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23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

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  • 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

    Hallo,

    viele werden sich dieser Tage fragen, ob die polnischen und russischen Meteorologen Recht behalten werden, indem sie vor ein paar Wochen einen (neuerlichen) Kaltwinter propheizeit haben.

    Im Grunde kann man dies nur mit ''jein'' beantworten.

    Es gibt ein paar ''globale Spieler'' wie den Sonnenfleckenzyklus oder El Nino/La Nina, die als Indikatoren für die Winter auf der Nordhalbkugel genommen werden. Derzeit steuern wir auf ein La-Nina-Ereignis zu,d.h. die Passatwinde auf dem Pazifik verstärken sich, dadurch wird an der Wasseroberfläche vor Südamerika ein Sog erzeugt, welcher bewirkt, dass kaltes Tiefenwasser aufsteigt. Dies wiederum begünstigt stabile Atmosphärenschichtungen und summa summarum geringe Niederschlagsaktivität (=> Dürre). La Nina geht auch eine Fernbeziehung mit dem Golfstrom ein (alles ist miteinander verzahnt, daher auch so verdammt schwer vorherzusagen), und beeinflusst indirekt unser großräumiges Wetter.

    Theoretisch spricht LaNina für einen Mildwinter, da die Atlantiktiefgebärmaschine wieder angeworfen wird. Nun hat sich allerdings die Stratosphäre deutlich erwärmt, was den Polarwirbel abgeschwächt hat (dieser lebt von großen vertikalen Temperaturdifferenzen zwischen oberer ('warmer') Troposphäre und unterer ('kalter') Stratosphäre), und das wirkte sich nun in dem verfrühten Hochwintereinbruch aus.

    Lange Rede, kurzer Sinn: die derzeitige Großwetterlage ist für November ungewöhnlich. Ein kurzer Blick zurück in die Archive zeigt, dass eine vergleichbare Druckkonstellation auf der Nordhalbkugel für den 22.11. seit 1948 erst 4x vorkam, nämlich 1959, 1965, 1989 und 1996. Allerdings macht eine Mücke noch keinen Elefanten, will heißen: die Lage kann sehr schnell ins Gegenteil kippen, was sich momentan auch für die Mittelfrist (7-10 Tage) andeutet.

    Zwei Fragen daher gleich im Voraus beantwortet:

    1. Wie wird der Winter?

    Es gibt zwar Monatsprognosen, die im Wesentlichen aussagen, ob es über die Fläche gesehen zu kalt/zu warm bzw. zu trocken/zu nass wird, aber diese ändern sich auch monatlich und können auch daneben liegen.

    Es gibt vage Andeutungen, dass er zu kalt ausfällt, aber das ist bei dem warmen Durchschnitt von 1961-1990 kein Wunder, erst Recht nicht, wenn man mit 1971-2000 noch die Sturmwinter Anfang der 90er mitnimmt (aber auch die kalten Winter 1995/1996 und 1996/1997). Nach den letzten Mildwintern wird jeder Winter subjektiv zu kalt ausfallen.

    Das einzige, was ich feststellen kann, ist ein gestörter Polarwirbel, dessen Pendel in beide Richtungen - sehr kalt (und trocken!) und sehr warm (und feucht!) - ausschlagen kann.

    2. Gibt es weiße Weihnachten?

    Auch da kann man nur die Statistik bemühen. Demnach kommt es in 7 von 10 Fällen zu dem berüchtigten Weihnachtstauwetter und erst zu Silvester stellt sich die Wetterlage dann häufig um. Selbst im vergangenen Jahrzehntwinter (nicht für den Alpenraum, vorwiegend für das restliche Europa) gab es an Weihnachten eine markante Erwärmung von -20 Grad auf +10 Grad in vielen Regionen und der lockere, wassergehaltarme Pulverschnee schmolz wie Butter in der Sonne.

    Auch hier also: wir wissen es nicht. Einen ersten unseriösen Trend kann man maximal 16 Tagen im Voraus abgeben, also dann, wenn das erste Modell bis in diesen Zeitraum rechnet, ein besserer Trend ist 10 Tage im Voraus möglich und einen guten Trend kann man schließlich 5 Tage im Voraus abgeben.

    Das sind beides unbefriedigende Antworten, ich weiß, aber ein Teil meiner Wetterleidenschaft rührt daher, in diesem Metier nicht alles auf ewig im Voraus zu wissen.

    Im Teil 2 dann zur eigentlichen Prognose....
    http://www.wetteran.de

  • #2
    AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

    Großwetterlage

    Wie eingangs erwähnt, ist der Polarwirbel gestört, entsprechend stehen die Druckgebiete auf dem Kopf: Von Grönland bis Island erstreckt sich ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet, während an den Azoren relativ tieferer Luftdruck herrscht. Dieses Zusammenspielt bewirkt eine nachhaltige Blockierung der atlantischen Westdrift, d.h. Tiefdruckgebiete vom Nordatlantik erreichen Europa nicht, das feuchtwarme Gebläse aus Westen ist abgemeldet. Stattdessen hat sich ein umfangreicher Trog über Europa eingenistet, der mit einem Riesenrad über dem zentralen Europa einhergeht. Sprich, das Zentrum ist irgendwo über Deutschland und die Tiefs ziehen an der Peripherie über die Adria, Balkan und Polen hinweg. Am auffälligsten ist momentan ein kräftiges Tief an der polnischen Ostseeküste, dessen herumgeführte Okklusion unseren nordischen Bergfreunden den ersten Schnee beschert hat. In den Nordalpen halten sich die Neuschneemengen in Grenzen, aber den Südalpen hat das Tief auch einen mächtigen Haufen gek...gebracht.

    Vorhersage für Mi-Fr

    Am Mittwoch ziehen von Nordwesten schwache Tiefausläufer durch, die mit viel Feuchtigkeit einhergehen. Entsprechend schneit und regnet es an der Alpennordseite vom Appenzeller Land bis zu den Ennstaler Alpen zeitweise, weiter westlich und östlich bleibt es weitgehend trocken. Die Schneefallgrenze liegt zwischen 500 und 800 m. Südlich des Hauptkamms überwiegt trockenes, zeitweise auch sonniges Wetter, hier weht in den Bergen teils lebhafter Nordwestwind, auch am Alpenostrand frischt er stürmisch auf, auf den exponierten Gipfeln wie Ötscher, Hochschwab und Schneeberg sind Orkanböen möglich, sonst bleibt es bei Sturmböen.

    Am Donnerstag beruhigt sich das Wetter vorübergehend vielerorts, nur in den frz. Alpen und in der Westschweiz sowie entlang vom Schweizer Jura regnet/schneit es noch ein wenig. In den übrigen Regionen lockern die Wolken auf und östlich des Rheins wird wohl überall mal die Sonne rauskommen, inneralpin auch für längere Zeit. Dauerfrost stellt sich nur in höheren Lagen ein, sonst beweist die Sonne nochmals ihre Kraft. Der Wind schwächt sich deutlich ab.

    Für den Freitag ist die Wetterentwicklung weiterhin unsicher, derzeit tendieren die Europäer zu einer Tiefentwicklung über Mittelitalien/Adria, welche auf der Rückseite kalte Luft ansaugt und im Gegenzug in der Höhe feuchtmilde Luft bringt. Die resultierenden Aufgleitniederschläge würden in weiten Teilen Österreichs als Schnee fallen, nur im östlichen Burgenland und Wiener Becken würde es knapp bei Regen bleiben. Größere Neuschneemengen > 50 cm wären bei diesem Ereignis in den Südalpen etwa östlich der Dolomiten über die Karnischen und Julischen sowie slowenischen Alpen bis zur Buckligen Welt zu erwarten. Ich setze hier mal ein Fragezeichen, andere Modelle wie das britische UKMO und das amerikanische GFS sehen das Tief südlicher und entsprechend mit geringeren Auswirkungen auf den Alpenraum, wenngleich auch hier der Südalpenraum noch bedient wäre.

    Zusammengefasst: am Freitag vielfach bewölkt und in den Südalpen allmählich aufkommender Schneefall, aufgrund der möglichen kalten Nacht auf Freitag bis in ganz tiefe Lagen Schnee. Auch in den Nordalpen etwas Schneefall möglich. Östlich der Tauern kaum Schneefall.

    Trend fürs Wochenende:

    Samstag: vorauss. kaum noch Schneefall, am ehesten östlich der Tauernregion; unklar, ob Auflockerungen oder trüb, ob alpennordseitig schwacher Föhn auf den Bergen oder gar kein Föhn. Bis auf zarte Plusgrade an der Donau bleibt es im ganzen Alpenraum bei Dauerfrost, dazu kaum Wind.

    Sonntag: mit einem weiteren Tief Marke Freitag bzw. noch stärker kommt eine weitere Unsicherheit, aus jetziger Sicht in den Südalpen bis zum Alpenostrand erneut aufkommende Schneefälle, wobei unklar ist, ob die Nordalpen auch betroffen sein werden, und wie weit westlich/östlich die Niederschläge ausgreifen, und wie intensiv sie sind.

    Ein Ende der Grenzwetterlagen bzw. Tiefs aus Südwesten ist nicht in Sicht, das Potential dieser Tiefs ähnelt dem (vergebenen) Potential von Tief "Daisy" am 8.Jänner 2010, ziemlich ungewöhnlich, schwierig vorherzusagen und entsprechend wenig Freude allen Wetterdiensten bereitend.

    Gruß,Felix
    http://www.wetteran.de

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    • #3
      AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

      Liest sich ja alles sehr spannend und recht interessant.

      Wieder einmal ein recht herzliches Danke für deine Bemühungen! :
      ----

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      • #4
        AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

        Auch von mir ein herzliches für Deine Bemühungen.
        Ich lese Deine Berichte immer mit grossem Interesse

        lg
        Magda
        Hört auf danach zu fragen,
        was die Zukunft für euch bereit hält,
        und nehmt als Geschenk,
        was immer der Tag mit sich bringt

        (Quintus Horatius Flaccus)

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        • #5
          AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

          Ich schließe mich dem Dank der Vorposter an: Sehr interessant und lehrreich sind besonders die Ausführungen über die großen Zusammenhänge - "gestörter Polarwirbel" und so!

          LG,
          M

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          • #6
            AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

            Auch von mir mal wieder vielen Dank
            Diesmal wird es für mich wieder spannend, wollen wir doch von Samstag bis Montag in den Dolomiten (Corvara) Skifahren gehen.
            Wie sich das Wetter dort verhält, momentan ist die Vorhersage nicht gut....

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            • #7
              AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

              vielen, vielen dank für deine wirklich informativen und obendrein auch noch unterhaltsam geschriebenen wetterberichte !

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              • #8
                AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

                Vielen Dank! In meiner ganzen Schulzeit habe ich nicht so viel Informationen über das Wetter erhalten, wie aus deinen Berichten, obwohl mich das interessiert hätte!

                Und das Tolle: Deine Berichte sind nicht nur informativ, für mich sind sie spannend!
                Liebe Grüße Gerhard



                Zum Sterben zu jung
                Zum Arbeiten zu alt
                Zum Wandern und Reisen top fit

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                • #9
                  AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

                  Interessant deine prognosen warte schon immer auf sie

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                  • #10
                    AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

                    Wie ein Krimi.
                    Gruß Dieter

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                    • #11
                      AW: 23.11.10: Ausblick bis Sonntag, 28.11.

                      Einfach genial deine Prognosen!
                      Für mich als Südalpen-affinen Wintersportler höchst erfreuliche Aussichten!

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