3 Wochen waren wir insgesamt in Alaska, dem flächenmäßig größten Bundesstaat der USA. Alaska ist beinahe so groß wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zusammen, dabei leben hier nur etwa 700 000 Einwohner und davon wiederum fast die Hälfte in Anchorage.
Naturgemäß haben wir nur einen winzig kleinen Teil gesehen, es war auch nicht unser Ziel, viel auf Achse zu sein, sondern ein wenig in die unberührte Natur einzutauchen, die man in dieser Form und Weitläufigkeit bei uns nicht findet. Der Katmai Nationalpark ist nur mit dem Wasserflugzeug (oder mit dem Schiff) erreichbar, es gibt dort keinen Handyempfang, dafür dürfen dort etwa 2200 Bären unbehelligt leben.
Die Anreise erfolgt mit Condor-Direktflug von Frankfurt nach Anchorage, von dort geht es mit der Regionallinie Pen-Air nach King Salmon. Die Pen-Air-Flugzeuge sind Saab 340, 2-motorige Turboprops mit etwa 30 Sitzplätzen. Machen einen recht rustikalen Eindruck, diese Flieger, als erstes werden gleich Ohrstöpsel verteilt, weils in der Kiste so laut ist. Aber der Flug dauert eh nur eine Stunde. Das erste Mal kehren wir wegen technischer Probleme um und landen nochmals in Anchorage, aber das zweite Mal klappts.
King Salmon ist der nächste Ort zum Katmai-Nationalpark, gelegen am Naknek-Fluss, der nach etwa 25km in den Pazifik mündet. Etwa 400 Einwohner leben hier nur, dafür hat es einen Flughafen mit einer riesigen Rollbahn. Die USA errichteten hier zu Beginn des 2. Weltkriegs einen Luftwaffenstützpunkt, wie auch der Alaska Highway Teil der militärischen Sicherung Alaskas gegen einen befürchteten japanischen Angriff.
King Salmon ist ein kleiner Ort, wir machen uns gleich zu Fuß auf um uns nach einer Nächtigungsmöglichkeit umzusehen. Es gibt einige sündteure Lodges, die aber alle irgendwo in der Einöde sind, und zu denen die anderen Mitreisenden abgeholt werden.
Wir aber wollen hier ja nur eine Nacht verbringen, bevor wir uns in den Nationalpark aufmachen werden und deswegen hatte ich mir gedacht, schauen wir vor Ort ob wir vielleicht überhaupt nur unser Zelt irgendwo aufstellen, Gegend gibt’s ja hier genug. Keine 100m entfernt ist ein hölzernes Motel, das King Ko Inn.
Wir sehen aber gleich, dass es dauerhaft geschlossen hat, offenbar pleite gegangen. Im Umfeld gibt’s aber genug Wiesen- und Buschgelände mit Sichtschutz von allen Seiten, sodass wir uns hier nach einem Zeltplatz umschauen wollen. Mein Schatz entdeckt aber eine offene Zimmertür, da ziehen wir gleich kurz entschlossen ein.
Bett, Tisch, Sessel, solchen Luxus werden wir in der nächsten Zeit nicht mehr haben.
Am Abend gehen wir noch in eine nahegelegene Bar, das einzige Gebäude in der Umgebung, wo Licht brennt. Wir werden gleich auf ein Bier eingeladen und mein Schatz auf ein Tänzchen. Eine recht lustige Truppe ist das hier, ich will auch eine Runde schmeißen, aber die anderen sind immer schneller und ich krieg bald Angst, dass wir hier abstürzen.
Außerdem ist unser Tag schon etwas lang, zu Hause mussten wir um 5 Uhr los für den Frühflug in Graz und mit den 10 Stunden Zeitverschiebung sind wir jetzt schon mehr als 24 Stunden unterwegs.
Am nächsten Tag schauen wir mal 50m weiter zum einzigen Grocery Store im Ort, wo wir uns dann für unseren Aufenthalt im Katmai Nationalpark mit den notwendigen Lebensmitteln und auch anderem Zeugs eindecken müssen. Wäre blöd, irgendwas auf unserer Tour nicht dabeizuhaben, oft sinds ja Kleinigkeiten, wo es für uns zivilisationsverwöhnte Warmduscher schon wichtig ist, dass mans hat wenn mans braucht: Moskitospray beispielsweise oder Hygieneartikel. Alkoholische Getränke gibt’s hier übrigens nicht, den Whiskey für einen wärmenden Tee müssen wir eine Tür weiter besorgen. Ist ganz lustig: Der Mann an der Supermarktkasse, bei dem wir gerade das vollbeladene Einkaufswagerl bezahlt haben, ist jetzt im Liquor Store. Bevor wir den Jack Daniels mitbekommen müssen wir aber uns beide (!) ausweisen und es werden die Reisepassdaten notiert.
Das Nationalparkbüro direkt am Flughafen hatte gestern abend schon geschlossen gehabt, da schauen wir jetzt auch rein. Die Dame hier ist extrem nett und sehr um uns bemüht. Von ihr kriegen wir wichtige Informationen, dass wir im Park die passenden Gaskartuschen bekommen werden, dass es am Fluss unten etliche Flugunternehmen gibt, die uns in den Park fliegen werden und dass sie uns bärensichere Behälter für die Lebensmittel empfiehlt, für unsere Weithalstonnen würde sie die Bärensicherheit nicht garantieren. Wir nehmen dann 2 Stück von ihr mit, der Verleih ist kostenlos. Unsere Lebensmittel und die Toilettartikel werden wir dann auf die Weithalstonnen und die Bärenbehälter aufteilen, so tun wir uns leichter, das gerade gesuchte Zeug zu finden und haben auch die Sicherheit, dass uns noch was vorhanden bleibt, wenn die Weithalstonnen wirklich verloren gehen sollten. Die Bärenbehälter sind tatsächlich sehr stabil und haben vor allem eine vollkommen glatte Oberfläche ohne eine einzige Kante, wo ein Bär mit Gebiss und Krallen ansetzen könnte. Den Deckel kann man nur öffnen unter Zuhilfenahme einer Münze, damit ist klar geregelt, wer in der Wildnis Zugang zum Inhalt haben wird. Der Nachteil der Konstruktion ist, dass die Behälter keinerlei Befestigungsmöglichkeiten aufweisen, sie sind zudem leicht konisch, dass man nicht mal einen Gepäckspanngurt dran festklemmen kann. Außerdem ist der Verschlussdeckel nicht wasserdicht.
Ich denke ja nach wie vor, dass die Weithalstonnen recht gut geeignet fürs Bear Country sind, sie sind mit der O-Ring-Dichtung im Deckel absolut luft- und damit geruchsdicht, das scheint mir ein wesentlicher Sicherheitsaspekt zu sein.
Wir waren vormittags auch zu Fuß am Fluss unten und haben für Nachmittag einen Flug mit dem Wasserflugzeug gebucht. Unser Taxi ist eine einmotorige Otter und etwas größer als die anderen Buschflieger, die wir vor Anker sehen. Mit uns fliegt nur ein weiterer Passagier, aber es kommt jede Menge Fracht rein. Auch wir haben einiges an Übergepäck: Frei sind pro Person 50 Pfund, also ca. 23kg. Es wird dabei aber alles mitgewogen, auch unsere Rucksäcke, die wir bei den Flügen sonst immer als Handgepäck mitnehmen und deshalb zusätzliches Freigewicht darstellen.
Pro Pfund Übergewicht sind 60 Cent zu berappen, da kommt für uns schon etwas zusammen. Wir haben ja auch unser Faltkanu mit und Lebensmittel für 2 Wochen.
Auch wir selbst werden abgewogen, aber das dient nur zur Ermittlung des Fluggewichts für den Piloten.
Im Flieger hängt ein Zettel, der über die bewegte Vergangenheit der Otter, ein kanadisches Produkt, Auskunft gibt:
Die Maschine ist schon etwas betagt, aber ich mach mir da keine Sorgen, exakt dasselbe Baujahr wie ich, und ich fühle mich mit meinen 53 ja auch noch ganz gut in Schuss.
Ursprünglich war sie im UNO-Einsatz in Afrika, als Buschflugzeug im Kongo und im Yemen. Später dann im UNO-Einsatz in Ägypten während der israelisch-arabischen Auseinandersetzungen in den 60er Jahren. Anschließend kaufte Saudiarabien den Flieger, der dort Dienste zum Erschließung von Ölfeldern leistete.
Seit 1990 ist die Otter in Alaska und bedient überwiegend die abgelegenen Lodges im Katmai-Nationalpark. Der Motor ist natürlich schon lange nicht mehr der ursprüngliche Sternmotor mit etwa 600PS, sondern ist nun ein modernes Turboprop-Aggregat mit 900 PS. Das unterscheidet mich jetzt schon wesentlich von der Maschine, meine Organe sind immer noch original.
Der Flug ins Brooks Camp am Naknek Lake dauert weniger als eine halbe Stunde und wir bekommen einen schönen Eindruck über die Gegend, die von unzähligen kleineren und größeren Seen geprägt ist.
Ankunft im Brooks Camp:
Das Brooks Camp ist Eigentum der Nationalparkverwaltung, wird aber von einem privaten Pächter betrieben. Es besteht aus einer Lodge mit Restaurantbetrieb, etlichen Holzhütten für die Unterbringung der Gäste und einem Campingplatz. Es ist auch ein großer Stützpunkt der Nationalpark-Ranger hier, es sind hier sicherlich ein Dutzend Parkranger, die hier Dienst machen und laufend die Bärenaktivitäten im Umfeld des Camps im Auge behalten. Davon scheinen mir mehr als die Hälfte junge Mädels zu sein.
Das Brooks Camp ist vor allem für 2 Dinge berühmt: Die Bären und die Lachse. Erstere kann man hier besonders leicht beobachten und zweitere besonders erfolgreich angeln. Es wird „guided fishing“ angeboten, mit dem Motorboot oder mit dem Wasserflugzeug werden auch entlegenere Seen und Flüsse aufgesucht. Auf unserer 9-tägigen Kanutour haben wir allerdings nur am zweiten Tag in weiter Ferne ein Motorboot gesehen, der Park ist ja doch unheimlich groß.
Das erste, was wir nach der Ankunft machen müssen, ist gleich eine Unterweisung ins bärengerechte Verhalten zu besuchen. Im Katmai Park leben etwa 2200 Braunbären und im Juli tummeln sich bis zu einem Dutzend Bären in den nahgelegenen Brooks Falls um dort Lachse zu fangen. Die Bären, die hier leben sind eigentlich ausschließlich Braunbären und es hat sich eingebürgert, sie als Grizzly zu bezeichnen. Die korrektere Einteilung ist allerdings, dass Grizzlys eine Unterart der Braunbären sind und nur dort als Grizzlys bezeichnet werden, wo sie keinen Zugang zu Meeresfisch haben. Das trifft auf Gebiete wie die Rocky Mountains zu, wo zum Beispiel auch im Yellowstone NP etwa 1100 leben. Dort sind sie allerdings einiges kleiner als die Katmai-Braunbären die hier ein viel besseres Nahrungsangebot vorfinden.
Der August ist eigentlich schon etwas in der Nachsaison des Lachszugs und auch der Touristenansturm ist schon viel geringer.
Die Wahl des August für unseren Aufenthalt hat uns dabei aber alles sehr viel leichter gemacht: alles ist kurzfristig ohne Reservierung verfügbar: Die Flüge, der Campingplatz, der Ausflug ins Valley of Ten Thousand Smokes.
Der Campingplatz ist mit einem massiven Elektrozaun umgeben:
Innerhalb ist eine Hütte, in der man das ganze Gepäck und die Lebensmittel einsperren muss. Die Ranger streifen die ganze Zeit umher und machen sofort darauf aufmerksam, wenn sie irgendwo einen Rucksack stehen sehen, so wie mans sonst vom Flughafen kennt.
Das werden wir die nächsten Tage alles nicht haben, kein Elektrozaun, keine Holzhütte fürs Gepäck. Elektrozaun fürs Campieren ist gar nicht so abwegig, wird teilweise auch verwendet, im Web findet man da massig Infos dazu. Um etwa 400 Dollar bekommt man so ein portables Set mit Batteriebetrieb und die professionellen Tour-Operator werben damit, dass sie das zur Verfügung stellen.
Ich persönlich finde aber, da sollte man nicht zu ängstlich sein, wenn man hier eine Tour macht, sonst leidet der Spaß darunter. Wir haben auch kein Satellitentelefon dabei. Man muss halt ein bissel besser aufpassen und sich bewusst sein, dass wenn man sich beispielsweise beim Brennholz richten in den Finger hackt, nicht gleich ins UKH fahren kann, so wie man das zu Hause machen würde. Ein Leben ganz ohne Risiko geht nicht, auch wenn sich das manche mit ihrer Vollkaskomentalität einreden wollen. Meine höchsten persönlichen Risken sind sicher der Straßenverkehr, wenn ich mit dem Rennradl oder auch mit dem Auto unterwegs bin. Und niemand ist vor einer überraschenden schweren Erkrankung gefeit, gestorben wird in unserer Gesellschaft hauptsächlich im Krankenbett unter der Obhut von Ärzten und nicht in der Natur. Da triftet das persönliche Risikoempfinden und die Realität bei vielen Leuten arg auseinander.
Bevor wir uns aber aufmachen, wollen wir noch einen Tag und eine Nacht im Camp bleiben, uns drängt ja nichts. Einziger Fixpunkt ist der Heimflug in 3 Wochen, sonst hab ich nix reserviert, was unsere Planung einschränken würde.
Am nächsten Tag spazieren wir rüber zu den Brooks Falls, eine kleine Stufe im Brooks River, der ein Hindernis für die Wanderung der Lachse bei ihrem Zug zu den Laichgründen darstellt. Fast jeder kennt die Bilder von den Bären, die im Fluss warten, bis ihnen ein Fisch ins Maul springt. Nun, die meisten dieser Fotos wurden hier gemacht. Ist ein wenig desillussionierend, wenn man sieht, wie es dort wirklich aussieht. Es gibt dort Holzstege und Aussichtsplattformen, von denen man sehr nah an die Bären herankommt ohne diese zu stören.
Auf dem Hinweg sehen wir schon eine Bärenmama mit 2 Halbwüchsigen, die das Flussufer hinauftrotten:
Eine der beiden Beobachtungsplattformen:
Man sieht auch, dass die Bären ausgezeichnete Schwimmer sind, einer versucht hier sein Glück in der starken Strömung in Flussmitte.
2 Bären sind momentan an den Falls, die Ranger haben uns erzählt, dass jeder Bär seine eigene erfolgreiche Fangstrategie für den Lachsfang hat und wir sehen das nun auch: Einer wartet geduldig bis ihm ein Lachs ins Maul fliegt, ein anderer beobachtet in Ufernähe das Wasser und springt blitzschnell unter Wasser und taucht etwa jedes zweite Mal mit einem Lachs im Maul wieder auf.
Zweiterer ist momentan ungleich erfolgreicher, alle paar Minuten frisst er einen Lachs. Der Nahrungsüberfluss ist hier so groß, dass die guten Fischfänger, die stark genug sein müssen um sich ihren Angelplatz behaupten zu können, nur die besten Teile fressen. Deswegen warten ein paar Meter flussabwärts eine große Anzahl Möwen, die auf die Reste lauern.
Unten am Seeufer sehen wir noch einen Bären, der dort auch erfolgreich beim Lachse fangen ist:
Der knabbert an seinem Lachs wie unsereins an einem Hot Dog.
Die Bären haben hier übrigens klaren Vorrang vor den Touristen: Die Parkranger achten drauf, dass der Abstand zwischen Bär und Mensch an diesem Hotspot gewahrt bleibt und die Bären sich möglichst natürlich verhalten müssen. Das betrifft vor allem die Nahrungsaufnahme: Wenn die Bären niemals die Erfahrung machen, dass im Bereich des Camps in Rucksäcken oder Feuerstellen Nahrung zu finden ist oder stark riechende Seifen oder Duschgels, auf die manche Bären abfahren, gibt’s auch keine Probleme und die Ranger müssen nicht einschreiten mit Vertreibungsaktionen. Die natürliche Scheu dieser großen Tiere vor den Menschen ist hier natürlich etwas verlorengegangen, die Mama marschiert mit ihren Jungen direkt unter dem Steg durch, da würde sie draussen in der Wildnis sicher mehr Abstand halten, wenn sie der Leute gewahr würde.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass uns auf unserem Aufenthalt im Park relativ oft ein Bär gesehen hat ohne dass wir ihn bemerkt haben. Aufgrund der Moskitos haben wir uns abends viel im Zelt aufgehalten zum Lesen und Hörbuch horchen. Da kriegt man gar nicht mit, wenn neugierige Besucher vorbeikommen. Die typischen Bärenspuren haben wir jedenfalls recht häufig gesehen. Wenn man alles richtig macht, ist die Gefahr relativ gering, die Fakten belegen das auch. Es gibt in Kanada und Alaska mehr Zwischenfälle mit Elchen als mit Bären und ich behaupte einmal, dass selbst auf österreichischen Almen mit dem Weidevieh mehr passiert, da ist mir vom vorigen Jahr in Erinnerung, dass es da etliche ungute Kontakte zwischen Mensch und Rind gegeben hat.
Als wir von den Falls wieder ins Camp zurückspazieren wollen, werden wir vor der Brücke über den Brooks River von einem Ranger aufgehalten. Eine alte Bärin hat sich im Brückenbereich für ein Nickerchen hingelegt und da darf jetzt niemand vorbei, das Gesundheitsschläfchen hat Vorrang. Nach etwa 2 Stunden (wir wandern noch einmal zu den Falls zurück) wird der Weg wieder freigegeben, weil die Bärin weitergezogen ist.
Naturgemäß haben wir nur einen winzig kleinen Teil gesehen, es war auch nicht unser Ziel, viel auf Achse zu sein, sondern ein wenig in die unberührte Natur einzutauchen, die man in dieser Form und Weitläufigkeit bei uns nicht findet. Der Katmai Nationalpark ist nur mit dem Wasserflugzeug (oder mit dem Schiff) erreichbar, es gibt dort keinen Handyempfang, dafür dürfen dort etwa 2200 Bären unbehelligt leben.
Die Anreise erfolgt mit Condor-Direktflug von Frankfurt nach Anchorage, von dort geht es mit der Regionallinie Pen-Air nach King Salmon. Die Pen-Air-Flugzeuge sind Saab 340, 2-motorige Turboprops mit etwa 30 Sitzplätzen. Machen einen recht rustikalen Eindruck, diese Flieger, als erstes werden gleich Ohrstöpsel verteilt, weils in der Kiste so laut ist. Aber der Flug dauert eh nur eine Stunde. Das erste Mal kehren wir wegen technischer Probleme um und landen nochmals in Anchorage, aber das zweite Mal klappts.
King Salmon ist der nächste Ort zum Katmai-Nationalpark, gelegen am Naknek-Fluss, der nach etwa 25km in den Pazifik mündet. Etwa 400 Einwohner leben hier nur, dafür hat es einen Flughafen mit einer riesigen Rollbahn. Die USA errichteten hier zu Beginn des 2. Weltkriegs einen Luftwaffenstützpunkt, wie auch der Alaska Highway Teil der militärischen Sicherung Alaskas gegen einen befürchteten japanischen Angriff.
King Salmon ist ein kleiner Ort, wir machen uns gleich zu Fuß auf um uns nach einer Nächtigungsmöglichkeit umzusehen. Es gibt einige sündteure Lodges, die aber alle irgendwo in der Einöde sind, und zu denen die anderen Mitreisenden abgeholt werden.
Wir aber wollen hier ja nur eine Nacht verbringen, bevor wir uns in den Nationalpark aufmachen werden und deswegen hatte ich mir gedacht, schauen wir vor Ort ob wir vielleicht überhaupt nur unser Zelt irgendwo aufstellen, Gegend gibt’s ja hier genug. Keine 100m entfernt ist ein hölzernes Motel, das King Ko Inn.
Wir sehen aber gleich, dass es dauerhaft geschlossen hat, offenbar pleite gegangen. Im Umfeld gibt’s aber genug Wiesen- und Buschgelände mit Sichtschutz von allen Seiten, sodass wir uns hier nach einem Zeltplatz umschauen wollen. Mein Schatz entdeckt aber eine offene Zimmertür, da ziehen wir gleich kurz entschlossen ein.
Bett, Tisch, Sessel, solchen Luxus werden wir in der nächsten Zeit nicht mehr haben.
Am Abend gehen wir noch in eine nahegelegene Bar, das einzige Gebäude in der Umgebung, wo Licht brennt. Wir werden gleich auf ein Bier eingeladen und mein Schatz auf ein Tänzchen. Eine recht lustige Truppe ist das hier, ich will auch eine Runde schmeißen, aber die anderen sind immer schneller und ich krieg bald Angst, dass wir hier abstürzen.
Außerdem ist unser Tag schon etwas lang, zu Hause mussten wir um 5 Uhr los für den Frühflug in Graz und mit den 10 Stunden Zeitverschiebung sind wir jetzt schon mehr als 24 Stunden unterwegs.
Am nächsten Tag schauen wir mal 50m weiter zum einzigen Grocery Store im Ort, wo wir uns dann für unseren Aufenthalt im Katmai Nationalpark mit den notwendigen Lebensmitteln und auch anderem Zeugs eindecken müssen. Wäre blöd, irgendwas auf unserer Tour nicht dabeizuhaben, oft sinds ja Kleinigkeiten, wo es für uns zivilisationsverwöhnte Warmduscher schon wichtig ist, dass mans hat wenn mans braucht: Moskitospray beispielsweise oder Hygieneartikel. Alkoholische Getränke gibt’s hier übrigens nicht, den Whiskey für einen wärmenden Tee müssen wir eine Tür weiter besorgen. Ist ganz lustig: Der Mann an der Supermarktkasse, bei dem wir gerade das vollbeladene Einkaufswagerl bezahlt haben, ist jetzt im Liquor Store. Bevor wir den Jack Daniels mitbekommen müssen wir aber uns beide (!) ausweisen und es werden die Reisepassdaten notiert.
Das Nationalparkbüro direkt am Flughafen hatte gestern abend schon geschlossen gehabt, da schauen wir jetzt auch rein. Die Dame hier ist extrem nett und sehr um uns bemüht. Von ihr kriegen wir wichtige Informationen, dass wir im Park die passenden Gaskartuschen bekommen werden, dass es am Fluss unten etliche Flugunternehmen gibt, die uns in den Park fliegen werden und dass sie uns bärensichere Behälter für die Lebensmittel empfiehlt, für unsere Weithalstonnen würde sie die Bärensicherheit nicht garantieren. Wir nehmen dann 2 Stück von ihr mit, der Verleih ist kostenlos. Unsere Lebensmittel und die Toilettartikel werden wir dann auf die Weithalstonnen und die Bärenbehälter aufteilen, so tun wir uns leichter, das gerade gesuchte Zeug zu finden und haben auch die Sicherheit, dass uns noch was vorhanden bleibt, wenn die Weithalstonnen wirklich verloren gehen sollten. Die Bärenbehälter sind tatsächlich sehr stabil und haben vor allem eine vollkommen glatte Oberfläche ohne eine einzige Kante, wo ein Bär mit Gebiss und Krallen ansetzen könnte. Den Deckel kann man nur öffnen unter Zuhilfenahme einer Münze, damit ist klar geregelt, wer in der Wildnis Zugang zum Inhalt haben wird. Der Nachteil der Konstruktion ist, dass die Behälter keinerlei Befestigungsmöglichkeiten aufweisen, sie sind zudem leicht konisch, dass man nicht mal einen Gepäckspanngurt dran festklemmen kann. Außerdem ist der Verschlussdeckel nicht wasserdicht.
Ich denke ja nach wie vor, dass die Weithalstonnen recht gut geeignet fürs Bear Country sind, sie sind mit der O-Ring-Dichtung im Deckel absolut luft- und damit geruchsdicht, das scheint mir ein wesentlicher Sicherheitsaspekt zu sein.
Wir waren vormittags auch zu Fuß am Fluss unten und haben für Nachmittag einen Flug mit dem Wasserflugzeug gebucht. Unser Taxi ist eine einmotorige Otter und etwas größer als die anderen Buschflieger, die wir vor Anker sehen. Mit uns fliegt nur ein weiterer Passagier, aber es kommt jede Menge Fracht rein. Auch wir haben einiges an Übergepäck: Frei sind pro Person 50 Pfund, also ca. 23kg. Es wird dabei aber alles mitgewogen, auch unsere Rucksäcke, die wir bei den Flügen sonst immer als Handgepäck mitnehmen und deshalb zusätzliches Freigewicht darstellen.
Pro Pfund Übergewicht sind 60 Cent zu berappen, da kommt für uns schon etwas zusammen. Wir haben ja auch unser Faltkanu mit und Lebensmittel für 2 Wochen.
Auch wir selbst werden abgewogen, aber das dient nur zur Ermittlung des Fluggewichts für den Piloten.
Im Flieger hängt ein Zettel, der über die bewegte Vergangenheit der Otter, ein kanadisches Produkt, Auskunft gibt:
Die Maschine ist schon etwas betagt, aber ich mach mir da keine Sorgen, exakt dasselbe Baujahr wie ich, und ich fühle mich mit meinen 53 ja auch noch ganz gut in Schuss.
Ursprünglich war sie im UNO-Einsatz in Afrika, als Buschflugzeug im Kongo und im Yemen. Später dann im UNO-Einsatz in Ägypten während der israelisch-arabischen Auseinandersetzungen in den 60er Jahren. Anschließend kaufte Saudiarabien den Flieger, der dort Dienste zum Erschließung von Ölfeldern leistete.
Seit 1990 ist die Otter in Alaska und bedient überwiegend die abgelegenen Lodges im Katmai-Nationalpark. Der Motor ist natürlich schon lange nicht mehr der ursprüngliche Sternmotor mit etwa 600PS, sondern ist nun ein modernes Turboprop-Aggregat mit 900 PS. Das unterscheidet mich jetzt schon wesentlich von der Maschine, meine Organe sind immer noch original.
Der Flug ins Brooks Camp am Naknek Lake dauert weniger als eine halbe Stunde und wir bekommen einen schönen Eindruck über die Gegend, die von unzähligen kleineren und größeren Seen geprägt ist.
Ankunft im Brooks Camp:
Das Brooks Camp ist Eigentum der Nationalparkverwaltung, wird aber von einem privaten Pächter betrieben. Es besteht aus einer Lodge mit Restaurantbetrieb, etlichen Holzhütten für die Unterbringung der Gäste und einem Campingplatz. Es ist auch ein großer Stützpunkt der Nationalpark-Ranger hier, es sind hier sicherlich ein Dutzend Parkranger, die hier Dienst machen und laufend die Bärenaktivitäten im Umfeld des Camps im Auge behalten. Davon scheinen mir mehr als die Hälfte junge Mädels zu sein.
Das Brooks Camp ist vor allem für 2 Dinge berühmt: Die Bären und die Lachse. Erstere kann man hier besonders leicht beobachten und zweitere besonders erfolgreich angeln. Es wird „guided fishing“ angeboten, mit dem Motorboot oder mit dem Wasserflugzeug werden auch entlegenere Seen und Flüsse aufgesucht. Auf unserer 9-tägigen Kanutour haben wir allerdings nur am zweiten Tag in weiter Ferne ein Motorboot gesehen, der Park ist ja doch unheimlich groß.
Das erste, was wir nach der Ankunft machen müssen, ist gleich eine Unterweisung ins bärengerechte Verhalten zu besuchen. Im Katmai Park leben etwa 2200 Braunbären und im Juli tummeln sich bis zu einem Dutzend Bären in den nahgelegenen Brooks Falls um dort Lachse zu fangen. Die Bären, die hier leben sind eigentlich ausschließlich Braunbären und es hat sich eingebürgert, sie als Grizzly zu bezeichnen. Die korrektere Einteilung ist allerdings, dass Grizzlys eine Unterart der Braunbären sind und nur dort als Grizzlys bezeichnet werden, wo sie keinen Zugang zu Meeresfisch haben. Das trifft auf Gebiete wie die Rocky Mountains zu, wo zum Beispiel auch im Yellowstone NP etwa 1100 leben. Dort sind sie allerdings einiges kleiner als die Katmai-Braunbären die hier ein viel besseres Nahrungsangebot vorfinden.
Der August ist eigentlich schon etwas in der Nachsaison des Lachszugs und auch der Touristenansturm ist schon viel geringer.
Die Wahl des August für unseren Aufenthalt hat uns dabei aber alles sehr viel leichter gemacht: alles ist kurzfristig ohne Reservierung verfügbar: Die Flüge, der Campingplatz, der Ausflug ins Valley of Ten Thousand Smokes.
Der Campingplatz ist mit einem massiven Elektrozaun umgeben:
Innerhalb ist eine Hütte, in der man das ganze Gepäck und die Lebensmittel einsperren muss. Die Ranger streifen die ganze Zeit umher und machen sofort darauf aufmerksam, wenn sie irgendwo einen Rucksack stehen sehen, so wie mans sonst vom Flughafen kennt.
Das werden wir die nächsten Tage alles nicht haben, kein Elektrozaun, keine Holzhütte fürs Gepäck. Elektrozaun fürs Campieren ist gar nicht so abwegig, wird teilweise auch verwendet, im Web findet man da massig Infos dazu. Um etwa 400 Dollar bekommt man so ein portables Set mit Batteriebetrieb und die professionellen Tour-Operator werben damit, dass sie das zur Verfügung stellen.
Ich persönlich finde aber, da sollte man nicht zu ängstlich sein, wenn man hier eine Tour macht, sonst leidet der Spaß darunter. Wir haben auch kein Satellitentelefon dabei. Man muss halt ein bissel besser aufpassen und sich bewusst sein, dass wenn man sich beispielsweise beim Brennholz richten in den Finger hackt, nicht gleich ins UKH fahren kann, so wie man das zu Hause machen würde. Ein Leben ganz ohne Risiko geht nicht, auch wenn sich das manche mit ihrer Vollkaskomentalität einreden wollen. Meine höchsten persönlichen Risken sind sicher der Straßenverkehr, wenn ich mit dem Rennradl oder auch mit dem Auto unterwegs bin. Und niemand ist vor einer überraschenden schweren Erkrankung gefeit, gestorben wird in unserer Gesellschaft hauptsächlich im Krankenbett unter der Obhut von Ärzten und nicht in der Natur. Da triftet das persönliche Risikoempfinden und die Realität bei vielen Leuten arg auseinander.
Bevor wir uns aber aufmachen, wollen wir noch einen Tag und eine Nacht im Camp bleiben, uns drängt ja nichts. Einziger Fixpunkt ist der Heimflug in 3 Wochen, sonst hab ich nix reserviert, was unsere Planung einschränken würde.
Am nächsten Tag spazieren wir rüber zu den Brooks Falls, eine kleine Stufe im Brooks River, der ein Hindernis für die Wanderung der Lachse bei ihrem Zug zu den Laichgründen darstellt. Fast jeder kennt die Bilder von den Bären, die im Fluss warten, bis ihnen ein Fisch ins Maul springt. Nun, die meisten dieser Fotos wurden hier gemacht. Ist ein wenig desillussionierend, wenn man sieht, wie es dort wirklich aussieht. Es gibt dort Holzstege und Aussichtsplattformen, von denen man sehr nah an die Bären herankommt ohne diese zu stören.
Auf dem Hinweg sehen wir schon eine Bärenmama mit 2 Halbwüchsigen, die das Flussufer hinauftrotten:
Eine der beiden Beobachtungsplattformen:
Man sieht auch, dass die Bären ausgezeichnete Schwimmer sind, einer versucht hier sein Glück in der starken Strömung in Flussmitte.
2 Bären sind momentan an den Falls, die Ranger haben uns erzählt, dass jeder Bär seine eigene erfolgreiche Fangstrategie für den Lachsfang hat und wir sehen das nun auch: Einer wartet geduldig bis ihm ein Lachs ins Maul fliegt, ein anderer beobachtet in Ufernähe das Wasser und springt blitzschnell unter Wasser und taucht etwa jedes zweite Mal mit einem Lachs im Maul wieder auf.
Zweiterer ist momentan ungleich erfolgreicher, alle paar Minuten frisst er einen Lachs. Der Nahrungsüberfluss ist hier so groß, dass die guten Fischfänger, die stark genug sein müssen um sich ihren Angelplatz behaupten zu können, nur die besten Teile fressen. Deswegen warten ein paar Meter flussabwärts eine große Anzahl Möwen, die auf die Reste lauern.
Unten am Seeufer sehen wir noch einen Bären, der dort auch erfolgreich beim Lachse fangen ist:
Der knabbert an seinem Lachs wie unsereins an einem Hot Dog.
Die Bären haben hier übrigens klaren Vorrang vor den Touristen: Die Parkranger achten drauf, dass der Abstand zwischen Bär und Mensch an diesem Hotspot gewahrt bleibt und die Bären sich möglichst natürlich verhalten müssen. Das betrifft vor allem die Nahrungsaufnahme: Wenn die Bären niemals die Erfahrung machen, dass im Bereich des Camps in Rucksäcken oder Feuerstellen Nahrung zu finden ist oder stark riechende Seifen oder Duschgels, auf die manche Bären abfahren, gibt’s auch keine Probleme und die Ranger müssen nicht einschreiten mit Vertreibungsaktionen. Die natürliche Scheu dieser großen Tiere vor den Menschen ist hier natürlich etwas verlorengegangen, die Mama marschiert mit ihren Jungen direkt unter dem Steg durch, da würde sie draussen in der Wildnis sicher mehr Abstand halten, wenn sie der Leute gewahr würde.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass uns auf unserem Aufenthalt im Park relativ oft ein Bär gesehen hat ohne dass wir ihn bemerkt haben. Aufgrund der Moskitos haben wir uns abends viel im Zelt aufgehalten zum Lesen und Hörbuch horchen. Da kriegt man gar nicht mit, wenn neugierige Besucher vorbeikommen. Die typischen Bärenspuren haben wir jedenfalls recht häufig gesehen. Wenn man alles richtig macht, ist die Gefahr relativ gering, die Fakten belegen das auch. Es gibt in Kanada und Alaska mehr Zwischenfälle mit Elchen als mit Bären und ich behaupte einmal, dass selbst auf österreichischen Almen mit dem Weidevieh mehr passiert, da ist mir vom vorigen Jahr in Erinnerung, dass es da etliche ungute Kontakte zwischen Mensch und Rind gegeben hat.
Als wir von den Falls wieder ins Camp zurückspazieren wollen, werden wir vor der Brücke über den Brooks River von einem Ranger aufgehalten. Eine alte Bärin hat sich im Brückenbereich für ein Nickerchen hingelegt und da darf jetzt niemand vorbei, das Gesundheitsschläfchen hat Vorrang. Nach etwa 2 Stunden (wir wandern noch einmal zu den Falls zurück) wird der Weg wieder freigegeben, weil die Bärin weitergezogen ist.
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