So, jetzt geht’s weiter, erster Tag am Fluss:
Der Vormittag ist für die Einkäufe in Mogotscha draufgegangen, dann die gut 2-stündige Auto-Anfahrt, es ist schon Nachmittag, als wir uns reisefertig machen, für unsere längste Paddeltour, die wir bisher gemacht haben. 350km in 11 Tagen auf Big Salmon und Yukon in Kanada, 9 Tage Savonoski Loop in Alaska und letztes Jahr 380km in 11 Tagen auf Mur und Drau waren bisher unsere längsten Touren. Nun sollten es 600km sein, 18 Tage haben wir dafür Zeit, die Zugtickets für die 48-stündige Rückfahrt mit der Baikal Amur Magistrale (BAM) nach Kransnojarsk, dem nächsten Flughafen für den Heimflug, haben wir ja schon im Gepäck.
Die Flüsse Tungir und Oljokma sind mit durchschnittlich 0,37 Promille Gefälle auf unserer Strecke recht langsam fließende Flüsse, Mur-Drau von Spielfeld bis in die Donau haben beispielsweise 0,41 Promille. Der Tungir hat eine mittlere Wasserführung, die kleiner ist als beispielsweise die der Mur, die anschließende Oljokma ist deutlich größer als die Mur. Die Flüsse beginnen übrigens im Oktober zuzufrieren und brechen erst im Mai wieder auf.
Paddeln ist also angesagt, wenn wir unseren Zeitplan einhalten wollen. Gute Erfahrungen haben wir dabei damit gemacht, dass mein Schatz ganz klassisch mit dem Stechpaddel werkt, ich aber ein Doppelpaddel benütze, wie mans eigentlich nur im Kajak verwendet.
Kurz nach dem Start fängt es dann tatsächlich etwas zu regnen an, es hört dann aber recht schnell wieder auf und als wir nach etwa 10km unser erstes Camp aufschlagen, können wir sogar bei Sonnenschein die üblichen Arbeiten erledigen, die uns in der nächsten Zeit zur Routine werden: Kanu entleeren, Zelt aufbauen, Feuerholz sammeln, Kochen.
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Für das Kochen ist meist mein Schatz zuständig, den Abwasch mach dann ich.
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Dann gibt’s das Abendmahl (heute Reis mit Gemüseeierspeise)
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Anschließend liegen wir dann mit vollem Bauch mal flach und testen, ob die Thermarest-Matten auf gutem Untergrund liegen. Mein Schatz ist da recht sensibel, eine richtige Prinzessin auf der Erbse. Aus diesem Grund lasse ich ihr immer die Platzauswahl und die Zeltausrichtung, da mische ich mich gar nicht ein. Mir bleibt nur, mit dem Spaten gröbere und auch feinere Grabungsarbeiten zu erledigen, damit nichts piekst und die Liegefläche exakt eben ist.
Nach Lesen, Hörbuch lauschen oder manchmal auch einem kleinen Nickerchen wird das Camp aufgeräumt: Alles Gepäck hoch genug überm Wasser ablegen und das Boot gut sichern. Es könnte ja irgendwo am Oberlauf des Flusses ein Gewitter niedergehen und in der Nacht den Fluss anschwellen lassen.
Abends gibt’s dann noch einen Gute-Nacht-Tee. Dafür war eine Flasche Wodka im Einkaufswagen vorgesehen gewesen, wurde uns aber leider beim Einkauf am Vormittag verwehrt. Natürlich hätte uns unser Taxler Alexander was besorgen können, aber wir wollten ihm gegenüber nicht als Alkoholiker erscheinen, die das unbedingt brauchen.
Das Timing passt heute: Kurz nach dem Schlafengehen, das meist recht früh geschieht, weil die Moskito- und Mücken-Aktivitäten abends immer am stärksten sind, geht ein ordentliches Gewitter über uns nieder.
Am Morgen mach ich dann als präsenil Bettflüchtiger wieder Feuer und koche insgesamt etwa 2 ½ Liter Wasser auf, Kaffee für mich, Tee für meinen Schatz, warmes Frühstücksmüsli oder Babybrei (oder eine Mischung davon) und einen Vorrat in die Thermosflasche für die erste oder manchmal auch zweite Kaffeepause am Vormittag.
Mir taugt das frühe Aufstehen, ich bin meist super ausgeschlafen, weil ich sicherlich 2 Stunden weniger Schlafbedarf als mein Schatz hab und weil mir die Morgenstimmung auch sehr gefällt: Es ist kühl, die fliegenden Plagegeister schlafen noch, überm Fluss liegt oft der Morgennebel:
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Bis zur Abfahrt dauerts aber naturgemäß noch ein Weilchen. Es wird gemütlich gefrühstückt, irgendwo noch eine Grube gegraben und dann ist wieder alles abzubauen und sorgfältig im Boot fest zu verzurren. Man weiß ja nie, der Flussteufel schläft nicht immer.
Einmal haben wir die Fuhre ja schon umgeschmissen, auf der Gail in Kärnten. Aber das war schon ein anderes Wässerchen, nicht vergleichbar mit den trägen Flüssen hier. Wir haben damals jedenfalls nichts verloren, auch die Schlafsäcke sind trocken geblieben.
Es soll am Tungir auch irgendwo eine „Stromschnelle“ geben, laut Wikipedia "„порог Мадьярский Перекат"“ und auch Karin Haß schreibt, dass es einen ihrer Begleiter dort umgehaut hat. Wir haben jedenfalls nichts davon bemerkt. Hin und wieder sind ein paar Steine, wo man es schon von weitem Rauschen hört und ein wenig weiß sieht, es war aber alles harmlos. Die Mur durch Graz ist dagegen extremes Wildwasser.
Wir sind abfahrbereit, es scheint ein wunderschöner Tag zu werden:
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Nachdem wir nicht wissen, was uns wettermäßig im Lauf unserer Tour noch erwarten wird, wollen wir an den schönen Tagen jedenfalls 40km fahren, 20km am Vormittag und 20km am Nachmittag. Ich hab auf meiner Kartensoftware QuoVadis die ganze Tour mit 10km-Markierungen markiert und auf meinem GPS eine russische Generalstabskarte 1:500000 drauf. Zusätzlich wurden für die ganze Strecke Satellitenbilder ausgedruckt, ebenfalls mit den Wegpunkten versehen. Das sind etwa 15 doppelseitige A4-Blätter, wasserdicht laminiert. Mein Schatz hat die aktuelle Karte immer im Bug und schaut gerne drauf, wo wir gerade sind und wo die nächsten vielversprechenden Schotterbänke für ein Mittags- oder Übernachtungscamp sind. Das hat wirklich super funktioniert, bei vielen Inseln hat das auch die Entscheidung erleichtert, wo wir weiterfahren. Oft ists egal, wo man fährt, oft ists klar (wenn in einem Arm entscheidend mehr Wasser fließt), aber manchmal kann man sich einen Kilometer sparen, wenn man die kürzere Route wählt.
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Ganz super hat übrigens das PV-Panel funktioniert: Damit hab ich immer alles aufladen können, das GPS, die Kameras, unsere beiden E-Book-Reader, mein Handy (als Hörbuch- und Podcast-Player, Empfang gibt’s dort natürlich keinen): Man kann damit 2 Geräte gleichzeitig über USB laden und nur ausnahmsweise hab ichs am Boot gemacht, meist reichten dafür die Mittagspausen.
Wir hatten an den Schönwettertagen recht hohe Temperaturen an die 30 Grad, da wurden auch öfters Badepausen eingelegt,
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Körperpflege war also kein Problem und zwischendurch einmal ein paar Wäschestücke waschen auch nicht, es war im Nu wieder alles trocken.
Zu Mittag Schatten zu finden war aber nicht immer ganz einfach: Da gabs mehrere Möglichkeiten, manchmal fanden wir eine Schotterbank, wo der anschließende Wald noch Überschwemmungszone mit Sanndflächen bildete, oder wir benutzten Lagerplätze oder Jagdhütten der einheimischen Jäger. Immer hat das natürlich nicht funktioniert und dann mussten wir uns den Schatten selbst bauen, mit unserem Tarp. Im Zelt wäre es zu Mittag viel zu heiß gewesen, selbst im Schatten. Ein geruhsames Mittagsschläfchen ist für uns beide nur möglich, wenn wir Ruhe vor den Gelsen und Mücken haben und da hat sich das Moskitonetz bestens bewährt, weils da angenehm durchzieht:
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Da sind die Russen halt härter im nehmen, hier ein Jagdcamp, das die Leute offenbar vor kurzem erst für einen Jagdausflug verlassen haben, das Zeug ist noch alles hier und an der Feuerstelle hats noch geraucht:
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Ansonsten haben sie es ja recht vollständig eingerichtet, am Baum hängt ein Spiegelschrank („Allibert“) und in der Hausbar stehen etliche Flaschen, nicht mal alle leer. Es ist aber nicht immer alles Wodka, was da geschluckt wird, häufig kommt billigere Ware zum Einsatz, selbstgebrannte, gepanschte Fusel. Dieser „Sprit“ („Geist“) ist ein noch größeres Problem als Wodka, weil die Toxizität kaum einschätzbar ist.
Immer wieder sehen wir am Flussufer einfache Jagdhütten, sogenannte Isbuschkas. Allen gemeinsam ist, dass sie gleich eingerichtet sind: mit einem einfachen, aber leistungsfähigen Ofen, einem Tisch und 2 Holzpritschen. Sie sind alle unversperrt und werden in erster Linie für die Winterjagd verwendet. Bei bis zu minus 50°C und den kurzen Tagen können mit dem Schneemobil dann weiter entfernte Gebiete aufgesucht werden, für die Pelztierjagd mit Fallen. Wir haben sie für die Nächtigung nur 2-mal benutzt, bei regnerischen Wetter und wenn wir unsere Sachen wieder trocknen mussten. Sonst haben wir die Übernachtung im Zelt vorgezogen, da gibts keine Mäuse drinnen, die mitten in der Nacht irgendwo zu nagen beginnen oder herumhuschen. Aber manchmal eben auch für eine Mittagspause, da es drinnen immer angenehm kühl war. Außerdem war ich immer neugierig und es war für uns auch immer ein willkommener Anlass für eine Paddelpause und die Möglichkeit sich die Füße zu vertreten.
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Recht übel schauts oft mit dem Müll aus, manchmal ist neben der Hütte eine Grube, wo jede Menge Dosen und leere Wodkaflaschen drin liegen, oft ist aber auch die ganze Gegend um die Hütte herum mit Unrat versaut. Wir haben jedenfalls alle unsere Dosen wieder mitgenommen und erst am Bahnhof in Juktali entsorgt. Der meiste Müll ist ohnehin brennbar, den haben wir regelmäßig verbrannt, aus der Asche haben wir dann sogar die Aluminiumfolien der Laminatverpackungen rausgenommen, so sind wir es eben gewohnt.
2-mal hatten die Isbuschkas sogar eine Banja, eine russische Saunahütte, dabei:
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Die Banja wird natürlich auch zum Schwitzen verwendet, wie wir es kennen, ist aber in erster Linie das Badezimmer der Sibirer zur Körperpflege, wo es kein fließendes Wasser gibt (ist in den Dörfern wohl üblich, bei den tiefen Temperaturen im Winter ists mit den Wasserleitungen sicher auch schwierig).
Der Ofen dient zugleich als Herd um einen Wasserkessel fürs Warmwasser zu erwärmen. Man mischt das dann mit einem Schöpfer mit kaltem Wasser in einer Schüssel auf passende Temperatur und schüttet sich das dann über den Körper. Ist man zu zweit, rubbelt man sich dann gegenseitig mit einem recht rauen Schwamm ab, ist ein richtiges Hautpeeling. Das Wasser läuft dann einfach durch die Spalte im Fußboden ab. Die Saunasteine für den Aufguss ums Ofenrohr herum kennen wir ja, aber eine Spezialität gibt’s noch: Das Peitschen der Haut mit einem Büschel aus Birkenreisig: Das soll recht gesund sein, weil es die Hautdurchblutung fördert und zudem ätherische Öle der Birke in die Haut eingebracht werden. Zu zweit kann man da natürlich auch seine SM-Neigungen voll ausleben.
Am Tungir sind wir auch immer wieder mal Einheimischen begegnet, die mit ihren typischen hölzernen Langbooten meist zu zweit oder dritt unterwegs sind. Oft wollten sie mit uns Kontakt aufnehmen und waren dann meist ein wenig enttäuscht, dass wir fast nichts verstanden, was sie auf uns einredeten. Und ich hab ihnen immer nur erzählt, dass wir Touristen aus Österreich sind, dass wir hier 18 Tage auf Tungir und Oljokma unterwegs sind und immer im Zelt schlafen. Was wir sonst noch von ihnen verstanden haben: Sie waren alle überaus freundlich, haben sich aber auch immer wieder lustig über uns gemacht (einer sagte was zu den anderen, und diese grinsten dann alle). Sie haben uns oft bedeutet, dass sie Jagen, dass wir uns vor den Bären in Acht nehmen sollen und in welcher Entfernung die nächste Isbuschka wäre. 1km Entfernungsangabe waren dann zwar gleich einmal 5, aber was zählt das schon in den Weiten der Taiga.
Diese 3 Burschen
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haben uns recht eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie durstig sind und gerne mit uns einen Wodka trinken würden und Zigaretten rauchen, mit unserem Wodka und unseren Zigaretten, versteht sich. Leider hatten wir weder das eine noch das andere, sondern nur ein paar Kekse, worauf sie aber nicht besonders scharf waren. Auch mit Kaffee hatten sie nichts am Hut. Höflichkeitshalber knabberten 2 von ihnen einen Keks und verabschiedeten sich dann wieder. Es scheint bei den Einheimischen übrigens üblich zu sein, dass man anlegt, wenn man andere Leute sieht. Ist auch verständlich, hier in der Einöde werden so beim Tratsch am Lagerfeuer die Neuigkeiten verbreitet, ganz ohne Handy und Social Media.
Der Vormittag ist für die Einkäufe in Mogotscha draufgegangen, dann die gut 2-stündige Auto-Anfahrt, es ist schon Nachmittag, als wir uns reisefertig machen, für unsere längste Paddeltour, die wir bisher gemacht haben. 350km in 11 Tagen auf Big Salmon und Yukon in Kanada, 9 Tage Savonoski Loop in Alaska und letztes Jahr 380km in 11 Tagen auf Mur und Drau waren bisher unsere längsten Touren. Nun sollten es 600km sein, 18 Tage haben wir dafür Zeit, die Zugtickets für die 48-stündige Rückfahrt mit der Baikal Amur Magistrale (BAM) nach Kransnojarsk, dem nächsten Flughafen für den Heimflug, haben wir ja schon im Gepäck.
Die Flüsse Tungir und Oljokma sind mit durchschnittlich 0,37 Promille Gefälle auf unserer Strecke recht langsam fließende Flüsse, Mur-Drau von Spielfeld bis in die Donau haben beispielsweise 0,41 Promille. Der Tungir hat eine mittlere Wasserführung, die kleiner ist als beispielsweise die der Mur, die anschließende Oljokma ist deutlich größer als die Mur. Die Flüsse beginnen übrigens im Oktober zuzufrieren und brechen erst im Mai wieder auf.
Paddeln ist also angesagt, wenn wir unseren Zeitplan einhalten wollen. Gute Erfahrungen haben wir dabei damit gemacht, dass mein Schatz ganz klassisch mit dem Stechpaddel werkt, ich aber ein Doppelpaddel benütze, wie mans eigentlich nur im Kajak verwendet.
Kurz nach dem Start fängt es dann tatsächlich etwas zu regnen an, es hört dann aber recht schnell wieder auf und als wir nach etwa 10km unser erstes Camp aufschlagen, können wir sogar bei Sonnenschein die üblichen Arbeiten erledigen, die uns in der nächsten Zeit zur Routine werden: Kanu entleeren, Zelt aufbauen, Feuerholz sammeln, Kochen.
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Für das Kochen ist meist mein Schatz zuständig, den Abwasch mach dann ich.
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Dann gibt’s das Abendmahl (heute Reis mit Gemüseeierspeise)
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Anschließend liegen wir dann mit vollem Bauch mal flach und testen, ob die Thermarest-Matten auf gutem Untergrund liegen. Mein Schatz ist da recht sensibel, eine richtige Prinzessin auf der Erbse. Aus diesem Grund lasse ich ihr immer die Platzauswahl und die Zeltausrichtung, da mische ich mich gar nicht ein. Mir bleibt nur, mit dem Spaten gröbere und auch feinere Grabungsarbeiten zu erledigen, damit nichts piekst und die Liegefläche exakt eben ist.
Nach Lesen, Hörbuch lauschen oder manchmal auch einem kleinen Nickerchen wird das Camp aufgeräumt: Alles Gepäck hoch genug überm Wasser ablegen und das Boot gut sichern. Es könnte ja irgendwo am Oberlauf des Flusses ein Gewitter niedergehen und in der Nacht den Fluss anschwellen lassen.
Abends gibt’s dann noch einen Gute-Nacht-Tee. Dafür war eine Flasche Wodka im Einkaufswagen vorgesehen gewesen, wurde uns aber leider beim Einkauf am Vormittag verwehrt. Natürlich hätte uns unser Taxler Alexander was besorgen können, aber wir wollten ihm gegenüber nicht als Alkoholiker erscheinen, die das unbedingt brauchen.
Das Timing passt heute: Kurz nach dem Schlafengehen, das meist recht früh geschieht, weil die Moskito- und Mücken-Aktivitäten abends immer am stärksten sind, geht ein ordentliches Gewitter über uns nieder.
Am Morgen mach ich dann als präsenil Bettflüchtiger wieder Feuer und koche insgesamt etwa 2 ½ Liter Wasser auf, Kaffee für mich, Tee für meinen Schatz, warmes Frühstücksmüsli oder Babybrei (oder eine Mischung davon) und einen Vorrat in die Thermosflasche für die erste oder manchmal auch zweite Kaffeepause am Vormittag.
Mir taugt das frühe Aufstehen, ich bin meist super ausgeschlafen, weil ich sicherlich 2 Stunden weniger Schlafbedarf als mein Schatz hab und weil mir die Morgenstimmung auch sehr gefällt: Es ist kühl, die fliegenden Plagegeister schlafen noch, überm Fluss liegt oft der Morgennebel:
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Bis zur Abfahrt dauerts aber naturgemäß noch ein Weilchen. Es wird gemütlich gefrühstückt, irgendwo noch eine Grube gegraben und dann ist wieder alles abzubauen und sorgfältig im Boot fest zu verzurren. Man weiß ja nie, der Flussteufel schläft nicht immer.
Einmal haben wir die Fuhre ja schon umgeschmissen, auf der Gail in Kärnten. Aber das war schon ein anderes Wässerchen, nicht vergleichbar mit den trägen Flüssen hier. Wir haben damals jedenfalls nichts verloren, auch die Schlafsäcke sind trocken geblieben.
Es soll am Tungir auch irgendwo eine „Stromschnelle“ geben, laut Wikipedia "„порог Мадьярский Перекат"“ und auch Karin Haß schreibt, dass es einen ihrer Begleiter dort umgehaut hat. Wir haben jedenfalls nichts davon bemerkt. Hin und wieder sind ein paar Steine, wo man es schon von weitem Rauschen hört und ein wenig weiß sieht, es war aber alles harmlos. Die Mur durch Graz ist dagegen extremes Wildwasser.
Wir sind abfahrbereit, es scheint ein wunderschöner Tag zu werden:
P1020850.JPG
Nachdem wir nicht wissen, was uns wettermäßig im Lauf unserer Tour noch erwarten wird, wollen wir an den schönen Tagen jedenfalls 40km fahren, 20km am Vormittag und 20km am Nachmittag. Ich hab auf meiner Kartensoftware QuoVadis die ganze Tour mit 10km-Markierungen markiert und auf meinem GPS eine russische Generalstabskarte 1:500000 drauf. Zusätzlich wurden für die ganze Strecke Satellitenbilder ausgedruckt, ebenfalls mit den Wegpunkten versehen. Das sind etwa 15 doppelseitige A4-Blätter, wasserdicht laminiert. Mein Schatz hat die aktuelle Karte immer im Bug und schaut gerne drauf, wo wir gerade sind und wo die nächsten vielversprechenden Schotterbänke für ein Mittags- oder Übernachtungscamp sind. Das hat wirklich super funktioniert, bei vielen Inseln hat das auch die Entscheidung erleichtert, wo wir weiterfahren. Oft ists egal, wo man fährt, oft ists klar (wenn in einem Arm entscheidend mehr Wasser fließt), aber manchmal kann man sich einen Kilometer sparen, wenn man die kürzere Route wählt.
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Ganz super hat übrigens das PV-Panel funktioniert: Damit hab ich immer alles aufladen können, das GPS, die Kameras, unsere beiden E-Book-Reader, mein Handy (als Hörbuch- und Podcast-Player, Empfang gibt’s dort natürlich keinen): Man kann damit 2 Geräte gleichzeitig über USB laden und nur ausnahmsweise hab ichs am Boot gemacht, meist reichten dafür die Mittagspausen.
Wir hatten an den Schönwettertagen recht hohe Temperaturen an die 30 Grad, da wurden auch öfters Badepausen eingelegt,
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Körperpflege war also kein Problem und zwischendurch einmal ein paar Wäschestücke waschen auch nicht, es war im Nu wieder alles trocken.
Zu Mittag Schatten zu finden war aber nicht immer ganz einfach: Da gabs mehrere Möglichkeiten, manchmal fanden wir eine Schotterbank, wo der anschließende Wald noch Überschwemmungszone mit Sanndflächen bildete, oder wir benutzten Lagerplätze oder Jagdhütten der einheimischen Jäger. Immer hat das natürlich nicht funktioniert und dann mussten wir uns den Schatten selbst bauen, mit unserem Tarp. Im Zelt wäre es zu Mittag viel zu heiß gewesen, selbst im Schatten. Ein geruhsames Mittagsschläfchen ist für uns beide nur möglich, wenn wir Ruhe vor den Gelsen und Mücken haben und da hat sich das Moskitonetz bestens bewährt, weils da angenehm durchzieht:
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P1020991.JPG
Da sind die Russen halt härter im nehmen, hier ein Jagdcamp, das die Leute offenbar vor kurzem erst für einen Jagdausflug verlassen haben, das Zeug ist noch alles hier und an der Feuerstelle hats noch geraucht:
Russencamp.JPG
Ansonsten haben sie es ja recht vollständig eingerichtet, am Baum hängt ein Spiegelschrank („Allibert“) und in der Hausbar stehen etliche Flaschen, nicht mal alle leer. Es ist aber nicht immer alles Wodka, was da geschluckt wird, häufig kommt billigere Ware zum Einsatz, selbstgebrannte, gepanschte Fusel. Dieser „Sprit“ („Geist“) ist ein noch größeres Problem als Wodka, weil die Toxizität kaum einschätzbar ist.
Immer wieder sehen wir am Flussufer einfache Jagdhütten, sogenannte Isbuschkas. Allen gemeinsam ist, dass sie gleich eingerichtet sind: mit einem einfachen, aber leistungsfähigen Ofen, einem Tisch und 2 Holzpritschen. Sie sind alle unversperrt und werden in erster Linie für die Winterjagd verwendet. Bei bis zu minus 50°C und den kurzen Tagen können mit dem Schneemobil dann weiter entfernte Gebiete aufgesucht werden, für die Pelztierjagd mit Fallen. Wir haben sie für die Nächtigung nur 2-mal benutzt, bei regnerischen Wetter und wenn wir unsere Sachen wieder trocknen mussten. Sonst haben wir die Übernachtung im Zelt vorgezogen, da gibts keine Mäuse drinnen, die mitten in der Nacht irgendwo zu nagen beginnen oder herumhuschen. Aber manchmal eben auch für eine Mittagspause, da es drinnen immer angenehm kühl war. Außerdem war ich immer neugierig und es war für uns auch immer ein willkommener Anlass für eine Paddelpause und die Möglichkeit sich die Füße zu vertreten.
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Recht übel schauts oft mit dem Müll aus, manchmal ist neben der Hütte eine Grube, wo jede Menge Dosen und leere Wodkaflaschen drin liegen, oft ist aber auch die ganze Gegend um die Hütte herum mit Unrat versaut. Wir haben jedenfalls alle unsere Dosen wieder mitgenommen und erst am Bahnhof in Juktali entsorgt. Der meiste Müll ist ohnehin brennbar, den haben wir regelmäßig verbrannt, aus der Asche haben wir dann sogar die Aluminiumfolien der Laminatverpackungen rausgenommen, so sind wir es eben gewohnt.
2-mal hatten die Isbuschkas sogar eine Banja, eine russische Saunahütte, dabei:
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Die Banja wird natürlich auch zum Schwitzen verwendet, wie wir es kennen, ist aber in erster Linie das Badezimmer der Sibirer zur Körperpflege, wo es kein fließendes Wasser gibt (ist in den Dörfern wohl üblich, bei den tiefen Temperaturen im Winter ists mit den Wasserleitungen sicher auch schwierig).
Der Ofen dient zugleich als Herd um einen Wasserkessel fürs Warmwasser zu erwärmen. Man mischt das dann mit einem Schöpfer mit kaltem Wasser in einer Schüssel auf passende Temperatur und schüttet sich das dann über den Körper. Ist man zu zweit, rubbelt man sich dann gegenseitig mit einem recht rauen Schwamm ab, ist ein richtiges Hautpeeling. Das Wasser läuft dann einfach durch die Spalte im Fußboden ab. Die Saunasteine für den Aufguss ums Ofenrohr herum kennen wir ja, aber eine Spezialität gibt’s noch: Das Peitschen der Haut mit einem Büschel aus Birkenreisig: Das soll recht gesund sein, weil es die Hautdurchblutung fördert und zudem ätherische Öle der Birke in die Haut eingebracht werden. Zu zweit kann man da natürlich auch seine SM-Neigungen voll ausleben.
Am Tungir sind wir auch immer wieder mal Einheimischen begegnet, die mit ihren typischen hölzernen Langbooten meist zu zweit oder dritt unterwegs sind. Oft wollten sie mit uns Kontakt aufnehmen und waren dann meist ein wenig enttäuscht, dass wir fast nichts verstanden, was sie auf uns einredeten. Und ich hab ihnen immer nur erzählt, dass wir Touristen aus Österreich sind, dass wir hier 18 Tage auf Tungir und Oljokma unterwegs sind und immer im Zelt schlafen. Was wir sonst noch von ihnen verstanden haben: Sie waren alle überaus freundlich, haben sich aber auch immer wieder lustig über uns gemacht (einer sagte was zu den anderen, und diese grinsten dann alle). Sie haben uns oft bedeutet, dass sie Jagen, dass wir uns vor den Bären in Acht nehmen sollen und in welcher Entfernung die nächste Isbuschka wäre. 1km Entfernungsangabe waren dann zwar gleich einmal 5, aber was zählt das schon in den Weiten der Taiga.
Diese 3 Burschen
RussenWodka.JPG
haben uns recht eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie durstig sind und gerne mit uns einen Wodka trinken würden und Zigaretten rauchen, mit unserem Wodka und unseren Zigaretten, versteht sich. Leider hatten wir weder das eine noch das andere, sondern nur ein paar Kekse, worauf sie aber nicht besonders scharf waren. Auch mit Kaffee hatten sie nichts am Hut. Höflichkeitshalber knabberten 2 von ihnen einen Keks und verabschiedeten sich dann wieder. Es scheint bei den Einheimischen übrigens üblich zu sein, dass man anlegt, wenn man andere Leute sieht. Ist auch verständlich, hier in der Einöde werden so beim Tratsch am Lagerfeuer die Neuigkeiten verbreitet, ganz ohne Handy und Social Media.
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