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Angsthase statt Schneeleopard / Pamir, Aug. 2008

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  • Angsthase statt Schneeleopard / Pamir, Aug. 2008

    Ich war den ganzen August über im Pamir, mit dem DAV Summit Club und Bergführer Stephan Schanderl. Wir waren eine Gruppe von 12 Personen. Ausgeschrieben, gebucht, bezahlt und geplant waren zwei Siebentausender: der 7105 m hohe Pik Korschenevskaia und der 7495 m hohe Pik Kommunismus, heute Pik Somoni genannt. Beide Gipfel stehen in Tadschikistan. Ich kann euch gleich sagen - aus den Siebentausendern wurde für mich nichts.

    Als wir am 1. August im Basislager ankamen (per Helikopter) rumpelte und donnerte es immer wieder von den umliegenden Bergen. Steinschlag. In dieser Intensität und Häufigkeit hatte ich das noch nie erlebt. Bereits am 3. August, für meinen Geschmack eher zu früh, stiegen wir auf der Normalroute des Korschenevskaia bis auf 5100 m, wo man das erste Hochlager erstellen kann (oder aber erst auf 5300 m). Der Weg führte an mehreren Stellen durch steinschlaggefährdete Zonen, was mir und einigen anderen nicht besonders gefiel. In der Ausschreibung war kein Helm verlangt worden, somit hatte auch niemand von uns einen dabei. Wir stellten auf 5100 m ein Zelt auf, deponierten ein paar Sachen und stiegen wieder ins Basislager. Die nächsten beiden Tage litt ich unter etwas Durchfall (wie die meisten anderen), nicht schlimm, aber ich hatte anderswo die Erfahrung gemacht, dass ein ignorierter Durchfall einen den Gipfel kosten kann. Deshalb ging ich am 6. August nicht mit, als die Gruppe zum ersten Mal in einem Hochlager übernachtete. Stattdessen lernte ich nun im Basislager andere Leute kennen, und ich bekam ein paar Horrorgeschichten von Steinschlag am Korschenevskaia zu hören. Sie waren alle gut ausgegangen, aber zusammen mit meinen eigenen Beobachtungen beschloss ich, dieses Risiko nicht eingehen zu wollen und diesen Berg gar nicht zu versuchen.

    Somit hatte ich viel Zeit im Basislager und begann, meine Memoiren zu schreiben, was ich schon lange tun wollte. Die anderen elf schlugen sich nun mit dem Korschenevskaia herum, verbrachten insgesamt neun Nächte am Berg und standen am 20. August auf dem Gipfel, d.h. acht Personen der elf. Passiert ist glücklicherweise nichts. Sie erzählten, dass der Berg schwieriger sei als man es sich nach dem Katalog vorstellen konnte; Blankeis unter dem Neuschnee, immer wieder ausgesetzt, immer anstrengend und nie gemütlich.

    Diese Saison erreichten etwa 50 Personen den Gipfel des Korschenevskaia, und zwei Personen sind spurlos verschwunden, abgestürzt oder in eine Spalte gefallen.

    Am 14. August konnte ich solo den Pik Vorobiev 5685 m besteigen, eine stramme Tagestour vom Basislager aus, eigentlich nicht schwierig, aber wenn man steiles bröseliges Eis mit einem Leichtpickel begehen muss, ist es doch nicht ganz ohne. Zudem wusste ich nicht, wo genau die einfachste Route langgeht, und machte einen grösseren Umweg als nötig. Tolle Aussicht auf die beiden Siebentausender, kein Mensch weit und breit. Ich hatte noch nie einen Fünftausender im Alleingang bestiegen.

    Dann stand immer noch der Pik Somoni auf dem Programm. Die Normalroute führt über den sog. Borodkinpfeiler, den man direkt und steil angehen könnte, was aber niemand tut. Stattdessen nähern sich die Gipfelaspiranten dem Pfeiler über eine Rampe von Osten her, die extrem dem Eisschlag ausgesetzt ist. Mindestens drei riesige Hängegletscher drohen über der Route, und manchmal kann man vom Basislager aus zuschauen, wie grosse Eislawinen hinunterfallen. Für mich war klar, dass ich keinen Fuss in die Rampe setzen würde; ich habe den Grand Combin auch nicht über den Corridor bestiegen, und der ist noch gar nichts im Vergleich zur Borodkin-Rampe. Fünf Personen hatten aber trotzdem Lust auf den Somoni, und Stephan wollte über die Rampe gehen. Die fünf starteten am 24. August, aber als sie in die Nähe der Rampe kamen und die Séracs genauer anschauen konnten, verzichteten sie auf den Versuch einer Besteigung. Dieses Jahr erreichten insgesamt nicht mehr als zwölf Personen den Somoni.

    Schliesslich bestiegen wir (fast) alle am 27. August einen schönen Sechtausender, den Pik der Vier 6230 m (Pik Tschetyrioch); er war schwieriger als erwartet aber lohnend.

    Somit werde ich nicht Schneeleopardin werden (mit diesem Titel darf sich schmücken wer die fünf Siebentausender des Pamir und des Tien-shan bestiegen hat: die Piks Korschenevskaia, Kommunismus (Somoni), Lenin, Khan Tengri und Pik Pobeda). Angsthase ist kein toller Titel, aber ein gewisses Risiko mag ich nicht überschreiten. Vermutlich ist der Korschenevskaia wegen der Ausaperung heutzutage schwieriger und gefährlicher als er vor zwanzig Jahren war.
    Musst
    dein leben erfinden.
    Eine himmelstreppe.
    Tritt
    um tritt.

    Jos Nünlist

  • #2
    AW: Angsthase statt Schneeleopard

    Hi !!

    Ich sag jetzt mal ganz trocken, ich würde lieber in den Bergen sterben als bei der Arbeit, habe es aber trotzdem nicht vor!!

    Lieber einen Schritt zurück als ein Leben lang tot.
    Ich würde mich schon freuen wenn ich einfach in dieser Region wär und mir alles nur von unten anschauen könnte. Klar hattest du das nicht geplant aber was solls.

    Da man ja genug hört von Unfällen von Leuten die auf den Bergen gar nichts zu suchen haben aber auch über Top Bergsteiger - passieren kann immer was.

    Lg Andi

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    • #3
      AW: Angsthase statt Schneeleopard

      Hast du auch Fotos gemacht, stell was rein!!

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      • #4
        AW: Angsthase statt Schneeleopard

        Lieber ein lebender Angsthase als ein toter Schneeleopard. Auch zum Verzichten gehört Mut.
        Besucht mich auf www.paulis-tourenbuch.at

        "Das Beste, was wir auf der Welt tun können, ist Gutes tun, fröhlich sein, und die Spatzen pfeifen lassen." -Don Bosco-

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        • #5
          AW: Angsthase statt Schneeleopard

          Zitat von pauli501 Beitrag anzeigen
          Lieber ein lebender Angsthase als ein toter Schneeleopard. Auch zum Verzichten gehört Mut.
          Dem kann ich mir nur anschliessen -
          Gratuliere Dir !!

          lg Josef

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          • #6
            AW: Angsthase statt Schneeleopard

            Hallo Veronika,
            wenn ich an einem hohen, außeralpinen Berg umkehren muss (zum Glück nicht zu häufig), erlebe ich immer einen Gefühlsmix aus "gut, dass ich so vernünftig bin", "schade um das Geld", "ob es nicht vielleicht doch gegangen wäre?" und "verdammtes Mistding!". Vielleicht war´s bei dir ja auch so. Jedenfalls hat es den Anschein, dass sich bei dir der erste Gedanke weitgehend durchgesetzt hat, prima! Ist das die "Everest-Gelassenheit"? Obwohl, bei so eindeutigen Gefahren ist die Sachlage ja eigentlich recht klar, auch wenn es am "Korsch" ein paar Leute aus deiner Gruppe geschafft haben. War das für diese Leute der erste 7000er? Das würde eventuell eine höhere/ungesunde Risikobereitschaft erklären...

            LG
            Klaas
            Besucht mich auf www.klaaskoehne.de!

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            • #7
              AW: Angsthase statt Schneeleopard

              servus,

              du hast genau das richtige gemacht, nämlich in dich hineinzuhören und das zu tun, was in dieser situation zu tun war. es war sicher überhaupt nicht leicht, aber richtig. und die zwei gipfel, auf denen du gestanden bist, sind sicher mehr als nur ein trostpflaster.

              lg,

              p.b.

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              • #8
                AW: Angsthase statt Schneeleopard

                Hallo Veronika,

                danke für den Bericht - ich weiß das eine "gescheiterte" Expedition nicht sehr befriedigend ist

                http://www.gipfeltreffen.at/showthread.php?t=30303

                aber es ist sehr vorteilhaft wenn man gesund wieder daheim ist

                Liebe Grüße aus Wien
                Christian
                Liebe Grüße
                Christian

                http://www.bergfahrten.at
                http://www.bergfahrten.com

                "Vielleicht ist es riskant, seine Träume zu leben und nicht nur zu träumen." Wanda Rutkiewicz

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                • #9
                  AW: Angsthase statt Schneeleopard

                  für diesen großartigen Bericht, Veronika!

                  Ohne diese Berge selbst zu kennen, kann ich dir - anhand deiner Schilderung - nur zu deiner absolut richtigen Entscheidung gratulieren
                  Bei dem von Klaas trefflich beschriebenen Gefühlsmix zeugt es für mich viel mehr von Größe, zu Verzichten, als russisches Roulette zu spielen und „im Herdentrieb“ mitzugehen
                  lG
                  Martin
                  PS: Sofern deine Memoiren im Buchhandel erhältlich sein werden, werde ich sie umgehend lesen – freu mich schon drauf!
                  Leuchtende Tage - nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen!

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                  • #10
                    AW: Angsthase statt Schneeleopard

                    Auch ich gratuliere Dir Veronika!

                    Danke für Deinen interessanten und nachfühlbaren Bericht!

                    Liebe Grüße
                    Berglerin

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                    • #11
                      AW: Angsthase statt Schneeleopard

                      Echt schade, aber sicher hast du die absolut richtige Entscheidung getroffen. Immerhin hat ja auch der Pik Vier dann noch geklappt, ich denke ein schöner 6000er kann auch einiges entschädigen.

                      Wenn ich das richtig gelesen hast, warst du dann schon auf Khan Tengri und Pik Pobeda. Wann war das? Hättest du Lust, davon mal ein paar Fotos ins Forum zu stellen (sofern sie dir überhaupt in digitalem Format vorliegen...)?

                      Gruß JP

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                      • #12
                        AW: Angsthase statt Schneeleopard

                        Liebe Veronika,

                        1. Respekt für Deine Entscheidung(en)
                        2. Zum Bergsteigen gehört aus meiner Sicht der Mut auf den Gipfel zu verzichten zu können weil es für einen selber nicht sicher aussieht und das "scheitern" an Bergen gehört auch dazu. Damit meine ich das umdrehen können oder eben der Verzicht. Nur das macht m.E. nach letztlich einen kompletten Bergsteiger/Bergsteigerin aus.

                        PS: Schneeleopardin bist doch irgendwie schon lange
                        How many years can a mountain exist,
                        Before it's washed to the sea?
                        Yes, 'n' how many years can some people exist,
                        Before they're allowed to be free?
                        (Bob Dylan)

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                        • #13
                          AW: Angsthase statt Schneeleopard

                          Hallo Veronika

                          Meinen Respekt für deinen klaren Verstand......

                          Ich denke, nicht die erreichten Gipfel zeichnen einen guten Bergsteiger aus, sondern eher seine Erfahrung und sein Mut, in allen Situationen die richtige Entscheidung zu treffen. Auch wenn sie manchmal noch so schmerzhaft sind.

                          Wie sagst du so schon: "Musst dein Leben erfinden. Eine Himmelsleiter. Schritt um Schritt."

                          Gruss Bruno

                          Kommentar


                          • #14
                            AW: Angsthase statt Schneeleopard

                            Ich habe natürlich fotografiert, aber ich glaube, mit dem Einfügen von Bildern klappt es nicht. Da müsste mal jemand bei mir vorbeikommen und mir erklären, wie es geht. Ich verwalte meine Digitalbilder immer noch nicht, lege sie einfach auf dem Computer (ein Mac) ab. Aber ich versuchs mal mit einer Foto vom Borodkinpfeiler; die Rampe ist links und darüber hängen die drei riesigen Séracs:

                            /Users/vm/IMG_1858.JPG

                            Meine Enttäuschung ist nicht gross. Es wäre schön, mal einen Siebentausender zu besteigen, aber ich kann auch ohne leben. Den Everest kann ich ohnehin nicht toppen. In unserer Gruppe hatte es Leute, für die der Korschenevskaia einen neuen Höhenrekord bedeutete, aber auch solche mit erfolgreicher Achttausendererfahrung. Ich hatte allerdings nicht allen meine Bedenken erläutert sondern einfach dem Führer gesagt, dass ich es als zu gefährlich erachte und nicht mitkommen würde. Ein Kamerad sagte mir nachher, dass er das erst mal als Ausrede betrachtet habe. Dann stürzte aber beim Aufstieg ins erste Lager einmal ein grosser Block etwa 30 cm neben seinem Kopf vorbei, da war ihm dann auch klar, was ich gemeint hatte.

                            Beim Pik Somoni (Kommunismus) war mir der Fall ziemlich schnell klar. Ein paarmal Hingucken und ich wusste, dass ich nie und nimmer über die Rampe aufsteigen würde. Das war eigentlich gar kein Entscheid, jedenfalls musste ich nicht darüber nachdenken. Ich fand es eher komisch, dass es Leute gibt, die da hinauf gehen bzw. es wirklich tun möchten.

                            Ich sehe das Risiko offenbar nicht so wie die Leute, die im Basislager sind. Das kann eine Alterserscheinung sein oder aber eine Erfahrungssache. Bei den Skitouren habe ich gemerkt, dass ich umkehren muss, sollte ich ein schlechtes Gefühl haben. Es ist mir nie etwas passiert, aber ich sah einige Schneebretter, und die kamen NIE unerwartet!! Das heisst, wenn ich den Eindruck habe, da könnte etwas abgehen, dann MUSS ich umkehren oder eine andere Route wählen. Daraus lernte ich, dass ich auf mein Gefühl achten muss, und das gilt halt auch im Sommer und in Bezug auf Steinschlag.

                            Im Tien-Shan war ich noch nie, ich wäre also nicht so schnell Schneeleopardin geworden. Aber nachdem mir das jemand vom Forum prophezeit hatte und ich im Pamir angekommen war, dachte ich, wieso sollte ich mir nicht dieses Ziel setzen? Es könnte realistisch sein; wenn ich nun diese beiden Gipfel schaffen würde, könnte ich doch nächstes Jahr zum Pik Lenin gehen und dann in den Tien-Shan. Wird wohl nichts daraus.

                            Vielleicht kann ich Kari Kobler überreden, bei den beiden K's eine andere Route als die normale anzubieten; er will beide Gipfel im nächsten Katalog anbieten. Jedenfalls versuche ich, ihm die Normalrouten auszureden.
                            Musst
                            dein leben erfinden.
                            Eine himmelstreppe.
                            Tritt
                            um tritt.

                            Jos Nünlist

                            Kommentar


                            • #15
                              AW: Angsthase statt Schneeleopard

                              mmh leider ist Dein Bild nicht mitgekommen. Du musst den Dialog unten verwenden. Klick auf Anhänge verwalten. Ein Fensterchen öffnet sich, auf Durchsuchen klicken, ein weiteres Fensterchen öffnet sich, auf das Verz. Navigiern wo die Bilder sind (Steht ja in Deinem Pfad) und wieder klicken. Und auf hochladen klicken. Fertig
                              How many years can a mountain exist,
                              Before it's washed to the sea?
                              Yes, 'n' how many years can some people exist,
                              Before they're allowed to be free?
                              (Bob Dylan)

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