, und wieder war der Abgrund fast körperlich spürbar. Sie zählte vielleicht ein Dutzend Sprossen und ich hatte den Eindruck, dass es sich nicht gerade um eine Hightech-Leiter handle, sondern um ein billiges Produkt aus dem Supermarkt. Auch hier hingen viele alte Seile, in denen man sich mit den Steigeisen verheddern konnte, und der Ausstieg von der Leiter benötigte nochmals Mut, weil man durch abdrängende Felsen ein paar Schritte nach rechts hinaus auf den Grat machen musste. Doch jetzt standen Mingma und ich oben, und während die übrigen nachkamen lobte der sonst so schweigsame Sherpa „good, Didi!“ Didi ist nepalesisch und bedeutet „ältere Schwester“ in respektvollem Sinn."

Ob jetzt immer noch die gleiche Leiter oder Leitern dort installiert sind wie im Jahr 2007 weiss ich nicht.

Übrigens: Der Mann ohne Arme war meines Wissens nicht oben. Ich erinnere mich nicht mehr, ob er 2005 oder 2007 am Everest war, jedenfalls habe ich ihn gesehen. Er ist Norweger und hat bei einem Unfall beide Arme verloren. An einem Arm hat er eine Prothese, am anderen nicht. Er hat mal mit zwei Kollegen die Antarktis durchquert (ev. nur bis zum Südpol, ich weiss es nicht mehr). Er musste dann am Second Step kapitulieren, trotz sicher guter Unterstützung durch seine Begleiter.

Kohle allein genügt überhaupt nicht für den Everest. Erste Voraussetzung ist eine sehr gute Höhentauglichkeit, die man nicht einfach durch Akklimatisieren erwerben kann. Man hat sie, genetisch bedingt, oder nicht, da kann man nichts dafür. Wenn man sie hat, sollte aber noch viel mehr stimmen: Leidensfähigkeit, Ausdauer (nicht zu verwechseln mit Fitness), die Fähigkeit wochenlang auf das gute Wetter warten zu können. Meiner Ansicht nach sollte man sehr viel Hochtourenerfahrung haben und wissen, was man sich zumuten kann. Wenn die Verhältnisse bestens sind, ist letzteres vielleicht nicht nötig, aber das Wetter könnte ja schlechter werden, und dann kann man sich nicht einfach auf einen begleitenden Sherpa verlassen. Siehe Katastrophe von 1996.

Mein Buch "Gaias Gipfel", das mein "Ringen" mit dem Everest beschreibt, aber auch viel anderes, kannst du bei mir für 15 Euro kaufen.