– Die langwierige Erfüllung eines Geburtstagswunsches -
Jedes Mal, wenn ich in eine Wand hinaufschaue, suche ich nach Linien. Linien, auf denen ein Durchstieg gelingen könnte. Linien, die interessante und schöne Kletterei versprechen. Linien zum Träumen.
Wie oft bin ich schon unter der Stangenwand gestanden und habe Linien in die Wände geträumt…
Was gibt es da für einen größeren Wunsch, als einmal eine derartige Linie Wirklichkeit werden zu lassen? Noch dazu, wenn ein runder Geburtstag immer näher rückt… Der Wunsch wird zum Plan. Und den Nixtuer brauche ich sowieso nicht lange zu einem derartigen Abenteuer überreden.
Es wird gemeinsam überlegt und hin und her geschrieben:
"…die südwest hab ich mir vorhin im av-führer angeschaut die müsstma sowieso gehen um in 'deine' linie zu schauen. bin ja gespannt ob die was werden kann, weil alles was dort bis zum oberen sechser logisch is sinds damals eh grallt...naja man wird sehen.
zur not musst dir fürn 50er eben an gmütlicheren gupf als die stangenwand aussuchen"
"ICH WILL ABER NICHT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
Die Zeit vergeht. Das Wetter bleibt schlecht. Die Stimmung ist gereizt…
"bevorstehender amoklauf!
mir kommt vor dass ich von tag zu tag immer grantiger werde...
...da muss man doch was dagegen tun können?
ich glaube auch schon zu wissen was da helfen könnte. :-)
sobald du vom urlaub zurück bist wird der alpinrucksack gepackt! egal welches wetter angesagt ist! der materialtransport kann auch bei regen stattfinden, umso besser gehts uns dann wenn das wetter mal passt. eventuell kann man ja nach dem transport trotzdem die ersten 3-4 längen gehen (der beginn ist ja eh was vom alten weg, also ohne bms?), mal sehen.
was sollte denn in so einem gelben sackerl alles drinnen sein?
50 bolts
1-2 bohrer
1-2 schraubenschlüsseln
1-2 seilstücke
1-2 alte (rückzugs)karabiner
…"
Der Materialtransport findet zwei Wochen später statt. Der Sack ist nicht gelb, sondern blau. Der Inhalt ist ein anderer. Aber egal. Im Anschluss geht sich an einem benachbarten Berg sogar noch eine ganze Klettertour aus.
Und da laufen wir prompt dem Gebietskenner in die Arme… Aus ist's mit der Geheimhaltung… Der Gebietskenner muss tief Luft holen, als er von der geplanten Linie erfährt. Und dass da 2 dahergelaufene Stadtkinder in sein Reich eindringen… Aber letztendlich macht er noch ein paar gute Vorschläge zur geplanten Linie.
Eine Woche später geht es dann endlich los.
"Ich hab' einen Albtraum gehabt: Wir haben nur 2 bolts gesetzt und dann nur gejausnet…"
"Mir ist saukalt!!!" – "Ja. Sorry, dass ich für die Seillänge gar so lang gebraucht hab'." – "Waren eh' nur ein bisserl mehr als eineinhalb Stunden…"
"erbitte… fortschrittsbericht von der stangenwand. danke!"
"Zwei seillängen sind fertig. Je ca 35 meter mit je 4 zwischensicherungen. Saucool aber scho zaach..."
"Der Fels ist mit Ausnahme von ein paar Bruchpassagen recht gut. War schon spannend, sich da im Vorstieg einen Weg hinaufzusuchen."
"gratuliere! passts ma schoen auf. das is schon die koenigsklasse in der ihr euch bewegts. im zweifelsfall ein bolt zuviel als einer zuwenig."
"Ja ich war am Freitag oben. Die Neugier in Kombination mit der aktuellen Wetterprognose hat gewonnen… Von weitem sieht man die Steinmehlstreifen. Ja eure Arbeit sieht schon gut aus und es freut mich dass ihr euch das antut. Diese Wand wird keine leichte sein, diese Wand wird lange und schwer "
"Aber zuerst…muss ich wieder auf die Beine kommen. Das ist gar nicht sooo leicht… Jedenfalls habe ich heute als Ersatzprogramm fürs Gebirge den Luftbläschen zugeschaut, wie sie in der Infusionsflasche ihren Weg nach oben gemacht haben. Eh' spannend, eigentlich…Nächsten Montag bin ich fit!!!!
Und außerdem hab' ich soeben eine Großpackung Schmerzmittel aus der Apotheke geholt."
"Wo ist die Wand?!?!?!?"
"Die Ausbeute des heutigen Tages: 2 Normalhaken geschlagen und am Wandfuß gejausnet…"
"Schau', die Maus war weiter aktiv! Deine Hammerschnur ist fast ganz durchgenagt. Und die Exen und Seilstücke stinken alle nach Mäusepisse…"
"Wir haben heute den Mond erreicht!"
Winterpause. Eigentlich waren wir so gut in Fahrt. Aber wir haben ja noch genug Zeit…
Der Winter will nicht so richtig in Schwung kommen. Immer wieder schweifen die Gedanken zurück. Das deponierte Material wird jetzt wohl in einem Eisblock eingefroren sein?
Die Zeit vergeht. Der Schnee kommt doch noch. Die Schier dürfen sich auch über den einen oder anderen Einsatz freuen. Und allmählich klingt der Winter mit ein paar wunderschönen Schitouren aus. Die Gedanken sind aber schon wieder beim Klettern. Die Kletterform entwickelt sich vielversprechend. Und auch das weitere Material liegt schon für den Transport auf den Berg bereit.
Doch es kommt alles ganz anders…
Du entgehst Deinem Schicksal nicht.
Du hast nichts falsch gemacht.
Du wirst nicht gefragt.
Und trotzdem ist von einer Zehntelsekunde auf die andere in Deinem Leben alles anders.
Oder es ist überhaupt vorbei.
Gottseidank, das Leben geht weiter.
Nicht mehr so unbeschwert und leicht wie bisher, aber es geht.
Die Prioritäten sind nun halt gänzlich andere.
Und was die Bedeutung von "Geduld" und "Demut" ist, das wird Dir jeden Tag aufs Neue bewusst.
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Nach knapp 3 Monaten absoluter Pause ("Geben Sie dem Bröselhaufen noch Zeit zum Verheilen…") dann wieder ein zaghaftes Herantasten ans Gehen mit zwei Beinen. Zuerst mit Krücken, dann mit Stöcken. Auf ebenen Wegen, dann zunehmend auch im Gelände. Erste Schritte im Fels. Wieder am Seil. Zuerst nur im Nachstieg, dann auch vermehrt vorne. Und wieder: Geduld…
"Was? Du kletterst schon wieder???" – "Hallo, ich lebe!!! Ich bin nicht gestorben!"
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Mühsam und alles andere als stetig ist der Weg zurück. Und länger als erhofft.
Viel länger… Manchmal kommt es einem so vor, als ob es nur Umwege wären. Ohne irgendein realistisches Ziel.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Zum Geburtstag (ja, der runde…) schenkt mir der Nixtuer ein antiquarisches Buch. Eine Stelle ist eingemerkt:
"Die Stangenwand hat die Gestalt einer Burg. Einer mittelalterlichen Burg mit Zinnen und Bergfried, mit Vorwerken, Söllern und Terrassen. Zwei Felssporne im Rauchtal sind die Zugbrücken, die heranführen an die wehrhaften Mauern. Die Stangenwand liegt hoch über dem Tal, weitab von den Wegen, verwunschen und verwittert. […] Die Stangenwand ist die Gralsburg des Hochschwab. In ihrem Reiche suchen die Ritter der Berge nach ihrem Gral." (aus: Liselotte Buchenauer: "Hochschwab", Leykam-Verlag, 2. Auflage 1974)
Ja, in den Träumen kann ich sie sehen, die Stangenwand. Und spüren, wie sich die Griffe anfühlen. Und wie das Gefühl ist, dort aus der Wand hinunter zu schauen zum Einstieg. Zu unserem Einstieg.
Wieder ist es Winter geworden.
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Der runde Geburtstag ist vorüber, ein neues Jahr hat begonnen. Der Sommer hat sich breit gemacht. Es geht weiter.
Endlich!!!
Mondkante…
"Ja, 2er ist das keiner mehr. Das geht schon als 2+ durch…"
Waren wir in diesem Jahr bisher mit stabilem Schönwetter nicht übermäßig gesegnet, so zeigt der Spätsommer doch noch, was er kann!
"Mist, da geht's nicht weiter! Zu schwer…!" "Na dann komm' wieder runter und wir probieren's links."
"Mist, da geht's nicht weiter! Sauschwer und lauter lockere Blöcke liegen herum!" "Na dann komm' wieder runter und wir probieren's links..."
"Großes Kino hier heroben!!!"
"Ich kann Dir gar net sagen, wie mir die dauernde Abseilerei auf die Nerven geht…!"
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